Business-Analyse

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Die folgende Abbildung 1.15 verdeutlicht die Struktur einer komplexen Ursachenanalyse.

Abb. 1.15: Komplexe Ursachenanalyse

Grafische Netzwerke, wie das Ursache-Wirkungs-Diagramm, veranschaulichen die Zusammenhänge besser. Allerdings sind sie häufig nicht so intuitiv zu lesen, insbesondere für Personen, die bei ihrer Erstellung nicht mitgewirkt haben.

Business-Analysten können die Techniken Ursache-Wirkungs-Diagramm, Papiercomputer und Portfolio-Analyse, die im Folgenden beschrieben werden, grundsätzlich losgelöst voneinander einsetzen. Ihre größte Wirkung erzielen die drei Techniken allerdings im Zusammenspiel.

Die Inhalte des Ursache-Wirkungs-Diagramms (siehe Kapitel 1.2.4.1) lassen sich mithilfe des Papiercomputers (siehe Kapitel 1.2.4.2) übersichtlicher darstellen und weiter analysieren. Die Ergebnisse des Papiercomputers können mit der Portfolio-Analyse (siehe Kapitel 1.2.4.3) so aufbereitet werden, dass Ursachen, Probleme und Auswirkungen klarer differenziert werden können. Dadurch werden leichter Ansatzpunkte für eine sinnvolle Veränderung gefunden, die konsequent auf die Ursachen ausgerichtet ist.

1.2.4.1 Ursache-Wirkungs-Diagramm

Analog zu Ishikawa-Diagramm oder Mindmap startet das Ursache-Wirkungs-Diagramm mit einem Problem oder zu untersuchenden Sachverhalt. Auswirkungen bzw. Konsequenzen, die sich daraus ergeben, werden in einem Bubble (Blase) am Ende eines ausgehenden Pfeils notiert. Ursachen bzw. Gründe für dieses Problem oder diesen Sachverhalt werden in einem Bubble am Ende eines eingehenden Pfeils notiert. Für die hinzugefügten Bubbles gilt es, weitere Auswirkungen und Ursachen zu sammeln.


Abb. 1.16: Ursache-Wirkungs-Diagramm

Die Darstellung wird verständlicher, wenn die Bubbles so angeordnet werden, dass Auswirkungen weiter oben und Ursachen weiter unten stehen.

In einem weiteren Schritt werden die Wechselwirkungen zwischen den notierten Sachverhalten untersucht und bei Bedarf weitere Pfeile eingezeichnet, die Kausalitäten veranschaulichen. Spätestens nach diesem Schritt wird die Sortierung der Auswirkungen im oberen und Ursachen im unteren Bereich des Ursache-Wirkungs-Diagramms schwierig sein. Denn in vielen Fällen sind die notierten Sachverhalte Problem, Ursache und Auswirkung zugleich.

Die Kernursachen sind die Bubbles, die nur ausgehende Pfeile oder sehr wenige eingehende Pfeile haben. Die Hauptauswirkungen sind die Bubbles, die nur eingehende Pfeile oder sehr wenige ausgehende Pfeile haben. Symptome sind Bubbles mit mehreren eingehenden und ausgehenden Pfeilen.

Ergänzend kann an den Pfeilen noch abgetragen werden, ob es sich um eine starke, mittlere oder schwache Wirkung der Kausalität handelt (z.B. durch ein Plus, einen kleinen Kreis oder ein Minus). Da das Ursache-Wirkungs-Diagramm dadurch nicht unbedingt übersichtlicher wird, sollten die Intensitäten der Wirkung besser mithilfe des Papiercomputers dargestellt werden.

1.2.4.2 Papiercomputer

Der Papiercomputer ist eine Matrix, in der die Intensität der Wirkungen dargestellt wird. Dazu werden alle Probleme, Ursachen bzw. Wirkungen in die erste Spalte und oberste Zeile eingetragen. Die einzutragenden Sachverhalte können einer der vorher beschriebenen Techniken entnommen werden. Besonders eignen sich dazu die Ergebnisse des Ursache-Wirkungs-Diagramms.

In die Schnittfelder werden die Intensitäten auf einer Skala von 0 bis 3 notiert:

 0: keine Wirkung

 1: geringe Wirkung

 2: mittlere Wirkung

 3: starke Wirkung.

