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Aphorismen zur Lebensweisheit

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Šrift:Väiksem АаSuurem Aa
 
Θαυμαστον ουδεν εστι, με ταυθ’ οὑτω λεγειν,
Και ἁνδανειν αυτοισιν αυτους, και δοκειν
Καλως πεφυκεναι: και γαρ ὁ κυων κυνι
Καλλιστον ειμεν φαινεται, και βους βοΐ,
Ονος δε ονῳ καλλιστον, ὑς δε ὑΐ.
 

welches ich, damit es keinem verloren gehe, verdeutschen will:

 
Kein Wunder ist es, daß ich red' in meinem Sinn,
Und jene, selbst sich selbst gefallend, stehn im Wahn,
Sie wären lobenswert: so scheint dem Hund der Hund
Das schönste Wesen, so dem Ochsen auch der Ochs,
Dem Esel auch der Esel, und dem Schwein das Schwein.
 

Wie selbst der kräftigste Arm, wenn er einen leichten Körper fortschleudert, ihm doch keine Bewegung erteilen kann, mit der er weit flöge und heftig träfe, sondern derselbe schon in der Nähe matt niederfällt, weil es ihm an eigenem materiellen Gehalte gefehlt hat, die fremde Kraft aufzunehmen, – ebenso ergeht es schönen und großen Gedanken, ja den Meisterwerken des Genies, wenn, sie aufzunehmen, keine andere, als kleine, schwache oder schiefe Köpfe da sind. Dies zu bejammern haben die Stimmen der Weisen aller Zeiten sich zum Chorus vereint. Z. B. Jesus Sirach sagt, »wer mit einem Narren redet, der redet mit einem Schlafenden. Wenn es aus ist, so spricht er: was ist's?« – Und Hamlet: a knavish speech sleeps in a fool's ear (eine schalkhafte Rede schläft im Ohr eines Narren). Und Goethe:

 
Das glücklichste Wort es wird verhöhnt,
Wenn der Hörer ein Schiefohr ist.
 

und wieder:

 
Du wirkest nicht, alles bleibt so stumpf,
Sei guter Dinge!
Der Stein im Sumpf
Macht keine Ringe.
 

Und Lichtenberg: »wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl; ist denn das allemal im Buche?« – und wieder: »Solche Werke sind Spiegel, wenn ein Affe hineinguckt, kann kein Apostel heraussehn.« Ja, Vater Gellert's gar schöne und rührende Klage darüber verdient wohl einmal wieder in Erinnerung gebracht zu werden:

 
»Daß oft die allerbesten Gaben
Die wenigsten Bewundrer haben,
Und daß der größte Teil der Welt
Das Schlechte für das Gute hält;
Dies Übel sieht man alle Tage.
Jedoch, wie wehrt man dieser Pest?
Ich zweifle, daß sich diese Plage
Aus unsrer Welt verdrängen läßt.
Ein einzig Mittel ist auf Erden,
Allein es ist unendlich schwer:
Die Narren müssen weise werden;
Und seht! sie werdens nimmermehr.
Nie kennen sie den Wert der Dinge.
Ihr Auge schließt, nicht ihr Verstand:
Sie loben ewig das Geringe,
Weil sie das Gute nie gekannt.«
 

Zu dieser intellektuellen Unfähigkeit der Menschen, infolge welcher das Vortreffliche, wie Goethe sagt, noch seltener erkannt und geschätzt, als gefunden wird, gesellt sich nun, hier wie überall, auch noch die moralische Schlechtigkeit derselben, und zwar als Neid auftretend. Durch den Ruhm nämlich, den einer erwirbt, wird abermals einer mehr über alle seiner Art erhoben: diese werden also um ebenso viel herabgesetzt, so daß jedes ausgezeichnete Verdienst seinen Ruhm auf Kosten derer erlangt, die keines haben.

