Handbuch IT-Outsourcing

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

(3) Fertigungstiefe beim SAP-Hosting

626

Welche Leistungen der Kunde in Rahmen des SAP-Hostings vom Provider in Anspruch nimmt, ist zum einem eine Make-or-Buy-Entscheidung und anderseits eine Frage der Fertigungstiefe bzw. der Wertschöpfungskette (Value Chain). Wie bereits oben beschrieben, kann der Kunde dabei neben der reinen zur Verfügungstellung der Hardware (z.B. des Produktivsystems) auch weitere IT-Services in Anspruch nehmen.

627

Neben diesen Leistungen, kann es in der Praxis durchaus vorkommen, dass auch die in Abbildung 40 dargestellten Auslagerungsbereiche (SAP-Hosting, LAN/WAN, Client-Server, Desktop-Services und Application-Management-Services) zum Auslagerungsbereich des SAP-Hostings gehören. Dies ist eine Frage der Fertigungstiefe bzw. der Wertschöpfungskette (Value Chain) innerhalb des Layers der IT-Infrastruktur und kann sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Zum Teil werden neben den reinen Hosting– bzw. Betreiberleistungen (Operating) Leistungen auch Leistungen aus dem Bereich des Client-/Server-Managements oder der Desktop-Services mitangeboten. Beim Client-/Server-Management werden z.B. das Betreiben von Internet-Transaction Servern (ITS) oder von Web-Servern mit angeboten, während bei den Desktop-Services die Updates bzw. Upgrades der SAP-GUI vom SAP-Hosting-Provider mitangeboten wird. Zudem kann der Provider auch beim SAP-Hosting die zur Verfügungstellung der Leitungen für das Local Area Network (LAN) bzw. für das Wide Area Network (WAN) mit übernehmen.

628

Bei der Auslagerung des SAP-Hostingbetriebs wünschen sich die Kunden immer mehr eine „SAP on demand“-Lösung. Häufig wird hierzu auch der Begriff „SAP aus der Steckdose“[173] verwendet. Vorteile einer on-demand-Lösung sind natürlich die Skalierbarkeit und die Berechnung der nur tatsächlichen genutzten Kapazitäten, unabhängig von benötigter IT-Infrastruktur.[174] Wie auch bei reinem RZ-Outsourcing interessiert sich der Kunde hierbei immer weniger für Rechnerleistungen wie CPU, RAM-Speicher oder Festplattenspeicher, auf denen seine Applikationen laufen. Vielmehr ist er eher daran interessiert für die Verfügbarkeit seiner SAP-Applikationen zu bezahlen, als für irgendwelche Hardware, deren Preis innerhalb kürzester Zeit erheblich an Wert verliert und tatsächlich nicht den Anforderung seiner Geschäftsprozesse gerecht wird. Aus diesem Grund bieten viele Provider ihre Hostingleistungen auf Basis der Verfügbarkeit von bestimmten SAP-Applikationen an. Dementsprechend werden auch die Service-Level nicht mehr auf Basis der Verfügbarkeit von Hardware definiert, sondern auf Basis der Verfügbarkeit bestimmter SAP-Applikationen.

(4) Ermittlung von Kennzahlen (SAP)

629

Die Performance eines Hosts bzw. der zur Verfügung gestellten Leistungen werden im SAP-Betrieb in sog. SAPS gemessen. SAPS(e) steht für „SAP Application Performance Standard“. Dabei handelt es sich um einen Index, der angibt, wie viele „Order Line Items“ ein SAP-System pro Zeit verarbeiten kann. Dieser Index erhebt den Anspruch, plattformunabhängig die Leistungsfähigkeit einer SAP-Installation festzustellen.[175] SAPS werden jeweils pro dedizierter Systemumgebung ermittelt. Die SAP-Leistung wird beeinflusst durch folgende Faktoren:


SAP-Version (z.B.: SAP ECC 6.0 UC)
CPU-Leistung (Prozessortyp, Anzahl Prozessoren/Cores, Taktfrequenz)
Arbeitsspeicher (Menge RAM, Typ)
Datenbank-Setup (Produkt, on-system oder off-system, …)
Storage-Design
Betriebssystem
Ggf. Virtualisierungslayer und verwendete Technologie bzw. Version

ee) Rechtliche Fragen

630

Auch wenn das Customizing klassisch zum Lösungsgeschäft (System Integration) und nicht zum Outsourcing zählt, ist das Customizing i.d.R. eine Vorstufe des Operating des SAP-Hostings. Daher muss auch das Customizing neben dem Operating mit in die rechtliche Betrachtung einbezogen werden. Im Übrigen gelten für das SAP-Hosting die gleichen rechtlichen Fragen (und Antworten) wie sie im Rechenzentrum Outsourcing (RZ-Outsourcing) bereits erläutert worden sind.

