Handbuch IT-Outsourcing

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(6) Haftung des Veräußerers

99

Die Durchführung einer Due Diligence hat zunächst Einfluss auf die Haftung des Verkäufers (Kunden). Fraglich ist, in welchem Umfang der Kunde trotz positiver Kenntnis des Providers oder grober fahrlässiger Unkenntnis des Providers haftet.[108] Hierbei wird sogar die Frage gestellt, ob der Provider nicht die Verpflichtung zur Durchführung einer Due Diligence hat. Nach dem deutschen Kaufrecht trifft den Käufer (hier möglicherweise den Provider) keine Prüfungspflicht hinsichtlich des Kaufobjektes.[109] Auch die kaufrechtliche Gewährleistung des Verkäufers hängt nicht davon ab, dass der Käufer eine Überprüfung des Kaufobjektes vorgenommen hat – ggf. ist aber bei unterlassener Prüfung der Einwand des Mitverschuldens gem. § 254 BGB bei einer Inanspruchnahme des Verkäufers aus vorvertraglichem Verschulden aus § 241 Abs. 2 i.V.m. § 311 Abs. 2 und 3 BGB denkbar. Die Gewährleistungsansprüche sind andererseits gem. §§ 442 ff. BGB insoweit ausgeschlossen, als der Käufer Kenntnis von dem Mangel erhält oder dieser ihm nur wegen eigener grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist.

100

Eine Due Diligence macht vor diesem Hintergrund für den Käufer gewährleistungsrechtlich nur dann einen Sinn, wenn die Ergebnisse der Due Diligence in die nachfolgende Vertragsgestaltung einfließen.[110]

Abb. 8:

Joint Venture


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(7) Hold Harmless Letter

101

Im Rahmen von M&A-Transaktionen bei strategischen Outsourcing-Projekten müssen Berufsträger (WP, StB, RA), nach Aufforderung durch ihre Mandanten, Dritten vertrauliche Informationen zur Verfügung stellen. Für die Herausgabe solcher vertraulichen Informationen an Dritte, benötigen die Berufsträger zunächst eine Entbindung von ihrer Verschwiegenheitspflicht durch den Mandanten. Darüber hinaus wird der Berufsträger eine Haftungsfreizeichnung von dem Dritten verlangen, in der er nicht für die Inhalte der übergebenen Informationen haftet. Eine solche Haftungsfreizeichnung wird „Hold Harmless Letter“ (Kurzform HHL) bezeichnet und ist in der Regel in englischer Sprache verfasst.

102

Als Begründung für die Haftungsfreizeichnung wird von den Verwendern eines HHL angeführt, dass sie in keiner direkten Geschäftsbeziehung mit dem Dritten stehen, keine Vergütung für ihre Leistungen von Dritten erhalten und ggf. auch eine Konfliktsituation mit anderen Mandanten entstehen könnte. HHL stammen meist aus dem angloamerikanischen Rechtsraum, wo eine weitreichende Haftungsfreizeichnung für diesen Sachverhalt möglich ist. Fraglich ist, ob die rechtlichen Regelungen eines HHL auch vor dem deutschen Recht bestehen können.

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HHL sind in der Regel immer ähnlich aufgebaut, da sie häufig den gleichen Ursprung und ein vergleichbares Interesse haben. Zunächst beginnen sie den Hintergrund der Handlung des Berufsträgers zu erläutern, dann geben sie einen Überblick über die Informationen, die sie durch ihren Mandanten freigeben, dem Dritten zur Verfügung stellen dürfen. Im nächsten Punkt klären sie den Empfänger (Dritten) darüber auf, in welcher Form sie (nicht) haften wollen. Ferner verpflichten sie den Dritten mit der Bestätigung des HHL, dass der Dritte vertraulich mit den genannten Informationen umgehen wird. Des Weiteren wird gern in einem nächsten Punkt ergänzend auf die allgemeinen Auftragsbedingungen hingewiesen und als letzten Punkt werden die üblichen juristischen Regelungen eines Vertrages aufgeführt.

