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Francisco Pizarro

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XXIX

Krank und gebrochen fiel der Marschall Almagro in die Hände Hernando Pizarros. Sowie in Kuzko endlich einigermaßen Ruhe und Ordnung herrschte, eröffnete man den Prozeß wider den gefangenen Rebellen. An die tausend Folioseiten sollen zusammengekommen sein, wie Antonio de Herrera, einer der berühmtesten Historiker der Neuen Welt, in seiner »Historia general« (Madrid 1605) berichtet. Diese Akten sind leider nicht erhalten. Das Verfahren endete am 8. Juli 1538 mit der Verurteilung Almagros zum Tode durch das Schwert: weil er Krieg gegen den Vertreter des Kaisers geführt, den Untergang vieler Spanier verschuldet, mit dem Inka ein Bündnis gemacht und die Stadt Kuzko widerrechtlich besetzt und geplündert habe.

Das Urteil wurde dem Verurteilten durch einen damit beauftragten Mönch am Tage der Verkündigung mitgeteilt. Der kranke Almagro, dem Hernando Pizarro alle Hoffnung gemacht und manche Aufmerksamkeit erwiesen hatte, um seine tiefe Niedergeschlagenheit zu heben, vermochte den unerwarteten Spruch kaum zu glauben. Er ließ Hernando um eine Unterredung bitten. Um sich am moralischen Zusammenbruch seines Feindes zu weiden, kam Pizarro. Almagro war dermaßen körperlich und seelisch schwach, daß er seine Würde vergaß und in bewegten Worten um sein Leben bat. Er wies auf die ehemalige Waffenbrüderschaft hin, auf seine Dienste und Verdienste und schließlich auf sein im Kampf um Peru ergrautes Haar. Er habe keinen Begehr mehr als den kurzen Rest seiner Tage in Frieden zu verbringen.

Hernando ließ ihm volle Zeit, sich zu demütigen, und erwiderte sodann in spöttischem eiskaltem Tone: er sei verwundert, einen alten Offizier und tapferen Ritter so würdelos reden zu hören. Er habe den Tod verdient, und er solle seine Rechnung mit Gott und der Welt männiglich abschließen.

Da drohte der Marschall: »Meine Freunde werden sich an den Kaiser wenden, der diesen mir ungerecht angetanen Schimpf nicht unvergolten lassen kann.«

Hernando brach die Unterredung ab und empfahl sich.

Jetzt gewann der General seine Selbstbeherrschung wieder. Er bat den Ritter Diego de Alvarado zu sich, legte ihm seinen Sohn und seine Angelegenheiten ans Herz. Alles, was er besaß – und er war ein schwerreicher Mann – gab er in die Hände seines Kaisers zurück, wobei er nachdrücklichst darauf aufmerksam machte, daß seine Abrechnung mit Francisco Pizarro noch nicht regelrecht erledigt sei.

Alvarado versuchte Hernando Pizarro zu Aufschub zu bewegen, indem er erklärte, das Urteil müsse zum mindesten vom Statthalter, wenn nicht vom Kaiser, unterzeichnet werden. Er erreichte nichts als die Umwandlung der Todesart. Statt daß dem Verurteilten vor versammeltem Heere auf der Plaza das Haupt abgeschlagen werde, solle er im Gefängnis durch die Garotta sterben.

Noch am Abend ward das Urteil vollstreckt. Almagro beichtete, nahm das Abendmahl und fügte sich seinem Schicksal. Sein Leichnam wurde bei Fackel*licht auf den Großen Platz gebracht, wo ihm der Henker urteilsgemäß den Kopf abschlug. Ein Herold verkündete den Vollzug.

Der Ritter Ponce de Leon, ein Freund des Toten, ließ ihn in sein Haus tragen. Die feierliche Beisetzung erfolgte am Tage darauf in der Kirche der gnadenreichen Jungfrau. Hernando und Gonzalo Pizarro wohnten der Zeremonie in voller Rüstung bei.