 
»Wenn wir andern Ehre geben,
Müssen wir uns selbst entadeln.«
 
Goethe. W. O. Divan.

Hieraus erklärt es sich, in daß, welcher Gattung auch immer das Vortreffliche auftreten mag, sogleich die gesamte, so zahlreiche Mittelmäßigkeit verbündet und verschworen ist, es nicht gelten zu lassen, ja, wo möglich, es zu ersticken. Ihre heimliche Parole ist: à bas le mérite. Aber sogar auch die, welche selbst Verdienste besitzen und bereits den Ruhm desselben erlangt haben, werden nicht gern das Auftreten eines neuen Ruhmes sehn, durch dessen Glanz der des ihrigen um so viel weniger leuchtet. Daher sagt selbst Goethe:

 
»Hätt' ich gezaudert zu werden,
Bis man mir's Leben gegönnt,
Ich wäre noch nicht auf Erden,
Wie ihr begreifen könnt,
Wenn ihr seht, wie sie sich geberden,
Die, um etwas zu scheinen,
Mich gerne möchten verneinen.«
 

Während also die Ehre, in der Regel, gerechte Richter findet und kein Neid sie anficht, ja sogar sie jedem zum voraus, auf Kredit, verliehen wird, muß der Ruhm, dem Neid zum Trotz, erkämpft werden, und den Lorbeer teilt ein Tribunal entschieden ungünstiger Richter aus. Denn die Ehre können und wollen wir mit jedem teilen: der Ruhm wird geschmälert oder erschwert, durch jeden, der ihn erlangt. – Nun ferner steht die Schwierigkeit der Erlangung des Ruhmes durch Werke im umgekehrten Verhältnis der Menschenzahl, die das Publikum solcher Werke ausmacht; aus leicht abzusehenden Gründen. Daher ist sie viel größer bei Werken, welche Belehrung, als bei solchen, welche Unterhaltung verheißen. Am größten ist sie bei philosophischen Werken; weil die Belehrung, welche diese versprechen, einerseits ungewiß, und andrerseits ohne materiellen Nutzen ist; wonach denn solche zunächst vor einem Publiko auftreten, das aus lauter Mitbewerbern besteht. – Aus den dargelegten Schwierigkeiten, die der Erlangung des Ruhmes entgegenstehn, erhellt, daß, wenn die, welche ruhmwürdige Werke vollenden, es nicht aus Liebe zu diesen selbst und eigener Freude daran täten, sondern der Aufmunterung durch den Ruhm bedürften, die Menschheit wenige, oder keine, unsterbliche Werke erhalten haben würde. Ja, sogar muß, wer das Gute und Rechte hervorbringen und das Schlechte vermeiden soll, dem Urteile der Menge und ihrer Wortführer Trotz bieten, mithin sie verachten. Hierauf beruht die Richtigkeit der Bemerkung, die besonders Osorius (de gloria) hervorhebt, daß der Ruhm vor denen flieht, die ihn suchen, und denen folgt, die ihn vernachlässigen: denn jene bequemen sich dem Geschmacke ihrer Zeitgenossen an, diese trotzen ihm.

So schwer es demnach ist, den Ruhm zu erlangen, so leicht ist es, ihn zu behalten. Auch hierin steht er im Gegensatz mit der Ehre. Diese wird jedem, sogar auf Kredit, verliehen: er hat sie nur zu bewahren. Hier aber liegt die Aufgabe: denn durch eine einzige, nichtswürdige Handlung geht sie unwiederbringlich verloren. Der Ruhm hingegen kann eigentlich nie verloren gehn: denn die Tat, oder das Werk, durch die er erlangt worden, stehen für immer fest, und der Ruhm derselben bleibt ihrem Urheber, auch wenn er keinen neuen hinzufügt. Wenn jedoch der Ruhm wirklich verklingt, wenn er überlebt wird; so war er unecht, d. h. unverdient, durch augenblickliche Überschätzung entstanden, wo nicht gar so ein Ruhm wie Hegel ihn hatte und Lichtenberg ihn beschreibt, »ausposaunt von einer freundschaftlichen Kandidatenjunta und vom Echo leerer Köpfe widergehallt; – aber die Nachwelt, wie wird sie lächeln, wann sie dereinst an die bunten Wörtergehäuse, die schönen Nester ausgeflogener Mode und die Wohnungen weggestorbener Verabredungen anklopfen und alles, alles leer finden wird, auch nicht den kleinsten Gedanken, der mit Zuversicht sagen könnte: herein!« –

