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Aphorismen zur Lebensweisheit

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Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Überhaupt ist hier zu bemerken, daß, ob zwar, wie der Charakter oder das Herz des Menschen, so auch der Intellekt, der Kopf, seinen Grundeigenschaften nach, angeboren ist, dennoch dieser keineswegs so unveränderlich bleibt wie jener, sondern gar manchen Umwandelungen unterworfen ist, die sogar, im ganzen, regelmäßig eintreten; weil sie teils darauf beruhen, daß er eine physische Grundlage, teils darauf, daß er einen empirischen Stoff hat. So hat seine eigene Kraft ihr allmäliges Wachstum, bis zur Akme, und dann ihre allmälige Dekadenz, bis zur Imbezillität. Dabei nun aber ist andrerseits der Stoff, der alle diese Kräfte beschäftigt und in Tätigkeit erhält, also der Inhalt des Denkens und Wissens, die Erfahrung, die Kenntnisse, die Übung und dadurch die Vollkommenheit der Einsicht, eine stets wachsende Größe, bis etwan zum Eintritt entschiedener Schwäche, die alles fallen läßt. Dies Bestehn des Menschen aus einem schlechthin Unveränderlichen und einem regelmäßig, auf zweifache und entgegengesetzte Weise, Veränderlichen erklärt die Verschiedenheit seiner Erscheinung und Geltung in verschiedenen Lebensaltern.

Im weitern Sinne kann man auch sagen: die ersten vierzig Jahre unsers Lebens liefern den Text, die folgenden dreißig den Kommentar dazu, der uns den wahren Sinn und Zusammenhang des Textes, nebst der Moral und allen Feinheiten desselben, erst recht verstehn lehrt.

Gegen das Ende des Lebens nun gar geht es wie gegen das Ende eines Maskenballs, wenn die Larven abgenommen werden. Man sieht jetzt, wer diejenigen, mit denen man, während seines Lebenslaufes in Berührung gekommen war, eigentlich gewesen sind. Denn die Charaktere haben sich an den Tag gelegt, die Taten haben ihre Früchte getragen, die Leistungen ihre gerechte Würdigung erhalten und alle Trugbilder sind zerfallen. Zu diesem allen nämlich war Zeit erfordert. – Das Seltsamste aber ist, daß man sogar sich selbst, sein eigenes Ziel und Zwecke, erst gegen das Ende des Lebens eigentlich erkennt und versteht, zumal in seinem Verhältnis zur Welt, zu den andern. Zwar oft, aber nicht immer, wird man dabei sich eine niedrigere Stelle anzuweisen haben, als man früher vermeint hatte; sondern bisweilen auch eine höhere, welches dann daher kommt, daß man von der Niedrigkeit der Welt keine ausreichende Vorstellung gehabt hatte und demnach sein Ziel höher steckte als sie. Man erfährt beiläufig, was an einem ist. –