Merkwürdig ist das persönliche Verhalten von Francisco Pizarro. Es besteht kein Zweifel, daß Prozeß wie Urteilsvollzug auf seine Anordnung erfolgt ist. Sehr bald nach dem Eingang der Meldung vom Siege bei Las Salinas war der Statthalter von Lima aufgebrochen, blieb aber in Xauxa. Offenbar scheute er sich, Kuzko zu betreten, solange die zwischen ihm und Hernando festverabredete Beseitigung ihres gemeinsamen Feindes noch nicht vollendete Tatsache war. In Xauxa empfing er den jungen Diego de Almagro, versicherte dem arg Betrübten, seinem Vater werde kein Leid geschehen, und entsandte ihn nach Lima, wo er im Hause Pizarros auf das beste aufgenommen wurde. Das gleiche versicherte er dem Bischof und einigen Rittern, die von Kuzko kamen, um Fürsprache für Almagro einzulegen. Der Statthalter stand in reger Verbindung mit seinem Bruder. Wenige Tage vor der Urteilsvollstreckung brach er endlich von Xauxa auf. In Abancay, also vor den Toren der so umstrittenen Hauptstadt, empfing er Hernandos Meldung, daß der Rebell hingerichtet war. Er tat, als sei er überrascht und ergriffen. Andern Tags zog er als Triumphator in Kuzko ein, in stolzer Haltung, heiteren Sinnes, in einem Prunkrocke, den ihm Ferdinand Cortes verehrt hatte, unter den jubilierenden Klängen eines Reitermarsches.

Almagro war um 1470 geboren, also zur Zeit seines Abganges aus dieser Welt beinahe siebzig Jahre alt. Sein Charakter, seine Vorzüge, seine Fehler, seine Verdienste gehen aus seinen Taten zur Genüge hervor. Der große Gedanke, der in der spanischen Weltherrschaft lebte und webte, war der goldne Faden seines Daseins nicht. Der Drang nach Reichtum und Macht ist als das Leitmotiv seines Lebens anzusehen. Damit verliert er jedwede Gloriole.

Als Soldat war er Haudegen und Draufgänger; das Zeug zum Staatsmann und Organisator fehlte ihm. Er war ein leutseliger Vorgesetzter, ein guter braver Kamerad, ein Mann, der auf Leben und Lebenlassen hielt, zuweilen Verschwender und Wüstling. Infolgedessen stand es mit der Zucht unter seinen Untergebenen nicht berühmt. Er drückte allzuoft beide Augen zu. Zweifellos haben die Brüder Pizarro ihm gegenüber ohne Rücksicht und Erbarmen gehandelt, aber man kann nicht sagen, er habe sein schlimmes Ende nicht verdient.

XXX

Von neuem tat Francisco Pizarro allerlei, sein Reich innerlich zu stärken und zu einen. Wie schon erzählt, hatte sich in Quito der Ritter Sebastian Benalcazar gewissermaßen selbständig gemacht. Es war ihm durch planmäßig ausgeführte Streifzüge gelungen, die Provinz fester in die Hand zu bekommen. Somit war er auf dem besten Wege, sich ein eigenes Reich zu gründen. Pizarro hatte dies erfahren, und sowie der Aufstand der Peruaner erloschen war, schickte er einen Bevollmächtigten zu ihm mit der Aufforderung, unverzüglich zu ihm nach Lima zu kommen. Aber es war bereits zu spät. Benalcazar hatte sich nach Europa begeben, vermutlich um sich sein Gebiet vom Kaiser bestätigen zu lassen.

Des weiteren bekam Gonzalo Pizarro den Auftrag, einen Zug gegen die Charkas-Indianer zu führen. Dieser kriegerische Stamm hatte seinen Sitz innerhalb der Statthalterschaft Almagros, etwas östlich des großen Sees (unter dem 18. Breitengrade), der den schönen Namen Lago de Poopo trägt. Pizarro hatte gehört, im Gebiete dieser Indianer lägen ergiebige Silbergruben.

