Handbuch IT-Outsourcing

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d) Fazit

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Im Laufe der organisatorischen Vorgehensweise eines strategischen/totalen Outsourcings werden häufig Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Unternehmensberater mit zum Teil erheblichen Beratungsaufwänden beauftragt. Fraglich ist, ob diese Berater (ob extern oder intern) nicht für einen so erheblichen Kostenbeitrag sorgen, dass dadurch der Profit des Outsourcing-Projekts aufgezehrt wird. Hinzu kommen Aspekte wie die Verwischung von Verantwortlichkeiten und Loyalitäten, die bei einem „totalen Outsourcing“ zu berücksichtigen sind.

2 › I › 3. IT-Outsourcing/Managed Service

3. IT-Outsourcing/Managed Service

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Die sicherlich häufigste Form des IT-Outsourcings, neben dem Outtasking, ist die Form des klassischen IT-Outsourcings (wird gern auch als Managed Service bezeichnet). Beim Managed Service werden in der Regel mehrere Auslagerungsbereiche (z.B. Hosting, UHD, Problem-Management) an einen Provider ausgelagert. I.d.R. wird dabei der Provider vom Kunden oder dessen bisherigen Provider (im 2nd Generation Outsourcing) Asset und Mitarbeiter im Rahmen einer Einzelübernahme (Asset Deal)[275] übernehmen.

Abb. 15:

IT-Outsourcing/Managed Service


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Der Bereich des Managed Service wird hier nicht einzeln ausgeführt, sondern die Serviceerbringung wird im Abschnitt II. Auslagerungsbereiche und die Übernahme der Assets im Rahmen eines Asset Deals werden im 3. Kap. – Transition (Implementierung) erläutert.

2 › I › 4. Outtasking/Multisourcing (Multi-Vendor-Outsourcing)

4. Outtasking/Multisourcing (Multi-Vendor-Outsourcing)

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Fraglich ist, ob der Kunde seinen IT-Betrieb gleich in die Hände eines Providers geben will. Einerseits könnte er nur einen Teil seines IT-Betriebs fremdvergeben oder wenn er schon seinen IT-Betrieb fremdvergeben will, dann vielleicht in die Hände verschiedener Anbieter.

a) Partielles Outsourcing (Outtasking)

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Entschließt sich der Kunde, nur einen speziellen Bereich seiner IT (Auslagerungsbereich) oder eine Teilaufgabe fremdzuvergeben, so spricht man von partiellem Outsourcing oder selektivem Outsourcing bzw. Teil-Outsourcing.[276] Unter Beachtung der vorherigen Begriffsbestimmung des Outsourcings ist partielles Outsourcing kein Outsourcing im eigentlichen Sinne (Herauslösung des gesamten IT-Betriebs). Denn es wird gerade nicht die gesamte IT, sondern es werden nur spezifische Teilbereiche (Tasks) auf einen Dienstleister übertragen. Deshalb spricht man insoweit auch von Outtasking. Beispiele für Outtasking finden sich in der Praxis vor allem im Bereich der Auslagerung des Host-Betriebes und der Auslagerung des SAP ERP Hostings. Bei einem gescheiterten „totalen Outsourcing-Projekt“ wird partielles Outsourcing/Outtasking häufig auch als eine Alternative gesehen.[277] Der Kunde entscheidet sich dort, wo es möglich ist, Bereiche (Task) in Form eines Insourcingswieder selbst zu betreiben. Andere Bereiche, in denen es nicht möglich ist, ein totales/strategisches Outsourcing zu revidieren oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln, werden durch ein partielles Outsourcing oder Outtasking gezielt fremdvergeben. Dies geschieht in einer erneuten Make-or-Buy-Entscheidung.

b) Multisourcing (Multi-Vendor-Outsourcing)

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Möchte der Kunde zwar seinen ganzen IT-Betrieb oder große Teile seiner Auslagerungsbereiche (Task) auslagern, diese aber nicht im Sinne eines totalen Outsourcings in die Hände eines Providers geben, sondern an unterschiedliche Serviceprovider, so spricht man von einem Multisourcing bzw. einem Multi-Vendor-Outsourcing. Der Kunde bedient sich hierbei durch eine Multisourcing-Strategie nicht nur eines Providers (der auch die Generalunternehmerschaft hat), sondern vieler unterschiedlicher Provider, die sich als Einzelunternehmer gerade auf einen besonderen Task (z.B. SAP ERP Hosting oder User Help Desk) spezialisiert haben. Hierbei wird die Auffassung vertreten, dass ein Provider selten Auslagerungsbereiche (Task) gleich gut betreiben kann, vielmehr nimmt man sich für jeden Auslagerungsbereich (Task) den entsprechenden Spezialisten.

