Handbuch IT-Outsourcing

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dd) Integration

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Wird das Joint Venture ganz vom Provider übernommen oder wurde der Schritt zur Gründung eines Joint Ventures übersprungen (siehe die Fälle Triaton und RAG Informatik) und der Kunde übernimmt direkt die IT-Service-Gesellschaft (Spin-off) des Kunden sog. „Direktübernahme“, werden die übernommenen Assets und das Personal in den Konzern des Providers integriert.

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Hierbei werden die IT-Abteilungen der IT-Service-Tochter in die entsprechenden IT-Abteilungen (Service- oder Business Lines) des Providers integriert und erbringen nun aus diesen Positionen ihre Services für alle Gesellschaften des Kunden.[210] Dies wird vor allem aus Gründen der Vereinfachung der Verwaltung, Bereinigung des Service Offering Portfolio (SOP) des Joint Ventures/Spin-offs und ähnlich gelagerten Synergieeffekten vorgenommen (Abb. 11).

Abb. 11:

Integration in die entsprechenden IT-Abteilungen (Service- oder Business Lines) des Providers


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(1) Übernahme Joint Venture/Direktübernahme

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Für die Integration des Joint Ventures oder für sog. „Direktübernahme“ der ehemaligen IT-Service-Tochter des Kunden (Spin-off) kann eine Ausgliederung auch hier außerhalb bzw. innerhalb des UmwG erfolgen. Soweit diese Fälle vergleichbar sind (was i.d.R. der Fall sein dürfte) kann hierbei auf die rechtliche Betrachtung bei der Ausgliederung beim internen Outsourcing verwiesen werden.

(2) Arbeitsrechtliche Fragen der Integration

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Zuweilen sind bei der Übernahme bzw. Integration des Joint Ventures/Spin-offs durch den Provider umfassende Restrukturierungsmaßnahmen vorzunehmen, die zum Teil mit betriebsbedingten Kündigungen einhergehen können. So sollen bei der Übernahme der Triaton (Spin-off von der ThyssenKrupp AG) durch HP nach Informationen der IG Metall 336 Triaton-Mitarbeiter entlassen werden. Triaton beschäftigt gegenwärtig 2200 Mitarbeiter, davon gut 1900 in Deutschland.[211]

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Bei solchen Restrukturierungsmaßnahmen sind folgende wichtige arbeitsrechtliche Punkte zu berücksichtigen:


Betriebsänderungen nach § 111 BetrVG,
Interessenausgleich,
Sozialplan.

(a) Betriebsänderungen nach § 111 BetrVG

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Da i.d.R. Umstrukturierungen mit Maßnahmen verbunden sind, die den Tatbestand des § 111 Satz 3 BetrVG erfüllen, sind die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach §§ 111, 112 BetrVG zu wahren. Gemäß § 111 BetrVG hat „in einem Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern (…) der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können,[212] rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem Betriebsrat zu beraten (. . .)“. Die Anwendbarkeit von § 111 BetrVG wird nicht durch § 613a BGB ausgeschlossen.[213] Das BAG[214] führt dazu in seiner grundlegenden Entscheidung vom 16.6.1987 aus „Es ist kein Grund ersichtlich, der die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats bei Betriebsänderungen ausschlösse, wenn die Betriebsänderung mit einem rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang verbunden ist.“ Das bedeutet, dass für eine Anwendbarkeit von § 111 BetrVG bei einem Betriebsinhaberwechsel eine Einwirkung auf das zur Verfolgung eines bestimmten arbeitstechnischen Zwecks bestehende Organisationsgefüge hinzukommen muss.[215]

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Als Betriebsänderungen im Sinne von § 111 BetrVG gelten:[216]


1. Einschränkung und Stilllegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
2. Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen,
3. Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben,
4. grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen,
5. Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren.