Es kam zu heftigen Gefechten mit den Eingebornen. Hernando Pizarro ward mit Hilfstruppen nachgesandt. Ihm gelang die Unterwerfung, und Francisco belohnte ihn mit den Silbergruben von Porco. Unweit davon liegen die damals noch unentdeckten berühmtesten Silberbergwerke Perús, die von Potosi (4000 m hoch). Die alte Stadt Charkas heißt übrigens heute Sucre (2700 m hoch). Die ganze Gegend hat heute noch eine reiche Zukunft, sobald sie endlich mit Lima durch eine Eisenbahn verbunden sein wird.

Ein Jahr war seit Almagros Tod verstrichen, da schickte sich Hernando Pizarro endlich an, nach Spanien zurückzugehen. Beide Brüder wußten sehr wohl, daß dem Diego de Alvarado, der am Kaiserlichen Hof weilte, um Almagros Sache zugunsten von dessen Sohne zu führen, das Feld nicht länger allein überlassen werden durfte.

Bei seiner Abreise mahnte Hernando seinen Bruder ernstlichst, sich vor den »Chilianern« zu hüten. Das seien Desperados, die vor nichts zurückscheuten, um sich an ihm zu rächen! Es sei unbedingt nötig, daß Almagros Anhänger auseinandergesprengt würden. Noch immer hockten sie in Kuzko beieinander.

»Und dann,« riet er ihm, »halte dir eine zuverlässige Leibwache! Bisher war ich es, der dich beschirmt hat.«

Der Marques lachte.

»Sei unbesorgt,« erwiderte er ihm, »jedes einzelne Haar auf den Köpfen der Parteigänger Almagros bürgt mir für meine Sicherheit!«

Im August 1539 schiffte sich Hernando Pizarro in Lima ein. Um Panamá zu meiden, landete er in Tehuantepec, dem mexikanischen Hafen am Südmeere, den Ferdinand Cortes i. J. 1524 angelegt hatte. Was in Panamá zu fürchten war, geschah in Mexiko. Auf dem Wege von Tehuantepec nach Vera Cruz ward Hernando Pizarro verhaftet; aber der Vizekönig Antonio de Mendoza gab ihn wieder frei, da er kein Recht hatte, einen Offizier aus einer ganz anderen selbständigen Kolonie festzuhalten.

Nachdem Pizarro mehrere Wochen auf den Azoren verweilt hatte, um bestimmte Nachrichten von mächtigen Freunden am Hofe abzuwarten, begab er sich schließlich nach Valladolid zum Kaiser. Mit großem Prunk zog er in der Stadt ein. Bei Hofe empfing man ihn mit großer Zurückhaltung. Diego de Alvarado hatte ihn gehörig angeschwärzt. So befreundet sie ehedem gewesen: das Versprechen, das Alvarado dem Marschall Almagro in dessen Todesstunde gegeben, lag ihm näher am Herzen als die Erinnerung an alles andre.

Immerhin gelang es dem gewandten und reichen Hernando Pizarro, sich in der Umgebung des Kaisers sehr bald gute und tüchtige Freunde zu erwerben. Er sparte nicht mit seinem Golde, und Festmähler und Gastgeschenke taten das ihre. Dazu verstand er es, die Taten, Gefahren und Rechte seines berühmten Bruders in das volle Licht zu stellen, Almagro hingegen als Verräter und Rebellen zu brandmarken.

Alvarado, der mehr Soldat als Hofmann war, ärgerte und erbitterte sich über diese Wendung und Verzögerung. Er war nach Spanien gekommen, um eine kaiserliche Entscheidung zugunsten des jungen Almagro zu erwirken. Vor allem galt es, dessen pekuniäre Ansprüche zu sichern. In seinem Zorn forderte er Hernando Pizarro zum Zweikampf heraus. Dieser hatte keine Neigung, seine und seines Bruders so wichtige Sache einem ritterlichen »Gottesgericht« anzuvertrauen. Man lebte im Cinquecento – und fünf Tage nach seiner Herausforderung trug man den Ritter Alvarado zu Grabe. Er war an Gift gestorben.