Die Abbildung 1.17 (siehe folgende Seite) zeigt ein Beispiel eines Papiercomputers.

Abb. 1.17: Papiercomputer

In der rechten Spalte wird die Aktivsumme, in der untersten Zeile die Passivsumme gebildet. Die Aktivsumme drückt aus, wie stark ein Sachverhalt (Problem) auf die anderen Sachverhalte (Probleme) wirkt. Die Passivsumme gibt an, wie stark ein Sachverhalt durch die anderen beeinflusst wird.

Probleme mit hoher Aktivsumme und niedriger Passivsumme sind grundlegende Ursachen, die es zu mildern bzw. zu beseitigen gilt. Probleme mit hoher Passivsumme und niedriger Aktivsumme sind Auswirkungen, die für die zu erstellenden Lösungsansätze (vgl. Kapitel 1.4) eine untergeordnete Rolle spielen.

Der Papiercomputer ist nicht sehr übersichtlich, falls mehrere Probleme analysiert werden. Die jeweiligen Aktiv- und Passivsummen der Probleme sind die entscheidenden Kriterien, die sich anschaulicher aus einer Portfolio-Analyse ablesen lassen.

1.2.4.3 Portfolio-Analyse

Business-Analysten werten den Papiercomputer sinnvollerweise über eine Portfolio-Analyse aus. Die Sachverhalte werden mittels ihrer Aktiv- und Passivsumme im Portfolio eingetragen.


Abb. 1.18: Portfolio-Analyse

Probleme mit hoher Aktiv- und niedriger Passivsumme (bildlich gesprochen sind dies die Bubbles des Ursache-Wirkungs-Diagramms mit vielen ausgehenden und sehr wenigen eingehenden Pfeilen) bilden die aktiven Probleme. Sie sollten mit höchster Priorität angegangen werden.

Probleme mit hoher Aktiv- und hoher Passivsumme (dies sind die Bubbles des Ursache-Wirkungs-Diagramms mit vielen ausgehenden und eingehenden Pfeilen) bilden die kritischen Probleme. Sie sind insofern „mit Vorsicht zu behandeln“, als sie starke Wechselwirkungen mit anderen Problemen aufweisen. Die Veränderung eines kritischen Problems kann sich positiv oder negativ auf verbundene Sachverhalte auswirken. Nicht immer lässt sich die Auswirkung von vornherein absehen.

Probleme mit niedriger Aktiv- und hoher Passivsumme (dies sind die Bubbles mit vielen eingehenden und sehr wenigen ausgehenden Pfeilen) bilden die passiven Probleme. Sie sind im eigentlichen Sinne die Auswirkungen und spielen eine untergeordnete Rolle. Dies gilt auch für die trägen Probleme (bildlich gesprochen sind dies die Bubbles mit wenigen eingehenden und ausgehenden Pfeilen).

1.2.4.4 Schwachstellenanalyse

Business-Analysten können die Schwachstellenanalyse nutzen, um die Ergebnisse anderer Techniken der Ursachenanalyse zusammenzufassen und weiter zu detaillieren. Die Schwachstellenanalyse kann auch als eigenständige Technik genutzt werden; allerdings fällt die Ursachenforschung mit anderen Techniken in der Regel leichter.

Die Schwachstellenanalyse ist eine Technik, mit der der Ist-Zustand hinsichtlich seiner Schwächen untersucht und systematisch nach den Ursachen der Probleme gesucht wird.

Vier Kategorien bilden die Schwachstellenanalyse:

 Problemsuche

 Problemdarstellung

 Problembewertung

 Ursachenforschung.


Abb. 1.19: Schwachstellenanalyse

Die Problemsuche kann durch die zuvor beschriebenen Techniken unterstützt werden. Jeder der dort gefundenen Sachverhalte wird in eine eigene Zeile eingetragen.

In der Problemdarstellung soll das Problem möglichst konkret abgegrenzt bzw. quantifiziert werden. Hier kann auf die Ergebnisse der ausführlichen Problembeschreibung aufgebaut werden.

 Wo treten Abweichungen auf bzw. wo werden mangelhafte Ergebnisse erzielt?

 Wann, zu welchem Zeitpunkt, in welcher Frequenz, wie lange tritt das Problem auf?