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Eine Änderung der Betriebsorganisation nach § 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG bei der Eingliederung eines Joint Ventures (das ehemalige Spin-off) in den Konzern des Providers liegt nach h.M. immer dann vor, wenn sich die Gliederung des Betriebs, die Zuständigkeitsbereiche oder die Unterstellungsverhältnisse derartig ändern, dass der Leitungsapparat des Betriebs eine andere Struktur erhält. Das ist insbesondere der Fall bei der Dezentralisierung oder bei Zentralisierung eines Betriebs, welche bei der Integration des Joint Ventures in den Konzern des Providers i.d.R. vorliegen. Beim Outsourcing vom Primär- (geringere Fertigungstiefe durch Auslagerung von Produktivschritten) oder Sekundärfunktionen (z.B. Fremdvergabe von Bewachungs-, Verpflegungs- und Reinigungsleistungen), durch Ausgliederung in selbstständige Betriebe oder wenn eine ursprüngliche einheitliche Organisation aufgehoben wird.[217] Eine Änderung ist dann grundlegend, wenn sie wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder für wesentliche Teile der Belegschaft haben kann, insbesondere wenn sich einschneidende Änderungen in der personellen Zusammensetzung der Belegschaft ergeben können.[218] Die bloße Möglichkeit dazu genügt.[219]

(b) Interessenausgleichsverfahren

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In der Regel kann der Kunde ein Outsourcing-Projekt ohne die Zustimmung des Betriebsrats durchführen, dennoch verlangt das BetrVG, dass der Kunde über den Interessenausgleich zumindest eine Einigung mit dem zuständigen Betriebsrat versucht. Der Zweck des Interessenausgleichs liegt darin, Maßnahmen zwischen den betrieblichen Sozialpartner zu vereinbaren, um wirtschaftliche Nachteile für die vor der geplanten Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer nach Möglichkeit zu vermeiden. Der Interessenausgleich umschreibt die Umsetzung, ob, wann und in welcher Weise die vorgesehene unternehmerische Maßnahme der geplanten Betriebsänderung durchgeführt werden soll.[220]

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Dabei ist der Interessenausgleich mehr als ein bloßes Unterrichten und Beraten i.S.v. § 111 Satz 1 BetrVG, da er eine Willensübereinstimmung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat voraussetzt. Bei einer Einigung über einen Interessenausgleich entsteht eine Kollektivvereinbarung besonderer Art, welche nach h.M. keine Betriebsvereinbarung darstellt.[221] Kommt zwischen Unternehmern (Kunden) und Betriebsrat ein Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung zustande, so ist dieser gem. § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG schriftlich niederzulegen und vom Unternehmer und Betriebsrat zu unterschreiben. Der Interessenausgleich enthält keine Normwirkung und kann daher nicht ordentlich gekündigt werden.[222] Ferner kann der Betriebsrat nicht auf die Erfüllung bestehen.[223]

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Nach der Rechtsprechung werden strenge Anforderungen an die Inhalte eines Interessenausgleichs gestellt.[224] Dabei müssen konkret geplante Maßnahmen mit dem Betriebsrat verhandelt und schon eine Einigung über das „ob“ und „wie“ angestrebt werden. Der Interessenausgleich ist von seiner Natur her auf einen Einzelfall bezogen und schließt daher nach Auffassung des BAG eine Regelung für künftige, in ihren Einzelheiten noch nicht absehbare Maßnahmen aus.[225]

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Ein Interessenausgleich sollte gem. § 95 BetrVG die Auswahlrichtlinien beinhalten, die für die eventuell im Rahmen des Outsourcing-Projekts zu versetzenden oder zu kündigen Mitarbeiter relevant sind.[226] Ferner sollte ein Interessenausgleich daher Auskunft geben können, welcher Bereich (z.B. Stilllegung eines RZ-Standorts im Rahmen einer Rechenzentrumskonsolidierung) zu einem bestimmten Zeitpunkt stillgelegt und welcher Bereich (anderes Rechenzentrum) die entsprechenden Aufgaben mit übernimmt. Folgende Gliederung kann für einen Interessenausgleich verwendet werden:[227]