104

Zunächst wird der Hintergrund der Verwendung des HHL erläutert. Dabei klärt der Berufsträger den Dritten zunächst darüber auf, dass zwischen dem Mandanten bzgl. eines bestimmten Sachverhalts ein Mandatsverhältnis mit dem Berufsträger besteht. Des Weiteren klärt der Verwender (Berufsträger) den Dritten darüber auf, dass sein Mandant den Berufsträger betreffend bestimmter Informationen für den Dritten von seiner Verschwiegenheitsverpflichtung entbunden hat. Ferner weist der Berufsträger den Dritten darauf hin, dass er diese Informationen über den Mandanten zwar kostenlos für den Dritten zur Verfügung stellen wird, aber hierzu die Gegenzeichnung des HHL notwendig ist.

Abb. 9:

Dreiecksbeziehung


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105

Im nächsten Punkt „Informationen“ oder englisch „Information to be provided by (…)“ klärt der Berufsträger darüber auf, welche Informationen er bereit ist, dem Dritten zu übermitteln. Dabei wird es sich in der Regel um Informationen handeln, die über die der Veröffentlichungspflicht hinausgehen und somit nicht allgemein verfügbar sind. Denkbar wären:


Auskunft zu steuerlichen Risiken und zur steuerlichen Situation
Zurverfügungstellung von Arbeitsergebnissen (Berichte, Gutachten, fachliche Stellungnahmen)
Auskunft zu bestehenden Einspruchsverfahren
Auskunft über Betriebsprüfungsergebnisse
Sachstand in einem streitigen Verfahren
Einblick in Arbeitspapiere

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Der wichtigste Punkt des HHL ist sicherlich das Thema Haftung oder englisch liability. Hierbei klärt der Verwender (Berufsträger) den Dritten darüber auf, dass er nicht vorhat, für die Richtigkeit der übermittelten Inhalte zu haften (Statement of clarification) und der Dritte die Inhalte für seine Zwecke mit eigenen Untersuchungen zu verifizieren und ggf. durch eigene Feststellungen zu ergänzen hat.

107

Eine Abgrenzung auf bestimmte Verschuldensformen wie Vorsatz, grobe oder leichte Fahrlässigkeit wird dabei nicht vorgenommen. Auch bei der Haftung für die Schadensarten, Personen-, Sach- oder die einzig relevante Schadensart der Vermögensschäden wird hierauf i.d.R. nicht eingegangen. Vielmehr wird in einer Klausel eine umfassende Haftungsfreizeichnung des Verwenders erläutert.

108

Ggf. wird eine Begründung für die Haftungsfreizeichnung vom Verwender erläutert. Dabei weist der Verwender darauf hin, dass er in keiner direkten Geschäftsbeziehung mit dem Dritten steht, keine Vergütung für Leistungen vom Dritten erhält und ggf. auch eine Konfliktsituation mit anderen Mandanten entstehen könnte. Aus diesem Grund wäre es für den Verwender des HHL auch nicht zumutbar, dass er für die Inhalte der übermittelten Informationen haftet.

109

Des Weiteren wird im HHL auf die Vertraulichkeit (engl. Confidentiality) der übersandten Information hingewiesen. Wie auch bei Non disclosure agreements (Geheimhaltungserklärungen) ist der Ursprung des HHL im US-Recht zu suchen. Da die Vertraulichkeitsklausel in HHL sich häufig an den Regelungen von Non disclosure agreements (im Folgenden nur als NDA bezeichnet) orientiert, sind die Regelungen zur Vertraulichkeit in HHL auch entsprechend der angloamerikanischen NDAs formuliert. Die USA verfügen über kein einheitliches Datenschutzrecht. Vielmehr sind sporadisch sektorale Datenschutzgesetze erlassen worden. Insgesamt verfolgen die USA einen anderen Weg als Europa, es wird mehr auf den sog. Selbstregulierungsansatz vertraut, der sich auf freiwillige Selbstverpflichtungen der Unternehmen stützt. Vor diesem Hintergrund ist der Abschluss eines HHL auch äußerst sinnvoll. Ob Vertraulichkeitserklärungen in dieser ausdrücklichen Form nach deutschem Recht notwendig sind, erscheint vor den weitreichenden Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDGS) und der Regelung des § 17 UWG zweifelhaft.[111]