 

Kein Mensch wagte es offen, Hernando Pizarro des Mordes zu beschuldigen. Gleichwohl ward er verhaftet. Ohne daß ein Urteil vorlag, saß er volle zwanzig Jahre auf der Veste Medino del Campo. Erst anno 1560 ließ man den nunmehr Fünfundneunzigjährigen frei. Hernando ertrug die lange Gefangenschaft voll Gleichmut, und die letzten fünf, sechs freien Jahre seines Lebens soll er »im Geruche der Heiligkeit« gestanden haben. Sein Vermögen war lange beschlagnahmt gewesen, aber noch immer war er ein reicher Mann. Nach einer im Wortlaute erhaltenen Königlichen Cedula empfing er i. J. 1555 allein 10000 Dukaten aus den Silbergruben von Porco, die ihm nach wie vor gehörten. Seine Familie blieb in hohen Ehren. So ist noch sein Enkel vom König Philipp IV. (1621—1665) huldvollst zum Marques de la Conquista (Markgraf der Eroberung) ernannt worden. In der Tat hat Francisco Pizarro niemals einen tüchtigeren und tapfereren Helfer gehabt als seinen ältesten Bruder.

Der Prozeß gegen Hernando Pizarro ist wohl im Sande verlaufen. Man konnte ihm nicht nachweisen, daß er die Hinrichtung Almagros eigenmächtig angeordnet und vollzogen habe. Herrera, dem zahlreiche Urkunden und Briefe von Conquistadoren vorgelegen haben, berichtet, Hernando habe nach einem bestimmten Befehl des Statthalters gehandelt. Höchstwahrscheinlich hat er diese Aussage dokumentarisch gestützt.

Wenn man auch weder Hernando noch Francisco Pizarro klipp und klar den Prozeß machen konnte oder wollte, so erkannte man doch im Kaiserlichen Rate, daß die Zustände in Perú zu wünschen übrig ließen. Am liebsten hätte man die Verwaltung der zweifellos fest eroberten aber noch nicht innerlich beruhigten so wertvollen Kolonie einem andern übergeben, aber man wußte sehr wohl, daß sich der Eroberer nicht ohne weiteres beiseite stellen ließ. Was man bei Ferdinand Cortes im Vertrauen auf dessen Kaisertreue gewagt, wagte man nicht bei einem Manne, der sich kraft seines verbrieften Rechts ganz gewiß von niemandem absetzen ließ.

Man wählte den kaiserlichen Rat Cristoval Vaca de Castro, Mitglied des Audiencia von Valladolid, einen gerecht und rechtlich denkenden Juristen, der neben vielseitigen reichen Kenntnissen als ein Meister machiavellistischer Urbanität galt. Soldat war er nicht; ein solcher wäre auch Pizarro gegenüber nicht am Platze gewesen.

Seine Aufgabe war, die eigentliche Regierung in die Hände zu bekommen; seine Vollmacht aber wies ihn lediglich als kaiserlichen Untersuchungsrichter aus. Er hatte das Recht, Beschwerden von Eingeborenen zu prüfen und zu entscheiden, Maßregeln zur Verhütung von Unbill aller Art anzuordnen und offizielle Berichte an den Kaiser zu erstatten. Für den Fall von Pizarros Tod hatte er seine eigene Ernennung zum Statthalter von Neu-Kastilien in der Tasche. Dies letztere besagt alles.

Vaca de Castro ging im Herbst 1540 in Sevilla an Bord, erreichte Nombre de Dios, ritt auf einem Maultiere über die Landenge und bestieg in Panamá eine Karavelle, die ihn nach Lima bringen sollte. Unterwegs litt er Schiffbruch, so daß seine Ankunft in Perú stark verzögert wurde. Inzwischen ereignete sich Geschehnis auf Geschehnis.

XXXI

Durch den Krieg der Spanier untereinander hatte die ehemals so straffe Ordnung im Lande arg gelitten. In den spanischen Ansiedlungen, deren Zahl und Größe langsam zunahm, waren die Indianer zu Sklaven gemacht worden. In den Gegenden, wo die Europäer noch nicht unmittelbar herrschten, verwilderten die Eingeborenen.

