Handbuch IT-Outsourcing

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ee) Storage

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In vielen Fällen stellt der Provider dem Kunden lediglich Speicherplatz (Storage) zur Verfügung (z.B. für Files). Hierzu werden z.B. Geräte wie Disk-Arrays, also Servern mit mehreren Festplatten ausgestattet und dem Kunden zur Verfügung gestellt. Die Zurverfügungstellung kann einerseits im Rechenzentrum des Kunden, aber auch im Rechenzentrum des Providers vorgenommen werden. Im letzteren Fall spricht man dann eher von einem Housing (siehe oben). Bei der Zurverfügungstellung beim Kunden Vorort werden häufig mobile Rechenzentrumslösungen (sog. Container) angeboten. In solchen Fällen dürfte eine klassische Miete des Containers nach §§ 535 ff. BGB vorliegen. Bei den Mietmodellen für die Nutzung von IT-Equipment, die am IT-Markt angeboten werden, sind i.d.R. zwei wesentliche Leistungsbereiche geschuldet:


die Bereitstellung von IT-Equipment i.S.d. Miete nach §§ 535 ff. BGB sowie
IT-Services, die über die reine Bereitstellung von IT-Equipment hinausgehen (z.B. Auffüllen von Verbrauchsmitteln, User Help Desk, SLA etc.).

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Neben den üblichen Pflichten des Vermieters bietet dieser i.d.R. zusätzliche IT-Services an (z.B. im Rahmen von Managed Service Verträgen). Dies ist immer sinnvoll, wenn dem Kunden nicht ausreichend gesetzliche Ansprüche aus dem Mietrecht zur Verfügung stehen,[30] bspw. im Hinblick auf die Beweislast, ob tatsächlich ein Sachmangel oder ein Verschulden des Kunden vorliegt, auf den Zeitraum, in dem ein Mangel behoben werden soll, und bei Ansprüchen auf Minderung/Schadensersatz.

ff) Strommodell („flat rate“)

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In der Praxis wird beim Application-Hosting vereinzelt von Kunden ein sog. Strommodell[31] gefordert. Dabei sollen die Leistungen des Providers beim Application-Hosting eine Leistung wie beim „Strom aus der Steckdose“ beinhalten. Dabei geht das sog. Strommodell weiter als der sog. SAP aus der Steckdose-Ansatzvon HP.[32] Das Strommodell setzt ein sog. Flatrate voraus, bei der der Kunde z.B. einen bestimmten Preis pro Applikations-Arbeitsplatz bezahlt. Die Risiken, dass durch herstellerbedingte Applikationsänderungen (sog. Chances) höhere Anforderungen an die IT-Infrastruktur gestellt werden (z.B. durch mehr Speicherbedarf oder höhere CPU-Leistungen) soll danach der Provider tragen. Neben den Anforderungen an die IT Infrastruktur soll der Provider darüber hinaus auch das Risiko der gesetzlich bedingten Änderungen tragen, welche z.B. durch eine Gesetzgebungsänderung (z.B. Erhöhung der USt.) entstehen können. Sicherlich ist ein solches „Strommodell“ für den Provider nur tragbar, wenn bestimmte „Sicherungen“ in dieses Strommodell eingebaut sind, da der Provider ansonsten nicht vorhersehbare Risiken übernimmt. Bereits der Gesetzgeber hat in § 275 Abs. 2 BGB eine solche Sicherung eingebaut. So kann der Schuldner die Leistung gem. § 275 Abs. 2 Satz 1 BGB verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist gem. § 275 Abs. 2 Satz 2 BGB auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat. Der § 275 Abs. 2 BGB ist aber nur in Extremfällen anzuwenden. Während die im Ansatz rechtsähnlichen §§ 439 Abs. 3, 635 Abs. 3, 651c Abs. 3 und § 251 Abs. 2 BGB den Anspruch des Gläubigers bereits bei unverhältnismäßigen Kosten ausschließen, fordert der § 275 Abs. 2 BGB ein grobes Missverhältnis und stellt damit deutlich strengere Anforderungen.[33] Es ist daher sicherlich ratsam, bereits im Outsourcing-Vertrag bei einem solchen „Strommodell“ aus der Sicht des Providers bestimmte vertraglich konkret definierte Klauseln aufzunehmen, welche den Provider absichern. In der Praxis wird zwar argumentiert, dass der Provider entsprechenden Einfluss auf die Entwickler der Applikationen nehmen kann, damit diese keine höheren Anforderungen an die IT-Infrastruktur stellen, aber allein die Entwicklung bei den Microsoft Windows und Office Produkten zeigt, dass dies nicht möglich ist. Der Einfluss der Provider auf gesetzliche Änderungen kann darüber hinaus als nicht realistisch betrachtet werden.