110

In einem weiteren Punkt wird auf die Verwendung der Auftragsbedingungen Bezug genommen. Diese sollen i.d.R. dann nicht nur im Verhältnis Berufsträger – Mandant sondern auch im Verhältnis Berufsträger – Dritter gelten. Im Bereich der Wirtschaftsprüfung oder Steuerberatung wird hierbei gern auf die allgemeinen Auftragsbedingungen für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder Steuerberatungsgesellschaften verwiesen.

111

Nach dem deutschen Recht ist es üblich, am Ende von Verträgen eine salvatorische Klausel einzufügen, den Gerichtstand festzulegen und das zugrundeliegende Recht.

112

Fraglich ist, welcher rechtliche Rahmen für die Gestaltung von HHL anzuwenden ist. Eine umfängliche Haftungsfreizeichnung in HHL ist nach US-amerikanischem Recht durchaus zulässig. Dies basiert darauf, dass das Grundprinzip des US-Rechts eine sog. consideration (Gegenleistung) voraussetzt und diese bei Schenkungen regelmäßig nicht gegeben ist.[112]

 

113

Das US-Recht, das auf den Gedanken des common law basiert, sieht die Bindungswirkung eines Vertrages erst dann als gegeben, wenn eine Gegenleistung (engl. consideration) vorhanden ist.[113] Grundgedanke ist, dass Versprechen nur rechtlich durchsetzbar sein sollen, wenn sie ein Teil eines sog. bargain sind, sprich eines Geschäftes, vgl. Rest. 2d § 71 (1) und (2). Dies ist der Fall, wenn sie nicht umsonst, sondern wegen irgendeiner Gegenleistung abgegeben werden. Eine wichtige Auswirkung der bargain theory ist also die Verknüpfung einer Leistung mit einer Gegenleistung.[114] Dabei braucht die consideration nicht wirtschaftlich gleichwertig sein, vgl. Rest 2d § 79 (b). Dabei kann die consideration in allen erdenklichen Dingen, etwa in jedem Tun oder Unterlassen gesehen werden, vgl. Rest. 2d § 71 (3). Auch eine Erbringung durch Dritte ist möglich, vgl. Rest 2d § 71 (4). Es geht auch nicht darum, ein faires Verhältnis von Leistung und Gegenleistung sicherzustellen. Dennoch darf die consideration nicht zum Schein abgeschlossen werden (Deals mit 1 US$), weil dies dafür spricht, dass die consideration gar nicht ernst gemeint ist.[115] Das heißt aber nicht, dass die consideration einen wirtschaftlichen Wert haben muss.[116]

114

Im US-Recht ist allgemein anerkannt, dass einem Schenkungsversprechen stets die consideration fehlt,[117] sodass eine Schenkung auch nicht rechtlich verbindlich ist. Sie kann zwar tatsächlich vollzogen werden, doch ist dies ein rein sachenrechtlicher Vorgang, der mit dem Vertragsrecht nichts zu tun hat. So ist es auch möglich ein Geschenk zurückzufordern, da es im US-Recht keinen Anspruch auf Bereicherungsausgleich wegen fehlenden Rechtsgrunds (vgl. § 812 BGB) gibt. Die reine Annahme des Geschenkten stellt dabei nach US-Recht keine consideration dar.

115

Aus der Sicht Deutschlands und vieler anderer Länder besteht grundsätzlich die Möglichkeit, einen Gerichtsstand und das anwendbare Recht frei zu wählen, wenn die Vertragsparteien nicht im gleichen Land ansässig sind. In Deutschland ist diese rechtliche Möglichkeit in Art. 27 Abs. 1 S. 1 EGBGB geregelt. Da der HHL i.d.R. zwischen zwei Unternehmen (Berufsträger/Dritter) in Deutschland geschlossen wird, ist auch nur deutsches Recht anwendbar.