Inka Manko begann den Guerillakrieg; anders ausgedrückt, er wurde Raubritter. Er scharte um sich einige Hundert ehemalige Soldaten, setzte sich in den Vorbergen zwischen Kuzko und Lima fest und überfiel die Karawanen der Spanier. Seine Banden brachen unvermutet in die Niederlassungen ein, raubten Vieh, brannten Farmen nieder und mordeten jeden Weißen, den sie erwischten. Die gegen die Wegelagerer und Räuber ausgesandten Patrouillen vermochten nichts auszurichten. Unter Verlusten kamen sie wieder. Einmal geriet ein Trupp von dreißig Spaniern in einen Hinterhalt und wurde bis auf den letzten Reiter niedergemacht.

Schließlich beauftragte Francisco Pizarro seinen Bruder Gonzalo mit einem größeren Zuge gegen den Inka, der sich bei der Annäherung der Truppe in die Cordillera zurückzog. Mehrfach fanden Plänkeleien statt, auch kleine Gefechte, aber ein entscheidender Schlag war unmöglich. Jeder Verlust an Streitkraft ersetzte sich wie von selbst durch Zuzug andrer Indianer. Seine Schlupfwinkel aber in den unwegsamen rauhen Bergen waren nur durch Zufall zu finden.

Der Statthalter sah ein, daß auf diesem Wege keine Ordnung zu erzwingen war. Er mußte sich auf Verhandlungen legen, und da er wußte, daß der Fürst Ehrfurcht vor dem Bischof von Kuzko hatte, beauftragte er diesen damit. Valverde lud den Inka zu einer Unterredung ein, aber der Peruaner lehnte sie ab, und zwar aus einem merkwürdigen Grunde. Er hatte beobachtet, daß der Bischof bei Begegnungen mit dem Statthalter zuerst grüßte und dabei den Hut abnahm. Ein Mann aber, der unter Pizarro stehe, habe nicht die Macht, ihm vor einem Treubruche des Generals zu bürgen.

Nunmehr forderte der Marques den Inka zu einer persönlichen Unterhandlung auf. Der Inka ließ sagen, er sei bereit dazu, und bestimmte als Ort sein verlassenes Lustschloß im Yukay-Tale. Pizarro begab sich alsbald dorthin und sandte von da dem Inka ein reiches Gastgeschenk entgegen, um ihn geneigter zu stimmen.

Ein unglücklicher Zufall fügte es, daß der Bote (einer der Mohren, die Pizarro in seinem Gefolge hatte) unterwegs von Eingeborenen überfallen, totgeschlagen und beraubt wurde. Wie schon gesagt, das Land war völlig verwahrlost. Mit ziemlicher Gewißheit kann man annehmen, daß diese Missetat ohne Befehl und ohne Wissen des Landesfürsten geschah.

Pizarro nahm das Gegenteil an und rächte sich in seinem Jähzorn maßlos. Auf einem Streifzuge durch die Sierra war die Lieblingsfrau des Inka den Spaniern in die Hände gefallen, ein schönes junges Weib. Der Statthalter ließ ihr die Kleider vom Leibe reißen und sie vor der Front seiner Soldaten nackt an einen Baum binden. Sie ward mit Ruten zu Tode gepeitscht und im Sterben mit Pfeilen gespickt. Die verwöhnte Inkafrau erlitt diese grausame Todesart ohne Klage und ohne Laut. Die hartgesottenen Landsknechte sollen vor Bewunderung oder Mitleid beinahe rebelliert haben.

Pizarro gründete nunmehr nach einem bestimmten Plane militärische Stützpunkte im ganzen Lande: kleine Forts, in den je zehn, zwölf Soldaten und etliche Ansiedler (zunächst Neulinge) angesiedelt wurden. Diese Siedelungen hatten untereinander Verbindung zu halten, um bei Annäherung von Indianertrupps gemeinsame Maßnahmen zu treffen. In großen Abständen wurden größere Kastelle mit stärkerer Besatzung unter einem Offizier angelegt, um die sich größere Ansiedlungen mit einem Amtsgebäude bildeten. Der Handel, der den Fahnen folgt, tat das Weitere. Viele dieser Militärkolonien entwickelten sich zu blühenden Ortschaften.