Man pflegt die Jugend die glücklichste Zeit des Lebens zu nennen, und das Alter die traurige. Das wäre wahr, wenn die Leidenschaften glücklich machten. Von diesen wird die Jugend hin- und hergerissen, mit wenig Freude und vieler Pein. Dem kühlen Alter lassen sie Ruhe, und alsbald erhält es einen kontemplativen Anstrich: denn die Erkenntnis wird frei und erhält die Oberhand. Weil nun diese, an sich selbst, schmerzlos ist, so wird das Bewußtsein, je mehr sie darin vorherrscht, desto glücklicher. Man braucht nur zu erwägen, daß aller Genuß negativer, der Schmerz positiver Natur ist, um zu begreifen, daß die Leidenschaften nicht beglücken können und daß das Alter deshalb, daß manche Genüsse ihm versagt sind, nicht zu beklagen ist. Denn jeder Genuß ist immer nur die Stillung eines Bedürfnisses: daß nun mit diesem auch jener wegfällt, ist so wenig beklagenswert, wie daß einer nach Tische nicht mehr essen kann und nach ausgeschlafener Nacht wach bleiben muß. Viel richtiger schätzt Plato (im Eingang zur Republik) das Greisenalter glücklich, sofern es den bis dahin uns unablässig beunruhigenden Geschlechtstrieb endlich los ist. Sogar ließe sich behaupten, daß die mannigfaltigen und endlosen Grillen, welche der Geschlechtstrieb erzeugt, und die aus ihnen entstehenden Affekte einen beständigen, gelinden Wahnsinn im Menschen unterhalten, solange er unter dem Einfluß jenes Triebes oder jenes Teufels, von dem er stets besessen ist, steht; so daß er erst nach Erlöschen desselben ganz vernünftig würde. Gewiß aber ist, daß, im allgemeinen und abgesehn von allen individuellen Umständen und Zuständen, der Jugend eine gewisse Melancholie und Traurigkeit, dem Alter eine gewisse Heiterkeit eigen ist: und der Grund hievon ist kein anderer, als daß die Jugend noch unter der Herrschaft, ja dem Frondienst jenes Dämons steht, der ihr nicht leicht eine freie Stunde gönnt und zugleich der unmittelbare oder mittelbare Urheber fast alles und jedes Unheils ist, das den Menschen trifft oder bedroht: das Alter aber hat die Heiterkeit dessen, der eine lange getragene Fessel los ist und sich nun frei bewegt. – Andrerseits jedoch ließe sich sagen, daß nach erloschenem Geschlechtstrieb der eigentliche Kern des Lebens verzehrt und nur noch die Schale desselben vorhanden sei, ja, daß es einer Komödie gliche, die von Menschen angefangen, nachher von Automaten, in deren Kleidern, zu Ende gespielt werde.

Wie dem auch sei, die Jugend ist die Zeit der Unruhe; das Alter die der Ruhe: schon hieraus ließe sich auf ihr beiderseitiges Wohlbehagen schließen. Das Kind streckt seine Hände begehrlich aus, ins Weite, nach allem, was es da so bunt und vielgestaltet vor sich sieht: denn es wird dadurch gereizt; weil sein Sensorium noch so frisch und jung ist. Dasselbe tritt, mit größerer Energie, beim Jüngling ein. Auch er wird gereizt von der bunten Welt und ihren vielfältigen Gestalten: sofort macht seine Phantasie mehr daraus, als die Welt je verleihen kann. Daher ist er voll Begehrlichkeit und Sehnsucht ins Unbestimmte: diese nehmen ihm die Ruhe, ohne welche kein Glück ist. Im Alter hingegen hat sich das alles gelegt; teils weil das Blut kühler und die Reizbarkeit des Sensoriums minder geworden ist; teils weil Erfahrung über den Wert der Dinge und den Gehalt der Genüsse aufgeklärt hat, wodurch man die Illusionen, Chimären und Vorurteile, welche früher die freie und reine Ansicht der Dinge verdeckten und entstellten, allmälig losgeworden ist; so daß man jetzt alles richtiger und klarer erkennt und es nimmt für das, was es ist, auch, mehr oder weniger, zur Einsicht in die Nichtigkeit aller irdischen Dinge gekommen ist. Dies eben ist es, was fast jedem Alten, selbst dem von sehr gewöhnlichen Fähigkeiten, einen gewissen Anstrich von Weisheit gibt, der ihn vor den Jüngern auszeichnet. Hauptsächlich aber ist durch dies alles Geistesruhe herbeigeführt worden: diese aber ist ein großer Bestandteil des Glückes, eigentlich sogar die Bedingung und das Wesentliche desselben. Während demnach der Jüngling meint, daß wunder was in der Welt zu holen sei, wenn er nur erfahren könnte, wo; ist der Alte vom Kohelethischen »es ist alles eitel« durchdrungen und weiß, daß alle Nüsse hohl sind, wie sehr sie auch vergoldet sein mögen.

