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Francisco Pizarro

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XVII

Inzwischen hatten sich die Dinge im spanischen Hauptquartiere wenig verändert, aber es war doch mancherlei geschehen. Etliche Tage nach Hernandos Abmarsch hatte Franz Pizarro im Einverständnis mit Atahuallpa eine Gesandtschaft (einen Offizier und zwei Mann) nach der Hauptstadt Kuzko abgeschickt, mit dem Auftrage, sich zu überzeugen, ob die Goldtransporte im rechten Gange seien. Durch den Begleitbrief des Inka ward den Gesandten allerorts die beste Aufnahme zuteil. In Sänften, von Indianern geschleppt, die sich an den Poststationen regelmäßig und unverzüglich abwechselten, hatten sie die 600 Leguas bequem und rasch zurückgelegt. Auch hieran erkennt man, daß Perú damals durchaus kein barbarisches Land war. Die Spanier staunten über die Menge blühender und sauberer Städte und Dörfer, die sie unterwegs sahen.

Hier sei eine Schilderung eingefügt, die wir von Cieza de Leon haben, in seiner Cronica del Perú (1553). Sie gilt nicht der Landschaft, die jene drei Spanier damals durchzogen, sondern der Provinz Kollja, aber das ist unwesentlich.

»Dieser Gau ist der gebietreichste und menschenvollste von ganz Perú. Er beginnt bei Ayaviri, reicht bis Karakonja und wird von vielen Flüssen bewässert, die alle der Südsee zuströmen. In den fast das ganze Jahr hindurch grünen Tiefebenen (Vegas) könnten alle uns bekannten Getreidearten gedeihen. Die nicht angebauten Fluren werden von zahlreichen Lamaherden belebt. Tage und Nächte sind fast immer gleich lang. Der Winter beginnt im höhergelegenen Gelände im Oktober und währt bis Anfang April. Er bringt dort oft strenge Kälte und hindert nicht nur den Baumwuchs, sondern sogar den Anbau von Mais, der Hauptgetreideart hierzulande. Die Ortschaften stehen nahe beisammen, haben steinerne strohbedeckte Häuser und sind stark bevölkert. Auf den Feldern baut man hauptsächlich Kartoffeln. Sie ist hier die Hauptnahrung der Eingeborenen. Männer wie Frauen tragen Wollkleider; die Männer als Schmuck eine mörserartige Wollmütze, Tschuko genannt, die Frauen Kapuzen wie unsere Mönche. Sie haben uralte Gebräuche. Die Toten ehren sie mehr als die Lebenden, wiewohl sie ihren Vornehmen mit sklavischer Unterwürfigkeit begegnen. Edelleute und Würdenträger erscheinen niemals ohne Leibwache und werden stets auf Tragsesseln getragen; zu Fuß gehen sie grundsätzlich nicht. Viele der Vornehmen sind kluge und erfahrene Leute, was aus ihrer Rede und Antwort hervorgeht. Man hat eine eigene Zeitrechnung und gewisse Kenntnisse vom Umlauf der Himmelskörper, besonders der Sonne und des Mondes. Hiernach berechnet man das Jahr, das zehn Monate zählt. Wichtige Begebenheiten erben sich in Volksliedern und Romanzen von Geschlecht zu Geschlecht fort. So wird nichts Erinnerungswertes vergessen, obgleich man keine Schriftzeichen hat. Gemäß der allgemeinen Weltanschauung widmet man den Wohnungen der Lebendigen geringe Sorgfalt, während die Ruhestätten der Verstorbenen kostbar ausgestattet werden, als ob das höchste Glück auf Erden ein schönes Grabmal sei. Nahe den Dörfern sieht man allerorts kleine viereckige, aus Stein und Erde errichtete Türme, meist mit Steinplatten, selten mit Stroh gedeckt, mit Türen dem Sonnenaufgang zu; das sind die Grabstätten. Die Begräbnisfeiern sind umständlich. Die Verwandten und Freunde des Gestorbenen weinen und jammern tagelang. Man schleppt allerlei Totengaben herbei, besonders junge Lamas und Mais. Zu Ehren des Toten werden Zechgelage veranstaltet; an Tschitscha wird dabei nicht gespart. War der Dahingegangene ein Vornehmer, so folgt seinem letzten Gange die gesamte Dorfgemeinde. Man verbrennt an seinem Grabe zehn bis zwanzig Lamas, tötet wohl auch einige seiner Frauen und Kinder, im Wahne, daß sie ihm in die andere Welt begleiten, daß er ihrer daselbst bedarf. Die Hinterbliebenen, zumal die Diener, schneiden sich zum Zeichen ihrer Trauer das Haupthaar kurz. Die Priester stehen in hohem Ansehen.«