116

Unterstellt man die grundsätzliche Anwendung von deutschem Recht, so stellt sich weiter die Frage, welche rechtlichen Möglichkeiten das deutsche Recht zur Gestaltung von HHL zulässt. HHL sind in der Regel Schreiben, die von einem Berufsträger (WP, StB, RA) an einen Dritten mit der Bitte um Gegenzeichnung versandt werden. Mit Unterschrift unter den HHL erkennt der Dritte die Regelungen des HHL an. Es ist i.d.R. vom Berufsträger nicht vorgesehen, dass über den Inhalt des HHL mit dem Dritten verhandelt werden soll. Somit liegt die Frage nahe, ob bei der Verwendung von HHL diese dem AGB-Recht unterliegen. AGB sind gem. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist gem. § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Bei HHL handelt sich i.d.R. um Standardschreiben, die nicht für den Einzelfall konzipiert worden sind. Sie sind in der Verwendungsart sicherlich vergleichbar mit der Verwendung von NDAs. Verwender dieser Bedingungen wird immer der Berufsträger sein, da er das entsprechende Bedürfnis hat, die Übergabe der Informationen seines Mandanten zu regeln.

117

Der Begriff der AGB setzt gem. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Vertragsbedingung, d.h. eine Erklärung des Verwenders voraus, die den Vertragsinhalt regeln soll.[118] Der Verwender möchte mit einem HHL die Übergabe von Informationen seines Mandanten an einen Dritten regeln. Der Vertragsinhalt ist somit die Übergabe der Informationen durch den Berufsträger und die Annahme der Informationen durch den Dritten. Ferner möchte der Verwender den Dritten darauf hinweisen, dass evtl. Haftungsansprüche des Dritten ins Leere laufen. Somit handelt es sich nicht um eine einseitige Erklärung des Berufsträgers, die nicht dem AGB-Recht nach §§ 305 ff. BGB unterstellt werden kann. Der Verwender würde nämlich bei einseitigen Erklärungen keine fremde, sondern lediglich die ihm originär zustehende eigene Gestaltungsmacht in Anspruch nehmen, welche nicht unter dem AGB-Recht nach §§ 305 ff. BGB zu beurteilen ist.[119] Da aber die Regelungen des HHL beidseitige Regelungen beinhalten, ist das AGB-Recht grundsätzlich anwendbar.

118

Nicht erforderlich ist, dass die Bestimmung wirklich Vertragsinhalt wird. Der § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB erfasst auch Regelungen, die unwirksam sind oder deren Einbeziehung typischerweise an § 305 Abs. 2 BGB scheitert. Ferner kommt es auch nicht auf den Inhalt des in Aussicht genommenen Vertrages an.[120] Ein wesentliches Element der Übergabe der Informationen ist die Haftungsfreizeichnung, unabhängig davon, ob diese tatsächlich rechtlich zulässig ist.

119

Gemäß § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB liegen AGB nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind. Dies ist, wie bereits oben erläutert, regelmäßig nicht der Fall, da es vom Berufsträger i.d.R. nicht vorgesehen ist, dass über den Inhalt des HHL mit dem Dritten verhandelt werden soll.

120

Somit unterliegen HHL i.d.R. dem AGB-Recht nach §§ 305 ff. BGB und somit auch dem engen Korsett der Inhaltskontrolle. Dass eine umfassende Haftungsfreizeichnung nach US-Recht möglich ist, wurde bereits erläutert. Die Möglichkeit der Haftungsfreizeichnung nach deutschem Recht, insbesondere, wenn HHL dem AGB-Recht unterliegen, ist weitaus begrenzter.