Art und Umfang der Betriebsänderung
Geltungsbereich des Interessenausgleichs
Umsetzung des Interessenausgleichs
Weiterbeschäftigung
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Verfahrensgrundsätze
Auswahlrichtlinie – soziale Auswahl – berechtigte betriebliche Interessen

(c) Sozialplan

 

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Bei einer Betriebsänderung i.S.v. § 111 BetrVG hat der Betriebsrat i.d.R. ein erzwingbares und damit ein echtes Mitbestimmungsrecht zur Aufstellung eines Sozialplans, während der Interessenausgleich nicht erzwingbar ist, ist der Sozialplan gem. § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG erzwingbar. Dabei ist der Sozialplan unabhängig vom Interessenausgleich. Nach der Auffassung des BAG ist der Sozialplan überwiegend in die Zukunft gerichtet und erfüllt deshalb eine Überbrückungs- und Vorsorgefunktion.[228]

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Der Sozialplan knüpft an die wirtschaftlichen Nachteile für den Arbeitnehmer aus der Betriebsänderung an.[229] Vorrangiger Sinn und Zweck des Sozialplans ist es, den Ausgleich bzw. die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile für den von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer zu gewährleisten. Hierbei soll die Betriebsänderung möglichst schonungsvoll durchgeführt werden.[230] Dabei soll der Sozialplan keine bloße Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes leisten. Durch den Sozialplan soll eine unternehmerische Entscheidung zur Betriebsänderung mit finanziellen Lasten verbunden sein, die eine Betriebsänderung erschweren, und dabei möglichst geringe wirtschaftliche Nachteile für die betroffenen Arbeitnehmer bieten.[231]

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Beim Inhalt eines Sozialplans ist zwischen formellen und materiellen Regelungen zu unterscheiden:[232]


Formelle Inhalte – Festlegung des persönlichen Geltungsbereichs – Vereinbarung von Stichtagen für die Berechnung der Betriebszugehörigkeit – Festlegung von Berechtigungszeiträumen und Lohn- und Gehaltsarten für die Abfindungsermittelung – Fälligkeitstermine für Leistungen aus dem Sozialplan – Festlegung von Anrechnungsmöglichkeiten anderer Leistungen auf die Sozialplanleistungen – Vereinbarungen über Auskunftspflichten – zeitlicher Geltungsbereich des Sozialplans – Verfallsfristen für die Geltendmachung von Ansprüchen
Materielle Inhalte – Abfindung für den Verlust den Arbeitsplatzes – Höchstbeträge für Abfindungen – Überbrückungszahlungen für ältere Mitarbeiter – Differenzzahlung im Falle von längerer Arbeitslosigkeit – Ausgleichszahlungen für Lohn- und Gehaltseinbußen – Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung – Jahressonderzahlungen – Rückzahlung von Arbeitgeberdarlehen – Sonstige Aufwandsentschädigungen – Wohnbeschaffungskosten – Bildung und Dotierung eines eigenen Härtefonds – Rückkehrgarantie bzw. Wiedereinstellungsansprüche

201

Mit der Regelung in § 112 Abs. 5 Nr. 2a BetrVG soll bei der Erstellung des Sozialplans insbesondere die im Dritten Buch des Sozialgesetzbuches vorgesehenen Förderungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit berücksichtigen werden.[233] In der Praxis wurden hierzu sog. „Transfersozialpläne“ entwickelt. Ziel dieser Transfersozialpläne ist es, den von einem Arbeitsplatzabbau betroffenen Arbeitnehmer Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten und vor allem die Motivation zur eigenverantwortlichen Stellensuche zu fördern.[234] Hierzu werden vor allem Orientierungs- und Existenzgründungsberatung sowie Vermittlungshilfen angeboten.[235] Zur Umsetzung solcher Maßnahmen werden dann sog. Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften (sog. „BQG“) gegründet, die mittels der Sozialplanmittel und anderer Finanzierungsmöglichkeiten (z.B. Struktur-Kurzarbeitergeld) eine Weiterqualifizierung der betroffenen Arbeitnehmer für den Arbeitsmarkt aus einer Angestelltensituation heraus betreiben können. Ziel der sog. Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften (BQG) ist es, im Auftrag von Personal abbauenden Unternehmen wie dem ehemaligen Joint Venture neue Betriebseinheiten zu gründen, in denen strukturelle Kurzarbeit durchgeführt wird und zugleich geeignete Qualifizierungs-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen angeboten werden. Die von diesem Personalabbau betroffenen Arbeitnehmer können nur einvernehmlich in eine solche BQG überführt werden. Ein Zwang zum Wechsel besteht nicht. Der Wechsel erfolgt meist durch einen Aufhebungsvertrag mit dem bisherigen Arbeitgeber (das Joint Venture) und dem gleichzeitigen Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit der BQG.[236]