In Kuzko fand ein feierlicher Empfang durch die Behörden und das Volk statt. Die den Spaniern angewiesenen Quartiere ließen nichts zu wünschen übrig. In der Hauptstadt war es besonders »die große Moschee«, die ihre höchste Bewunderung erregte.

Dieser Sonnentempel hatte den Namen Korikancha (Goldhag). Er bestand aus einem Hauptbau nebst mehreren Kapellen und Nebengebäuden. Eine Steinmauer umschloß das Ganze, das beträchtlichen Umfang hatte. Der Tempel war so imposant, daß einer der Eroberer (Sarmiento), der ihn im vollen Glanze gesehen, versichert, in ganz Spanien ließen sich nur zwei Bauten mit ihm vergleichen. Das Innere war buchstäblich mit Gold bedeckt. Dem Eingang gegenüber hing eine ungeheure Sonnenscheibe mit einem Menschengesichte und zahllosen, die Wand füllenden Strahlen, alles aus purem Gold mit tausend und abertausend funkelnden Smaragden. In der Frühe ward das Haupttor weit geöffnet, so daß die Morgensonne den hohen weiten Raum des Heiligtums mit ihrem Licht erfüllte und an ihrem goldnen Ebenbilde und von allen den Goldplatten der andern Wände in wunderbaren Flammenfluten zurückstrahlte. Das Gold hieß im Volksmunde der Peruaner »Sonnentränen«.

Die Nebenkapellen waren dem Monde, den Planeten, dem Siebengestirn geweiht. Das polierte Silber, das hier vorherrschte, glänzte und gleißte mit wundersamem Reiz. Mit Hilfe von Spiegelungen in den Regenbogenfarben verstanden die Priester märchenhafte Stimmungen zu erzeugen. Die heiligen Geräte im Tempel, die Räucherpfannen, die symbolischen Tier- und Pflanzenfiguren, riesig in ihren Maßen, grotesk in ihren Formen, alles aus Gold, Silber und Smaragd, erhöhte das Geheimnisvolle.

Der Tempel von Kuzko war das Nationalheiligtum. Die ganze Stadt und ihre Umgegend waren heilig. »Jede Quelle, jeder Pfad, jeder Stein,« sagt ein alter Chronist, »war den Pilgern, die von nah und fern kamen, ein Mysterium«. Zumal die Inka-Edelleute wähnten nicht glückselig sterben zu können, wenn sie nicht noch einmal die Sonnenstadt besucht hatten.

Von dem Goldschmuck des Tempels wurden im Beisein der drei Spanier siebenhundert Platten abgerissen. Als die habgierige Gesandtschaft sich damit nicht zufrieden erklärte, brachte man Gold von andern Stellen her. Schließlich zog man mit 200 Lasten Gold ab, jede von vier Indianern getragen.

Die drei Spanier hatten sich in der Hauptstadt sehr mißliebig gemacht, weil sie sich anmaßend und frech betrugen, vor allem aber, weil sie in das Kloster der Sonnenjungfern eingedrungen waren und daselbst Liebeleien anzuknüpfen versucht hatten.