121

Der Ausschluss der Haftung bei grober Fahrlässigkeit kann nach § 309 Nr. 7 BGB in AGB nicht wirksam vereinbart werden. Dies gilt (auch wenn sich dies nicht aus dem Gesetzeswortlaut ergibt) auch im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen, da § 309 Nr. 7 BGB nach der Rechtsprechung des BGH (damals § 11 Nr. 7 AGBG) auch auf den Geschäftsverkehr ausstrahlt.[121] Der Ausschluss der Haftung für leichte Fahrlässigkeit auf Grund feststehender Rechtsprechung und der Regelung in § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist nur insoweit möglich, wie keine wesentlichen Vertragspflichten verletzt werden.[122] Ferner kann sich der Verwender von einer Haftungsfreizeichnungsklausel für nur leicht fahrlässiges Handeln seiner Organe, leitenden Angestellten oder sonstiger Erfüllungsgehilfen freizeichnen, sofern es nicht um die Verletzung von Kardinalpflichten geht.[123] Die Haftung kann i.d.R. dort begrenzt werden, wo das Interesse des Verwenders, das Risiko überraschender oder ungewöhnlicher Schadensfälle übernehmen zu müssen, nicht besteht. Eine Haftungsbegrenzung kann im unternehmerischen Verkehr (ausgenommen grobes Verschulden des Verwenders oder eines leitenden Angestellten) zulässig sein, wenn die festgelegte Haftungshöchstsumme die vertragstypischen und vorhersehbaren Schäden abdeckt.[124] Haftungsbeschränkungen in AGB für Sach- und Vermögensschäden sind auch nur in der oben beschriebenen Form möglich. Haftungsbeschränkungen, die Personenschäden (Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit) begrenzen wollen, sind gem. § 309 Nr. 7 lit. a BGB generell unwirksam. Sind in AGB Haftungsbeschränkungen enthalten, die gegen das AGB-Recht verstoßen, so sind diese unwirksam. An ihre Stelle treten gem. § 306 Abs. 2 BGB die gesetzlichen Regelungen, die grundsätzliche keine Haftungsbeschränkungen kennen.

122

Nach § 309 Nr. 8 lit. b BGB ist eine Bestimmung ausgeschlossen, durch die bei AGB-Verträgen über Lieferungen neu hergestellter Sachen und über Werkleistungen die Ansprüche gegen den Verwender wegen eines Mangels insgesamt oder bezüglich einzelner Teile begrenzt werden. Dies zielt insbesondere darauf ab, den Kunden vor einer Aushöhlung seiner ihm kraft Gesetz zustehenden Mängelrechte zu schützen und sicherzustellen, dass das Äquivalenzverhältnis von Leistungen und Gegenleistung auch bei mangelhafter Leistung des Verwenders durchgesetzt werden kann.[125] Diesem Grundanliegen muss grundsätzlich auch die Vertragsgestaltung im unternehmerischen Geschäftsverkehr Rechnung tragen.[126] Unwirksam ist gem. § 309 Nr. 8 lit. b Doppelbuchst. aa BGB auch im unternehmerischen Verkehr der vollständige Ausschluss der Rechte aus § 437 und § 634 BGB sowie eine ersetzende Verweisung des Vertragspartners auf einen Dritten.[127]

123

Fraglich ist, inwieweit der Verwender des HHL für die Richtigkeit der Unterlagen haften muss. Unwirksam ist gem. § 309 Nr. 8 lit. b BGB der generelle Ausschluss der Mängelhaftung bei Kauf- oder Werkleistung.[128] Ob diese Regelung auch für eine Schenkung nach §§ 516 ff. BGB gilt siehe unten.

124

Folgt man nicht dem Ansatz des § 309 Nr. 7 BGB, da diese Norm im Wesentlichen für entgeltliche Schuldverhältnisse gedacht[129] ist, so stellt sich die Frage, welche anderen rechtlichen Grenzen der Haftungsfreizeichnung in HHL möglich sind.