Eine solche Niederlassung war Huamanga, gelegen zwischen Kuzko und Lima. Im Bezirk Charkas entstand Villa de la Plata (Silberstadt). Auch Arequipa verdankt seinen Ursprung als spanische Stadt dieser Kolonisation.

Francisco Pizarro war mit wahrer Leidenschaft bemüht, diese friedliche Durchdringung des Landes mit allen Mitteln zu fördern. Den Verkehr zu heben und von neuem zu sichern, war sein unermüdliches Bemühen. Er sorgte, daß Handwerker ins Land kamen. Er führte die europäischen Getreidearten ein und brachte den indianischen Ackerbau wieder in Ordnung. Vor allem galt sein Interesse den Bergwerken. Und diese waren es, die immer neue Ansiedler aus dem Abendlande anlockten.

Dieser Zuwachs hatte die Folge, daß auch die Abenteuerlust im Lande Perú wieder stieg. Die Ankömmlinge aus Spanien meinten nicht über das Weltmeer gesegelt zu sein, um Kartoffeln und Mais zu bauen. Pizarro kam diesem Drang nach Außergewöhnlichem gern entgegen und veranstaltete Expeditionen.

So ward i. J. 1540 ein Zug nach Chili unternommen, den Pedro de Valdivia führte.

XXXII

Das Gebiet von Quito überließ Francisco Pizarro seinem Bruder Gonzalo mit dem besonderen Auftrag, es nach Osten zu erforschen und zu besiedeln. Nach Osten, das heißt nach dem Amazonenstrome zu, dem größten Strome Amerikas, der in hundert Armen aus dem östlichen Rücken der Cordilleren zusammenflutet.

Damit gelangte auch dieser damals dreiunddreißigjährige Bruder des Eroberers in eine hervorragende Stellung. Er war als Soldat ebenso tüchtig wie Hernando Pizarro, mutig und tapfer, aber kein Diplomat, kein Intrigant, kein Komödiant. Körperlich ein angenehmer und gewandter Mann, ward er als der beste Fechter Perús geschätzt. Auch zu Pferd kam ihm keiner gleich. Er soll Gemüt und Humor besessen haben, dazu eine ehrliche offene Art und echte Leutseligkeit. Seine Soldaten bewunderten und liebten ihn. Er verstand sie für alles zu begeistern, was ihm selbst am Herzen lag. Mit einem Worte, er war ein geborener Offizier. Im Kleinkrieg, wie er gegen die Indianer notwendig war, galt er als Meister. Seine Passion war es, besonders schwierige und verwegene Züge persönlich zu leiten. Zum Feldherrn und Organisator fehlte ihm der kalte berechnende Sinn.

Gonzalo erhielt die Nachricht von seiner Ernennung zum Statthalter von Quito in Kuzko im Dezember des Jahres 1539. Er war hocherfreut, denn gerade dieser Gau bot unbegrenzte Möglichkeiten zu Entdeckungsfahrten nach dem östlichen Gebiet, über das als »das Land des Zimts« tausend Fabeln im Umlaufe waren. Er begab sich sofort dahin, und es dauerte nicht lange, so hatte er ein Expeditionskorps von 350 Spaniern (darunter 150 Reiter) und 4000 Indianern angeworben. Reichliche Vorräte an Lebensmitteln (allein 1000 lebendige Schweine) wurden aufgebracht.

Zu Anfang des Jahres 1540 brach Gonzalo auf. Solange der Weg durch das Inka-Reich führte, auf der alten Heerstraße, gab es nur geringe Schwierigkeiten. Man kam durch Gegenden, in denen die Eingeborenen noch in Zucht und Ordnung lebten. Der schlechte abendländische Einfluß hatte hier noch nicht gewirkt. Dann aber betrat man unwirtliches Gebiet, das östliche Hochgebirge. Die großen Strapazen lichteten die Reihe der Spanier und Indianer. Dazu erlebte man ein starkes Erdbeben. Voller Grauen sah man ein ganzes Dorf unter höllischen Schwefeldämpfen in der Erde versinken.