Diese Sonnenjungfern waren, gleich den Vestalinnen im alten Rom, keine Priesterinnen, sondern Dienerinnen des Sonnengottes. Man nannte sie Akllas. Sie wurden aus den jungen Mädchen des ganzen Landes ausgewählt. Nur die schönsten und untadeligsten aus den besten Familien nahm man. Mit dem achten Lebensjahre kamen sie in das Kloster. Für den Dienst im Tempel zu Kuzko suchte man aus der Schar der herangewachsenen Jungfrauen nur Töchter von Inka-Edelleuten heraus. Auch der Harem des Inka rekrutierte sich aus diesen Akllas. Die Aufnahme darin galt als hohe Ehre für die Familien der Erkorenen. Die Zahl dieser Nonnen soll über tausend betragen haben. Einschließlich der Mägde wohnten etwa dreitausend Frauen, und Jungfrauen im Kloster. Je zehn standen unter Obhut einer Matrone (Mamakona). Zwanzig Eunuchen bildeten die Torwache. Die Nonnen wurden auf das Beste erzogen, köstlich gekleidet, erlesen ernährt und überaus gepflegt. Ertappte man eine der »Auserwählten« bei einer Liebschaft, so wurde sie zur Strafe lebendig begraben, ihr Liebhaber erdrosselt. Die Familie der Sünderin war auf immerdar entehrt.

XVIII

Im Juli 1533 war so viel Gold und Silber zusammengeschleppt, daß die geldgierigen Landsknechte dem Statthalter erklärten, es sei an der Zeit, das vorhandene in Barren umzuschmelzen und die Verteilung vorzunehmen. Francisco Pizarro war damit einverstanden. Ihm dünkte der Aufenthalt in Kaxamalka lang genug.

So begann die Einschmelzung. Manches wertvolle Kunstwerk ward dabei vernichtet: Vasen, Krüge, Tierfiguren, Pflanzenbilder, Ornamente. Nur wenige blieben unversehrt, um als Proben indianischer Kunst dem Kaiser überreicht zu werden. Insgesamt waren 1½ Millionen Pesos Gold und über 50000 Mark Silber zusammengekommen.

Nach Abzug gewisser Unkosten ward das Kaiserliche Fünftel beiseite gestellt (262259 Pesos Gold und 10121 Mark Silber). Francisco Pizarros Anteil betrug 57222 Pesos Gold und 2350 Mark Silber. Zudem erhielt er den Thronsessel des Inka, auf 25000 Pesos geschätzt. Hernando Pizarro bekam 31080 Pesos Gold und 2350 Mark Silber; der Hauptmann de Soto 17740 Pesos Gold und 724 Mark Silber. Auf jeden Reiter kamen: 8800 Pesos Gold und 362 Mark Silber; auf jeden Mann zu Fuß: 4400 Pesos Gold und 180 Mark Silber. Die Troßknechte usw. erhielten je 1100 Pesos Gold und 40 Mark Silber.

Almagro und seine Leute, die am Feldzuge nicht unmittelbar teilgenommen hatten, bekamen zusammen 20000 Pesos Gold. So steht es in der noch erhaltenen notariellen Verteilungsurkunde (Acta de Reparticion del Rescate). Dem widersprechend berichtet Antonio de Herrera, einer der berühmtesten Geschichtsschreiber der Neuen Welt, in seiner Historia general de los Indias occidentale desde 1492—1545 (Madrid 1601 und 1615), Almagro und die mit ihm Gekommenen hätten 100000 Pesos Gold erhalten; aber wahrscheinlich ist damit eine andere Summe gemeint, wohl der Vorschuß auf Almagros Expedition nach Chili, von der noch die Rede sein wird. Soviel steht fest, daß man allgemein mit der Verteilung der Gold- und Silberbeute einverstanden gewesen ist. Kein Chronist berichtet von Klagen oder Einwänden.

Der Pater Hernando de Luque war kurz vor Almagros Abreise in Panamá gestorben. Seine Ansprüche waren auf den bereits genannten Lizentiaten Gaspar de Espinosa in San Domingo übergegangen. Wie er abgefunden worden ist, wissen wir nicht.