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In Fällen einer solchen Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQG) ist die Anwendung des § 613a BGB regelmäßig ausgeschlossen, da i.d.R. keine Betriebsteile auf die BQG übergehen. Es wird lediglich das Personal übernommen (in diesem Fall von Joint Venture), der vorherige Betriebsteil wird aufgelöst. Das Personal wird in der BQG auch nicht den alten Aufgaben nachkommen, sondern sich durch geeignete Maßnahmen, wie Fortbildungen für den Arbeitsmarkt qualifizieren. Es können somit von der BQG neue und vor allem mit anderen Konditionen versehene Arbeitsverträge von der BQG angeboten werden, weil kein Betriebs- oder Betriebsteilübergang vorliegt.[237]

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Häufig werden aber auch Mittel aus dem Sozialplan zur Finanzierung von Management-Buy-Out-Projekten (MBO) oder von Personalentwicklungsgesellschaften (Auffanggesellschaften) verwendet. Damit wird das ursprünglich zum Ausgleich für wirtschaftliche Nachteile vorgesehene Sozialplanvolumen zu Arbeitsplatzerhaltungsmaßnahmen eingesetzt.[238]

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Die Erstellung eines Interessenausgleichs bzw. eines Sozialplans sollte von arbeitsrechtlichen Fachleuten übernommen werden, da deren Erstellung als sehr komplex und aufwendig zu betrachten ist.

(3) Post Merger Integration Management

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Die weichen Faktoren eines Mergers, also der Integration, werden häufig auch in Outsourcing-Projekten unterschätzt. Eine Integration oder auch die Gründung eines Joint Ventures kann nur sinnvoll funktionieren, wenn diese Integration mit einem Post Merger Integration Management verbunden wird. Der Begriff des Post Merger Integration Management kommt aus dem Bereich des Mergers & Acquisitions und kann analog auch auf Share- und sogar auf Asset Deals mit Personalübernahme bei Outsourcing-Projekten angewendet werden. Dabei umfasst das Post Merger Integration Management alle Projekte und Prozesse, die für die Integration notwendig sind. Das Post Merger Integration Management muss dabei konsequent angewendet werden, da nichts schlimmer für ein Outsourcing-Projekt ist, als ständige Auseinandersetzungen und Missverständnisse innerhalb der Organisation. Hier empfiehlt es sich, Personen auszutauschen, die sich gegen den Merger aussprechen. Dabei sollte die gemeinsame Teambildung unter folgenden Prämissen gefördert werden:


gemeinsame Visionen
gemeinsame Leitsätze
gemeinsame Führungsleitsätze
gemeinsame Personalprozesse
ein gut durchdachter Kommunikationsprozess, der die Entwicklung eines Gemeinsamkeitsgefühls fördert

