Geschwistergeschichten

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GEOGRAFISCHE SCHAUPLÄTZE UND NETZWERKE

Die Geschwister lebten in den unterschiedlichsten Gegenden: in der Ostschweiz, in Zürich oder Basel, in Norditalien und England. In der Betrachtung der Lebenswege sind in erster Linie ihre grosse Mobilität und ihre relative örtliche Ungebundenheit auffällig. Die persönlichen Kontakte pflegten bereits die Eltern Herr und Frau Pfarrer Schnyder mit anderen Pfarrfamilien, mit oft entfernt wohnenden Verwandten oder mit im weitesten Sinn in der inneren oder äusseren Mission Tätigen. So schrieb die älteste Tochter Lilly über die Ausflüge, die sie mit ihrem Vater unternahm:

«Gerne wanderte er auch mit uns in die freundlichen Pfarrhäuser Rotrist, Safenwyl, Uerkheim, und einmal durfte ich ihn nach Reitnau begleiten.»30

Dies beeinflusste auch das soziale Netzwerk der Geschwister: Sie knüpften weniger Freundschaften innerhalb der Dorfgemeinschaft, sondern vor allem zu anderen Pfarrfamilien.31 Bei einer Neuanstellung des Pfarrers wurde für die ganze Familie ein neues Pfarrhaus zur Heimat. In der tabellarischen Darstellung der Lebenswege wird dies im Umzug der ganzen Familie von Zofingen nach Bischofszell deutlich sichtbar. Grundsteine sozialer Beziehungen waren weltanschauliche Einstellungen, die sich selten innerhalb einer Dorfgemeinschaft fanden. Die Geschwister orientierten sich nicht an einer bestimmten Region, sondern eher ideell. Besonders geschätzt wurden andere, im pietistischen, «positiven» Kreise sich bewegende Familienbande. Tendenziell wird eine städtische Orientierung sichtbar, die für Pfarrfamilien bereits im 19. Jahrhundert typisch war.32 Städte oder Städtchen waren vor allem für die Schwestern attraktive Wohnorte. Alleinstehende Frauen mit höherer Bildung fanden dort eher eine Anstellung.33 Zudem garantierte das städtische Umfeld Mobilität für den wichtigen sozialen Austausch mit Gleichgesinnten, die entfernt wohnen.

Die unterschiedlichen Wohnorte und die jeweilige Wohndauer zeigen auf der folgenden tabellarischen Übersicht ein geografisches Geschwisternetz, das sich durch die Jahre verschiebt und bewegt. Fehraltorf, wo die junge Familie ihre ersten Jahre bis 1880 erlebte, lasse ich aus, weil der Ort später in den Biografien nicht mehr vorkommt und daher aus dem zeitlichen Rahmen fällt.

TABELLARISCHE DARSTELLUNG DER WOHNORTE UND LEBENSDATEN DER GESCHWISTER SCHNYDER



Alle Wege führen über Zofingen und Bischofszell, dichtere Vernetzungen finden sich auch in Basel, Bern und Zürich. In allen Lebensläufen taucht ein Aufenthalt in der französischen Schweiz auf, bei einigen gibt es auch Auslandaufenthalte. Während einige Biografien fast parallele Lebenswege aufzeigen (Martha und Rosa sowie erste Stationen im Leben von Karl und Walter), finden sich vor allem in den Lebenswegen von Hedwig, Sophie und Karl Stationen, die sich mit keinem der Geschwister kreuzen.

Die oben stehende Karte visualisiert Knotenpunkte und wichtige Verbindungsstrecken und kennzeichnet die Orte, die abgelegen von den familiären «Ballungszentren» liegen.