gg) Ermittlung von Kennzahlen (non-SAP)

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Die Rechenkapazität wird meist in MIPS, MSU oder SAPS[34] angegeben, wobei diese Maßeinheit nur bezogen auf die einzelne CPU aussagekräftig ist:[35] Die Performance von SAP-Systemen werden i.d.R. in SAPS gemessen und sind daher weit verbreitet und beliebt. Zur Ermittlung von Leistungsanzeigern äquivalent eines SAPS (SAPS-Äquivalente, Kurzform „SAPSÄ“) für Nicht-SAP-Systeme bietet es sich an, die nicht-SAP-spezifischen Einflussfaktoren zu betrachten:


CPU-Leistung
Arbeitsspeicher
sowie ggfs. Betriebssystem und Virtualisierungslayer

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Dabei ermöglicht die Virtualisierung die Bereitstellung von mehr Ressourcen als physisch vorhanden sind („virtuelle Ressourcen“). Temporäre Realperformance-Mehrbedarfe der virtuellen Maschinen werden durch den Host mittels Ballooning etc. so verwaltet, dass der Impact auf die Gesamtheit der virtuellen Maschinen minimiert wird. Bei dauerhaft gestiegenem bzw. steigendem Realperformance-Bedarf wird i.d.R. der Host transparent für die virtuellen Maschinen entsprechend nachgerüstet. Der Leistungsverlust durch den Virtualisierungslayer selbst ist gering und je nach Hersteller und Version unterschiedlich. SAPS-Äquivalente (SAPSÄ) müssen bei Einsatz von Virtualisierung auf Basis der virtuell zur Verfügung gestellten Ressourcen ermittelt werden. Folgende Modellrechnung dient als Beispiel für die Ermittlung eines vergleichbaren SAP-Systems:


Auswahl von SAP SD2 Benchmark-Ergebnissen mit Fujitsu Primergy-Servern mit auch bei DL konfigurierten Ausstattungsmerkmalen für Vergleichswerte, z.B.:
12 Cores à 3460 MHz, 98344 MB: 26630 SAPS (Cert# 2011028)
8 Cores à 2930 MHz, 49152 MB: 18170 SAPS (Cert# 2009014)
Referenz-RAM-Ausstattung auf 4 GB festgelegt, Abweichungen werden entsprechend mit SAPSÄ-Auf-/Abschlag pro GB berücksichtigt

Zusätzlich:


Bei fehlenden Informationen zur Systemkonfiguration Zuordnung SAPSÄ anhand analoger Systeme (Applikation, Instanz-Art, Verwendung, Betriebssystem)
Vorwegnahme und Eliminierung auffälliger Systemkonfigurationen durch augenscheinlich sinnhaftere Konfigurationen
Adjustierung der Ergebnisse an Erwartungshorizont DL durch Einführung SAPS-Faktor (eigentlicher Wert > 2 Mio.) – Bestimmung des SAPS-Faktors auf 0,7

hh) Rechtliche Fragen des RZ-Outsourcings

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Die rechtliche Beurteilung des RZ-Outsourcings fällt schwer, da das BGB sicherlich nicht geschaffen worden ist, solche komplexe technische Abläufe zu regeln. Es lohnt sich daher immer, weitreichende Regelungen in einem Individualvertrag zu vereinbaren, um nicht auf gesetzliche Regelungen zurückgreifen zu müssen.