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Gerade die Erfahrungen im Bereich Mergers & Acquisitions (M&A) zeigen immer wieder auf, wie wichtig ein Integrationsprozess nach der Übernahme einer Service-Gesellschaft oder eines Betriebsteils ist. Aber auch gescheiterte Outsourcing-Projekte wie das Projekt LeCoS, einem Joint Venture zwischen IBM oder der Stadt Leipzig, zeigen auf, wie wichtig Integrationsprozesse auch bei einem Outsourcing-Projekt sind.[239] Das Management nach dem Zusammenschluss in einem Joint Venture oder nach der Integration in das Unternehmen des Providers ist ebenso wichtig, wie die eigentliche Leistungserbringung, da meistens unterschiedliche Firmenkulturen aufeinandertreffen, die Prozesse in den Unternehmen unterschiedlich sind und die Software vereinheitlicht werden muss. Im Wesentlichen lassen sich die Aktivitäten eines Post Merger Integration Managements in zwei Bereiche teilen:


Neuausrichtung der integrierten Gesellschaft oder eines Betriebsteils
HR-Integration

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Dabei muss grundsätzlich differenziert werden, ob die ehemalige Service-Gesellschaft oder der ehemalige Betriebsteil des Kunden als Service-Gesellschaft in den Konzern des Providers integriert wird oder als eigenständige(r) Gesellschaft/Betriebsteil weiterbetrieben werden soll. Der Fall, dass die Service-Gesellschaft als eine sog. Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (sog. „BQG“) umstrukturiert wird, kann vernachlässig werden, da es sich dabei nicht um ein Post Merger Integration Management handelt.

(a) Post Merger Management (Neuausrichtung)

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Eine gute Post Merger Integration ermöglicht es, langfristig sowohl die identifizierten Synergiepotenziale zu realisieren als auch darüber hinaus weitere Potenziale zu identifizieren.[240] Für ein strategisches Outsourcing bedeutet das, dass sich zunächst die Frage stellt, wie die Zukunft der Service-Gesellschaft oder des Joint Ventures aussehen soll. Hat sich der Provider z.B. entschieden, die Service-Gesellschaft oder das Joint Venture mit dem Kunden nach der Integration als eigenständige Service-Gesellschaft weiterzubetreiben (siehe das Beispiel Sinius), so müssen z.B. besondere Projekte zur Portfoliobestimmung der Service-Gesellschaft erarbeitet werden. Im Falle der Sinius, einem ehemaligen Joint Venture zwischen der Deutschen Bank und Siemens IT Solution und Services (SIS), heute Atos IT Solutions and Services, wurde von SIS entschieden, dass die Sinius mit ihrem speziellen Banken-Know-how sich auf den Markt der Finanz-Institute konzentrieren soll. Neben einer Portfolio-Bestimmung müssen im Rahmen einer Neuausrichtung der Service-Gesellschaft auch die Synergieeffekte des Mergers erarbeitet werden. Hier können sich durch die Integration in den Konzern des Providers z.B. Synergieeffekte bei organisatorischen Einheiten, aber auch bei der Beschaffung ergeben. So kann es z.B. Sinn machen, dass die Personalbetreuung auf die Muttergesellschaft des Providers übertragen wird, um größere Synergien zu erreichen. Das Gleiche gilt natürlich auch für die Beschaffung.

 

209

Abgeleitet von einem Post Merger Management aus dem Mergers & Acquisitions (M&A),[241] lässt sich ein Post Merger Management in einem Integrationsprojekt auch für ein Outsourcing-Projekt definieren. Grundsätzlich wird dabei ein zweistufiges Projekt aufgesetzt:


Phase I. Planung der Integration
Phase II. Durchführung der Integration

(aa) Phase I. Planung der Integration

210

Das primäre Ziel der Planung der Integration ist die Definition der Leitziele der Integration, sog. Integrationsziele. Diese Integrationsziele sollten vom Management der Service-Gesellschaft/des Joint-Ventures auch über die Grenzen der jeweiligen Herkunft der einzelnen Personen verinnerlicht werden. Dabei muss für eine saubere Kommunikation der Integrationsziele auch hin zu den weiteren Führungskräften und den Mitarbeitern gesorgt werden. Maßgeblich ist, dass hierbei neben der gemeinsam inhaltlichen Ausrichtung ein neues, homogenes Führungsteam gebildet wird, welche sich der neuen Gesellschaft verpflichtet fühlt. Abgeleitet von einem Post Merger Integrationsprojekt aus dem Bereich Mergers & Acquisitions (M&A),[242] lässt sich folgende Vorgehensweise auch für Planung eines Post Merger Integrationsprojektes im Rahmen eines Outsourcing-Projektes anwenden.