(1) Rechtliche Betrachtung der System Integration

631

Wie bereits erläutert, beinhaltet das Customizing aus dem Lösungsgeschäft (System Integration) das Verfahren, mit dem die unternehmensneutral ausgelieferten Funktionalitäten der SAP-Module den spezifischen betriebswirtschaftlichen Anforderungen eines Unternehmens anpasst,[176] hierzu zählen Leistungen wie Parametrisierung,[177] Konfiguration oder Individualprogrammierung.[178] Zum größten Teil dürften die entsprechenden Leistungen dem Dienstvertragsrecht nach §§ 611 ff. BGB oder dem Werkvertragsrecht nach §§ 631 ff. BGB zuzuordnen sein. Dienstverträge werden häufig im Bereich des Beratungsgeschäft zu finden sein, wo Berater lediglich die Aufgabe von Beratungsleistungen übernehmen (wie z.B. Beratung bei der Toolauswahl und Beratung bei der Leistungsspezifikation usw.).[179] Werkverträge kommen immer da zur Anwendung, wo ein Erfolg geschuldet wird.[180] Für die Abgrenzung zwischen Werk- und Dienstvertrag ist der im Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Vertragsparteien maßgeblich.[181] Es kommt darauf an, ob auf dieser Grundlage eine Dienstleistung als solche geschuldet wird oder als Arbeitsergebnis deren Erfolg geschuldet wird.[182] Auf die Bezeichnung des Vertrages kommt es dabei nicht an. Auch dann, wenn ein Vertrag als Dienstvertrag bezeichnet wird, kann es ein Werkvertrag sein und umgekehrt.[183] Individuelle Anpassungen und Weiterentwicklungen (etwa mit ABAP/4 unter R/3) unterliegen daher i.d.R. dem Werkvertragsrecht,[184] wenn nicht nur Beratung und Unterstützungsleistung geschuldet ist. Soweit also Werkvertragsrecht anwendbar ist,[185] bedarf es beim Customizing auch einer Abnahme nach § 640 BGB, was beim Lösungsgeschäft (System Integration) immer ein neuralgischer Punkt ist.[186]

632

Aus der Sicht des Urheberrechts stellt sich die Frage, inwieweit ein „Customizing“ z.B. von SAP-Applikationen einen urheberrechtlichen Schutz genießen kann. Ein Urheberrechtsschutz aus §§ 69a ff. UrhG kann durch eine Anpassungsmaßnahme nur begründet werden, wenn ihr Ergebnis ein individuelles Werk, nämlich eine eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers, ist (§ 69a Abs. 3 Satz 1 UrhG).

633

Daher spricht gegen eine individuelle eigenschöpferische Werkerstellung i.S.v. § 69a Abs. 3 Satz 1 UrhG, dass Customizing nach der überwiegenden Auffassung im Bereich des Software-Engineering und dem Verständnis in der Praxis nicht mit Codierung oder Eingriffen in vorhandenen Code verbunden ist. Jedoch reicht allein dieser Umstand noch nicht aus, um jegliche urheberrechtliche Schutzbegründung durch sonstige Anpassungsmaßnahmen auszuschließen.[187] Auch scheidet ein bloßes Aktivieren automatisch ablaufender Programmroutinen aus, deren Ablaufergebnis (z.B. eine Datenkonvertierung) durch das Programm vorgegeben ist.[188] Auch das Zusammenstellen vorgegebener Programm-Module wirkt dann nicht schutzbegründend, wenn die Auswahl ganz von der Aufgabenlösung geprägt ist. Schutzfähig können hingegen kundenspezifisch ergänzte Programmfunktionen sein, wenn sie individuellen, d.h. eigenpersönlichen Charakter haben.[189] Dies wäre z.B. bei der Erstellung von Schnittstellen bei Migration von Daten aus Altsystemen denkbar, wenn es schöpferisch erfolgt, da hier nicht ein Customizing im Vordergrund steht, sondern die Entwicklung eines abgrenzbaren Leistungsteils.