(1) Rechtliche Einordnung des RZ-Outsourcings

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Enthält ein Vertrag zu einem bestimmten Punkt keine eindeutige Abrede, so wird diese Lücke durch das Recht (wie Miet-, Dienst-, Werk-, Kaufvertragsrecht) des Vertragstyps geschlossen, dem der Vertrag durch die vertragstypologische Einordnung unterstellt wird. Darüber hinaus gibt es zwingende Vorschriften (Normen), von denen die Parteien durch vertragliche Vereinbarungen nicht abweichen können. Die gesetzlichen Leitbilder regeln umfangreich die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien sowie die möglichen Ansprüche im Falle der Schlechtleistung. Die Einordnung eines Vertrages richtet sich nach den charakteristischen, zentralen Elementen des Vertrages und den Parteiinteressen.

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Da ein RZ-Outsourcing (Hosting) sicherlich nicht mit den gesetzlichen Regelungen ausreichend geregelt werden kann, bedarf es eindeutiger vertraglicher Absprachen. Dabei kann es vorkommen, dass die Provider vorformulierte Vertragsbedingungen verwenden, die sicherlich als AGB i.S.d. §§ 305 ff. BGB klassifiziert werden können. Insbesondere ist hierbei auf die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu achten. Danach sind Bestimmungen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie von dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen abweichen (…). Um den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen zu kennen, ist es notwendig, die von Providern erbrachten Hosting-Leistungen vertragstypologisch zuzuordnen. Die Einordnung eines Vertrages richtet sich nach den charakteristischen, zentralen Elementen des Vertrages und den Parteiinteressen.

 

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Zur rechtlichen Einordnung von RZ-Verträgen werden in der Rechtsprechung nahezu alle Auffassungen vertreten, bis auf die, dass es sich um einen Vertrag eigener Art handele.[36] Es kann noch nicht von einer herrschenden Meinung gesprochen werden. Jedoch ist erkennbar, dass zumindest ein nicht unerheblicher Teil der Gerichte der Auffassung ist, dass der RZ-Vertrag als Werkvertrag zu qualifizieren ist.[37] Rechtlich gesehen dürften die meisten Verträge zum RZ-Outsourcing zunächst einmal Dauerschuldverhältnisse sein.[38]

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Die Einordnung der RZ-Verträge in die vertragstypologische Einordnung der im BGB gesetzlich normierten Verträge richtet sich nach der tatsächlich geschuldeten Leistung. Das Abspeichern der Daten und deren Sicherung auf dem Host des Providers kann aber auch eine Verwahrung gemäß § 688 BGB darstellen.[39] Auch bei der Verwahrung werden nur bewegliche Gegenstände erfasst, so dass sich hier das gleiche Problem wie bei der Miete stellt. Vorteil dieses Vertragstyps ist es, dass der Application Service Provider weder die Daten selbst nutzen[40] noch bei Dritten gemäß § 691 BGB hinterlegen kann, also etwa bei anderen Providern speichern darf. Stellt der Auftragnehmer vor allem Rechenkapazität zur Verfügung, so liegt zeitweise bzw. teilweise Überlassung und somit Miete vor.[41] Dabei ist unerheblich, dass der Kunde über Terminals oder PC (via Internet Explorer oder GUI = Graphical User Interface) Zugriff auf den Host des Providers erhält. Dem RZ-Vertrag, bei dem nicht auch die Erfüllung einer bestimmten betrieblichen Funktion geschuldet ist, entspricht insbesondere im Hinblick auf die Langzeitbindung am ehesten Miete. Wichtig ist dies, weil dann die mietrechtlichen, evtl. dienstvertragsrechtlichen Kündigungsregeln und nicht § 649 BGB zur Anwendung kommen.[42] Somit handelt es sich beim RZ-Outsourcing grundsätzlich erst einmal um Miete von IT-Infrastrukturen.[43]