Die Kirche des Heiligen Franziskus in Kuzko wurde mit 2220 Pesos Gold bedacht. Auf die Ansiedler in San Miguele kamen 15000 Pesos Gold.

 

Wie das nicht zu verwundern war, beeinflußte dieser Goldstrom die Preise für Pferde, Waffen, Kleider, Lebensmittel usw. Xerez erzählt hierzu: »Ich will nicht versäumen, auch die Preise anzugeben, die man in Perú für die Lebensmittel und andre Waren bezahlte, wiewohl manche es mir nicht glauben werden, weil sie in der Tat übertrieben waren. Ich verbürge mich aber für die Richtigkeit meiner Angaben, weil ich es mit eignen Augen gesehen und mir manches selber gekauft habe. Ein Pferd wurde mit 2500 Pesos, ein andres mit 3300 verkauft und erworben. Eine Flasche Wein (3 Schoppen) kostete 60 Pesos. Ich habe mir selber einmal zwei Schoppen für 40 Pesos geleistet. Ein Paar Pantalons kosteten ebensoviel, ein Mantel 100—120 Pesos, ein Schwert 40—50 Pesos, eine Zehe Knoblauch Peso, ein Buch Papier 10 Pesos usw.«Der Peso d’oro ist keine Goldmünze, sondern ein Wertbegriff. Das Goldstück jener Zeit war der Castellano (6,72 Castellanos = 1 Unze Gold). Der Handelswert des Goldes schwankt in den verschiedenen Zeiten und Ländern. Im Jahre 1850 konnte man sagen: 1 Kastilianer ist 3,07 Dollars wert, aber man kaufte um 1533 in Spanien für 1 Kastilianer soviel wie 1850 in New York für 12 Dollars. Somit hätte z. B. Francisco Pizarros Goldanteil einen Kaufwert von 700.000 Dollars (von 1850!) oder nach englischem Geld 120.000 Pfund Sterling gehabt.

Es war eine ungeheuerliche Beute, wie sie in der Weltgeschichte nicht ihresgleichen hat – den Goldtribut Deutschlands gemäß dem Versailler Vertrag nicht mit in Betracht gezogen!

Die Verteilung fand auf der Plaza zu Kuzko in feierlicher Weise statt. Vor versammelter Mannschaft erklärte der Generalkapitän, er habe »unter dem Beistand Gottes des Herrn nach bestem Wissen und Gewissen das schwierige Werk der Teilung vollbracht.«

Hernando Pizarro ward beauftragt, das Kaiserliche Fünftel nach Spanien zu geleiten. Wohl Anfang August 1533 machte er sich auf die Reise über San Miguel, Panamá, Nombre de Dios nach Sevilla.

XIX

Nach der Verteilung des Lösegeldes hätte Pizarro den Inka freilassen müssen. Darüber kann es keinen Streit geben. Ja, der Capitano hatte vom kaiserlichen Notar eine Urkunde aufsetzen und öffentlich aushängen lassen, in der erklärt ward, Inka Atahuallpa habe seine Verpflichtung voll erfüllt. Man könnte darnach annehmen, Pizarro sei willens gewesen, nun auch seinerseits den Pakt zu halten. Diese Absicht hat er vor sich selber nie gehabt; es sollte nur so scheinen, vor dem Kaiser und vor der Nachwelt, als habe er sein gegebenes Wort wirklich erfüllen wollen, aber die Mehrheit seiner Genossen habe ihn daran gehindert.

Wäre Francisco Pizarro lediglich Soldat und Feldherr gewesen, nicht zugleich auch der einzige politische Führer der Kolonie, so gäbe es nichts zu seiner Entschuldigung. Er sagte sich: »Wenn dieser kluge und energische Peruanerfürst wieder ein freier Mann ist, muß er sich an uns rächen, aus Selbstachtung wie aus Vaterlandsliebe. Folglich darf ich, der ich die höchste Verantwortlichkeit habe, ihn nicht freigeben. Es wäre unser aller sicherer Untergang.«

Der Inka wartete sehnsüchtig auf die Freilassung. Unter den Spaniern schätzte er nur zwei: Hernando Pizarro und den Ritter de Soto. Der erstere weilte nicht mehr in Perú. So war es einzig Soto, dem er sein Herz ausschüttete, und er täuschte sich in diesem Ritter nicht. Soto vertrat das gerechte Verlangen des unglücklichen Fürsten ehrlich und nachdrücklich. Francisco Pizarro gab ihm freilich keine klare Antwort.