634

Gemäß §§ 69a ff. UrhG kann durch das Erstellen eines Computerprogrammes ein Urheberrechtsschutz entstehen, wobei auch Programmteile wie etwa Unterprogramme[190] oder Module schutzfähig sein können. Einzelne Codeänderungen oder -ergänzungen (die für Customizing ohnehin untypisch sind) führen in der Regel zu keinem eigenständigen Schutz, können aber ihrerseits eine zustimmungsbedürftige Umarbeitung (§ 69c Nr. 2 UrhG) darstellen.[191] Bei der Erstellung von Benutzeroberflächen, welche der Benutzer später über eine SAP-GUI (bei SAP-Applikationen) oder webbasiert nutzen kann, kommt nach überwiegender Auffassung ein (vom Programmschutz unabhängiger) Urheberrechtsschutz als Schriftwerk oder als wissenschaftlich-technisches Werk (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 oder 7 UrhG) in Betracht.[192] Dagegen sind reine aufgabenbezogene Funktionen (wie Speichem oder Löschen) oder das Umsortieren ihrer Bezeichnungen in vorhandenen Pull-Down-Menüs schutzfähig, hingegen schöpferische Gestaltungen und Zusammenstellungen von Befehls-Icons nicht schutzfähig.[193] Einen urheberrechtlichen Schutzanspruch lässt sich nicht für eine bloße Dateneingabe ableiten, durch die eine Applikation (Software) für einen bestimmten Anwender nutzbar wird, da diese Dateneingabe nicht die Struktur des Programmes verändert. Auch die Anordnung von Datenelementen in einer (als Teil der Anwendung implementierten) Datenbank bzw. einem Datenbankwerk und auch die Auswahl bestimmter, schematisch vorgegebener Optionen der Anwendung entbehrt der eigenschöpfenden Gestaltung.[194]

 

(2) Rechtliche Betrachtung des Operating

635

Beim Hosting der SAP Business Suite stellt sich die Frage, wie diese zum einem rechtlich einzuordnen ist. Zum anderen sind beim Hosting (Outsourcing) der SAP-Buiness Suite bestimmte Vorgaben der Firma SAP AG zu berücksichtigen.

(a) Rechtliche Einordnung

636

Das spätere Betreiben (Operating) der SAP-Applikationen auf dem Host des Providers ist grundsätzlich mit dem RZ-Outsourcing vergleichbar. Auch hier ist die rechtliche Einordnung in den Vertragscharakter des BGB streitig.[195] Aber auch hier richtet sich die Einordnung der Betreiber-Verträge bzw. Rechenzentrumsverträge nach der tatsächlich geschuldeten Leistung. Stellt der Provider vor allem Rechenkapazität für das SAP-Hosting zur Verfügung, so liegt zeitweise bzw. teilweise Überlassung und somit Miete vor.[196]

637

Von den Gerichten wird zum Teil auch vertreten, dass ein Dienstvertrag gem. §§ 611 ff. BGB vorliegt, wenn der Provider das Rechenzentrum des Kunde nur betreibt und kein Erfolgsmoment (z.B. SLA mit Einhaltung einer bestimmten Verfügbarkeit) vorliegt.[197] Das Betreiben von SAP-Applikationen im Rechenzentrum des Kunden mit Mitarbeitern des Providers im Rahmen von Dienstverträgen ist i.d.R. nur bei Rüstungskonzernen oder Atomkraftwerken vorzufinden, wo insbesondere interne Auflagen bzgl. des Rechenzentrums vorliegen.

638

In der Praxis werden meist die Rechenleistungen (insbesondere die des SAP-Hostings) auf dem Host und in der Verantwortung (SLA mit 99 % Verfügbarkeit) des Kunden erbracht. Daher geht ein anderer Teil der Rechtsprechung richtigerweise von einem Werkvertrag aus.[198] Von einer herrschenden Meinung kann aber noch nicht gesprochen werden, jedoch zeichnet sich ab, dass zumindest ein nicht unerheblicher Teil der Gerichte der Auffassung ist, dass der RZ-Vertrag als Werkvertrag zu qualifizieren ist.[199]

639

Wird nur eine Kapazität für das SAP-Hosting (über eine WAN-Leitung) auf dem Host des Providers überlassen, so wird dieser Vertrag wohl dem Mietrecht zuzuordnen sein.[200] Da beim SAP-Hosting i.d.R. das Betreiben von Datenbanken, von Datenbank-Diensten (DB-Dienste), von Applikationen und GUI-Diensten auf dem Host des Providers Vertragsinhalt ist, ist für die vertragstypologische Einordnung des SAP-Hostings zwischen Werkvertragsrecht und Mietrecht zu differenzieren. Übernimmt der Provider die tatsächliche Verantwortung für die Leistungen des SAP-Hostings und schuldet er vor allem einen Erfolg für das reibungslose Funktionieren der Applikationen, Datenbankdienste und GUI-Dienste im Unternehmen inkl. der dazugehörigen Backup-Dienste, Disaster-Recovering und Problem-Management-Systeme, so dürfte i.d.R. Werkvertragsrecht vorliegen.[201] Stellt der Provider aber lediglich Kapazitäten auf seinem Host dem Kunden zur Verfügung, auf dem der Kunde seine SAP-Applikationen und Datenbanken in Eigenverantwortung betreibt, so dürfte Mietrecht vorliegen.[202] Für die Vertragsgestaltung ist wichtig, dass die mietrechtlichen, evtl. dienstvertragsrechtlichen Kündigungsregeln und nicht § 649 BGB zur Anwendung kommen.[203] Auf entsprechende Kündigungsregelungen sollte daher im Vertrag größten Wert gelegt werden.