Der Ruhm beruht eigentlich auf dem, was einer im Vergleich mit den Übrigen ist. Demnach ist er wesentlich ein Relatives, kann daher auch nur relativen Wert haben. Er fiele ganz weg, wenn die Übrigen würden was der Gerühmte ist. Absoluten Wert kann nur das haben, was ihn unter allen Umständen behält, also hier, was einer unmittelbar und für sich selbst ist: folglich muß hierin der Wert und das Glück des großen Herzens und des großen Kopfes liegen. Also nicht der Ruhm, sondern das, wodurch man ihn verdient, ist das Wertvolle. Denn es ist gleichsam die Substanz und der Ruhm nur das Akzidenz der Sache: ja dieser wirkt auf den Gerühmten hauptsächlich als ein äußerliches Symptom, durch welches er die Bestätigung seiner eigenen hohen Meinung von sich selbst erhält; demnach man sagen könnte, daß, wie das Licht gar nicht sichtbar ist, wenn es nicht von einem Körper zurückgeworfen wird; ebenso jede Trefflichkeit erst durch den Ruhm ihrer selbst recht gewiß wird. Allein er ist nicht einmal ein untrügliches Symptom; da es auch Ruhm ohne Verdienst und Verdienst ohne Ruhm gibt; weshalb ein Ausdruck Lessings so artig herauskommt: »einige Leute sind berühmt, und andere verdienen es zu sein.« Auch wäre es eine elende Existenz, deren Wert oder Unwert darauf beruhte, wie sie in den Augen anderer erschiene: eine solche aber wäre das Leben des Helden und des Genies, wenn dessen Wert im Ruhme, d. h. im Beifall anderer, bestände. Vielmehr lebt und existiert ja jegliches Wesen seiner selbst wegen, daher auch zunächst in sich und für sich. – Was einer ist, in welcher Art und Weise es auch sei, das ist er zuvörderst und hauptsächlich für sich selbst: und wenn es hier nicht viel wert ist, so ist es überhaupt nicht viel. Hingegen ist das Abbild seines Wesens in den Köpfen anderer ein Sekundäres, Abgeleitetes und dem Zufall Unterworfenes, welches nur sehr mittelbar sich auf das erstere zurückbezieht. Zudem sind die Köpfe der Menge ein zu elender Schauplatz, als daß auf ihm das wahre Glück seinen Ort haben könnte. Vielmehr ist daselbst nur ein chimärisches Glück zu finden. Welche gemischte Gesellschaft trifft doch in jenem Tempel des allgemeinen Ruhms zusammen! Feldherren, Minister, Quacksalber, Gaukler, Tänzer, Sänger, Millionäre und Juden: ja die Vorzüge aller dieser werden dort viel aufrichtiger geschätzt, finden viel mehr estime sentie, als die geistigen, zumal der hohen Art, die ja bei der großen Mehrzahl nur eine estime sur parole erlangen. In eudämonologischer Hinsicht ist also der Ruhm nichts weiter, als der seltenste und köstlichste Bissen für unsern Stolz und unsere Eitelkeit. Diese aber sind in den meisten Menschen, obwohl sie es verbergen, übermäßig vorhanden, vielleicht sogar am stärkesten in denen, die irgendwie geeignet sind, sich Ruhm zu erwerben und daher meistens das unsichere Bewußtsein ihres überwiegenden Wertes lange in sich herumtragen müssen, ehe die Gelegenheit kommt, solchen zu erproben und dann die Anerkennung desselben zu erfahren: bis dahin war ihnen zu Mute, als erlitten sie ein heimliches Unrecht10. Überhaupt aber ist ja, wie am Anfange dieses Kapitels erörtert worden, der Wert, den der Mensch auf die Meinung anderer von ihm legt, ganz unverhältnismäßig und unvernünftig; so daß Hobbes die Sache zwar sehr stark, aber vielleicht doch richtig ausgedrückt hat in den Worten: omnis animi voluptas, omnisque alacritas in eo sita est, quod quis habeat quibuscum conferens se, possit magnifice sentire de se ipso (de cive. I, 5). Hieraus ist der hohe Wert erklärlich, den man allgemein auf den Ruhm legt, und die Opfer, welche man bringt, in der bloßen Hoffnung, ihn dereinst zu erlangen:

 
 
Fame is the spur, that the clear spirit doth raise
(That last infirmity of noble minds)
To scorn delights and live laborious days.
 

wie auch:

 
how hard it is to climb
The hights where Fame's proud temple shines afar.
 

Hieraus endlich erklärt es sich auch, daß die eitelste aller Nationen beständig la gloire im Munde führt und solche unbedenklich als die Haupttriebfeder zu großen Taten und großen Werken ansieht. – Allein, da unstreitig der Ruhm nur das Sekundäre ist, das bloße Echo, Abbild, Schatten, Symptom des Verdienstes, und da jedenfalls das Bewunderte mehr Wert haben muß als die Bewunderung, so kann das eigentlich Beglückende nicht im Ruhme liegen, sondern in dem, wodurch man ihn erlangt, also im Verdienste selbst, oder, genauer zu reden, in der Gesinnung und den Fähigkeiten, aus denen es hervorging, es mag nun moralischer oder intellektueller Art sein. Denn das Beste, was jeder ist, muß er notwendig für sich selbst sein: was davon in den Köpfen anderer sich abspiegelt und er in ihrer Meinung gilt, ist Nebensache und kann nur von untergeordnetem Interesse für ihn sein. Wer demnach nur den Ruhm verdient, auch ohne ihn zu erhalten, besitzt bei weitem die Hauptsache, und was er entbehrt, ist etwas, darüber er sich mit derselben trösten kann. Denn nicht daß einer von der urteilslosen, so oft betörten Menge für einen großen Mann gehalten werde, sondern daß er es sei, macht ihn beneidenswert; auch nicht, daß die Nachwelt von ihm erfahre, sondern daß in ihm sich Gedanken erzeugen, welche verdienen, Jahrhunderte hindurch aufbewahrt und nachgedacht zu werden, ist ein hohes Glück. Zudem kann dieses ihm nicht entrissen werden: es ist των εφ’ ἡμιν, jenes andere των ουκ εφ’ ἡμιν. Wäre hingegen die Bewunderung selbst die Hauptsache; so wäre das Bewunderte ihrer nicht wert. Dies ist wirklich der Fall beim falschen, d. i. unverdienten Ruhm. An diesem muß sein Besitzer zehren, ohne das, wovon derselbe das Symptom, der bloße Abglanz, sein soll, wirklich zu haben. Aber sogar dieser Ruhm selbst muß ihm oft verleidet werden, wann bisweilen, trotz aller, aus der Eigenliebe entspringenden Selbsttäuschung, ihm auf der Höhe, für die er nicht geeignet ist, doch schwindelt, oder ihm zu Mute wird, als wäre er ein kupferner Dukaten; wo dann die Angst vor Enthüllung und verdienter Demütigung ihn ergreift, zumal wann er auf den Stirnen der Weiseren schon das Urteil der Nachwelt liest. Er gleicht sonach dem Besitzer durch ein falsches Testament. – Den echtesten Ruhm, den Nachruhm, vernimmt sein Gegenstand ja nie, und doch schätzt man ihn glücklich. Also bestand sein Glück in den großen Eigenschaften selbst, die ihm den Ruhm erwarben, und darin, daß er Gelegenheit fand, sie zu entwickeln, also daß ihm vergönnt wurde, zu handeln, wie es ihm angemessen war, oder zu treiben, was er mit Lust und Liebe trieb: denn nur die aus dieser entsprungenen Werke erlangen Nachruhm. Sein Glück bestand also in seinem großen Herzen, oder auch im Reichtum eines Geistes, dessen Abdruck, in seinen Werken, die Bewunderung kommender Jahrhunderte erhält; es bestand in