 Wie viele Einheiten (Organisationseinheiten, Produkte, Services) sind betroffen bzw. wie groß ist die Abweichung?

Für die Problembewertung können die Ergebnisse aus Papiercomputer und Portfolio-Analyse genutzt werden.

 Dringlichkeit: Gibt es Vorgaben oder Termine, bis wann das Problem zu lösen ist?

 Wichtigkeit: Wie groß sind die Tragweite, Auswirkungen, Konsequenzen des Problems?

 Priorität: Aus Dringlichkeit und Wichtigkeit abgeleitete Priorisierung der Probleme

 Machbarkeit: Gibt es erste Überlegungen, ob Ressourcen, Knowhow etc. für eine Problembeseitigung zur Verfügung stehen? Diese Aspekte werden im Schritt der Lösungsansätze aufgegriffen.

Für die Ursachenforschung können die anderen Techniken verwendet werden, z.B. Ishikawa-Diagramm, Ursache-Wirkungs-Diagramm.

1.2.5 Zusammenfassung

Der Schritt „Leistungspotenziale“ in der Business-Case-Erstellung betrachtet den Ist-Zustand. Als Grundlage für die weiteren Schritte müssen das Gesamtbild und die jeweils relevanten Zusammenhänge bekannt und verstanden sein. Die Analyse der Leistungspotenziale zeigt auf, welche Probleme bestehen, welche Ursachen es dafür gibt, d.h. welche Leistungspotenziale fehlen und welche bestehenden Leistungspotenziale genutzt, erhalten oder ausgebaut werden sollten.

 

1.3 Geschäftsanforderungen

„Lassen Sie uns mit den Maßnahmen anfangen; dann fallen uns die Ziele schon ein.“

Unbekannt


Abb. 1.20: Schritt Geschäftsanforderungen in der Business-Case-Erstellung

1.3.1 Überblick

Der zweite Schritt der Business-Case-Erstellung fokussiert auf den Soll-Zustand. Welche Geschäftsanforderungen sind bereits bekannt? Welche Geschäftsanforderungen gilt es auf Grundlage der fehlenden und bestehenden Leistungspotenziale zu erfüllen?

Eine Geschäftsanforderung ist eine Aussage zu Zielen und erwünschten Wirkungen. Sie beschreibt die Gründe für eine Veränderung.

Ein Ziel beschreibt einen erwünschten, angestrebten zukünftigen Zustand, eine zukünftige Wirkung oder ein zukünftiges Ereignis.

Ziele beschreiben den Soll-Zustand in einer abstrakteren Form, d.h. ohne die Wege zur Erreichung dieses Soll-Zustands vorzugeben. Sie geben Orientierung und legen fest, „was“ erreicht werden soll (das Ergebnis), ohne das „wie“ vorzugeben (das Verfahren zur Zielerreichung). Wege zum Soll-Zustand bieten die Lösungsansätze an, die im nächsten Schritt der Business-Case-Erstellung erarbeitet werden.

In der Praxis wird der Schritt der Zielfindung oft sträflich vernachlässigt. Die Beteiligten gehen von der Untersuchung des Ist-Zustands mit seinen Leistungspotenzialen nahtlos zu Lösungsansätzen oder zu einer konkreten Lösung über. Oder es wird die „Einführung des Systems XY“ als Ziel formuliert. Dies wäre jedoch eine Maßnahme bzw. Lösung und beantwortet nicht die Frage „Was soll erreicht werden?“.

Auch bei den TREND Möbelhäusern gab es sehr bald die Überlegung „Einführung eines Internet-Shops“ als Ziel auszugeben. Bis die Business-Analysten intervenierten und darauf hinwiesen, dass dies ein möglicher, wenn auch plausibler Lösungsansatz sei.

Ziele bilden eine wichtige Grundlage für weitere Schritte in der ibo-Anforderungstür®:

 Lösungsansätze sollten anhand der Ziele bewertet werden. In welchem Ausmaß erfüllen die Lösungsansätze die Ziele? Welcher Lösungsansatz erfüllt die Ziele am besten? Vgl. Kapitel 1.5 Empfehlung als letzten Schritt im Konzept Business-Case-Erstellung.