Abb. 16:

Partielles Outsourcing/Outtasking


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Ein großer Nachteil des Multisourcings (Multi-Vendor-Outsourcing) besteht in den (auch rechtlichen) Schnittstellen der einzelnen Provider. Wird zum Beispiel der First Level Support von einem anderen Dienstleister betrieben als der Second Level Support, so kann es bei der Klassifizierung der Fehler bereits zu erheblichen Reibungsverlusten führen, die die Vorteile eines Multisourcings bei Weitem übersteigen (siehe Abbildung 17). Eine wesentliche Aufgabe der verbliebenen IT-Mitarbeiter[278] des Kunden bzw. des CIO und seiner stark verkleinerten IT-Abteilung besteht dann in der Aufgabe des so genannten Vendor-Managements, welches häufig auch Retain-Organisation bezeichnet wird (Abbildung 17).

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Der Chief Information Officer (CIO) des Kunden und seine verbliebenen IT-Mitarbeiter übernehmen hierbei die Funktionen von Controllern, Einkäufern und IT-Service-Managern (das Berufsbild des Outsourcing-Relationship-Managers oder des Sourcing Managers ist so entstanden), um die Leistungen der Provider zu überprüfen, nach Optimierungspotenzialen zu suchen, den Know-how-Verlust zu verringern und vor allem, um den Provider zu steuern.[279] Allein für die Kontrolle und Koordination der Geschäftsbeziehungen (Vendor-Management) müssen die Kunden etwa 4 % des gesamten Vertragsvolumens veranschlagen, wenn nur ein einzelner Lieferant am Outsourcing-Prozess beteiligt ist. Werden weitere Aufgaben ausgelagert oder sind an einem Outsourcing-Projekt mehrere Serviceprovider beteiligt, sollten unter Umständen bis zu 10% der Vertragssumme allein für die Partnerkontrolle und -pflege eingeplant werden.[280]

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Die Abbildung 18 zeigt den Aufbau eines Outsourcing-Vendor-Managements bzw. einer Retain-Organisation. Das Vendor-Management (VM) des Chief Information Officers (CIO) bzw. des Chief Procurement Officers (CPO) ist der zentrale Ansprechpartner (Single Point of Contact/SPOC) für alle Leistungen, die vom Provider erbracht werden. So kann das Vendor-Management (VM) Ansprechpartner von verschiedenen internen Abteilungen wie die Produktion, Einkauf, Human Resources (HR) und Rechtsabteilung (legal services) sein. Aber gleichzeitig kann das Vendor-Management (VM) auch Unterstützung und vor allem Feedback über die Services des Kunden von dieser internen Abteilung erhalten. Die Tools des Vendor-Managements (VM) zur Steuerung des Providers sind Leistungsbeschreibungen, Service-Level Agreement, Lenkungsausschüsse und natürlich auch der Outsourcing-Vertrag. Hierbei dienen die:


Leistungsbeschreibungen inkl. des Pricing zur konkreten Steuerung der Leistungsinhalte.
die SL zur Steuerung der quantitativen und qualitativen Ziele der Leistungen (sog. Key Performance Indikatoren).
die Lenkungsausschüsse und der Vertrag zur grundsätzlichen Steuerung des Providers

Abb. 17:

Outsourcing-Vendor-Management


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Beim Partiellen Outsourcing (Outtasking) bzw. Multisourcing (Multi-Vendor-Outsourcing) werden meist IT-Prozesse oder das Betreiben der IT-Infrastruktur ausgelagert,[281] zuweilen werden aber auch Geschäftsprozesse (insbesondere die Beschaffung) ausgelagert. Zu den Auslagerungsbereichen eines Partiellen Outsourcing (Outtasking) bzw. Multisourcing (Multi-Vendor-Outsourcing) zählen (z.B.):


Geschäftsprozesse – Beschaffung – HR-Outsourcing – usw.
IT-Prozesse – User Help Desk – Entstörung – Security-Management – usw.
IT-Infrastruktur – Rechenzentrum (SAP Hosting) – Wide Area Network (WAN) – Local Area Network (LAN) – Mailsystem – usw.