125

Die Absätze 1 und 2 des § 307 BGB legen den grundlegenden Prüfungsmaßstab für die richterliche Inhaltskontrolle der AGB fest.[130] Gemäß § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Das Gebot von Treu und Glauben und die unangemessene Benachteiligung bilden eine Bewertungseinheit, der man die Aufforderung entnimmt, die Eignung der vertraglichen Gestaltung als Mittel zur Herbeiführung einer ausgeglichenen Interessenverteilung zu bewerten.[131] Dabei ist der § 307 Abs. 2 BGB stets vor dem § 307 Abs. 1 BGB zu prüfen.[132]

126

Eine unangemessene Benachteiligung ist gem. § 307 Abs. 2 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Mit dem Merkmal der „gesetzlichen Regelung“ umschreibt das Gesetz unmittelbar den sachlichen Regelungsbereich des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.[133] In seiner Entscheidung[134] zu einer Bedienungsanweisung hat der BGH einen Kriterienkatalog entwickelt, nach dem Texte einzuordnen sind, die „nicht als reine literarische Werke“ zu betrachten sind. Der BGH setzt dabei erhöhte Anforderungen an die Schöpfungshöhe an: „Durchschnittliches, das Handwerksmäßige, Alltägliche und Banale“ soll nach diesem Kriterienkatalog nicht geschützt werden. Vielmehr soll die Schwelle der Schöpfungshöhe erst beim „deutlichen Überragen der Gestaltungstätigkeit gegenüber der Durchschnittsgestaltung“ erreicht werden.[135] Hierzu wird begründet, dass bei Gebrauchstexten ein weiter Bereich an Formen jedermann zur Verfügung stehen müsse und nicht durch das Urheberrecht einem einzelnen Autor zugesprochen werden solle.[136] So muss im Einzelfall nach diesem Kriterienkatalog geprüft werden, ob die Unterlagen, die der Berufsträger an einen Dritten herausgeben soll, die urheberrechtliche Schöpfungshöhe i.S.v. § 2 Abs. 2 UrhG erreicht. Grundsätzlich werden Due Diligence Reports, Bonitätsunterlagen, Ratinginformationen und ähnliche gelagerte Dokumente von gut ausgebildeten Personen (sprich Berufsträgern) in intensiver und langwieriger Arbeit gesichtet, erarbeitet und konsolidiert. Diese Arbeitsleistung als „durchschnittlich, handwerksmäßig, alltäglich oder banal“ zu bezeichnen, kann i.d.R. als nicht angemessen betrachtet werden, so dass i.d.R. solche Dokumente die urheberrechtliche Schöpfungshöhe i.S.v. § 2 Abs. 2 UrhG durchaus erreichen und somit durchaus Schenkungsgegenstände sein können.

127

Im Ergebnis dürfte die Überlassung der Mandanteninformationen durch einen HHL eine Schenkung i.S.v. §§ 516 ff. BGB sein. Sofern in HHL Auflagen enthalten sind, dürfte diese Schenkung an den Maßstäben des § 525 BGB zu messen sein.

128

Gemäß § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB wird durch den Kaufvertrag der Verkäufer (Berufsträger) einer Sache verpflichtet, dem Käufer (Dritter) die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Dies könnte durchaus in der Übergabe der vertraulichen Information gesehen werden. Aber durch den § 433 Abs. 2 Hs. 1 BGB wird der Käufer verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen. Da durch den HHL geregelt wird, dass der Dritte die Information kostenlos erhält, ist der Regelungscharakter nicht mit den wesentlichen Grundgedanken des Kaufrechts nach § 433 BGB vergleichbar.

 

Denkbar wäre auch, dass die Regelungen eines typischen HHL den wesentlichen Grundgedanken eines Dienstvertrages nach §§ 611 ff. BGB widerspiegeln. Durch den Dienstvertrag wird gem. § 611 Abs. 1 BGB derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Gemäß § 611 Abs. 2 BGB können Gegenstand des Dienstvertrags Dienste jeder Art sein. Hier könnte man ggf. unterstellen, dass durch die Herausgabe der Informationen an den Dritten, der Dritte den Berufsträger zu einem Dienst verpflichtet. Ob dies tatsächlich der Fall ist, kann vernachlässig werden, da der Dienstvertrag gem. § 612 BGB eine Vergütung vorsieht. Gerade ein solche Vergütung wird aber durch den HHL ausgeschlossen, so dass der Regelungscharakter des HHL nicht mit den wesentlichen Grundgedanken des Dienstrechts nach §§ 611 ff. BGB vergleichbar ist.