Mehr und mehr ging das Gerücht um, die Peruaner bereiteten eine Erhebung vor, um ihren König zu befreien und ihr Land von den spanischen Barbaren zu erlösen. Jeder berichtete jedem davon, während keiner den Ursprung des Geredes anzugeben wußte und noch weniger den geringsten Beweis hätte erbringen können. Pizarro vernahm derlei gern. Wahrscheinlich gab er insgeheim dem Märchen neue Nahrung. Immer lauter behaupteten vage Zungen, Atahuallpa stehe in Verbindung mit Verschwörern. Auf sein Geheiß sammele sich in Quito ein ungeheures Heer. Ja, benachbarte wilde Stämme, die legendären Karaiben, die Hunnen der Neuen Welt, seien im Anmarsch, an die dreißigtausend Mann.

Atahuallpas ärgster Feind war der indianische Dolmetscher Felipillo. Er hatte eine Liebschaft mit einer der Damen im Harem des Inka. Er war dabei erwischt worden, und Atahuallpa war über den ihm angetanen Schimpf empört. Nach den Gesetzen seines Reiches war der Sünder der Strafe des Verkehrtaufhängens verfallen. Einer der königlichen Eunuchen ergriff ihn und wollte ihn aufknüpfen; mit Mühe und Not ward er vor dem Halsgericht durch hinzukommende Spanier bewahrt. Aus Rachsucht setzte er immer verwegenere Gerüchte unter die Landsknechte, die großenteils ängstlich, abergläubisch und beschränkt waren.

Man trug dem Oberbefehlshaber den Verdacht offiziell vor. Pizarro war von der Haltlosigkeit der Gerüchte überzeugt. Wenn er den Inka hätte rechtfertigen wollen, so wäre ihm dies nicht schwer gefallen. Er hätte auch bloß bestimmte Beweise von den Anklägern zu fordern brauchen. Pizarro war niemals schüchtern vor seinen Soldaten; aber es fiel ihm gar nicht ein, auch nur einen Finger für den widerrechtlich gefangengehaltenen Fürsten zu rühren. Im Gegenteil: was bisher vager Plan gewesen, ward jetzt fester Entschluß. Atahuallpas Todesurteil war besiegelt.

In komödienhafter Entrüstung stellte er den Inka zur Rede. »Was soll der Verrat?« fragte er ihn. »Habe ich Euch nicht allezeit als König gehalten und Euren Worten stets vertraut wie denen eines Bruders?«

»Ihr treibt Euren Scherz mit mir, wie so oft!« erwiderte Atahuallpa. »Wie kann ich in meiner Gefangenschaft daran gehen, mein Volk gegen Euch aufzubringen? Ich bitte Euch, verschont mich mit solchem Hohn!«

Dies sagte er voller Natürlichkeit, lächelnd und ruhig. In der Tat hatte er bisher dem Worte eines Soldaten geglaubt. Jetzt ahnte ihm Unheil, und vielleicht kam ihm der Gedanke, daß seine Freiheit entweder niemals oder nur durch List und Gewalt wieder zu erringen war. Ihm graute vor der Treulosigkeit und Falschheit der weißen Männer.

»Glaubt mir, General,« fügte er hinzu, »unter meinem Volke bereitet sich kein Aufstand vor. Ich müßte es wissen; ich müßte es befohlen haben. In meinem Reiche wagt kein Vogel gegen meinen Willen zu fliegen!«

Er sprach die Wahrheit.

Pizarro verhörte den General Tschalkutschima, der noch immer im Hauptquartier verweilte. Auch das war Komödie. Der Peruaner erklärte, das Gerücht sei bösartige Verleumdung.