Die Hauptverbindungen zwischen den Geschwistern entsprechen den Hauptlinien des schweizerischen Eisenbahnnetzes. Bern, Basel, Zürich und Zofingen liegen dabei im Zentrum. Die Städte des Mittellandes wiesen eine hohe Erreichbarkeit aus, umliegende Gemeinden wie Horgen waren, gerade im Raum Zürich, komfortabel erschlossen.34 Auch Bischofszell war durchaus erreichbar, wurde doch die Lokalbahn Sulgen–Bischofszell–Gossau bereits 1876 eröffnet. Allerdings wurden erst 1910 bessere Anschlüsse an grössere Streckennetze durch den Bau der Bodensee-Toggenburg-Bahn (BTB) von Romanshorn über St. Gallen nach Wattwil und die Mittelthurgau-Bahn (MTB, 1910) von Wil über Weinfelden nach Konstanz eröffnet.35 Nebenlinien wie die Toggenburg-Bahn büssten neben den hoch frequentierten Hauptlinien an Bedeutung ein.

Abgelegen für die Geschwister war der im Graubünden liegende Ort Küblis, an welchem ausser Karl keines je wohnte. Trotz dem stark ausgebauten Eisenbahnnetz kann noch 1880 keineswegs von einer Massenmobilität gesprochen werden. Man zählte in diesem Jahr gerade mal 25 Millionen Bahnfahrgäste, das entsprach neun Fahrten pro Einwohner.36 «Bis 1910 schnellte die Zahl der Reisenden auf 240 Millionen oder 65 Fahrten pro Kopf hoch.»37

Interessant ist, dass mit der verstärkten Mobilität auch der schriftliche Informationsaustausch dichter wurde. So beförderte die Schweizer Post 1850 noch 16 Millionen Briefe oder im Mittel sieben Schreiben pro Einwohner, während es 1910 schon 290 Millionen Sendungen waren oder 78 Briefe pro Kopf.38 Der Brief wurde zu einem Kommunikationsmittel, das dank Taxverbilligungen und pünktlichen Versandzeiten dem Mitteilungsbedürfnis einer grösseren Bevölkerungsschicht entgegenkam.39 Allerdings beschränkte sich dieses Kommunikationsbedürfnis vor allem auf den urbanen Raum. «Allein in der Stadt Zürich gingen 1910 mit über 52 Millionen Briefen mehr Sendungen ab als in den Kantonen St. Gallen, Thurgau und Schaffhausen zusammen. Nach wie vor war der Brief ein vorab urbanes Massenkommunikationsmittel, das in den breiten und insbesondere ländlichen Bevölkerungsschichten selten Verwendung fand.»40 Sowohl die bessere Erreichbarkeit durch ein dichtes Eisenbahnnetz als auch das starke Wachstum des Briefverkehrs sind Voraussetzungen für das Funktionieren des Geschwisternetzwerks. Moderne Transportmittel beeinflussten die Beziehungen der Geschwister nachhaltig. Abgelegene Orte konnten mit Briefen erreicht werden, wodurch sich die Distanz verringerte.

KURZBIOGRAFIEN

ERNST SCHNYDER

Ernst Schnyder kam 1873 als erstes Kind von Johannes Schnyder und Luise Schnyder-Peyer im Pfarrhaus in Fehraltorf im Zürcher Oberland zur Welt. Im Alter von sieben Jahren zog er mit seinen Eltern und seinen vier Geschwistern 1880 nach Zofingen, wo noch im gleichen Jahr seine Mutter starb. Ein Jahr später heiratete der Vater Caroline von Wyttenbach, eine 27-jährige Lehrerin, die an der Neuen Mädchenschule in Bern unterrichtete. Zu den fünf Kindern der verstorbenen Mutter kamen acht Kinder der Stiefmutter hinzu, von welchen sieben überlebten. Ernst wuchs in dieser «long family» auf, einer für das Ende des 19. Jahrhunderts ziemlich typischen Familienform.41 Die sinkende Kindersterblichkeit und unveränderte Familienplanung führten im 19. Jahrhundert oft zu grossen Kinderzahlen. Besonderes Merkmal einer solchen Familie mit langer Geschwisterfolge ist, dass die älteren Kinder eine eigene Generation zwischen den Eltern und den jüngsten Kindern bilden. Ernst war 24 Jahre älter als sein jüngster Bruder Walter. Die «Zwischengeneration» übernahm oft Eltern- oder Patenfunktionen.

