Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht

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IV. Ansätze zur Deregulierung

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Angesichts der wirtschaftlichen Möglichkeiten und des vielschichtigen Regulierungszustandes drängt sich die Frage nach Ansätzen für eine Deregulierung auf.[104] Die dazu vertretenen Positionen reichen von völliger Deregulierung, die den Rundfunk wie die Presse dem freien Spiel der Kräfte in den Grenzen des Wettbewerbs- und Kartellrechts überlasst, über den Abbau von nationalen Überregulierungen zugunsten einer harmonisierten Regulierung auf europäischer Ebene[105] bis hin zu einem Ausbau des vorhandenen Regulierungssystems, das etwa „Internetfernsehangebote“[106] einem speziellen rundfunkrechtlichen Regime unterstellen will.[107] Aus Sicht der am Kulturträger Rundfunk orientierten Medienverfassung fällt es schwer, den Rundfunk nur dem wirtschaftsrechtlich kontrollierten freien Spiel der Kräfte zu überlassen. Denn dem Gestaltungsspielraum des Rundfunkunternehmers, der immer auch Träger eines publizistischen Gutes ist, ist insofern eine verfassungsrechtliche Bürde auferlegt. Mit deren Wegfall müssten – bei Einführung einer rein wettbewerbsrechtlichen Kontrolle – umgekehrt aber auch die verfassungsrechtlichen Privilegien für den Rundfunk entfallen.

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Dennoch ist angesichts der mehrfach festzustellenden und verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässigen[108] Doppelregulierung die an Medienpolitik und Gesetzgeber gerichtete Frage nach einer Deregulierung wichtig. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Regulierung im liberalen Verfassungsstaat auch im Rundfunkrecht kein Selbstzweck ist, sondern dem „freiheitssichernden Regulativ“ des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unterworfen ist.[109] Zu beantworten ist dabei insbesondere, wodurch die besondere ex ante Kontrolle im Rundfunk, im Gegensatz zur Presse nach einem Wegfall der Frequenzknappheit noch gerechtfertigt ist. Der Bedarf für diese besondere Regulierung könnte entfallen, da Vielfaltssicherung wie bei der Presse aus sich heraus ent- und bestehen könnte.[110]

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Das vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Modell des Dualen Rundfunksystems geht zum einen von der technisch bedingten Frequenzknappheit und zum anderen von der Überlegung aus, dass das bewegte Bild wegen seiner Suggestivkraft und den damit verbundenen medialen Gefahren der Manipulation einer stärkeren Kontrolle bedarf.[111] Ob das herkömmliche Rundfunksystem den hier bestehenden Besonderheiten gerecht wird oder als überzogen gelten muss, kann heute nur mit Blick auf die technischen Möglichkeiten des Fernsehens von Morgen beantwortet werden. Hier ist insbesondere der zu erwartende weiter anwachsende Verbreitungsgrad des IP-TV über DSL-Netze in Erwägung zu ziehen. Jedenfalls stehen unter technischen Gesichtspunkten langfristig betrachtet einer Ablösung der traditionellen Verbreitungswege über Terrestrik, Kabel und Satellit sowie über das herkömmliche DSL-Kabel keine Hinderungsgründe entgegen.

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Die Frage nach Deregulierung wird von Medienunternehmen, die nicht im klassischen Sinne Rundfunkveranstalter sind, aber mit den einfachen und weitreichenden Möglichkeiten des Internets bewegte Bilder verbreiten können[112] oder die aufgrund ihrer vertikalen Integration (Technik und Inhalt in einer Hand) die Möglichkeit zum Verbreiten von Inhalten besitzen, mit Nachdruck gestellt.[113] Insgesamt ist es nachvollziehbar, wenn von Medienunternehmen und Rundfunkanstalten,[114] aber auch von Vertretern der Medienpolitik[115] und Aufsichtsorganen[116] Rufe nach einer Neuordnung des Medienrechts laut werden.