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Kein Mietvertrag dürfte dann vorliegen, wenn der Provider nicht nur Kapazitäten zur Verfügung stellt, sondern der Provider mit eigenen Programmen bzw. Applikationen Daten des Kunden bearbeitet. Hierbei liegt die Einordnung ins Werkvertragsrecht sehr nahe.[44]

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Das reine Operating (Hosting), sprich das Betreiben des RZ des Kunden, lässt sich eher dem Dienstvertragsrecht nach §§ 611 ff. BGB zuordnen, sofern kein Erfolgsmoment vorliegt.[45]

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Beim Web-Hosting (ggf. auch für das Storage-Management), wo auch auf den Host des Providers gespeichert wird), wird vertreten, dass es sich hierbei nicht um einen Mietvertrag nach §§ 535 ff. BGB handelt, sondern um einen Werkvertrag nach §§ 631 ff. BGB. Der Provider schuldet als Leistung lediglich, dass die Website des Kunden bei ihm irgendwo gespeichert wird, sodass sie im Internet aufgerufen werden kann. Eigentliche Leistung ist daher die Aufbewahrung der Information und ihr Zurverfügunghalten für den Abruf im Internet. Dies lässt am Vorliegen eines Mietvertrages ernsthaft zweifeln. Für den Kunden ist vor allem wichtig, dass die Inhalte dauernd abrufbar sind. Wie der Provider diese Leistung erbringt, ist dem Kunden gleichgültig. Damit wird nicht primär Speicherplatz überlassen, sondern primär ein Erfolg, nämlich die Abrufbarkeit im Internet geschuldet.[46] Das Einspeichern der Website ist nur technische Voraussetzung des geschuldeten Erfolgs. Dies führt eher zur Annahme eines Werkvertrags.[47]

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Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass es im Wesentlichen auf die vereinbarten Leistungen ankommt, um diese rechtlich beurteilen zu können. Die rechtliche Betrachtung des RZ-Outsourcings richtet sich nach der konkreten Frage, welche Art von Rechenleistung der Provider dem Kunden zur Verfügung stellt. Die vertragstypologische Einordnung von RZ-Verträgen (hierunter fallen auch Hosting-Verträge)[48] steht rein praktisch trotz zahlreicher Stellungnahmen in der Literatur noch am Anfang – Rechtsprechung, gar obergerichtliche Rechtsprechung, gibt es nur ganz selten.[49]

(2) Leistungsstörungsrecht

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Treten Mängel an der Hardware und/oder Application des Providers auf und lässt sich das RZ-Outsourcing grundsätzlich dem Mietvertrag gem. §§ 535 ff. BGB zuordnen, so hat der Provider/Hosting-Provider gem. § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB für die Mängel während der gesamten Vertragslaufzeit einzustehen. Denn nach § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB darf der Kunde verlangen, dass der Provider ihm während der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache gewährt. Gebrauchsgewährung bedeutet nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB dreierlei:[50]


Überlassung,
Belassen und
Erhaltung der Mietsache im vertragsgemäßen Zustand.

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Der Anspruch beim RZ-Outsourcing des Kunden (sofern Mietrecht unterstellt werden kann) beruht somit darauf, dass der Provider gem. § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet ist, die Software/Application (inkl. Hardware) beim ASP und die Hardware inkl. Betriebssystem (OSS wie BS2000) beim RZ-Hosting (Datenbank- bzw. Application-Hosting) in einem zu dem vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Dies beinhaltet auch, dass der Provider die Applikationen (beim ASP) bzw. den Host (beim RZ-Hosting) im Rahmen der vereinbarten Service-Levels zur Verfügung stellt. Die Mängelhaftung der §§ 535 ff. BGB ist daher grundsätzlich verschuldensunabhängig und unterscheidet u.a. nicht nach besonderen Sachkenntnissen.[51]