Nach seiner Konfirmation in Zofingen 1888 kam Ernst nach Basel, wo er das Gymnasium besuchte. Darauf folgte das Theologiestudium, 1891 zunächst in Neuenburg, dann in Basel und Berlin. Die Vikariatszeit verbrachte er zum grössten Teil in der Gemeinde seines Vaters in Bischofszell, wohin die Grossfamilie inzwischen gezogen war. 1898 trat er seine erste Pfarrstelle in Nesslau an. Er heiratete 1906 die Pfarrerstochter Luise Brenner und folgte 1910 einem Ruf an die Kirchgemeinde St. Johann in Schaffhausen. Zwischen 1908 und 1921 kamen fünf Töchter zur Welt. 1929 starb Luise Schnyder-Brenner an einem Herzschlag. Die Tochter Margrit «wurde mein liebes Hausmütterchen und vertrat für die kleine Martha Ruth Mutterstelle».42

In Schaffhausen bekleidete Ernst Schnyder während über 20 Jahren das Amt des Kirchenratspräsidenten, gründete und leitete den Blaukreuz Verein Schaffhausen, stand der Evangelischen Gesellschaft vor und amtete sowohl als Präsident des Missionsvereins Schaffhausen als auch als Präsident der Heimatgemeindevertretung der Basler Mission.43 Er blieb bis weit über seine Pensionierung in der Kirchgemeinde Schaffhausen tätig und starb 1961 im Alter von 88 Jahren. Er überlebte seine früh verstorbene Frau um 32 Jahre.


4 Ernst Schnyder mit seinen fünf Töchtern, Schaffhausen 1932.

LILLY SCHNYDER

1874 kam Maria Schnyder zur Welt. Lilly, wie sie genannt wurde, zog mit ihren Geschwistern mit sechs Jahren von Fehraltorf nach Zofingen, wo sie 1889 konfirmiert wurde. Sie blieb bis 1891 zu Hause und half der Stiefmutter mit ihren zu diesem Zeitpunkt sechs Kindern unter zehn Jahren und drei Jugendlichen im grossen Pfarrhaus. 1891 kam sie in Colombier im Welschland in Pension. Daraufhin absolvierte sie während drei Jahren an der Neuen Mädchenschule in Bern das Lehrerinnenseminar und wurde 1894 als Lehrerin nach Bischofszell gewählt. Während ihrer Amtszeit als Lehrerin lebte sie gemeinsam mit ihrer Mutter, ihrer Tante und den zu Hause weilenden Geschwistern. 1924 trat sie aus gesundheitlichen Gründen von ihrem Amt zurück und übergab ihre Stelle der jüngsten Halbschwester Paula. Die letzte Zeit ihrer Krankheit verbrachte sie in einem Heim. 1932 starb sie 58-jährig an den Folgen ihrer nicht näher beschriebenen Krankheit.

 


5 Lilly Schnyder, um 1900.

HEDWIG SCHNYDER

1875 brachte Sophie Schnyder-Peyer ihr drittes Kind, Hedwig, zur Welt. Wie ihre zwei älteren Geschwister durchlief sie in Zofingen Primar- und Bezirksschule. Nach der Konfirmation 1891 wurde sie in ein Welschlandjahr in einer Pension im Val de Travers geschickt. Ein zusätzliches Jahr in einer Fortbildungsklasse in der Neuen Mädchenschule in Bern schloss Hedwigs Bildungsweg ab. Dann zog sie hinaus in die Welt und war zunächst vier Jahre Hauslehrerin in Orthez in den Pyrenäen, einige weitere Jahre in Augsburg. Nach dem Tod des Vaters 1901 kehrte Hedwig zurück und half über vier Jahre lang daheim aus. Dann übernahm sie eine Stelle in einer reichen Florentiner Familie als Erzieherin zweier Kinder, deren Mutter gestorben war. Nach 17 Jahren Dienst in dieser Familie musste die Gouvernante sich von ihrer Stelle trennen. Sie nahm nun die noch umfassendere Aufgabe als Hausdame der Casa Crespi in Mailand an. Hier galt es, eine Schar von zwölf Bediensteten zu beaufsichtigen und zu betreuen. «Ausserdem widmete sie sich der Erziehung des jüngsten Sohnes, der bei ihr suchte und fand, was ihm bisher in dem grossen, reichen Haus gefehlt hatte: gütiges Verstehen und Liebe. Auch dieser Zögling blieb ihr anhänglich bis zu seinem frühen Fliegertod.»44 Erst 1943 kehrte die 68-Jährige in die Schweiz zurück. Sie wohnte mit ihrer jüngeren Schwester Hanna bis zu deren Tod in Zofingen, dann in Zürich mit ihren zwei jüngeren Halbschwestern Rosa und Martha. Dort starb sie 1954 im Alter von 79 Jahren an den Folgen von Diabetes.