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Beispiele für eine Multi-Vendor-Strategie finden sich z.B. bei der Deutschen Bank, die das RZ bzw. das SAP Hosting auf die IBM und die Desktop-Services und die gesamte Telekommunikation auf Siemens IT Solution und Services (SIS), heute Atos IT Solutions and Services, bzw. dessen Tochter Sinius (an der Sinius hält die Deutsche Bank noch 20 %) ausgelagert hat. Einer vergleichbaren Multi-Vendor-Strategie bedient sich der Chiphersteller Infineon, der seine Lohn- und Gehaltsabrechnung sowie weitere Personalfunktionen im Rahmen eines HR-Outsourcings für Deutschland und Österreich auf EDS (heute Hewlett-Packard) ausgelagert hat, während Accenture die SAP-Anwendungen von Infineon betreibt.[282]

2 › I › 5. Insourcing

5. Insourcing

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In Falle des Scheiterns eines Outsourcing-Projekts stellt sich häufig die Frage, was nach einem Outsourcing folgt. Zum einem hat der Kunde die Möglichkeit, sich einen anderen Provider zu suchen und an gleicher Stelle weiterzumachen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den ausgelagerten IT-Betrieb wieder selbst zu betreiben (sogenanntes Insourcing, wird z.T. auch als Re-Sourcing bezeichnet) und den Prozess des Outsourcing-Projekts zu revidieren.[283]

a) Revidieren des Outsourcing-Projektes

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Das Unternehmen bietet seinen Fachabteilungen die zuvor ausgelagerten Dienstleistungen erneut durch seine eigene IT-Abteilung an. Allerdings sind nicht alle Outsourcing-Projekte revidierbar oder manche sind nur mit erheblichem Aufwand zu revidieren.

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Daher sollte der Kunde in einer modifizierten Make-or-Buy-Entscheidung erneut prüfen, welche Bereiche ingesourct werden können und welche Bereiche im Wege eines partiellen Outsourcings/Outtaskings von einem Dienstleister betrieben werden können.

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Abgesehen von strategischen Überlegungen sind die Gründe für ein Insourcing häufig auf drei wesentliche Fälle reduzierbar.

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Economies of Scale:[284] Der Kunde hat aufgrund geänderter Rahmenbedingungen die Möglichkeit, den ausgelagerten Prozess zu gleichen oder besseren Bedingungen selbst zu erbringen. Economies of Scale können aus eigener Kraft erreicht werden und das erforderliche Know-how ist für den Kunden verfügbar.

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Unzufriedenheit: Der bisher beschäftigte Provider konnte den angestrebten Service-Level nicht erreichen. Insbesondere bei einer nicht ausreichend genauen Projektvorbereitung stellen ausgelagernde Unternehmen/Konzerne (Kunden) häufig fest, dass die Outsourcingverträge dem Provider eine Reihe von Möglichkeiten geben, die Service-Levels im Sinne des Vertrages, aber nicht im Sinne des Kunden zu erfüllen. Oftmals werden beispielsweise „hidden costs“, die im eigenen Betrieb vor der Auslagerung des Prozesses vernachlässigt wurden, zu einer unerwarteten Kostensteigerung. Der erwartete Nutzen der Auslagerung wurde daher nicht erzielt, weswegen der Outsourcingvertrag bei erster Möglichkeit gekündigt bzw. nicht verlängert wird.

258

Unternehmenskritischer Bereich: Im Rahmen eines Outsourcings wird der ausgelagerte Bereich als unternehmenskritisch erkannt. Da das Outsourcing oftmals auch den Verlust des entsprechenden Know-hows beim Kunden bedingt, bemerken Kunden manchmal erst spät, dass sie sich dadurch stärker in die Hand des Providers begeben, als sie das eigentlich ursprünglich wollten.

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Beim Insourcing sollte nicht der Fehler gemacht werden, dass der ausgelagerte Prozess wieder wie früher implementiert wird. Insbesondere im Fall, dass versteckte Kosten zu bedeutend höheren Ausgaben geführt haben als dies ursprünglich geplant war, darf nicht vergessen werden, dass diese Kosten zwar im eigenen Unternehmen des Kunden nicht sichtbar sind/waren, aber deswegen natürlich trotzdem entstehen und getragen werden müssen. Außerdem stellt dies einen Hinweis auf eine ausgeprägte informelle Organisationsstruktur dar, womit eine genaue Beschäftigung mit den Prozessen und ihrem tatsächlichen Ablauf umso wichtiger erscheint.