Ableitung der Integrationsziele
Entwicklung der Vision der neuen Gesellschaft
Identifikation von Wachstumspotenzialen
Sicherstellung des laufenden Betriebs
Schaffung einer gemeinsamen Leistungskultur
Verstehen der individuellen Perspektive
Entwicklung einer gemeinsamen Perspektive

(bb) Phase II. Durchführung der Integration

211

Die Identifikation der Integrationsziele in Phase I. stellt die Basis der Realisierung in Phase II. da. Hierbei fließen natürlich Erfahrungen und Ergebnisse der Integrationen anderer Service-Gesellschaften in das jeweilige neue Projekt ein. Insbesondere eine realistische Zeitplanung kann nur aus Erfahrungen gewonnen werden. Natürlich sollte wie bei jedem Realisierungsprojekt immer wieder die Zielrichtung des Integrationsprojekts überprüft werden. So kann es durchaus vorkommen, dass sich im Rahmen des Projektes Ziele durch äußere oder innere Einflüsse verschieben. Äußere Einflüsse können dabei z.B. Marktentwicklungen sein, die die Ausrichtung der Service-Gesellschaft erschweren oder erleichtern. Innere Einflüsse können natürlich die vorzeitige Beendigung des Outsourcing-Projektes sein oder das Verlassen von Key-Playern der Service-Gesellschaft.

212

Sicherlich konnte in Phase I. „Planung der Integration“ nur eine grobe Road Map für die Integration entworfen werden. Die Feinplanung für die Realisierung kann sich häufig erst in der Realisierung selbst ergeben, da viele Detailinformationen erst dann transparent geworden sind oder sich der Scope des Integrationsprojektes verschiebt. Abgeleitet von einem Post Merger Integrationsprojekt aus dem Bereich Mergers & Acquisitions (M&A),[243] lässt sich folgende Vorgehensweise auch für die Realisierung eines Post Merger Integrationsprojektes im Rahmen eines Outsourcing-Projektes anwenden.


Priorisierung des Projektportfolios
Entwickeln der Projektorganisation
Durchführung des Projektcontrollings

213

Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass ein Post-Merger-Integrationsprojekt auch für Outsourcing-Projekte unbedingt notwendig ist. Zwar muss unterschieden werden, ob ein Post-Merger-Integrationsprojekt für die Gründung eines Joint Ventures oder für die Übernahme einer Service-Gesellschaft aufgesetzt werden soll, dennoch ist die grundlegende Vorgehensweise vergleichbar. Beim Post Merger Integration Management lassen sich viele Grundsätze aus dem Bereich Mergers & Acquisitions (M&A) adaptieren.