6 Hedwig Schnyder, um 1920.

HANS SCHNYDER

Hans Schnyder kam 1877 in Fehraltorf zur Welt, ging in Zofingen zur Schule und zog, frisch konfirmiert, mit der Familie nach Bischofszell. Sechzehnjährig wurde er ins Welschland geschickt, wo er, nach einer Vorbereitungszeit, eine Lehre als Postbeamter antrat. Er schloss drei Jahre später in Lausanne ab, machte seine Aspirantenzeit im sankt-gallischen Buchs und wurde dann Postkommis in Rorschach. Nach dem Tod des Vaters 1901 liess sich Hans als Postbeamter nach Bischofszell wählen. Er heiratete 1903 Hedwig Häberli, die Tochter des früheren Postverwalters von Bischofszell, welche das Amt der Telegrafin auf der Poststelle Bischofszell bekleidete. Zwischen 1903 und 1916 kamen drei Töchter und ein Sohn zur Welt. Letzterer wurde nur drei Monate alt. 1923 wurde Hans Schnyder die Leitung des Postamtes übertragen. Nebst seinem Beruf hatte er eine Fülle von Aufgaben im Städtchen Bischofszell. Er war Mitglied der evangelischen Kirchenvorsteherschaft, wirkte 42 Jahre lang als Armenpfleger, sass im Synodal -und im Kirchenrat des Kantons Thurgau, war Mitglied und Aktuar der Primarschulvorsteherschaft und war – nebst unzähligen Mitgliedschaften – in den Vorständen der Bürgerheim-Kommission, der Schweizerischen Reformationsstiftung, im Hilfswerk der evangelischen Kirchen der Schweiz und im Sonntagsheiligungs-Verein. Hans Schnyder überlebte seine Frau um 10 Jahre und starb im Alter von 81 Jahren.


7 Hans und Hedwig Schnyder-Häberli mit ihren drei Töchtern, Bischofszell um 1932.

HANNA SCHNYDER

1878 brachte Luise Schnyder ihr fünftes Kind zur Welt. Hanna war zweijährig, als sie mit der schwangeren Mutter, dem Vater und ihren vier älteren Geschwistern nach Zofingen umzog, wo die Mutter wenige Monate später an der Geburt des sechsten Kindes starb. Hier wuchs Hanna mit ihren älteren Geschwistern, der «neuen Mutter»45 und den bald folgenden sechs kleineren Geschwistern auf. Mit 14 erlebte sie den Umzug der Familie nach Bischofszell, wo sie die Sekundarschule besuchte und konfirmiert wurde. Hanna wurde nach Morges in ein als Ecole Supérieure benanntes Mädcheninstitut geschickt. An der Neuen Mädchenschule in Bern absolvierte sie den Kurs für Kindergärtnerinnen. Dazwischen wohnte sie in Bischofszell, sorgte für die jüngeren Geschwister und half im Haushalt. 1898 begleitete sie ihren ältesten Bruder, den jungen Pfarrer, als Haushälterin während sieben Jahren in seiner ersten Gemeinde im St. Galler Oberland in Nesslau. In dieser Aufgabe musste sie nicht nur Sonntagsschule unterrichten, sondern auch andere Aufgaben einer Pfarrfrau übernehmen. 1906 trat sie auf eigenen Wunsch in das Diakonissenhaus Neumünster in Zürich ein, wurde aber noch im selben Jahr von ihrer Familie an das Sterbebett ihrer alten Tante nach Basel gerufen. Sie blieb nach deren Tod während 15 Jahren als Pflegerin bei ihrem hörbehinderten Onkel Gustav Peyer, bis dieser 1921 starb. Zwei Jahre arbeitete sie als Haushälterin ihres Vetters Hans Burckhardt-Burckhardt in Basel. Nach dessen Tod zog sie 1923 nach Zofingen, wo sie ihre Tante, Pauline Peyer, ebenfalls bis zu ihrem Tod als Gesellschafterin und Pflegerin begleitete. Sie blieb in Zofingen und wohnte dort mit ihrer Schwester Hedwig, bis sie 1949 an den Folgen von Diabetes 71-jährig starb.