 Jede Stakeholder-Anforderung oder zumindest Lösungsanforderung sollte sich auf ein oder mehrere Ziele zurückführen lassen und die Erfüllung dieser Ziele unterstützen, vgl. Kapitel 2.8.3 Validierung im Konzept Requirements Engineering. Dadurch lassen sich „Goldrandlösungen“ und „Wunschkonzerte“ vermeiden.

 Die Lösung sollte bei ihrer Einführung und auch danach überprüft werden, wie gut sie die vorab definierten Ziele erreicht, vgl. Kapitel 3.4.2 Lösungsbewertung und Leistungsüberprüfung im Konzept Lösungseinführung.

1.3.2 Zielformulierungsprozess

Für kleine Veränderungen können die Ziele aus den bestehenden und fehlenden Leistungspotenzialen abgeleitet werden. Dazu werden die im vorherigen Schritt analysierten Leistungspotenziale in Ziele umformuliert.

Die Business-Analysten haben als fehlende Leistungspotenziale u.a. analysiert: Sinkende Umsätze, uneinheitliche und langsame IT-Hardware, veralteter Auftritt im Internet, wenige junge Kunden. Als bestehende Leistungspotenziale wurden u.a. identifiziert: gute Beratung, Kundenfreundlichkeit, vorhandenes Filialnetz.

Daraus lassen sich folgende Geschäftsanforderungen ableiten: Umsätze steigern, IT-Hardware vereinheitlichen, performante IT-Hardware bereitstellen, Internetauftritt modernisieren, junge Kunden gewinnen, Beratungsqualität sichern, Freundlichkeit gegenüber Kunden erhalten, Filialnetz nutzen.

Diese pragmatische Herangehensweise birgt allerdings die Gefahr, Ziele zu übersehen, die sich nicht unmittelbar aus den Leistungspotenzialen ableiten lassen. Daher sollte insbesondere für mittlere und größere Veränderungen bei der Suche nach Zielen strukturiert vorgegangen werden.

Der Zielformulierungsprozess unterstützt dabei,

 die relevanten Ziele zu kennen

 Ziele zu strukturieren und dabei die Vollständigkeit der Kategorien zu überprüfen

 Ziele möglichst verständlich und eindeutig zu definieren

 Ziele zu operationalisieren, d.h. Messgrößen festzulegen, um eine Zielerreichung überprüfen zu können

 Ziele nach ihrer Bedeutung (unterschiedlich) zu gewichten

 Ziele mit Entscheidern und Beteiligten abzustimmen und festzulegen.

Folgende Schritte gehören zum Zielformulierungsprozess (in Anlehnung an SCHMIDT, Organisation und Business Analysis, 2014). Sie werden im Folgenden erläutert.


Abb. 1.21: Schritte des Zielformulierungsprozesses

1.3.2.1 Zielideen suchen

Ziele spiegeln Erwartungshaltungen von Personen oder Personengruppen wider. Diese sogenannten Zielträger haben Geschäftsanforderungen oder sie können die angedachte Veränderung beeinflussen.

Grundsätzlich wäre es möglich, aufbauend auf einer Stakeholder-Analyse (vgl. Kapitel 4.2.2), die Ziele der einzelnen Stakeholder bzw. Stakeholder-Gruppen zu ermitteln. Insbesondere zwei Gründe stehen dem entgegen: Zum einen steigert dies den Aufwand einer Business-Case-Erstellung, wenn eine große Anzahl von Stakeholdern zu befragen, mit dem Prozess der Zielfindung vertraut zu machen und untereinander abzustimmen ist. Zum anderen werden Erwartungen an eine Lösung bzw. Problemlösung geweckt, die möglicherweise nicht zu erfüllen sind (sei es, dass die Empfehlung des Business Case lautet, keine Veränderung vorzunehmen; sei es, dass es zu Konflikten zwischen den Zielen der einzelnen Stakeholder kommt, so dass nicht alle Ziele gleichzeitig oder in gleichem Maße verfolgt werden können).

So wichtig generell eine Einbeziehung und Beteiligung der von einer Veränderung Betroffenen ist, kann in den meisten Fällen auf eine direkte Mitwirkung aller Stakeholder bei der Zielfindung im Rahmen des Business Case verzichtet werden.

Die Probleme, die es zu lösen gilt, und die Leistungspotenziale, die zu verbessern sind, betreffen nahezu das gesamte Unternehmen. Dennoch wurde die Idee, möglichst viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach ihren Zielen zu befragen, nicht weiterverfolgt.