550

Während der Vertragslaufzeit des RZ-Hosting-Vertrags kommt die verschuldensunabhängige Sachmängelhaftung des Mietrechts zur Anwendung. In der Praxis wird deshalb z.T. vertreten, dass man die strenge Sachmängelhaftung des Mietrechts umgehen müsse.[52] Dabei vertritt die Praxis, dass der Provider nicht dafür zur Verantwortung gezogen werden könne, wenn er die Applikation bzw. Soft- und/oder Hardware von einem Dritten erworben habe und diese dann später Mängel aufweise. Auch habe der Provider oftmals nicht das Know-how, Mängel an Soft- und Hardware zu beseitigen. Fraglich ist unter solch praxisrelevanten Gesichtspunkten allerdings, ob dies dem Provider gerecht würde. Diese Betrachtungsweise ändert jedoch nichts daran, dass es sich bei dem RZ-Hosting-Vertrag vertragstypologisch wohl um einen Mietvertrag handelt und die Mängelhaftung des Mietvertrages nun einmal verschuldensunabhängig ausgerichtet ist.[53]

551

Vorrang des Mietrechts: Aufgrund der Schuldrechtsmodernisierung ist zudem unklar, inwieweit neben besonderen Mietrechtsregelungen z.B. noch das allgemeine Schadensersatzrecht der §§ 280 ff. BGB und die Rücktrittsregelungen der §§ 323 ff. BGB anwendbar sind.[54] Der Gesetzgeber hat sich damit nicht ausdrücklich befasst. Allerdings geht aus den allgemeinen Grundsätzen des BGB wohl hervor, dass die mietrechtlichen Regelungen vor denen des allgemeinen Schuldrechts vorrangig sind. Eine Doppelregelung mit unterschiedlichen Rechtsfolgen wäre übrigens auch nicht begrüßenswert, weil dies dann u.a. zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen würde.[55] Die Abgrenzung Haupt-/Nebenpflicht stellt sich wie folgt dar: Die Anwendung des allgemeinen Leistungsstörungsrechts sollte nur hinsichtlich der Verletzung von Nebenpflichten in Betracht gezogen werden (z.B. bei fehlerhafter Applikation, Support, Einweisung etc.). Unklar ist derzeit allerdings noch die genaue Abgrenzung der Haupt- von den Nebenleistungspflichten des RZ-Hosting-Vertrages. Eine genaue Abgrenzung, wann eine Hauptpflicht und wann genau eine Nebenpflicht verletzt wurde, bleibt damit der künftigen Rechtsprechung überlassen.

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Ein Recht zur Minderung sieht vor, dass, wenn ein Mangel an der Applikation bzw. Soft- oder Hardware im Rahmen einer Hauptleistungspflicht auftritt, der Anwender gem. § 536 BGB sofort eine angemessene Minderung der Vergütung vornehmen kann. Dieses Minderungsrecht seitens des Anwenders ist verschuldensunabhängig und fällt ihm automatisch zu, es sei denn, er hat den Mangel zu vertreten. Allerdings ist dies nur für Ausnahmefälle vorstellbar, weil er auf die Applikation bzw. Software direkt keinen Zugriff hat, da diese sich ja auf dem Server des Providers befindet. Daher bleibt es wohl dem Provider überlassen, das Minderungsrecht in den AGB z.B. so einzuschränken, dass es der Kunde nur dann geltend machen kann, wenn es unbestritten oder gerichtlich festgestellt ist.[56]