Erst im spätern Alter erlangt der Mensch ganz eigentlich das horazische nil admirari, d. h. die unmittelbare, aufrichtige und feste Überzeugung von der Eitelkeit aller Dinge und der Hohlheit aller Herrlichkeiten der Welt: die Chimären sind verschwunden. Er wähnt nicht mehr, daß irgendwo, sei es im Palast oder der Hütte, eine besondere Glückseligkeit wohne, eine größere als im wesentlichen auch er überall genießt, wenn er von leiblichen oder geistigen Schmerzen eben frei ist. Das Große und das Kleine, das Vornehme und Geringe, nach dem Maßstab der Welt, sind für nicht mehr unterschieden. Dies gibt dem Alten eine besondere Gemütsruhe, in welcher er lächelnd auf die Gaukeleien der Welt herabsieht. Er ist vollkommen enttäuscht und weiß, daß das menschliche Leben, was man auch tun mag es herauszuputzen und zu behängen, doch bald durch allen solchen Jahrmarktsflitter, in seiner Dürftigkeit durchscheint und, wie man es auch färbe und schmücke, doch überall im wesentlichen dasselbe ist, ein Dasein, dessen wahrer Wert jedesmal nur nach der Abwesenheit der Schmerzen, nicht nach der Anwesenheit der Genüsse, noch weniger des Prunkes zu schätzen ist. (Hor. epist. L. I, 12, v. 1-4.) Der Grundcharakterzug des höhern Alters ist das Enttäuschtsein: die Illusionen sind verschwunden, welche bis dahin dem Leben seinen Reiz und der Tätigkeit ihren Sporn verliehen; man hat das Nichtige und Leere aller Herrlichkeiten der Welt, zumal des Prunkes, Glanzes und Hoheitsscheins erkannt; man hat erfahren, daß hinter den meisten gewünschten Dingen und ersehnten Genüssen gar wenig steckt, und ist so allmälig zu der Einsicht in die große Armut und Leere unsers ganzen Daseins gelangt. Erst im 70. Jahre versteht man ganz den ersten Vers des Koheleth. Dies ist es aber auch, was dem Alter einen gewissen grämlichen Anstrich gibt. –

Gewöhnlich meint man, das Los der Alten sei Krankheit und Langeweile. Erstere ist dem Alter gar nicht wesentlich, zumal nicht, wenn dasselbe hoch gebracht werden soll: denn crescente vita, crescit sanitas et morbus. Und was die Langeweile betrifft, so habe ich oben gezeigt, warum das Alter ihr sogar weniger, als die Jugend, ausgesetzt ist: auch ist dieselbe durchaus keine notwendige Begleiterin der Einsamkeit, welcher, aus leicht abzusehenden Ursachen, das Alter uns allerdings entgegenführt; sondern sie ist es nur für diejenigen, welche keine anderen, als sinnliche und gesellschaftliche Genüsse gekannt, ihren Geist unbereichert und ihre Kräfte unentwickelt gelassen haben. Zwar nehmen, im höhern Alter, auch die Geisteskräfte ab: aber wo viel war, wird zur Bekämpfung der Langenweile immer noch genug übrig bleiben. Sodann nimmt, wie oben gezeigt worden, durch Erfahrung, Kenntnis, Übung und Nachdenken, die richtige Einsicht immer noch zu, das Urteil schärft sich und der Zusammenhang wird klar; man gewinnt in allen Dingen mehr und mehr eine zusammenfassende Übersicht des Ganzen: so hat dann, durch immer neue Kombinationen der aufgehäuften Erkenntnisse und gelegentliche Bereicherung derselben, die eigene innerste Selbstbildung in allen Stücken noch immer ihren Fortgang, beschäftigt, befriedigt und belohnt den Geist. Durch dieses alles wird die erwähnte Abnahme in gewissem Grade kompensirt. Zudem läuft, wie gesagt, im Alter die Zeit viel schneller; was der Langenweile entgegenwirkt. Die Abnahme der Körperkräfte schadet wenig, wenn man ihrer nicht zum Erwerbe bedarf. Armut im Alter ist ein großes Unglück. Ist diese gebannt und die Gesundheit geblieben; so kann das Alter ein sehr erträglicher Teil des Lebens sein. Bequemlichkeit und Sicherheit sind seine Hauptbedürfnisse: daher liebt man im Alter, noch mehr als früher, das Geld; weil es den Ersatz für die fehlenden Kräfte gibt. Von der Venus entlassen, wird man gern eine Aufheiterung beim Bacchus suchen. An die Stelle des Bedürfnisses zu sehn, zu reisen und zu lernen ist das Bedürfnis zu lehren und zu sprechen getreten. Ein Glück aber ist es, wenn dem Greise noch die Liebe zu seinem Studium, auch zur Musik, zum Schauspiele und überhaupt eine gewisse Empfänglichkeit für das Äußere geblieben ist; wie diese allerdings bei einigen bis ins späteste Alter fortdauert. Was einer »an sich hat,« kommt ihm nie mehr zugute als im Alter. Die meisten freilich, als welche stets stumpf waren, werden im höhern Alter mehr und mehr zu Automaten: sie denken, sagen und tun immer dasselbe, und kein äußerer Eindruck vermag etwas daran zu ändern oder etwas Neues aus ihnen hervorzurufen. Zu solchen Greisen zu reden, ist wie in den Sand zu schreiben: der Eindruck verlischt fast unmittelbar darauf. Ein Greisentum dieser Art ist denn freilich nur das caput mortuum des Lebens. – Den Eintritt der zweiten Kindheit im hohen Alter scheint die Natur durch das, in seltenen Fällen, alsdann sich einstellende dritte Zahnen symbolisiren zu wollen.