129

Da eine unentgeltliche Leihe nach § 598 BGB daran scheitert, dass die Unterlagen nicht nur temporär zur Verfügung gestellt werden (siehe Rückgabepflicht aus § 604 Abs. 1 BGB), sondern dauerhaft überlassen werden, kommt grundsätzlich nur eine Schenkung nach § 516 ff. BGB in Betracht.

130

Gemäß § 516 Abs. 1 BGB liegt eine Schenkung vor, wenn durch eine Zuwendung jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert und beide Teile darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Die Bereicherung des Beschenkten muss dabei das Ergebnis der Zuwendung sein.[137] Unterstellt man, dass die zur Verfügung gestellten Informationen im Einzelfall einen gewissen Wert haben, zumindest für den Dritten, so ist eine Schenkung grundsätzlich zu bejahen, insbesondere da alle Parteien sich einig sind, dass die Unterlagen an den Dritten unentgeltlich und dauerhaft übergeben werden sollen.[138] Eine weitere Voraussetzung der Schenkung i.S.v. §§ 516 ff. BGB ist, dass der Schenker durch die Schenkung „ärmer wird.“[139]

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Ein „ärmer werden“ des Berufsträgers kann schon einmal dadurch bejaht werden, dass der Berufsträger zum einen Papier und die Ausdrucke der entsprechenden Dokumente an den Dritten weitergibt. Klassisch wird der Berufsträger Kopien für den Dritten erstellen, hierfür fallen entsprechende Toner- und Kopiererkosten an, sowie Kosten für das verwendete Papier an. Diese Kosten verringern durchaus das Vermögen des Berufsträgers, auch wenn diese Kosten als gering anzusehen sind. Aber darauf kommt es nicht an, auch eine geringe Verminderung des Vermögens stellt eine Schenkung dar.[140] Zum anderen muss ein „ärmer werden“ des Berufsträgers auch dadurch bejaht werden, dass er sein Wissen weitergibt, welches in den Dokumenten verbrieft ist.[141] Zu diesem Wissen zählt zum einem die Informationen, die er über seinen Mandaten hat bzw. in einer eigenen Due Diligence gesammelt hat, aber auch die Struktur, Form und die Art und Weise wie der Berufsträger die entsprechende Dokumente erstellt. Sofern dieses Wissen auch die Schöpfungshöhe i.S.v. § 2 Abs. 2 UrhG erreicht, was regelmäßig bejaht werden kann (siehe unten), wird der Berufsträger durch die kostenlose Weitergabe des Wissens auch ärmer, da er andere Berufsträger oder andere Unternehmen mit seinen Wissen kostenlos stärkt, damit seine Marktmacht schwächt und folglich dadurch auch sein Vermögen verringert. Dies spielt vor allem im Bereich von Finanzprodukten eine große Rolle, weil damit andere Berufsträger oder auch Investment-Häuser in der Lage sind, Finanzprodukte zu kopieren.

132

Nach § 517 BGB liegt keine Schenkung vor, wenn der Schenker zum Vorteil eines anderen einen Vermögenserwerb unterlässt.[142] Denkbar wäre dies, wenn der Berufsträger sein Wissen über seinen Mandanten an den Dritten verkaufen würde. Dies ist aber schon allein durch das Standesrecht, durch eine mögliche Verletzung von § 17 UWG oder einer rechtswidrigen Vorgehensweise im Datenschutzrecht nicht möglich. Folglich besteht für den Berufsträger gar nicht die Möglichkeit zu einem Vermögenserwerb, wenn er – anstelle der kostenlosen Übergabe der Dokumente – eine kostenpflichtige Übergabe der Dokumente anstreben würde. Somit kann die Regelung von § 517 BGB hier auch nicht greifen.