553

Nach Vertragsschluss auftretende Mängel: Die verschuldensunabhängige Haftung des Providers gilt grundsätzlich auch für erst nach Vertragsschluss auftretende Mängel, sofern diese bei Vertragsschluss bereits vorhanden (aber noch nicht hervorgetreten) waren.[57] Ein Haftungsausschluss oder aber eine Haftungsbegrenzung in AGB ist aber z.B. wohl auch bei Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB möglich, da die verschuldensunabhängige Haftung für das Haftungssystem des Zivilrechts atypisch ist und regelmäßig auch in AGB abbedungen werden kann.[58] Dies sollte zumindest auch bei RZ-Hosting-Verträgen gelten, die im unternehmerischen Verkehr abgeschlossen werden. Ein solcher Haftungsausschluss ist für den Provider auch besonders wichtig, da etwaige Mängel bei der Soft- oder Hardware üblicherweise bereits bei Abschluss des RZ-Hosting-Vertrages vorliegen. Fraglich ist demgegenüber, wie die verschuldensabhängige Schadensersatzhaftung des Providers gem. § 536a BGB gegenüber dem Anwender zu behandeln und möglicherweise zu beschränken ist.

554

Schadensersatz: Gemäß § 536a Abs. 1 BGB kann der Kunde unbeschadet der Rechte aus § 536 BGB u.a. Schadensersatz verlangen, wenn die gemietete Applikation bzw. Software oder Hardware bereits bei Vertragsschluss einen Mangel aufweist oder ein solcher im Laufe der Vertragszeit wegen eines Umstandes entsteht, den der Provider zu vertreten hat. Gleiches gilt, wenn der Provider mit der Beseitigung des Mangels in Verzug gerät. Im Rahmen dieses Schadensersatzes kann der Kunde den Minderwert des Gebrauchs der Applikation bzw. Software, entgangenen Gewinn, sowie sonstige Begleitschäden geltend machen.[59]

555

Kündigung: Kommt es infolge eines Mangels der Applikation bzw. Soft- oder Hardware sogar zu einem längerfristigen Systemausfall, d.h. der Anwender des Kunden kann die Applikation oder die Datenbank ganz oder teilweise gar nicht mehr nutzen, so ist er weiterhin berechtigt, den RZ-Hosting-Vertrag gem. §§ 543 ff. BGB außerordentlich aus wichtigem Grund zu kündigen.

556

Anzeigepflicht: Voraussetzung für die Geltendmachung von Schadensersatz ist, dass der Kunde dem Provider unverzüglich gem. § 536c BGB den Mangel anzeigt. Ansonsten kann er sich selbst schadensersatzpflichtig machen.

557

AGB-rechtliche (Un-)Beschränkbarkeit: Zudem darf die verschuldensabhängige Haftung nicht wirksam durch AGB eingeschränkt oder sogar ausgeschlossen sein. Hier haben sich durch die Schuldrechtsmodernisierung einige Neuerungen ergeben:


Neu ist jetzt insbesondere die Verbotsnorm des § 309 Nr. 7 lit. a BGB. Danach ist es dem Provider ausdrücklich nicht gestattet, die Schadensersatzhaftung wegen der Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit des Anwenders in AGB abzubedingen.
Ein Haftungsausschluss bzw. eine Haftungsbegrenzung bei grober Fahrlässigkeit ist nunmehr gem. § 307 Abs. 2 i.V.m. § 307 Abs. 1 BGB ebenfalls nicht zulässig (und zwar unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung zu § 9 ABG-Gesetz dann wohl auch nicht im unternehmerischen Verkehr).

558

 

Die „sonstigen“ Leistungen des Providers können je nach Ausgestaltung der Leistungsbeschreibung unterschiedlich beurteilt werden. In Betracht kommt dabei vor allem dienst- oder werkvertragliche Gestaltung. Hotline, Support, Fehlerhilfe werden eher dem Dienstvertragsrecht unterfallen. Will der Provider bei bestimmten Leistungsbereichen, beispielsweise der Fehlerbehebung, für einen bestimmten Leistungserfolg eintreten, kann Werkvertragsrecht anwendbar sein. Wenn das Ergebnis in der Herstellung einer beweglichen Sache besteht, kann nach § 651 BGB Kaufrecht zur Anwendung kommen.[61]