Endlich gelangte man hinab in die jenseitige weite Ebene. Waren eben noch eisige Winde, Schnee und Kälte zu ertragen, so kam man jetzt in eine erdrückende Treibhausluft. Schwere Gewitter und wochenlanger Regen hemmten den Marsch, der über schlammigen Boden mühselig dahinschlich. Etwa zehn Wochen nach dem Aufbruch von Quito war das Land Canelas (Zimtland) erreicht. Weite Wälder voll der kostbaren Bäume waren damit entdeckt. Wenn man sie hätte sogleich ausbeuten können!

Durch Eingeborene erfuhr Gonzalo, daß zehn Tagreisen weiter gutbevölkertes, goldreiches Land läge. Obschon der Zweck der Expedition (die Feststellung des Zimtlandes) erreicht war, beschloß er im Einverständnis aller Teilnehmer den Weitermarsch. Das Gold lockte, so fabelhaft fern es war.

Wälder und Prärien (Savanas) wechselten ab in schier ungeheuerlicher Ausdehnung. Man fand Baumriesen, die zu umfangen sechzehn Männer mit ausgebreiteten Armen nötig waren. Wiederum begann unaufhörlicher Regen. Beim Marsch durch den Urwald mit seinem Gewirr von Schlinggewächsen blieb kein Waffenrock, keine Hose, kein Stiefel ganz. Dazu gingen die Lebensmittel auf die Neige. Die tausend Schweine waren längst in der besseren Welt. Jetzt schlachtete man die großen Hunde, deren fast jeder Spanier mehrere bei sich hatte. (Man benutzte sie zur Jagd auf Eingeborene!) Aber auch diese waren längst kaum mehr als Haut und Knochen. Kurzum, es hieß Vegetarianer werden, eine grund-unsoldatische Sache, zumal auf einem solchen Marsche.

Einen Tag der Freude brachte der erste Anblick und das Erreichen des Rio Napó, etwa im Mai 1540. Man zog ein paar Tage am Ufer hin; dann überschritt man ihn auf einer notdürftigen Brücke, die Gonzalo bauen hieß. Man hatte gehofft, am andern Gestade wäre das Vorwärtskommen leichter. Es war ein Irrtum. Der gleiche hohe Urwald hüben wie drüben!

Erschöpft von Mühsal und Hoffnungslosigkeit hielt Pizarro an einem geeigneten Orte eine Rast von acht Wochen ab. Um das Gepäck und die Marschunfähigen fortzubringen, ließ er eine große Zille bauen. Holz war genug da; die Nägel wurden aus den gesammelten Hufeisen der längst umgestandenen und aufgegessenen Pferde geschmiedet. Statt Pech verwandte man Gummi und Harz, das den Bäumen entquoll. Das fertige Fahrzeug vermochte 200 Mann und alles Gepäck zu bergen; es war das erste abendländische Schiff, das diesen entlegenen Strom befuhr.

 

Zum Kapitän ernannte Pizarro den Ritter Francisco de Orellano, aus Truxillo in Spanien gebürtig, einen verwegenen Mann, dem er mit diesem Kommando die Unsterblichkeit verlieh. Er ist der erste Europäer, der den Amazonenstrom, den König der amerikanischen Ströme, von der Einmündung des Napó bis zur Mündung in den Atlantic, auf einer Strecke von 300 km, befahren hat, und dies auf einem fragwürdigen Schiffe. Erst 102 Jahre später (1743) unternahm ein andrer Abendländer, der Franzose de la Condamine, die gleiche Reise.

Wochenlang ging der Marsch weiter. Gonzalo führte den Haupttrupp zu Fuß entlang des Flusses, während die Zille die gleiche Strecke auf dem Wasser zurücklegte, so daß man abends Vorräte und Gepäck bereit fand. Von den Eingeborenen hörte man immer wieder, einige Tagreisen weiter fange bevölkertes Gebiet an.