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Den Weg zurück, also das Insourcing, ist sehr problematisch. Die Leistungsbeziehungen im Outsourcing sollten daher unbedingt so gestaltet werden, dass ein Provider-Wechsel jederzeit möglich ist.[285] Folglich sollten bereits in den Outsourcing-Verträgen bereits entsprechende Klauseln zur Beendigung des Outsourcing-Projektes vereinbart werden.

b) Beispiele Insourcing

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Auf eine wechselvolle IT-Historie kann das Unternehmen Porsche zurückblicken. Komplett- und Teil-Outsourcing, Anbietertausch und Insourcing – das alles hat es in Zuffenhausen bereits gegeben. Schon 1987, als eine Investitionsentscheidung über ein neues CAD-System anstand, lagerte die Sportwagenfirma diese Umgebung an EDS (heute Hewlett-Packard) aus. Der 1993 auslaufende Vertrag wurde nicht verlängert, weil das Unternehmen zu dem Schluss gelangte, dass die Trennung von technischer (IT-Infrastruktur) und betriebswirtschaftlicher Informatik (IT-Prozesse) der notwendigen Integration beider Welten entgegenstand. Stattdessen übertrug man die gesamte IT inklusive der CAD-Systeme einem gemeinsam und mehrheitlich von IBM betriebenen Joint Venture. Die Entscheidung wurde nicht zuletzt unter dem Kostenaspekt getroffen, denn Anfang der 1990er Jahre befand sich Porsche in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Tatsächlich sparte das Unternehmen IT-Ausgaben ein, allerdings zu einem hohen Preis. Zwar erzielte das Gemeinschaftsunternehmen günstigere Einkaufskonditionen, doch es wurde auch weniger investiert, so dass die IT veraltete. 1998 beendete Porsche das Outsourcing-Projekt und kaufte Unternehmensanteile an dem Joint Venture von IBM zurück. Verschiedene Gründe wurden damals genannt, beispielsweise hieß es, die Partner hätten unterschiedliche Geschäftskulturen. Nicht unwesentlich dürfte allerdings gewesen sein, dass die IT den dynamischen Fertigungsprozessen in der Automobilbranche nicht mehr gewachsen war.[286]

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Ein Beispiel für Insourcing aus einer anderen Branche ist das Gemeinschaftsprojekt (Joint Venture) LeCoS zwischen der Stadt Leipzig und der IBM.[287] Geplant war, dass die Stadt Leipzig ihre gesamte DV-Abteilung in eine Private Public Partnerschaft einbringt. Gemeinsam mit IBM gründete Leipzig die LeCoS GmbH, an der die deutsche IBM 51 %, die Stadt Leipzig 49 % der Anteile hielt. Das Ziel, künftig bessere Ergebnisse für noch weniger Geld zu erzielen, war offenbar schwerer zu erreichen als gedacht. So ließ sich die Applikationslandschaft nicht standardisieren. Ebenfalls nicht einlösen konnte der Dienstleister sein Versprechen, zusätzliche Arbeitsplätze in der Region zu schaffen. Auch die erwarteten zusätzlichen Aufträge für das Joint Venture blieben aus. Ein Hauptproblem dieses Outsourcing-Projekts zwischen einer Ostdeutschen Stadtverwaltung und einem amerikanisch geprägten Dienstleister lag in der Mentalität der Mitarbeiter und der Kommunikation zwischen den Parteien. Nach gut 18 Monaten ruderte man schließlich wieder zurück, und die Stadt Leipzig übernahm im Juli 2002 die Anteile von IBM an der IT-Ausgründung. Die Zahl der Mitarbeiter ist seither von gut 95 auf rund 120 gestiegen. Die Stadt Leipzig hatte durch das gescheiterte Outsourcing-Projekt aber einiges an Erfahrung sammeln können. So verfügt die Stadt Leipzig z.B. dank der IBM über ein gutes Service-Management.[288]

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2012 entschied sich der der Autokonzern General Motors (GM) gegen Outsourcing. So startete der Autokonzern ein großes Insourcing-Projekt und will damit bis zu 10.000 IT-Jobs zurückholen. Während Anwender sich beim Insourcing üblicherweise auf Kernkompetenzen wie Architektur, Design und Beziehungsmanagement konzentrieren, umfasst die GM-Liste weite Teile des IT-Betriebs. Die Planungen sehen vor, nahezu sämtliche Jobs, vom Entwickler und Test-Ingenieur bis hin zum Peoplesoft- und Messaging-Experten wieder selbst zu beschäftigen.[289] Im Jahre 2013 kündigte der Daimler-Konzern an, weite Teile des SAP-Betriebs wieder in den Konzern zurückzuholen, um damit Kosten zu sparen. „Bis Ende 2016 haben wir uns eine Kostensenkung von 150 Millionen EUR zum Ziel gesetzt.“[290] Insgesamt will Daimler die laufenden Kosten für die IT-Landschaft senken, um dieses Geld in neue Systeme und Services zu investieren.

c) Rechtliche Fragen des Insourcings

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Die rechtlichen Fragen einer Beendigung eines Outsourcing-Projektes und des darauf möglichen Insourcings werden im 3. Kap. besprochen.