133

Da ideelle Güter keine Schenkungsgegenstände[143] sind, kann der Schenkungsgegenstand nur das Papier, als körperliche Sache i.S.v. § 90 BGB, der Unterlagen sein und solche Informationen, die urheberrechtliche Schöpfungshöhe erreichen und damit ein Werk i.S.v. § 2 UrhG darstellen. Gemäß § 2 Abs. 2 UrhG sind Werke im Sinne des UrhG nur persönliche, geistige Schöpfungen (sog. Schöpfungshöhe). In der Literatur[144] wird dazu vertreten, dass hierzu vier Elemente vorliegen müssen:


Es muss eine persönliche Schöpfung des Urhebers vorliegen.
Sie muss einen geistigen Gehalt haben.
Sie muss eine wahrnehmbare Formgestaltung aufweisen.
Es muss in ihr die Individualität des Urhebers zum Ausdruck kommen.

Der Mindestgrad der Schöpfungshöhe wird dabei von der Rspr. für die verschiedenen Werkarten seit jeher unterschiedlich hoch (z.B. Bagatellprogrammierung, Lehre der kleinen Münze)[145] angesetzt.[146] Insgesamt betrachtet dürften die Unterlagen regelmäßig die urheberrechtliche Schöpfungshöhe i.S.v. § 2 Abs. 2 UrhG erreichen.

134

Im Ergebnis dürfte die Überlassung der Mandanteninformationen durch einen HHL eine Schenkung unter Auflage gem. § 525 BGB sein. Die Auflage ist vor allem in der Vertraulichkeitserklärung zu sehen. Somit wird die Schenkung nicht als eine Verpflichtung der Leistung verstanden, sondern nur als eine Beschränkung der Schenkung.[147]

135

Somit dürften die Regelungen des HHL gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB von den wesentlichen Grundgedanken der Schenkung nach §§ 516 ff. BGB nicht abweichen. Der wesentliche Grundgedanke bei der Haftungsfreizeichnung der Schenkung nach §§ 516 ff. BGB ergibt sich aus § 521 BGB. Danach haftet der Schenker nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Wegen der Uneigennützigkeit des Schenkers ist nur eine beschränkte Haftung gerechtfertigt.[148] Die Haftung kann (formbedürftig nach § 518 BGB) erweitert und bis auf den Vorsatz gem. § 276 Abs. 3 BGB beschränkt werden.[149]

136

Im Bereich der verschuldensabhängigen Haftung ist nach § 276 Abs. 3 BGB die Sittenwidrigkeitsprüfung gem. § 138 Abs. 1 BGB Maßstab für die Zulässigkeit von Haftungsbegrenzungen für fahrlässige Handlungsweisen.[150] Eine Sittenwidrigkeit könnte sich z.B. unter dem Gesichtspunkt der eklatanten Risikoverschiebung zu Lasten des Kunden ergeben, die im Ergebnis zu einer nicht tolerierbaren Äquivalenzstörung von Leistung und Gegenleistung führen würde. Nach diesem Maßstab kann eine Sittenwidrigkeit jedoch mindestens dann ausgeschlossen werden, wenn die Haftung nicht vollständig ausgeschlossen, sondern nur beschränkt wird. Die Höhe der Haftungsbeschränkung ist dabei an den möglichen Schäden zu orientieren, mit deren Eintritt die Vertragsparteien bei verständiger Würdigung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses rechnen können. Ein Anhaltspunkt hierfür kann immer das Vertragsvolumen sein, da wesentliche Schadenersatzansprüche[151] auf das positive Interesse, d.h. das Erfüllungsinteresse des Kunden, gerichtet sind. Dieses wird in der Regel mit dem Vertragswert anzunehmen sein. Eine Schenkung, die für eine Uneigennützigkeit des Schenkers eine beschränkte Haftung rechtfertigt,[152] muss daher bei der summenmäßigen Beschränkung als geringer zu betrachten sein als bei einem gegenseitigen Schuldverhältnis mit Leistung und Gegenleistung. Eine völlige Haftungsfreizeichnung, wie häufig in HHL verwendet, muss aber allein schon wegen des Leitgedankens des § 521 BGB abgelehnt werden.