Dasselbe beteuerte Hernando de Soto. Er bot sich an, mit wenigen Reitern einen Erkundungsritt nach Huamachuko auszuführen, dem angeblichen Sammelort der Aufständischen.

Pizarro gab seine bedenkliche Haltung nicht auf, ordnete dauernde höchste Alarmbereitschaft für die ganze spanische Besatzung an und revidierte die Wachen, Posten, Patrouillen auf das Unermüdlichste. Niemand konnte einen anderen Zweck vermuten.

Die lästige ewige Gefechtsbereitschaft brachte die allgemeine Feindseligkeit auf den Siedepunkt. Man murrte mehr und mehr. Schließlich forderte man eine kriegsgerichtliche Untersuchung des Verdachtes, in den Atahuallpa geraten war. Gewisse Wortführer, die in solchen Fällen stets auftreten, urteilslose Schwätzer und Polterer, die in jeder andern Sache kein Mensch ernst genommen hätte, erklärten, solange der heimtückische Inka sein Leben behalte, werde das Land nicht zur Ruhe kommen und die Gefahr für die Spanier nicht aufhören.

Dieser Partei, die sich mit einem Male bildete, gehörte vor allem Almagro und die mit ihm aus San Miguel nachgekommenen Beamten (u. a. der Schatzmeister Riquelme) an, d. h. nach der Soldatensprache von heute: die Etappen-Helden, die es schon im Trojanischen Kriege gegeben hat. Hinter diesen schürte der Pfaffe Valverde.

Pizarro heuchelte Widerstreben. Angeblich, um zu einer sicheren Beurteilung der militärischen und politischen Lage des Landes zu gelangen, in Wahrheit aber, um einen lästigen Ehrenmann zu entfernen, sandte er den Ritter de Soto mit etlichen freiwilligen Reitern nach dem 100 km fernen Huamachuko.

Kaum war Soto abgeritten, da brach, von gewandter Hand erregt, wahrscheinlich von Valverde dem Dominikaner, geradezu eine Panik unter den Spaniern in Kaxamalka aus. Man bedrängte den Statthalter von allen Seiten. Er gab sofort nach und berief ein Gericht von drei Richtern, zu dessen Vorsitzenden Diego de Almagro ernannt ward. Ein Staatsanwalt vertrat die kaiserliche Regierung. Der Angeschuldigte bekam den üblichen Rechtsbeistand.

In der Anklageschrift standen zwölf Beschuldigungen:

1. Inka Atahuallpa hatte Vielweiberei getrieben,

2. Er hatte Götzendienst getrieben und Menschenopfer angeordnet,

3. Er hatte nach dem Übergange der Macht im Lande Neu-Kastilien unberechtigterweise Tribute und Steuern eingezogen und davon seinen Haremsdamen und Würdenträgern verschwenderische Geschenke gemacht,