Bei der Auswahl der Zielträger hat es sich bewährt, auf die „3 Tenöre“ zu hören, da sie die Interessen vieler Beteiligter meistens sehr gut abdecken:

 Voice of the Business (VoB): Ziele der Geschäftsführung bzw. des Managements

 Voice of the Customer (VoC): Ziele des Kunden (dies kann ein externer oder interner Kunde sein)

 Voice of the Employee (VoE): Ziele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, insbesondere derjenigen, die in der Ist-Situation arbeiten und mit einer möglichen Lösung umgehen müssten.

Typische Ziele dieser drei Zielträger sind in der Abbildung 1.22 zusammengefasst.


Voice of the Business Voice of the Customer Voice of the Employee
Geringer Ressourcen- verbrauchNiedrige KostenSteigender UmsatzGutes ImageGeschäftsprozesseoptimieren Schnelle Umsetzung der VeränderungStandards einhalten oder mehr StandardisierungHöhere AutomatisierungEinhaltung von Richtlinien, Compliance, GesetzenHohe Kundenbindung Schnelle Durchlaufzeit von GeschäftsprozessenQualitativ gute und freundliche Kundenberatung, guter ServiceHohe ProduktqualitätHohe ErreichbarkeitGutes Preis-Leistungs-VerhältnisEindeutige AnsprechpartnerHohe FlexibilitätHohe QualitätGeringer PreisEinfache Bedienbarkeit Gute KommunikationBeteiligung an der VeränderungGleichmäßiger Arbeitsanfall(Technische) UnterstützungQualifizierung Klare ZuständigkeitenInteressante oder standardisierte Aufgaben und Abläufe

Abb. 1.22: Typische Ziele der drei Zielträger (Voice of the Business, Voice of the Customer, Voice of the Employee)

Die Business-Analysten erarbeiteten mit einigen Beteiligten die Ziele, um sie anschließend mit den Entscheidern abzustimmen. Dabei wurde auf die 3 Tenöre gehört, indem sich die Arbeitsgruppe in deren Lage versetzte und Ziele dokumentierte, die der Arbeitsgruppe plausibel erschienen.

Die Ziele wurden bereits um Mehrfachnennungen bereinigt. Ziele, die mehr als einer Zielträgergruppe zugeordnet werden können, wurden – willkürlich – nur bei einer Zielträgergruppe genannt.


Inhaber, Management Externe Kunden Mitarbeiter aus Filialen, Marketing, IT
Niedrige (Personal-) KostenFlexibilität der LösungWenig Abhängigkeit von DrittenSchnelles Ergebnis Leichte Verständlichkeit der LösungUmfassende InformationenAttraktive AufbereitungSchneller Zugriff Zukunftssichere LösungSchnelle Einarbeitung möglichUmfassende Informationen über das ProjektAusfallsicherheitEinfache Pflege der Lösung

Abb. 1.23: Ziele der Zielträger der TREND Möbelhäuser

1.3.2.2 Ziele analysieren und Zielstruktur aufbauen

Zu diesem Schritt gehören:

 Lösungen durch Ziele ersetzen

 Muss-Ziele von Kann-Zielen trennen

 Bezug zur Veränderung prüfen

 Redundanzen eliminieren

 Zielwidersprüche beseitigen

 Geeignete Oberbegriffe suchen und Ziele vervollständigen

 Ziele operationalisieren.

1.3.2.2.1 Lösungen durch Ziele ersetzen

Die folgenden Definitionen bieten Anhaltspunkte, um Ziele und Lösungen zu unterscheiden:

Eine Lösung ist die Summe der Veränderungen des Ist-Zustands eines Unternehmens, um einen Bedarf zu decken und/oder Ziele zu erreichen.

Ein Ziel beschreibt einen erwünschten, angestrebten zukünftigen Zustand, eine zukünftige Wirkung oder ein zukünftiges Ereignis.

Eine saubere Trennung von Lösungen und Zielen ist sinnvoll, aber nicht immer möglich.