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So fordern Rundfunkunternehmen seit langem eine widerspruchsfreie und konsistente Medienregulierung, da nur diese Rechts- und Planungssicherheit schaffe.[117] Diese kann auf der Grundlage des geltenden Systems insbesondere durch Maßnahmen der Verfahrensvereinfachung herbeigeführt werden. Die im Rahmen des 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrages eingeführte Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK)[118] und die neu strukturierte Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK)[119] gehen bereits in diese Richtung. Sie stellen aber keine Ländermedienanstalt dar, die bei entsprechender Ausgestaltung wohl verfassungsrechtlich zulässig wäre[120] und von Teilen der Medienpolitik mehrfach gefordert wurde.[121] Freilich wurde die ZAK von Seiten der Landesmedienanstalten bereits als Einrichtung beschrieben, die diese zu bloßen Vollzugsbehörden degradiert, sofern überlokale und überregionale Aufgaben betroffen sind.[122] Zugleich wird die grundsätzliche Frage aufgeworfen, ob der Föderalismus noch in der Lage ist, vor den Anforderungen der Verfassung im Spannungsfeld von Meinungs- und Rundfunkfreiheit auf der einen Seite und den Anforderungen von Digitalisierung, Privatisierung der Verbreitungswege sowie den Möglichkeiten des Internets auf der anderen Seite, zu bestehen.[123]

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Auf europäischer Ebene steht derzeit die AVMD-Richtlinie 2010/13/EU[124] auf dem Prüfstand.[125] Hier soll nach dem Willen der Kommission zwar eine abgestufte Regulierungsdichte beibehalten werden. Es wird aber versucht, eine weitere Angleichung vorzunehmen und dabei insbesondere die Regulierungslast im linearen Bereich durch eine deutliche Werbeflexibilisierung (insbesondere Zulässigkeit von Single Spots, Lockerung der Unterbrechervorgaben bei Filmen und Nachrichtensendungen, Aufgabe der Stundenbegrenzung zugunsten einer 20 %-Begrenzung zwischen 7:00 – 23:00 h) zu lockern sowie Zusatzauflagen zu vermeiden (u.a. produktspezifische Werbebeschränkungen und -verbote). Abgesehen davon soll der Anwendungsbereich der Richtlinie – insbesondere mit einem verstärkten Einsatz von Verhaltenskodizes/KO-Regulierung – in den Bereichen Jugendschutz und Menschenwürde auf Video-Sharing-Plattformen ausgeweitet werden. Die Vorschläge des Parlaments und des Rates weichen hiervon teilweise ab, insbesondere hinsichtlich der Werbebestimmungen und des Regelungsfeldes. So sollen nach dem Willen des EP neben entsprechenden Jugendschutzstandards auch die Vorgaben aus Art. 9 AVMD-RL der heutigen Fassung (Grundsätze für die Werbung) sowie die Vorgaben zu Sponsoring (Art. 10 AVMD-RL) und Produktplatzierung (Art. 11 AVMD-RL) für Video Sharing Plattformen und UGC gelten.[126] Das Europäische Parlament hat den Kommissionsvorschlag mit Blick auf quantitative Werbung aufgegriffen, möchte den Mitgliedstaaten aber weitere Eingrenzungen anheimstellen. In Rede steht ein Fenster von vier Stunden zur „Primetime“, wobei ein 20 %-Limit in toto gelten soll.[127]

1. Regulierungsziele und Regulierungsinstrumente

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Dass die vorhandenen Regeln zu kurz greifen und der Gesetzgeber prüfen muss, wie hierauf zu reagieren ist, wird nicht bestritten. Es bestehen grob zwei Möglichkeiten. Entweder wird auf die Regulierung eines Bereiches ganz verzichtet oder es erfolgt eine durchgängige Regulierung, bei der die Eingriffsgrenzen über De-Minimis-Regeln oder Ausnahmevorschriften gelockert werden können.[128] Jeder dieser Schritte will aber wohl abgewogen sein und muss der Wahrheit Rechnung tragen, dass eine zeitlose Gewährleistung von Medienfreiheiten bei technischer Schnelllebigkeit Züge eines Dilemmas aufweist. Deshalb wird ein Kombinationsmodell vorgeschlagen. Zum einen müssten die Begriffe von Rundfunk und Telemedien modifiziert und an die tatsächliche Praxis angepasst werden, so dass sie weiter Kategorien einer regulatorischen Ausgestaltung sein können. Hierbei ist indes sorgfältig auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu achten, die dem Rundfunk nach wie vor wegen seiner Suggestivkraft, Aktualität und Breitenwirkung eine Sonderrolle zuweist. Zum anderen wird aber eine neue Regulierungskonzeption erwogen, auf die zurückgegriffen werden kann, wenn und soweit der Rundfunk an Bedeutung und somit an Regulierungsbedürftigkeit verliert. Denkbar ist dann eine sog. „Opt-In-Regulierung“, die Anreize für Anbieter schafft, sich bestimmten Regulierungsregimen unterzuordnen. Der Gesetzgeber müsste hierfür die entsprechenden Kategorien zur Verfügung stellen und diese mit (für die Anbieter günstigen bzw. ungünstigen) Rechtsfolgen verknüpfen. Diese Kategorisierung würde dann unabhängig von der jeweiligen Mediengattung oder dem jeweiligen Angebotstypus geschehen. Anknüpfungspunkt für die vom Gesetzgeber zu schaffenden Kategorien wäre dann das Wirkpotential, nicht aber der Verbreitungsweg. Rundfunk, Plattformen und Telemediendienste können hierdurch maßvoll reguliert werden, ohne sie in Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG pauschal und unnötig einzuengen.[129]