den Gedanken selbst, welchen nachzudenken, die Beschäftigung und der Genuß der edelsten Geister einer unabsehbaren Zukunft ward. Der Wert des Nachruhms liegt also im Verdienen desselben, und dieses ist sein eigener Lohn. Ob nun die Werke, welche ihn erwarben, unterweilen auch den Ruhm der Zeitgenossen hatten, hing von zufälligen Umständen ab und war nicht von großer Bedeutung. Denn da die Menschen in der Regel ohne eigenes Urteil sind und zumal hohe und schwierige Leistungen abzuschätzen durchaus keine Fähigkeit haben; so folgen sie hier stets fremder Autorität, und der Ruhm, in hoher Gattung, beruht bei 99 unter 100 Rühmern, bloß auf Treu und Glauben. Daher kann auch der vielstimmigste Beifall der Zeitgenossen für denkende Köpfe nur wenig Wert haben, indem sie in ihm stets nur das Echo weniger Stimmen hören, die zudem selbst nur sind, wie der Tag sie gebracht hat. Würde wohl ein Virtuose sich geschmeichelt fühlen durch das laute Beifallsklatschen seines Publikums, wenn ihm bekannt wäre, daß es, bis auf einen oder zwei, aus lauter völlig Tauben bestände, die, um einander gegenseitig ihr Gebrechen zu verbergen, eifrig klatschen, sobald sie die Hände jenes Einen in Bewegung sähen? Und nun gar, wenn die Kenntnis hinzukäme, daß jene Vorklatscher sich oft bestechen ließen, um dem elendesten Geiger den lautesten Applaus zu verschaffen! – Hieraus ist erklärlich, warum der Ruhm der Zeitgenossen so selten die Metamorphose in Nachruhm erlebt; weshalb d'Alembert, in seiner überaus schönen Beschreibung des Tempels des literarischen Ruhmes, sagt: »das Innere des Tempels ist von lauter Toten bewohnt, die während ihres Lebens nicht darin waren, und von einigen Lebenden, welche fast alle, wann sie sterben, hinausgeworfen werden.« Und beiläufig sei es hier bemerkt, daß einem bei Lebzeiten ein Monument setzen die Erklärung ablegen heißt, daß hinsichtlich seiner der Nachwelt nicht zu trauen sei. – Wenn dennoch einer den Ruhm, welcher zum Nachruhm werden soll, erlebt, so wird es selten früher als im Alter geschehn: allenfalls gibt es bei Künstlern und Dichtern Ausnahmen von dieser Regel, am wenigsten bei Philosophen. Eine Bestätigung derselben geben die Bildnisse der durch ihre Werke berühmten Männer, da dieselben meistens erst nach dem Eintritt ihrer Zelebrität angefertigt wurden: in der Regel sind sie alt und grau dargestellt, namentlich die Philosophen. Inzwischen steht, eudämonologisch genommen, die Sache ganz recht. Ruhm und Jugend auf einmal ist zu viel für einen Sterblichen. Unser Leben ist so arm, daß seine Güter haushälterischer verteilt werden müssen. Die Jugend hat vollauf genug an ihrem eigenen Reichtum und kann sich daran genügen lassen. Aber im Alter, wann alle Genüsse und Freuden, wie die Bäume im Winter, abgestorben sind, dann schlägt am gelegensten der Baum des Ruhmes aus, als ein ächtes Wintergrün: auch kann man ihn den Winterbirnen vergleichen, die im Sommer wachsen, aber im Winter genossen werden. Im Alter gibt es keinen schönern Trost, als daß man die ganze Kraft seiner Jugend Werken einverleibt hat, die nicht mit altern.