 

Das Schwinden aller Kräfte im zunehmenden Alter, und immer mehr und mehr, ist allerdings sehr traurig, doch ist es notwendig, ja wohltätig, weil sonst der Tod zu schwer werden würde, dem es vorarbeitet. Daher ist der größte Gewinn, den das Erreichen eines sehr hohen Alters bringt, die Euthanasie, das überaus leichte, durch keine Krankheit eingeleitete, von keiner Zuckung begleitete und gar nicht gefühlte Sterben; von welchem man im zweiten Bande meines Hauptwerkes, Kap. 41, S. 470 (3. Aufl. 534), eine Schilderung findet. –

Im Upanischad des Veda (Vol. II, p. 53) wird die natürliche Lebensdauer auf 100 Jahre angegeben. Ich glaube, mit Recht; weil ich bemerkt habe, daß nur die, welche das 90ste Jahr überschritten haben, der Euthanasie teilhaftig werden, d. h. ohne alle Krankheit, auch ohne Apoplexie, ohne Zuckung, ohne Röcheln, ja bisweilen ohne zu erblassen, meistens sitzend, und zwar nach dem Essen, sterben, oder vielmehr gar nicht sterben, sondern nur zu leben aufhören. In jedem früheren Alter stirbt man bloß an Krankheiten, also vorzeitig23. –

Das menschliche Leben ist eigentlich weder lang noch kurz zu nennen24; weil es im Grunde das Maß ist, wonach wir alle andern Zeitlängen abschätzen. –

Der Grundunterschied zwischen Jugend und Alter bleibt immer, daß jene das Leben im Prospekt hat, dieses den Tod; daß also jene eine kurze Vergangenheit und lange Zukunft besitzt; dieses umgekehrt. Allerdings hat man, wenn man alt ist, nur noch den Tod vor sich; aber wenn man jung ist, hat man das Leben vor sich; und es fragt sich, welches von beiden bedenklicher sei, und ob nicht, im ganzen genommen, das Leben eine Sache sei, die es besser ist hinter sich, als vor sich zu haben; sagt doch schon Koheleth (7, 2): »der Tag des Todes ist besser denn der Tag der Geburt.« Ein sehr langes Leben zu begehren, ist jedenfalls ein verwegener Wunsch. Denn quien larga vida vive mucho mal vive sagt das spanische Sprichwort. –