8 Hanna Schnyder, um 1930.

SOPHIE HABLÜTZEL-SCHNYDER

Als erstes Kind der Caroline Schnyder-Wyttenbach und des Johannes Schnyder kam Sophie in Zofingen zur Welt, wo sie die Primarschule besuchte. Nach dem Umzug nach Bischofszell und dem Wegzug aller grösseren Geschwister schien Sophie am neuen Ort Probleme zu haben. Die Eltern schickten die begabte Schülerin 1895, mit 13 Jahren, in ein christliches Internat im deutschen Willhelmsdorf. Die Ferien verbrachte sie in Augsburg bei der Schwester der Mutter. Zur Konfirmation kehrte Sophie 1899 nach Bischofszell zurück. Bis 1902 besuchte sie das Lehrerinnenseminar an der Neuen Mädchenschule in Bern, dazwischen wohnte sie bei einer Pfarrersfamilie in Avenches. Nach dem Seminar unterrichtete Sophie während drei Jahren an der «Schule für schwachbegabte Kinder» in Mauren im Kanton Thurgau. 1905–1907 hielt sie sich in New Jersey, USA, als Erzieherin bei einer Familie, auf. Sie kehrte zurück und wurde 1909 als Lehrerin ins Frauenfelder Langdorf-Schulhaus gewählt. 1916 kündigte Sophie ihre Stelle und reiste mit Walter Hablützel nach Aachen, wo sie den um zehn Jahre jüngeren Mechaniker ohne das Wissen ihrer Familie heiratete. Sie kehrte 1920 nach Basel zurück, ihr Mann war seit längerem wieder in der Schweiz, die Ehe zerrüttet. In Basel arbeitete Sophie bei einer jüdischen Familie als Erzieherin, besuchte dank finanzieller Unterstützung eines Onkels 1923/24 eine Handelsschule und trat danach die Stelle einer Sekretärin in der Basler Mission an. Sie arbeitete bis 1932 für den Direktor und den Präsidenten der Basler Mission und war vor allem für Übersetzungen sowie Korrespondenzen zuständig. 1932 nahm sie sich das Leben.


9 Sophie Schnyder, Zürich 1910.

ROSA SCHNYDER

Rosa Schnyder, 1885, war das dritte Kind Caroline Schnyders. Ihr ein Jahr älterer Bruder Paul starb mit zwei Jahren an einer Lungenentzündung. Rosa besuchte die Primarund Sekundarschule in Bischofszell, kam, wie ihre Schwester Hanna, in Pension nach Morges, verbrachte ein Haushaltlehrjahr zu Hause bei der Mutter und wurde dann nach Augsburg zur Schwester der Mutter geschickt, wo sie das Sprachlehrdiplom an der Höheren Mädchenschule absolvierte. 1905–1911 lehrte Rosa am Töchterinstitut Lindau Englisch und Französisch. Nach der Auflösung einer Verlobung reiste sie nach England, wo sie Lehrerin und Erzieherin einer Kapitänstochter war. Sie kehrte knapp vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs an ihre alte Stelle in Lindau, auf der deutschen Seite des Bodensees, zurück. Dort unterrichtete sie, bis sie 1917 die Stelle einer Sprachlehrerin am Evangelischen Töchterinstitut in Horgen antreten konnte. Im Winter 1919/20 bildete sich Rosa in Florenz als Sprachlehrerin für Italienisch weiter. Von 1920 bis 1950 wirkte sie als Lehrerin in Horgen und wohnte mit ihrer Schwester Martha im Töchterinstitut. Nach der Pensionierung verbrachte sie einen Winter im Piemont und betreute alte Waldenser,46 dann zog sie nach Zürich, wo ihre jüngere Schwester Martha ihr gemeinsames Heim eingerichtet hatte. Die Lehrerin verdiente weiterhin ihren Lebensunterhalt mit Privatstunden, da die Altersvorsorge der Schwestern nicht ausreichte. Sie starb 1972, 87-jährig, unerwartet an den Folgen eines Katarrhs in ihrer Wohnung bei ihrer Schwester.