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Insgesamt erscheint es wichtig, sich bei der Regulierung auf Eckpunkte zu konzentrieren. Zu den wichtigsten Zielen der Medienpolitik und -regulierung zählen die Wahrung der von Art. 5 GG verfassungsrechtlich vorgegebenen Aufgaben der Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht, die Abwehr staatlicher Einflüsse auf den Rundfunk und die Förderung von Vielfalt und Kreativität.[130] Sie muss aber auch die Medien und insbesondere den Rundfunk als Faktor von Wertschöpfung anerkennen. In dieser Eigenschaft greift der Schutz der unternehmerischen Freiheiten der Art. 12 und 14 GG sowie das Recht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 GG. Medienregulierung muss daneben auch soziale, kulturelle und pädagogische Ziele beachten.

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Auf dem Boden des derzeitigen Systems kann der Gesetzgeber bei der Infrastruktur und beim Inhalt regulierend ansetzen. Dazu stehen ihm als Regulierungsinstrumente Ge- und Verbote, wie die im Rundfunkrecht durch das Lizensierungserfordernis vorgeschriebene ex ante Kontrolle, oder Möglichkeiten einer ex post ansetzenden Beanstandungskontrolle zur Verfügung. Letztere reichen von Sperrverfügungen über Ordnungsverfügungen bis zu den Mitteln des Strafrechts.[131] Daneben spielt in der Medienregulierung, namentlich im Jugendschutz, insbesondere nach der Novellierung des JMStV im Jahr 2016,[132] zunehmend die Regulierte Selbstregulierung eine Rolle, welche auf die Eigenverantwortung der Anbieter und eine nachgehende Kontrolle durch die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) setzt.[133]

 

2. Regulierungskriterien

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Als Regulierungskriterien kommen die Sicherung der Meinungsvielfalt, die Einhaltung des Diskriminierungsverbots, die Beachtung der Vorgaben der Wettbewerbsfreiheit und die Netz- und Technologieneutralität in Betracht. Zudem sollte Regulierung konsistent und widerspruchsfrei erfolgen. Im Rahmen der Vielfaltssicherung kann es darum gehen, Strukturen einer vertikalen Integration (Technik und Inhalt in einer Hand) zu verhindern und durch must-carry-Regeln bestimmte Sender zu privilegieren, die einen besonders hohen Beitrag zur Sicherung der Meinungsvielfalt und Grundversorgung leisten, um diesen Refinanzierungsmöglichkeiten für die Produktion kulturell hochwertiger Programme zu eröffnen. Vor dem Hintergrund der vertikalen Integration müssen unter Berücksichtigung des Diskriminierungsverbots zudem Lösungen für den chancengleichen Zugang von Veranstaltern zu Plattformen gefunden werden. Zur Wahrung der Wettbewerbsfreiheit muss es zu den Regulierungskriterien zählen, Medienunternehmen Freiheiten bei der wirtschaftlichen Betätigung etwa – in den wohlauszutarierenden Grenzen des Kartell- und Medienkonzentrationsrechts – durch Expansion zu sichern und ihnen die Freiheit zur Auswahl ihrer Rezipienten zu überlassen. Ferner sind der Infrastrukturwettbewerb und die Technologie-[134] und Netzneutralität[135] zu beachten. Unter Berücksichtigung der Technologieneutralität ist es problematisch, die Zulassungspflicht zum Rundfunk an einen Verbreitungsweg zu binden. Sie gebietet eine neutrale Regulierung der Empfangstechnik, gerade in den Bereichen Application Programming Interface und Conditional Access. Die Netzneutralität ist bedeutsam, weil das Datenvolumen in den Mobilfunknetzen stetig ansteigt.[136] Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob ein Zugangsanbieter, also ein Telekommunikationsunternehmen, Datenpakete zwischen den Kunden tatsächlich unverändert und gleichberechtigt übertragen muss und Herkunft und Art des Inhalts keine Rolle spielen dürfen. Werden aber alle Inhalte im Netz gleich behandelt, also Datenpakete in der Reihenfolge transportiert, in der sie ankommen, entsteht ein „Stau“ und das Netz wird am Ende funktionsunfähig. Man wird also mit technischen Mitteln differenzieren müssen. Rechtlich ist immer dann eine Differenzierung geboten, wenn ein sachlicher Grund besteht. Ein Notruf muss schneller ankommen dürfen als die „Bin gleich da“-Nachricht. Eine störungsfreie Videokonferenz ist ein Privileg, für das man zahlen muss. All das wird also über kurz oder lang aufgrund der Kapazitätsgrenzen des Netzes bewirtschaftet werden müssen. Dabei müssen die Preise und Chancen für Endnutzer fair und deren Wege ins Netz offen bleiben. Auf europäischer Ebene findet sich seit November 2015 durch die VO (EU) 2015/2120 eine Regelung zur Netzneutralität.[137] Hiernach soll die „gleichberechtigte und nichtdiskriminierende Behandlung des Datenverkehrs“ sichergestellt werden. Um der Befürchtung entgegenzuwirken, dass der teilweise nicht eindeutige Wortlaut dazu genutzt werden könnte, die Regelungen zu umgehen, brachte die BEREC[138] im Jahr 2016 Leitlinien heraus, wie die Verordnung auszulegen ist.[139] Besonders kontrovers geführt wurde die Diskussion um Spezialdienste.[140] Diese müssen sich nach den BEREC-Leitlinien klar von vollwertigen Internetzugängen unterscheiden und für spezifische Inhalte, Anwendungen oder Dienste optimiert sein.[141] Sie dürfen nicht zu Lasten anderer Nutzer gehen, so dass es letztlich Aufgabe des Netzbetreibers ist, sicherzustellen, dass ausreichend Kapazitäten vorhanden sind, bevor er einen solchen Dienst anbietet.