Schließlich machte Pizarro Halt. Auf diese Weise den Vormarsch fortzusetzen, schien unmöglich. Er ließ ein Lager errichten und gab Orellano den Auftrag, mit 50 ausgesuchten Leuten weiterzufahren und aus dem bevölkerten Gebiete Nahrungsmittel heranzuschaffen. Der Ritter samt Schiff und Genossen fuhr ab – und ward von den Zurückbleibenden nicht mehr gesehen.

Die rasche Strömung führte das Schiff in drei Tagen an die über 1000 km entfernte Vereinigungsstelle des Napó mit dem Amazonas. Da er auch dort keine Ansiedlung von Eingeborenen fand, sah er sich vor der Frage: sollte er zurückgehen (was zu Schiff unmöglich war) oder weiterfahren?

Man hielt Rat. Das liebgewonnene Schiff verlassen, wollte keiner. Der Gedanke, die Anderen im Stiche lassen zu sollen, ward erwogen. Aber schließlich: eine Umkehr brachte auch ihnen weder Hilfe noch Rettung. So fuhr man in den Amazonenstrom ein, dem fernen Ozean entgegen. Das war ein mannhafter Entschluß, von Erfolg gekrönt.

Die Einzelheiten der Fahrt gehören nicht in dies Pizarro-Buch, denn zur Stunde, wo sich Orellano absonderte, verließ er seinen General. Es sei hier nur bemerkt, daß sein Schiff unter Überwindung von tausend Gefahren die Mündung des Stromes erreichte und sodann die Insel Margarita. Von da begab er sich nach Spanien. Im Jahre 1544 begründete er eine Ansiedlung an der Mündung des Amazonenstromes, den er Rio Orellano taufte. Dieser Name hat sich nicht eingebürgert. Der Mönch Carvajal, einer der fünfzig Genossen auf der wundersamen Fahrt, hat einen Bericht veröffentlicht (man findet ihn in der berühmten »Historia de las Indias« von Gonzalo Fernandez de Oviedo), in dem er erzählt, am Einflüsse des Rio Negro habe man Dörfer angetroffen, die nur von Weibern bewohnt seien, und diese Weiber wären ihnen »como amaconas« vorgekommen. Danach bekam der Strom seinen bleibenden Namen.

Vergebens harrte Gonzalo Pizarro der Wiederkehr des Schiffes. Nach etlichen Wochen entschloß er sich zum Weitermarsche. Acht Wochen brauchte man, um die 200 Leguas (1150 km) zurückzulegen, bis man an den Amazonenstrom kam. Als man dort weder eine Spur vom Ritter Orellano noch vom Beginn eines Kulturlandes vorfand, gab Pizarro das weitere Vordringen auf.

Während man noch rastete, stellte sich, verlumpt und halbverhungert, einer der Fünfzig ein, ein Landsknecht namens Sanchez de Vargas, der sich an der Weiterfahrt nicht beteiligt hatte, angeblich weil er sich darüber beunruhigte, daß man Pizarro und seine Gefährten im Stiche ließ. Die gefühlvollen Bedenken dieses weißen Raben im Jahrhundert Machiavells hatten ihr Gutes: Pizarro wußte nun bestimmt, woran er war. Es blieb ihm und seinen Leuten kaum etwas andres übrig als den langen beschwerlichen Rückweg anzutreten. Man war 400 Leguas (2300 km) von Quito entfernt. Ein Jahr war vergangen, daß man von dort weggegangen war. Somit stand man vor einem Heimmarsche, der mindestens abermals ein Jahr währen mußte. So gräßlich der Gedanke war: in der Beratung, die Gonzalo Pizarro mit den Tüchtigsten seiner Gefährten abhielt, fand man keinen anderen Ausweg.

Mit dem Mute der Verzweiflung machte sich die zusammengeschmolzene Schar auf den Weg. Ende Juni 1542 (nach fünfzehn Monaten Marsch) erreichte man die Hochebene von Quito. Achtzig Spanier und 1200 Indianer waren es noch, die gebrochen und entstellt einzogen, in Tierhäute gekleidet, mit verrosteten Waffen, ohne Pferde und ohne Beute. Aber sie hatten den Ruhm, eine Entdeckungsfahrt hinter sich zu haben, die in der Geschichte Amerikas kaum ihresgleichen hat.