10 Rosa Schnyder, um 1930.

MARTHA SCHNYDER

1987 gebar Caroline ihre dritte Tochter, Martha. Mit ihrer eineinhalb Jahre älteren Schwester Rosa verband Martha nicht nur eine enge Freundschaft seit ihrer Kindheit. Auch ihre Biografie ist ähnlich. Beide Schwestern wurden – trotz Altersunterschied – gemeinsam konfirmiert, sie galten als «Zwillinge». Nur gerade ein Jahr nach Rosa kam Martha nach Morges, dann folgte das obligate Haushaltlehrjahr bei der Mutter in Bischofszell. Wie Rosa besuchte Martha in Augsburg die Höhere Töchterschule, wo sie sich entschied, die Haushaltlehrerinnenschule in Zürich zu absolvieren. 1908 schloss sie ihre Ausbildung ab. 1909 fuhr sie, gerade 21-jährig, nach England, wo sie – wie ihre Schwester zuvor – als Erzieherin arbeitete und ein Englischlehrdiplom erwarb. Nach einem Jahr kehrte sie in die Schweiz zurück und übernahm 1911 die Stelle einer Kochlehrerin im Kurhaus Heinrichsbad im sankt-gallischen Herisau. Dort arbeitete sie bis 1919, zuletzt als Hausvorsteherin. 1919 trat sie ihre Lebensstelle an der Seite ihrer Schwester am Evangelischen Töchterinstitut an. Sie unterrichtete zunächst als Kochlehrerin, dann stand sie der Schule bis 1950 als Leiterin vor. Sie zog nach der gleichzeitigen Pensionierung mit ihrer Schwester nach Zürich und richtete in der Nähe des jüngsten Bruders für Rosa, für die zwölf Jahre ältere Hedwig und für sich eine Wohnung ein. Als Letzte der zwölf Geschwister starb Martha 1985 mit 98 Jahren in einem Altersheim in Zürich.


11 Martha Schnyder, um 1930.

KARL SCHNYDER

Karl kam 1888 in Zofingen als dritter Knabe von Johannes Schnyder und erster überlebender Knabe von Caroline Schnyder-Wyttenbach zur Welt. Nach der Primar- und Sekundarschule in Bischofszell trat der 13-Jährige im Todesjahr des Vaters in das Gymnasium an der Evangelischen Lehranstalt in Schiers ein. Nach der Matura studierte er in Lausanne, Basel und Leipzig Medizin und schloss 1913 mit dem Staatsexamen ab. Als Assistenzarzt arbeitete er in Innsbruck, Basel, in Riehen und im Thurgau und trat 1919 die ärztliche Praxis in Küblis an, deren Einzugsgebiet das ganze Mittelprättigau im Kanton Graubünden umfasste. Karl heiratete Gertrud Glaser, eine Ärztetochter und Krankenschwester. In den Jahren 1919–1923 kamen zwei Knaben und zwei Mädchen zur Welt. Der viel beschäftigte Arzt war während Jahren Präsident des Schulrats. Karl Schnyder starb 71-jährig, nach einem Spitalaufenthalt, zu Hause.