4. Er hatte Truppenansammlungen im Lande anbefohlen,

5. Er hatte einen ungerechten Krieg gegen seinen Bruder Huaskar angestiftet und geführt,

6. Er hatte den legitimen Fürsten von Peru vom Throne gedrängt,

7. Er hatte König Huaskar ermorden lassen,

8. Er trachtete allen Hispaniern nach dem Leben, u. a. m.

Ganz abgesehen von der Lächerlichkeit, dem Inka einen uralten Brauch seines Landes (Vielweiberei), sogar seine Religion (Götzendienst) zum Vorwurf zu machen, hatten die Spanier kein Recht, ihn für den »ungerechten Krieg« und die »Entthronung des legitimen Königs« zur Rechenschaft zu ziehen. War etwa der Krieg des spanischen Eindringlings gerechter? Oder Pizarros gewaltsame Verdrängung Atahuallpas? Was ferner die angeblichen »Menschenopfer« anbelangt, so waren dies, soweit sie unter der Regierung des Inka noch vorgekommen waren, freiwillige Todesgänge, wie an anderer Stelle dieses Buches dargelegt wird. Lächerlich auch war die Beschuldigung, Staatsgelder zuungunsten der Spanier »verschwendet« zu haben. Ernsthafter ist die Anklage des Brudermordes; aber auch hier hatte Pizarro kein Recht, sich zum Richter aufzuwerfen. Von allen Punkten bleibt also nur der Verdacht, Atahuallpa habe eine Volkserhebung zu erregen versucht. Den Beweis hierfür ist Pizarro der Nachwelt schuldig. Eine Frage für sich wäre es zu untersuchen, ob ein kriegsgefangener König, der ein ungeheures Lösegeld aufgebracht hatte, um seine Freiheit wiederzugewinnen, und der sich in schnödester Weise betrogen sehen mußte, nicht alle Mittel anzuwenden berechtigt war, um die Erfüllung eines ehrlichen Vertrages von seinen Feinden zu erzwingen?

Die Nachwelt kann nicht anders als sich auf Atahuallpas Seite stellen. Wenn Francisco Pizarro als

der Treulosesten einer in der Geschichte der Menschheit gilt, so hat dies seine volle Berechtigung.

Nur elf Spanier waren gegen diesen Prozeß. Ihre Namen sind uns überliefert:

Blas de Atienza,

Pedro de Ayala,

Alonso de Avila,

Diego de Claver,

Francisco de Claver,

Francisco de Fuentes,

Hernando de Haro,

Juan de Herrada,

Pedro de Mendoza,

Diego de Mora,

Francisco Moscaso.

Diese Wenigen erklärten: die eigenmächtige Hinrichtung des Inka, nachdem er im Vertrauen auf den mit Pizarro geschlossenen Vertrag ein so hohes Lösegeld gezahlt, vertrüge sich nicht mit der Ehre Spaniens. Selbst wenn der Verdacht, der auf Atahuallpa ruhe, durch Tatsachen bewiesen werde, habe nur der Kaiser das Recht, den König eines unterworfenen Staates vor einen Gerichtshof zu fordern. Ohne die Allerhöchste Bestätigung könne keinerlei Urteil rechtsgültig werden. Folglich habe das ganze Verfahren keinen Zweck. Wenn die Voruntersuchung ergäbe, daß den Inka irgendwelche Schuld treffe, so sei er nach Spanien zu bringen.

Der Protest der elf Landsknechte ward schlecht und recht zu Papier gebracht und Pizarro förmlich überreicht. Der General beachtete ihn nicht, und das Verfahren begann. Man vernahm zehn Indianer, von denen sieben Werkzeuge Valverdes waren. Felipillo übersetzte die Aussagen ins Spanische. Er benahm sich dabei so schamlos, daß ein Kazike namens Quesoi sich weigerte, mit mehr als der allen verständlichen Geste der Bejahung oder Verneinung zu antworten.

Nach der Vernehmung der angeblichen Zeugen brach unter dem Vorsitz von Pizarro eine lebhafte Erörterung aus über die wahrscheinlichen guten oder üblen Folgen, die des Inka Hinrichtung nach sich zöge. Die Chronisten berichten, der »hochwürdige Pater Vicente de Valverde« habe die Frage der Zweckmäßigkeit zugunsten der Partei des Almagro entschieden.

Inka Atahuallpa ward in allen Punkten für schuldig erklärt und einstimmig zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Die Hinrichtung habe in der kommenden Nacht zu erfolgen. Man schrieb Freitag den 29. August 1533; es war der Sankt-Johannis-Tag.

 

Als dem Fürsten das Todesurteil verkündet wurde, war er sichtlich betroffen. Wohl hatte er oft schon diesen Abschluß seines Unglücks vorausgesehen. Als er ein paar Tage zuvor einen Kometen am Abendhimmel erblickte, hatte er darauf hindeutend zum Ritter de Soto gesagt: »Ein Großer meines Reiches wird dahingehen!«

Im Augenblick übermannte ihn tiefer Schmerz. »Was habe ich getan,« rief er dem Statthalter zu, »daß mich solches Schicksal trifft? Und just durch Euch!«

Pizarro blieb stumm.