Je konkreter ein Ziel formuliert ist, desto näher rückt es an eine Lösung. Konkrete Wege zur Veränderung sollten Business-Analysten sinnvollerweise bei den Lösungsansätzen (vgl. Kapitel 1.4) erarbeiten. Ein Vergleich von Lösungsansätzen und Zielen und damit eine Bewertung der Lösungsansätze findet im Schritt Empfehlung (vgl. Kapitel 1.5) statt.

Formulierungen wie „Einführung von …“, „Zentralisation von Standorten“, „Einsatz des Systems XY“ deuten auf Lösungen hin. Selbst die Formulierung „Optimierung von …“ kann durch Ziele wie z.B. „Senkung von Kosten“, „Bessere Kundenbetreuung“ besser beschrieben werden.

 

Die Frage nach dem „Warum“ verhindert ein (zu frühes) lösungsorientiertes Denken und macht häufig die wahren Beweggründe, d.h. die Ziele, transparent.

Wie erwähnt lehnten die Business-Analysten das Ziel „Einführung eines Internet-Shops“ ab und wiesen darauf hin, dass dies ein möglicher Lösungsansatz sei.

1.3.2.2.2 Muss-Ziele von Kann-Zielen trennen

Muss-Ziele sind „K.O.“-Kriterien, d.h. ihre Verletzung schließt eine Lösungsvariante von weiteren Untersuchungen aus. Typische Muss-Ziele sind Einhaltung einer Budget-Obergrenze, Einhaltung von Richtlinien, Compliance, Gesetzen oder die Einhaltung von Terminvorgaben/Fristen.

Kann-Ziele sind Wunsch-Ziele, die durch Lösungsansätze möglichst gut erreichen werden sollen.

Bei den TREND Möbelhäusern haben sich Inhaber und Management bewusst gegen das Kann-Ziel „Weniger Mitarbeiterkapazitäten“ entschieden; auch wenn die Hoffnung besteht, dass die noch zu definierenden Lösungsansätze die Effizienz steigern werden.

Als Muss-Ziel wurde bewusst „Keine Entlassungen“ festgelegt, als deutliches Signal an die Belegschaft, dass die familiäre Kultur beibehalten werden soll.

Einige Ziele lassen sich in Muss-Ziel und Kann-Ziel aufteilen. Die Einhaltung eines festen Budgets kann als Muss-Ziel definiert werden. Jeder Lösungsansatz, der das Budget überschreitet, wird nicht weiterverfolgt. Als Kann-Ziel kann „Niedrige Kosten“ definiert werden; der Lösungsansatz mit den geringsten Kosten schneidet entsprechend bei diesem Ziel am besten ab.

Beide Zielarten sind wichtig. Ihre Definition bildet die Grundlage für die weitere Business-Analyse. Die Muss-Ziele sind allerdings separat zu betrachten. Die Kann-Ziele fließen in die Zielstruktur (vgl. Kapitel 1.3.2.2.6) ein.

1.3.2.2.3 Bezug zur Veränderung prüfen

„Ceterum censeo Carthaginem esse delendam. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss.“

Cato der Ältere

Der Ausspruch, der dem römischen Staatsmann Cato zugeschrieben wird, soll am Ende vieler seiner Reden gestanden haben, unabhängig vom eigentlichen Thema der Rede. Ein gänzlich fehlender Bezug kann in einer Business-Analyse nicht sinnvoll sein, deswegen sollten Ziele eliminiert werden, die in keinem Zusammenhang mit der Veränderung stehen.

Bei TREND gab es Überlegungen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ziele haben könnten wie „positive Work-Life-Balance“ oder „hohe Vergütung“. Diese Ziele wurden für eine weitere Betrachtung gestrichen, da sie nur mittelbar mit der geplanten Veränderung zu tun haben.

Gleiches gilt für das Ziel „Niedriger Preis der Produkte“, das für externe Kunden plausibel, aber durch die anstehende Veränderung bestenfalls indirekt (z.B. über Kostensenkungen) zu erreichen ist.

1.3.2.2.4 Redundanzen eliminieren

Es kommt häufig vor, dass mehrere Zielträger gleiche Ziele verfolgen. Ein und dasselbe Ziel sollte allerdings nur einmal in die Zielstruktur einfließen. Es gibt Ziele, die offensichtlich redundant sind. Schwieriger sind Redundanzen zu erkennen, wenn sich hinter unterschiedlichen Begriffen das gleiche Ziel verbirgt. Der Schritt „Ziele operationalisieren“ (vgl. Kapitel 1.3.2.2.7) deckt diese Übereinstimmung in der Regel auf.