Wollen wir jetzt noch etwas näher die Wege betrachten, auf welchen man, in den Wissenschaften, als dem uns zunächst liegenden, Ruhm erlangt; so läßt sich hier folgende Regel aufstellen. Die durch solchen Ruhm bezeichnete intellektuelle Überlegenheit wird allemal an den Tag gelegt durch eine neue Kombination irgendwelcher Data. Diese nun können sehr verschiedener Art sein; jedoch wird der durch ihre Kombination zu erlangende Ruhm um so größer und ausgebreiteter sein, je mehr sie selbst allgemein bekannt und jedem zugänglich sind. Bestehn z. B. die Data in einigen Zahlen oder Kurven, oder auch in irgend einer speziellen physikalischen, zoologischen, botanischen oder anatomischen Tatsache, oder auch in einigen verdorbenen Stellen alter Autoren, oder in halbverlöschten Inschriften, oder in solchen, deren Alphabet uns fehlt, oder in dunkeln Punkten der Geschichte; so wird der durch die richtige Kombination derselben zu erlangende Ruhm sich nicht viel weiter erstrecken, als die Kenntnis der Data selbst, also auf eine kleine Anzahl meistens zurückgezogen lebender und auf den Ruhm in ihrem Fache neidischer Leute. – Sind hingegen die Data solche, welche das ganze Menschengeschlecht kennt, sind es z. B. wesentliche, allen gemeinsame Eigenschaften des menschlichen Verstandes, oder Gemütes, oder Naturkräfte, deren ganze Wirkungsart wir beständig vor Augen haben, oder der allbekannte Lauf der Natur überhaupt; so wird der Ruhm, durch eine neue, wichtige und evidente Kombination Licht über sie verbreitet zu haben, sich mit der Zeit fast über die ganze zivilisirte Welt erstrecken. Denn, sind die Data jedem zugänglich, so wird ihre Kombination es meistens auch sein. – Dennoch wird hiebei der Ruhm allemal nur der überwundenen Schwierigkeit entsprechen. Denn, je allbekannter die Data sind, desto schwerer ist es, sie auf eine neue und doch richtige Weise zu kombiniren; da schon eine überaus große Anzahl von Köpfen sich an ihnen versucht und die unmöglichen Kombinationen derselben erschöpft hat. Hingegen werden Data, welche, dem großen Publiko unzugänglich, nur auf mühsamen und schwierigen Wegen erreichbar sind, fast immer noch neue Kombinationen zulassen: wenn man daher an solche nur mit geradem Verstande und gesunder Urteilskraft, also einer mäßigen geistigen Überlegenheit, kommt; so ist es leicht möglich, daß man eine neue und richtige Kombination derselben zu machen das Glück habe. Allein der hiedurch erworbene Ruhm wird ungefähr dieselben Grenzen haben, wie die Kenntnis der Data. Denn zwar erfordert die Lösung von Problemen solcher Art großes Studium und Arbeit, schon um nur die Kenntnis der Data zu erlangen; während in jener andern Art, in welcher eben der größte und ausgebreiteteste Ruhm zu erwerben ist, die Data unentgeltlich gegeben sind: allein in dem Maße, wie diese letztere Art weniger Arbeit erfordert, gehört mehr Talent ja Genie dazu, und mit diesen hält, hinsichtlich des Wertes und der Wertschätzung, keine Arbeit oder Studium den Vergleich aus.