(b) HR-Integration

214

Die Personalstrategie und die Personalpolitik sind von erheblicher Bedeutung für den Erfolg eines Post Merger Integration Managements. Dies zeigt insbesondere das Beispiel LeCoS. Aber auch Beispiele aus dem vergleichbaren Bereich der Mergers & Acquisitions (M&A) zeigen auf, dass die HR-Fragen (sog. „Human Aspect“) nicht zu unterschätzen sind. So lässt sich im Bereich M&A empirisch nachweisen, dass 50 % aller Allianzen in USA innerhalb der ersten 5 Jahre scheitern.[244] Die Gründe sind fast ausschließlich auf die Einstellungen und das Verhalten von Mitarbeitern und Führungskräften zurückzuführen – und zwar sowohl im Käuferunternehmen als auch im gekauften Unternehmen. Aus dem häufig nur unterschwellig vorhandenen und deshalb auch so gefährlichen Widerstand gegen Veränderungen ergibt sich dann leicht eine kulturelle und organisatorische Inkompatibilität, sinkende Produktivität oder gar Massenflucht hochkarätiger Fach- und Führungskräfte zum Wettbewerb.[245] Gerade bei der Integration der Service-Gesellschaft/des Joint Ventures in das Unternehmen des Providers, besteht sehr häufig die Gefahr, dass die Key-Player dieser Gesellschaften zurück zum Kunden gehen und dort Controlling-Aufgaben aus der Sicht des Kunden über die Leistungen des Providers übernehmen. Bei den Schwierigkeiten der HR-Integration wird die Ansicht vertreten, dass diese ausschließlich oder zu einem großen Teil auf finanzielle Aspekte, sprich finanzielle Nachteile zurückzuführen sind.[246] Dabei ist es völlig unerheblich, ob sich die Mitarbeiter verängstigt mit sich selbst beschäftigen, frustriert die innere Kündigung vollziehen, in Kleinkämpfen gegeneinander agieren oder gar zum Wettbewerb wechseln. Die Wirkung ist dieselbe: Die Kundenorientierung leidet und die Produktivität sinkt – mit fatalen Konsequenzen.[247] Ca. 85 % der amerikanischen Topmanager glauben, dass Personalprobleme einen größeren Einfluss auf den Akquisitionserfolg haben als Probleme im Finanzbereich.[248] Bei einem HR getriebenen Post Merger Integration Management müssen zunächst die Unternehmenskulturen der beiden beteiligten Unternehmen identifiziert und entsprechend berücksichtigt werden.

(aa) Unternehmenskultur

215

Eine Unternehmenskultur besteht aus sichtbaren (z.B. Corporate Design) und nicht sichtbaren Elementen (Unternehmensvisionen). Für den Begriff der Unternehmenskultur gibt es unzählige Definitionen, die fast alle auf soziologischen, verhaltenswissenschaftlichen und kulturhistorischen Grundlagen aufbauen. So wird in der Literatur beispielsweise Kultur als „sämtliche kollektiv geteilten, impliziten oder expliziten Verhaltensnormen, Verhaltensmuster, Verhaltensäußerungen und Verhaltensresultate, die von den Mitgliedern einer sozialen Gruppe erlernt und mittels Symbolen von Generation zu Generation weitervererbt werden“ definiert. Diese Verhaltensmuster bilden „erst die Grundlage für den inneren und äußeren Zusammenhalt und damit die Handlungsfähigkeit der Belegschaft.[249]

216

Jede Übernahme führt dazu, dass zwei autonome Unternehmenskulturen aufeinandertreffen. Beim Outsourcing liegt zusätzlich noch die Besonderheit vor, dass das übernommene Personal durch seine Leistungserbringung auch nach Übernahme durch den Provider eine gewisse Nähe zur Unternehmenskultur des Kunden hat. Diese weiterhin bestehende Nähe zur Unternehmenskultur des Kunden erschwert somit zusätzlich die Integration in die Unternehmenskultur des Providers.

217

Die Ausprägung der jeweils anderen Kultur wird dabei von den Mitarbeitern meist zunächst als „externer Einfluss“ empfunden und häufig – bewusst oder unbewusst – als Störfaktor abgelehnt. So empfinden in der Regel die Mitarbeiter des größeren Unternehmens bei einem Merger die eigene Kultur als überlegen.[250]

(bb) Personalstrategie

218

Abgeleitet von den identifizierten Unternehmenskulturen der beteiligten Unternehmen muss vom Provider ggf. mit Unterstützung des Kunden eine Personalstrategie entwickelt werden. Hierzu ist es notwendig, dass die Ergebnisse der HR-Due Diligence durch individuelle Personalgespräche verdichtet werden. Aufbauend auf den Ergebnissen der HR-Due Diligence und der individuellen Personalgespräche lässt sich eine Personalstrategie entwickeln. Bei der Entwicklung der Personalstrategie nach einer Integration dominieren zwei Aspekte nämlich Kompetenzmanagement und Kulturmanagement.