2 › I › 6. Business Process Outsourcing (BPO)

6. Business Process Outsourcing (BPO)

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Das Business Process Outsourcing ist neben dem totalen Outsourcing (strategischen Outsourcing) sicherlich die Königsklasse des Outsourcings,[291] da es an den Provider erhebliche Anforderungen stellt. Beim Business Process Outsourcing (BPO) besteht ein Systembruch bei der horizontalen und vertikalen Betrachtungsweise. Das BPO wird zwar als Form des Outsourcings betrachtet, klassifiziert sich aber über die Auslagerungsbereiche auf der Geschäftsprozessebene.

a) Grundlagen

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Das Business Process Outsourcing (BPO) bezeichnet eine Geschäftsbeziehung, in der ein Anbieter einen kompletten Geschäftsprozess oder eine vollständige Unternehmensfunktion (Teilbetrieb) übernimmt,[292] einschließlich der gesamten Fertigungstiefe und daran die Wertschöpfung innerhalb der Wertschöpfungskette (Value Chain) misst.[293] Zur Fertigungstiefe zählen i.d.R. die hierbei unterstützenden Layer (Schichten) der IT-Prozesse und IT-Infrastruktur (siehe Abbildung 19).[294] Der BPO-Provider ist daher Owner des Geschäftsprozesses, wobei der Gesamtüberblick und die Gesamtsteuerung aller Geschäftsprozesse natürlich beim Kunden bleiben. Der Provider eines BPO übernimmt daher die Verantwortung/den Betrieb aller 3 Layer (Schichten).[295]


Geschäftsprozesse
IT-Prozesse
IT-Infrastruktur (inkl. Application Management)

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Die Schwierigkeit beim Betreiben aller drei Layer (Schichten) liegt häufig in den organisatorischen Strukturen der einzelnen Provider, da i.d.R. für jede Ebene eine unterschiedliche Abteilung des Providers zuständig ist. Dem Provider muss es daher gelingen, alle Layer (Schichten) inkl. Schnittstellen (z.B. durch Operation-Level-Agreement (OLA)) zusammenzufassen, um somit seine Endleistung auf der Ebene der Geschäftsprozesse zu erbringen. Dies sollte dann auch die Kernkompetenz des Providers als BPO-Anbieter darstellen.

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Obwohl es Geschäftsprozesse natürlich schon immer gab – allerdings meistens eingebettet in hierarchische Organisationsformen und als solche nicht explizit benannt – wurde erst mit Beginn der 1990er Jahre des vergangenen Jahrhunderts der Prozessbegriff im betrieblichen Ablauf auf breiter Ebene diskutiert. Es vollzog sich ein Schwenk von den stationären Aspekten der Aufbauorganisationsformen hin zur Dynamik von Abläufen und Ablaufketten – den Prozessen –, die jetzt von IT-Infrastrukturen unterstützt wurden und über die eigene Firma hinausreichten.[296] Mit dem Gedanken des Outsourcings verbindet man unterschwellig immer nur die Auslagerung von IT-Infrastruktur (wie z.B. die Auslagerung des Rechenzentrumsbetriebs: RZ-Outsourcing), die logische Weiterentwicklung des Prozessbegriffs mit der Verbindung des Outsourcing-Gedanken führt zur Auslagerung von Geschäfts- bzw. Business-Prozessen und somit zum Business Process Outsourcing (BPO).

 

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Oft hat der Kunde bereits vor einem BPO soweit seine Geschäftsprozesse (z.B. beim Personaleinsatz und anderer Ressourcen) optimiert, dass eine weitere Optimierung und somit Verringerung der Kosten kaum noch möglich ist. Der BPO-Anbieter kann daher nur dann die auslagerungsfähigen Geschäftsprozesse günstiger anbieten, wenn er alle drei Ebenen(Geschäfts-, IT-Prozess und IT-Infrastruktur) der Fertigungstiefe übernimmt und daraus seinen Mehrwert innerhalb der Wertschöpfungskette (Value Chain) bzw. seine geringeren Kosten aus dem Zusammenspiel der drei Layer (Schichten) generiert. Daher sind gerade die IT-Provider hierbei im Vorteil gegenüber den Anbietern von reinen Geschäftsprozessen, da sie die Layer (Schichten) der IT-Prozesse und der IT-Infrastruktur sehr genau beherrschen.