Um dem Bedürfnis der Nutzer nach Übermittlung großer Datenpakete mit hoher Geschwindigkeit[142] nachkommen zu können, hat die Deutsche Telekom im Jahr 2013 kurzzeitig bei Neuverträgen über eine Festnetz-Online-Nutzung mit Erreichen eines bestimmten Datenvolumens die Übertragungsgeschwindigkeit reduziert, wobei bestimmte Angebote und Dienste, mit deren Betreibern die Telekom besondere Vereinbarungen geschlossen hatte, oder auch die telekomeigene Fernsehplattform „Entertain“, auf dieses integrierte Datenvolumen nicht angerechnet wurden. Wenige Monate nach der Einführung wurde die Praxis der Drosselung jedoch Ende 2013 wieder verworfen.[143] [144]

Klar ist jedoch unabhängig davon, dass nicht jeder Verbraucher einen gänzlich uneingeschränkten Zugang zu sämtlichen Services, Diensten und Inhalten haben kann.[145] Problematisch wird das dann, wenn die Priorisierung von Diensten gegen Aufpreis Innovationspotentiale im offenen Internet gefährdet.[146] Eine derartige Gefährdungslage sehen die Landesmedienanstalten als gegeben an, wenn ein Netzbetreiber gegen entsprechendes Entgelt Ausnahmen von der Volumenbegrenzung vorsieht.[147] In diesem Falle sei bei den Endkunden von einer bevorzugten Nutzung der Inhalte ohne Anrechnung auszugehen, zumal mit verhältnismäßigem Aufwand keine Transparenz im Hinblick auf eine Überschreitung der vertraglich vereinbarten Volumengrenzen herzustellen sei. Insoweit sei mit der Entstehung eines faktischen Verhandlungszwangs für die Anbieter zu rechnen, deren Inhalte nur dann bevorzugt werden, wenn ein zusätzliches Entgelt an den jeweiligen Netzbetreiber entrichtet wird. Andere sehen in der Vorhaltung von Ausnahmen bei der Volumenbegrenzung dagegen keinen Verstoß gegen die Netzneutralität, weil es sich dabei um privilegierte Inhalte handele, die von den deutschen Landesmedienanstalten besonders durchreguliert seien.[148] Einigkeit besteht bislang also nur insoweit, als dass das Internet für die Verbreitung von Meinungen und Inhalten bedeutsam und für eine neutrale Datenübertragung daher besonders wichtig ist. Aufgrund dessen werden seit 2012 im TKG gesetzliche Regelungen zur Netzneutralität gefordert. Gem. § 41a TKG a.F.[149] wurde die Bundesregierung ermächtigt, in einer Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates gegenüber Unternehmen, die Telekommunikationsnetze betreiben, die grundsätzlichen Anforderungen an eine diskriminierungsfreie Datenübermittlung und den diskriminierungsfreien Zugang zu Inhalten und Anwendungen festzulegen, um eine willkürliche Verschlechterung von Diensten und eine ungerechtfertigte Behinderung oder Verlangsamung des Datenverkehrs in den Netzen zu verhindern. Nachdem bereits von verschiedener Seite ein rechtlicher Rahmen zur Gewährleistung der Netzneutralität gefordert worden war,[150] hatte das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) von dieser Ermächtigung im Jahr 2013 Gebrauch gemacht und den Entwurf einer Rechtsverordnung zur Gewährleistung der Netzneutralität (NNVO) vorgelegt.