Hieraus nun ergibt sich, daß die, welche einen tüchtigen Verstand und ein richtiges Urteil in sich spüren, ohne jedoch die höchsten Geistesgaben sich zuzutrauen, viel Studium und ermüdende Arbeit nicht scheuen dürfen, um mittelst dieser sich aus dem großen Haufen der Menschen, welchen die allbekannten Data vorliegen, herauszuarbeiten und zu den entlegeneren Orten zu gelangen, welche nur dem gelehrten Fleiße zugänglich sind. Denn hier, wo die Zahl der Mitbewerber unendlich verringert ist, wird auch der nur einigermaßen überlegene Kopf bald zu einer neuen und richtigen Kombination der Data Gelegenheit finden: sogar wird das Verdienst seiner Entdeckung sich mit auf die Schwierigkeit, zu den Datis zu gelangen, stützen. Aber der also erworbene Applaus seiner Wissensgenossen, als welche die alleinigen Kenner in diesem Fache sind, wird von der großen Menge der Menschen nur von Weitem vernommen werden. – Will man nun den hier angedeuteten Weg bis zum Extrem verfolgen; so läßt sich der Punkt nachweisen, wo die Data, wegen der großen Schwierigkeit ihrer Erlangung, für sich allein und ohne daß eine Kombination derselben erfordert wäre, den Ruhm zu begründen hinreichen. Dies leisten Reisen in sehr entlegene und wenig besuchte Länder: man wird berühmt durch das, was man gesehen, nicht durch das, was man gedacht hat. Dieser Weg hat auch noch einen großen Vorteil darin, daß es viel leichter ist, was man gesehn, als was man gedacht hat, andern mitzuteilen und es mit dem Verständnis sich ebenso verhält: demgemäß wird man für das Erstere auch viel mehr Leser finden als für das andere. Denn, wie schon Asmus sagt:

 
»Wenn jemand eine Reise tut,
So kann er was erzählen.«
 

Diesem allen entspricht es aber auch, daß, bei der persönlichen Bekanntschaft berühmter Leute dieser Art einem oft die Horazische Bemerkung einfällt:

Coelum, non animum, mutant, qui trans mare currunt.

(Epist. I, 11, v. 27.)

Was aber nun andrerseits den mit hohen Fähigkeiten ausgestatteten Kopf betrifft, als welcher allein sich an die Lösung der großen, das Allgemeine und Ganze betreffenden und daher schwierigsten Probleme wagen darf; so wird dieser zwar wohl daran tun, seinen Horizont möglichst auszudehnen, jedoch immer gleichmäßig, nach allen Seiten, und ohne je sich zu weit in irgend eine der besonderen und nur Wenigen bekannten Regionen zu verlieren, d. h. ohne auf die Spezialitäten irgend einer einzelnen Wissenschaft weit einzugehen, geschweige sich mit den Mikrologien zu befassen. Denn er hat nicht nötig, sich an die schwer zugänglichen Gegenstände zu machen, um dem Gedränge der Mitbewerber zu entgehn; sondern eben das allen Vorliegende wird ihm Stoff zu neuen, wichtigen und wahren Kombinationen geben. Dem nun aber gemäß wird sein Verdienst von allen denen geschätzt werden können, welchen die Data bekannt sind, also von einem großen Teile des menschlichen Geschlechts. Hierauf gründet sich der mächtige Unterschied zwischen dem Ruhm, den Dichter und Philosophen erlangen, und dem, welcher Physikern, Chemikern, Anatomen, Mineralogen, Zoologen, Philologen, Historikern usw. erreichbar ist.

 
10Da unser größtes Vergnügen darin besteht, bewundert zu werden, die Bewunderer aber, selbst wo alle Ursache wäre, sich ungern dazu herbeilassen; so ist er der Glücklichste Der, welcher, gleichviel wie, es dahin gebracht hat, sich selbst aufrichtig zu bewundern. Nur müssen die andern ihn nicht irre machen.