Die Business-Analysten identifizierten die folgenden Ziele, die – abhängig von ihrer Operationalisierung – wahrscheinlich redundant sind: „Automatisierung“ und „Optimierung von Arbeitsabläufen“, „Hohe Qualität“ und „Guter Kundenservice“, „Anwenderfreundliche Lösung“ und „Einfache Bedienbarkeit“.

1.3.2.2.5 Zielwidersprüche beseitigen

Ziele, die sich widersprechen, können sinnvollerweise nicht gleichzeitig verfolgt werden. Nur ein Ziel kann in die Zielstruktur einfließen. Sich widersprechende Ziele sind zu streichen.

Die Ziele „Flexible Lösung“ und „Hohe Standardisierung“ wurden durch die Business-Analysten auf einen Widerspruch untersucht.

1.3.2.2.6 Geeignete Oberbegriffe suchen und vervollständigen

Bei mehreren Zielen ist es sinnvoll, diese in einer Zielstruktur zu gliedern. Zwar wäre es möglich, die 3 Tenöre als Kategorien zu belassen. Aber zum einen gibt es Ziele, die von mehr als einer Zielträgergruppe verfolgt werden. Zum anderen besteht die Herausforderung, dass bei der Gewichtung den Zielen der Mitarbeiter möglicherweise weniger Bedeutung beigemessen wird und diese daher geringer gewichtet werden (im Vergleich zu den Zielen des Managements und der Kunden) oder sogar entfallen sollen.

Daher hat es sich bewährt, die Ziele wie folgt zu unterteilen:

 Systemziele: Ziele, die mit der Lösung angestrebt werden. Sie dienen als Kriterien zur Beurteilung von Lösungen (vgl. Kapitel 1.5). Zu ihnen gehören die drei Zielklassen wirtschaftliche Ziele, Leistungsziele, kulturelle Ziele.- Wirtschaftliche Ziele (Kostenziele) beziehen sich typischerweise auf einmalige Kosten und Aufwände, die durch die Planung, Umsetzung und Einführung einer Lösung entstehen, sowie auf laufende Kosten und Aufwände, die der Betrieb einer Lösung verursacht.- Leistungsziele beschreiben, welche erwünschten Ergebnisse und Zustände durch eine Lösung erreicht werden sollen bzw. was eine Lösung leisten soll. Darunter können auch (grobe) Funktionalitäten der Lösung fallen; allerdings ist zu beachten, dass hier keine Lösungsanforderungen vorweggenommen werden.- Kulturelle Ziele (Mitarbeiter-, Anwenderziele, personale Ziele) beziehen die zwischenmenschlichen Aspekte ein. Sie treffen z.B. Aussagen hinsichtlich Information, Kommunikation oder Zusammenarbeit.

 Vorgehensziele: Sie sind nur während der Laufzeit der Veränderung gültig und eignen sich nur bedingt zur Auswahl einer Lösung. Das wahrscheinlich gebräuchlichste Vorgehensziel ist es, die Veränderung möglichst schnell herbeizuführen.

Durch die Zielklassen ergeben sich u. U. weitere Ziele, wenn die Vollständigkeit einer Zielklasse überprüft wird. Daher sollten diese, soweit mit den Zielen der 3 Tenöre verträglich, ergänzt und die Zielstruktur dadurch vervollständigt werden.

Eine Obergrenze von 15-20 Zielen bei größeren Veränderungen sollte allerdings beachtet werden, um die Ziele für die weiteren Schritte und die Empfehlung in einem sinnvollen und übersichtlichen Umfang zu halten. Für mittlere und kleinere Veränderungen können es entsprechend weniger Ziele sein.

In die Zielstruktur wurden nur solche Ziele aufgenommen, die auch für die Bewertung von Lösungsansätzen herangezogen werden können. Das Vorgehensziel „Umfassende Information über die Veränderung“ wurde daher eliminiert. Außerdem wurden Ziele ergänzt, die sich aus den Oberbegriffen ableiten lassen, in der ersten Sammlung jedoch nicht enthalten waren („Betroffene beteiligen“).