Zwar ist nicht, wie die Astrologie es wollte, der Lebenslauf der einzelnen in den Planeten vorgezeichnet; wohl aber der Lebenslauf des Menschen überhaupt, sofern jedem Alter desselben ein Planet, der Reihenfolge nach, entspricht, und sein Leben demnach sukzessive von allen Planeten beherrscht wird. – Im zehnten Lebensjahre regiert Merkur. Wie dieser bewegt der Mensch sich schnell und leicht, im engsten Kreise: er ist durch Kleinigkeiten umzustimmen, aber er lernt viel und leicht, unter der Herrschaft des Gottes der Schlauheit und Beredsamkeit. – Mit dem zwanzigsten Jahre tritt die Herrschaft der Venus ein: Liebe und Weiber haben ihn ganz im Besitze. Im dreißigsten Lebensjahre herrscht Mars: der Mensch ist jetzt stark, heftig, kühn, kriegerisch und trotzig. – Im vierzigsten regieren die 4 Planetoiden: sein Leben geht demnach in die Breite: er ist frugi, d. h. fröhnt dem Nützlichen, kraft der Ceres: er hat seinen eigenen Herd, kraft der Vesta: er hat gelernt, was er zu wissen braucht, kraft der Pallas: und als Juno regiert die Herrin des Hauses, seine Gattin25. – Im fünfzigsten Jahre aber herrscht Jupiter. Schon hat der Mensch die meisten überlebt, und dem jetzigen Geschlechte fühlt er sich überlegen. Noch im vollen Genuß seiner Kraft, ist er reich an Erfahrung und Kenntnis: er hat (nach Maßgabe seiner Individualität und Lage) Autorität über alle, die ihn umgeben. Er will demnach sich nicht mehr befehlen lassen, sondern selbst befehlen. Zum Lenker und Herrscher, in seiner Sphäre ist er jetzt am geeignetsten. So kulminirt Jupiter und mit ihm der Fünfzigjährige. – Dann aber folgt im sechzigsten Jahre Saturn und mit ihm die Schwere, Langsamkeit und Zähigkeit des Bleies:

 
But old folks, many feign as they were dead;
Unwieldy, slow, heavy and pale as lead 26,
 
Rom. et. Jul. A. 2 sc. 5.
 
Viel Alte scheinen schon den Toten gleich:
Wie Blei, schwer, zähe, ungelenk und bleich.
 

Zuletzt kommt Uranus: da geht man, wie es heißt, in den Himmel. Den Neptun (so hat ihn leider die Gedankenlosigkeit getauft) kann ich hier nicht in Rechnung ziehn; weil ich ihn nicht bei seinem wahren Namen nennen darf, der Eros ist. Sonst wollte ich zeigen, wie sich an das Ende der Anfang knüpft, wie nämlich der Eros mit dem Tode in einem geheimen Zusammenhange steht, vermöge dessen der Orkus oder Amenthes der Ägypter (nach Plutarch de Iside et Os. c. 29), der λαμβανων και διδους, also nicht nur der Nehmende, sondern auch der Gebende, und der Tod das große réservoir des Lebens ist. Daher also, daher, aus dem Orkus, kommt alles, und dort ist schon jedes gewesen, das jetzt Leben hat: – wären wir nur fähig, den Taschenspielerstreich zu begreifen, vermöge dessen das geschieht; dann wäre alles klar.

Ende
23[Variante: ] Im A. T. wird (Psalm 90, 10) die menschliche Lebensdauer auf 70 und, wenn es hoch kommt, 80 Jahre gesetzt, und, was mehr auf sich hat, Herodot (I, 32 und III, 22) sagt dasselbe. Es ist aber doch falsch und ist bloß das Resultat einer rohen und oberflächlichen Auffassung der täglichen Erfahrung. Denn wenn die natürliche Lebensdauer 70-80 Jahre wäre, so müßten die Leute zwischen 70 und 80 Jahren vor Alter sterben. Dies aber ist gar nicht der Fall: sie sterben, wie die jüngeren, an Krankheiten; die Krankheit aber ist wesentlich eine Abnormität: also ist dies nicht das natürliche Ende. Erst zwischen 90 und 100 Jahren sterben die Menschen, dann aber in der Regel vor Alter, ohne Krankheit, ohne Todeskampf, ohne Röcheln, ohne Zuckung, bisweilen ohne zu erblassen, welches die Euthanasie heißt. Daher hat auch hier der Upanischad recht, welcher die natürliche Lebensdauer auf 100 Jahre setzt.
24Denn, wenn man auch noch so lange lebt, hat man doch nie mehr inne, als die unteilbare Gegenwart: die Erinnerung aber verliert täglich mehr durch die Vergessenheit, als sie durch den Zuwachs gewinnt.
25Die zirka 60 seitdem noch hinzu entdeckten Planetoiden sind eine Neuerung, von der ich nichts wissen will. Ich mache es daher mit ihnen, wie mit mir die Philosophieprofessoren: ich ignorire sie, weil sie nicht in meinen Kram passen.
26Viel Alte scheinen schon den Toten gleich: Wie Blei, schwer, zähe, ungelenk und bleich.