12 Karl und Gertrud Schnyder-Glaser mit ihren zwei Söhnen und zwei Töchtern, Küblis um 1930.

 

GERTRUD SCHNYDER

Ein Jahr später, 1889, brachte Caroline Schnyder Gertrud zur Welt. Nach Primar- und Sekundarschule besuchte auch sie die Ecole Supérieure im Pensionat in Morges, danach Koch- und Fortbildungskurse in Bischofszell, wo sie der Mutter auch im Haushalt half. 1907 besuchte Gertrud in Bern an der Neuen Mädchenschule den Kindergartenkurs. Bis 1913 arbeitete sie als Kindergärtnerin in Bischofszell. 1913 trat sie ins Diakonissenhaus Riehen ein, 1919 wurde sie als Schwester eingesegnet. Sie arbeitete in Basel, Bern, Schaffhausen, Aarau und Zürich in verschiedenen Spitälern. 1932–1934 pflegte sie die Mutter in Bischofszell bis zu ihrem Tod. 1937–1940 unterstützte sie ihre Schwester Hanna bei der Pflege der Tante Peyer in Zofingen. Ab 1955 hielt sich Gertrud im Diakonissenhaus in Riehen auf, wo sie 1980, 91 Jahre alt, starb.


13 Gertrud Schnyder, um 1910.

PAULA SCHNYDER

Als fünfte Tochter Caroline Schnyders kam Paula 1891 in Zofingen zur Welt, wo ihre Familie bereits den Umzug nach Bischofszell vorbereitete. Dort besuchte sie bei ihrer ältesten Halbschwester Lilly die Primarschule. Nach abgeschlossener Sekundarschule, Konfirmation und obligatem Welschlandjahr, das auch sie in Morges verbrachte, durfte Paula am Lehrerinnenseminar in Basel die dreijährige Ausbildung machen. Dank Kriegsvikariaten fand sie von 1914 bis 1918 in Müllheim und Münchwilen Anstellungen. Nach dem Krieg allerdings findet man die diplomierte Lehrerin als Schülerin im Kochkurs ihrer Schwester Martha im Herisauer Heinrichsbad, als Vertreterin ihrer in Italien weilenden Schwester Rosa in Horgen, als Lehrerin am ärztlichen Landerziehungsheim in Ermatingen, als Sprachlehrerin an einem Internat in Edinburgh. 1924, zehn Jahre nach ihrer Patentierung, wurde sie als Nachfolgerin ihrer Schwester Lilly an die Primarschule Bischofszell gewählt, wo sie bis zu ihrer Krankheit 1945 unterrichtete. Sie starb 1946, 55-jährig, im Spital Wädenswil an Krebs.


14 Paula Schnyder, um 1930.

WALTER SCHNYDER

1897 brachte Caroline Schnyder ihren zweiten überlebenden Sohn, Walter, in Bischofszell zur Welt. Sechs Jahre jünger als Paula, war er ein Nachzügler. Seine Mutter war zu diesem Zeitpunkt 43 Jahre alt, sein Vater 52. Mit vier Jahren verlor er seinen Vater. Dank der Unterstützung der älteren Geschwister konnte Walter nach der Sekundarschule das Gymnasium in Schiers besuchen. Wie Karl begann er sein Studium in Lausanne und immatrikulierte sich dann in Basel in den Fächern deutsche und französische Sprache sowie Geschichte. Nach dem 1922 bestandenen Doktorexamen schloss er seine Studienzeit mit Auslandsemestern in dem unter der Inflation der Nachkriegsjahre leidenden Berlin und in Paris ab. Danach folgte ein zweijähriger Aufenthalt als Hauslehrer in Mailand. Eine Anstellung als Mittelschullehrer in Zürich ermöglichte ihm die Rückkehr. 1928 heiratete er Martha Stähelin aus Basel. Zwischen 1929 und 1936 kamen vier Kinder zur Welt, ein Mädchen und drei Knaben. Der junge Vater unterrichtete zunächst an der Privatschule Minerva in Zürich, dann arbeitete er als Hilfslehrer an der Töchterschule auf der Hohen Promenade. 1936 wurde er als Hauptlehrer für Deutsch und Geschichte an die Töchter-Handelsschule gewählt, wo er bis zu seiner Pensionierung 1963 unterrichtete. Walter Schnyder war als Gemeinderat der Evangelischen Volkspartei anzutreffen, amtete in der Kirchenpflege, sass im Vorstand von Erziehungsheimen und versah das Amt des Präsidenten der Freien Evangelischen Schule. Er starb 1977, 80-jährig, zu Hause.


15 Walter und Martha Schnyder-Stähelin mit ihrer Tochter und zwei Knaben, Zürich um 1933.