[151] Vor dem Hintergrund neuer Geschäfts- und Tarifmodelle und der rasanten technischen Entwicklung war nach Auffassung der damaligen Bundesregierung neben den Bestimmungen des Wettbewerbsrechts eine rechtliche Handhabe erforderlich, die es ermöglicht, Geschäfts- und Tarifmodelle der Netzbetreiber zu überprüfen und gegebenenfalls regulierend einzuschreiten. Lange Zeit hat der Gesetzgeber aus gutem Grund nicht in das freie und kreative Spiel der Kräfte eingegriffen. Der damalige Verordnungsentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums – auch in seiner überarbeiteten Version v. 31.7.2013 – ist vielfach auf Kritik gestoßen. Danach sollten den Endkunden bestimmte Dienste innerhalb des Gesamtnetzes in logisch getrennten Teilnetzen als separates Angebot zum Internetzugang gegen gesondertes Entgelt angeboten werden (sog. managed services). Die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten bemängelte insoweit die unzureichende Definition zentraler Begriffe wie „logisch getrennte Netze“ oder „managed services“ und befürchtete die Entstehung eines Zwei-Klassen-Internets.[152] Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. sah in der vorgesehenen Differenzierung zwischen dem „offenen Internet“ und „managed services“ ein erhebliches Diskriminierungspotential.[153] Ferner stand auch der Branchenverband für IT, Telekommunikation und Neue Medien BITKOM dem Zweitentwurf der NNVO kritisch gegenüber und hielt eine europaweite Regelung der Materie für sachgerechter.[154] Nach alledem hatte sich die derzeitige Bundesregierung dazu entschlossen, auf die nunmehr im November 2015 in Form der VO (EU) 2015/2120 erlassene europäische Regelung zur Netzneutralität zu warten. Nach deren Erlass im Jahr 2013 lag der Fokus nunmehr auf einer Änderung bzw. Anpassung des TKG. So wurde § 41a TKG aufgehoben. Eine gesetzliche Regelung, die den Anforderungen an die Netzneutralität angemessen Rechnung trägt, bedarf einer sorgfältigen Abwägung zwischen der Erhaltung eines funktions- und leistungsfähigen Netzes, welches den stetigen Anstieg des Datenverkehrs zu bewältigen hat, auf der einen Seite und dem Interesse der Nutzer an einem bezahlbaren, transparenten und möglichst unbeschränkten Internetzugang auf der anderen Seite. In der Sache geht es also darum, das Verlangsamen, Benachteiligen oder Blockieren von Inhalten, Diensten und Diensteanbietern ohne hinreichenden sachlichen Grund zu verhindern.[155] Mit Gesetz auf Initiative der Bundesregierung aus dem Jahr vom 3.8.2016 wurde eine Anpassung des TKG an die VO (EU) 2015/2120 vorgenommen.[156] Die EU-Verordnung gibt vor, dass ein Netzwerkmanagement nur ausnahmsweise möglich ist, wenn dies technisch geboten oder im Falle streng umrissener und klar festgelegter Ausnahmen im öffentlichen Interesse ist. Zudem gilt für die Übertragung von datenintensiven Diensten, dass diese nur bei ausreichenden Netzkapazitäten angeboten werden dürfen. Die VO verpflichtet die Mitgliedstaaten zum Erlass wirksamer Sanktionen. Die Änderungen im TKG setzen diese Verpflichtung um. Danach werden Verstöße etwa gegen Anordnungen der Bundesnetzagentur zur Gewährleistung der Netzneutralität oder die Transparenzpflichten der Verordnung zukünftig bußgeldbewehrt sein.[157]