Leistungsziele Kulturelle Ziele Vorgehensziele
Niedrige Investitionskosten für InfrastrukturNiedrige Investitionskosten für SchulungNiedrige laufende PersonalkostenNiedrige laufende für Fremd-Kostenleistungen Unabhängigkeit von DrittenLeichte VerständlichkeitUmfassende InformationenAttraktive AufbereitungZukunftssichere LösungSchneller ZugriffAusfallsicherheitEinfache Pflege der neuen Lösung Betroffene beteiligen Schnelles Ergebnis

Abb. 1.24: Zielstruktur der TREND Möbelhäuser

Die Ziele „Umsätze steigern“ und „Marktanteile steigern“ wurden nicht berücksichtigt, da schwierig abzusehen und zu messen ist, wie eine Lösung jeweils dazu beiträgt. Sollte zum Beispiel ein Lösungsansatz „Internet-Shop“ sein, so könnten Umsatzsteigerungen dort zu Umsatzrückgängen in den Filialen beitragen.

1.3.2.2.7 Ziele operationalisieren

„Miss es oder vergiss es.“

Unbekannt

Business-Analysten sollten Ziele eindeutig formulieren. Maßstäbe bzw. Kriterien für Ziele festzulegen wird auch als Operationalisierung von Zielen bezeichnet.

Zum Ziel „Eindeutige Ansprechpartner“ gab es unterschiedliche Vorstellungen. Einige Beteiligte brachten dieses Ziel mit der zu erstellenden Lösung zusammen und sortierten es entsprechend in der Zielklasse „Leistungsziele“ ein. Andere verstanden darunter, dass eindeutige Ansprechpartner für den Zeitraum der Veränderung notwendig seien und sahen es daher als „Vorgehensziel“ an. Ein gemeinsamer Austausch und eine Operationalisierung des Ziels klärten diese unterschiedlichen Verständnisse.

Ein pragmatischer Weg ist, die Ziele näher zu beschreiben und damit Anhaltspunkte zu liefern, was unter dem jeweiligen Ziel zu verstehen ist. Dies eignet sich insbesondere für kleinere Veränderungen.

Dabei gibt es grundsätzlich keine „richtigen“ oder „falschen“ Maßstäbe. Vielmehr wird durch die Operationalisierung ersichtlich, in welche Richtung ein Ziel interpretiert wird. Unterschiedliche Personen können bei gleichen Zielen unterschiedliche Vorstellungen entwickeln, wie diese Ziele „gemeint“ sind. Insofern dient die Operationalisierung auch einer besseren Verständigung aller Beteiligten.


Ziele Maßstäbe
Niedrige Investitionskosten für Infrastruktur Investitionskosten für Hard- und Software sowie Erstinstallation von Technik
Niedrige Investitionskosten für Schulung Aufwand für die Schulung aller betroffenen Mitarbeiter zur Nutzung der Hard- und Software, die mit der neuen Lösung eingeführt werden
Niedrige laufende Kosten für Personal bzw. Fremdleistungen Personalkosten für alle Leistungen, die zentral oder dezentral, intern oder extern für die Unterstützung anfallen
Unabhängigkeit von Dritten Anteil der Aufgaben, die durch interne Mitarbeiter bewältigt werden können
Leichte Verständlichkeit, schnelle Einarbeitung möglich Zeit für Schulung bis zur selbständigen Benutzung
Umfassende Informationen Bereitgestellte Informationen im Verhältnis zu den benötigten Informationen
Attraktive Aufbereitung Ansprechendes Design, ansprechender Mix aus Text, Bildern und Grafiken
Flexibilität, zukunftssichere Lösung Eignung der Lösung bei Zunahme der Zugriffe und/oder Produkte (Aufwand bei Erweiterungen)
Schneller Zugriff Dauer vom Aufrufen der jeweiligen Internetseite oder Information bis zu ihrer Bereitstellung
Ausfallsicherheit Sicherstellen, dass die Lösung rund um die Uhr zur Verfügung steht
Gute/einfache Pflege der neuen Lösung Anteil der Aufgaben, die durch interne Mitarbeiter ohne unnötig lange Vorbereitung oder Einarbeitung bewältigt werden können
Schnelles Ergebnis Zeitdauer vom Anstoß der Veränderung bis zum Beginn der Nutzung der neuen Lösung

Abb. 1.25 : Operationalisierung der Ziele