Da ließ sich der Inka, sonst ein Meister der Selbstbeherrschung, hinreißen zu sagen; »Ich biete Euch nochmals ein Lösegeld, doppelt so hoch wie das gezahlte! Gebt mir nur die nötige Zeit: ich werde es zusammenbringen!«

Der Statthalter ließ ihn wegführen und an Hand und Fuß mit Ketten fesseln. Stolz reckte sich der Peruaner auf und duldete diese letzte Schmach. Alsbald nahte ihm der Pater Valverde, um ihn im Namen des Christengottes zu trösten und zu bekehren.

Oft schon hatte der Bischof den vergeblichen Versuch gemacht, Atahuallpa zur Taufe zu bereden. Als der Inka am Abend am Pfahl auf dem Scheiterhaufen stand, flehte ihn der Mönch mit erhobenem Kruzifix abermals an, er möge Christ werden, und versprach ihm, seine qualvolle Todesart zu mildern.

Da erklärte sich Atahuallpa bereit. Wahrscheinlich verabscheute er den Feuertod. Er stellte die Bedingung, daß man seinen Leichnam nach Quito bringe und einbalsamiere und dort im Tempel zur Seite der Mumien seiner mütterlichen Vorfahren beisetze.

Sodann fand die christliche Taufe feierlich statt. Zur Ehre Johannes des Täufers erhielt der Bekehrte den Namen: Johannes von Atahuallpa.

Der jüngste Christ bat, man solle sich seiner unmündigen Kinder annehmen. Sodann ließ er sieh, in stoischer Ruhe, die Garrota um den Hals legen. Der Henker drehte den Strick und erdrosselte ihn. Die umstehenden Spanier sangen das Credo, überlaut, um das Klagegeheul der Indianer zu überschreien.

So starb der letzte regierende König von Peru.

Eine Schar von Indianern, Männer wie Weiber aus dem Adel wie aus dem Volke, zogen unter dumpfem Trommelschlag vor Pizarros Quartier, wo Atahuallpa seine Wohnung gehabt hatte. Sein Leichnam blieb die Nacht über auf dem Marktplatze liegen, bewacht von einer Schar schweigsamer Getreuen. Am andern Morgen ward sie in der Kirche des Heiligen Franziskus fürstlich aufgebahrt. Der Seelenmesse, die der Bischof Valverde mit aller Zeremonie abhielt, wohnte Pizarro mit seinen Offizieren bei. Draußen vor der Kirchentüre sangen Indianerinnen ein Klagelied. Man öffnete ihnen. Sie drangen ein, etliche Schwestern des Inka vorweg, um dem geliebten Toten ein letztes Lebewohl zu sagen. Mehrere seiner Frauen, Schwestern und Edelleute waren in der Nacht freiwillig in den Tod gegangen, um den Inka in das Land der Sonne zu begleiten.

Entgegen seinem letzten Willen ward Atahuallpa von den Spaniern im Friedhof von San Francisco zu Kaxamalka begraben. Der Sage nach haben ihn die Peruaner später wieder ausgegraben und in Quito bestattet.

Am Tage nach der Hinrichtung kam Hernando de Soto von seinem Erkundungsritt zurück. Als er das Ereignis vernahm, eilte er in seiner Entrüstung sofort zu Pizarro. Er fand ihn in seinem Quartier, einen großen Filzhut ins Gesicht gezogen, voller Trauer und Schmerz. Als ihm der Ritter meldete, in Huamachuko stände kein Heer; weit und breit sei von einem Aufstand auch nicht das geringste zu spüren, und somit sei Atahuallpa schändlich verleumdet worden, da erklärte der Heuchler, er sähe ein, daß er eine voreilige Tat begangen habe. Valverde, Riquelme und Almagro hätten ihn bedrängt und getäuscht. Als Soto dann die drei zur Rede stellte, schoben sie ihrerseits die Schuld auf den Statthalter.