Bei den Zusatzleistungen aus dem Bereich der IT-Services, muss auch auf den Charakter der Leistung abgestellt werden, hierbei können Werk- wie auch Dienstleistungen erbracht werden. Aus diesem Grund sind reine Hostingverträge auch gemischttypische Verträge, die unter anderem auch juristische Regelungen für Werk-, Dienst- und Mietleistungen enthalten.[204]

(b) Leistungsstörungsrecht

640

Die Ansprüche aus dem Leistungsstörungsrecht beim SAP- Hosting sind vergleichbar mit den Ansprüchen bei Leistungsstörungen wie beim RZ-Hosting bzw. RZ-Outsourcing, da das SAP-Hosting nur eine Untergruppe des RZ-Hostings bzw. RZ-Outsourcings ist. Insoweit kann daher auf die Erläuterung des Leistungsstörungsrechts beim RZ-Hosting bzw. RZ-Outsourcing verwiesen werden.

(c) Datenbank Hosting

641

Werden im Rahmen eines SAP-Hostings auch Datenbanken gehostet, sind hierfür besondere rechtliche Regelungen im Urheberrecht zu berücksichtigen.

(d) Anforderungen an das Hosting durch die SAP AG

642

Grundlage jeglicher Nutzungsüberlassung der SAP Business Suite sind die Nutzungsbedingungen der SAP AG. Die Nummer 2 Satz 5 der SAP-Nutzungsbedingungen (sog. Outsourcing-Klausel) regelt, dass soweit der Kunde die Softwareprodukte für seine eigenen Zwecke auf den Datenverarbeitungsgeräten, die sich in den Räumen und in unmittelbarem Besitz eines Dritten befinden, betrieben oder von diesem Dritten betreiben lassen möchte (Outsourcing), so bedarf dies einer vorherigen schriftlichen Vereinbarung mit SAP. Nach dieser Vertragsklausel müsste der Kunde grundsätzlich die Zustimmung der SAP AG benötigen, um seine Applikation bei einem externen Provider (Hosting-Provider) hosten zu lassen. Wobei hierbei das Wort Outsourcing gleichzusetzen ist mit „Hosting.“ Es stellt sich die Frage, ob eine solche Beschränkung von Nutzungsrechten vertraglich wirksam vereinbart werden darf. Die Grenze der Zulässigkeit von Nutzungsbeschränkungen variiert in Abhängigkeit vom jeweiligen Vertragstyp.[205] I.d.R. werden SAP-Lizenzen aus der Business Suite als Einfachlizenz gekauft. Die Bindung dieser Einfachlizenz an eine bestimmte Hardware, nämlich nur an die Datenverarbeitungsgeräte, die sich nicht „….in den Räumen und in unmittelbarem Besitz eines Dritten befinden …“, stellt eine schuldrechtliche Beschränkung da. Eine solche Systemvereinbarung[206] unterliegt deshalb der AGB-rechtlichen Kontrolle. Zwar werden in der Rechtsprechung und in der Literatur zur Rechtfertigung der Systemvereinbarungen, insbesondere das Vergütungsinteresse,[207] das Interesse am Schutz des Rufes des Softwareherstellers[208] und das Interesse zur Begrenzung des Piraterierisikos[209] in Erwägung gezogen. Doch in der Praxis dürften solche Interessen durch ein Hosting bei einem fremden Dritten nicht tangiert werden. Darüber hinaus wird zu Recht in der Literatur darauf hingewiesen, dass auch niemand auf die Idee käme, vom Käufer einer Schallplatte eine neuerliche Vergütung zu verlangen, wenn er die Schallplatte auf einem fremden Schallplattenspieler abspielen würde[210] oder aber dass er, wenn er die Schallplatte bei einem Dritten abspielt, noch einmal ein schriftliches Einverständnis des Plattenproduzenten einholen müsste.

643

Auch die Erwägung, der Ruf des Softwareherstellers könne beeinträchtigt werden, wenn die Software auf einer anderen Hardwareanlage eingesetzt wird, bei der die Ablauffähigkeit des Programms nicht getestet worden sei, vermag formularvertragliche Systemvereinbarungen nicht zu rechtfertigen.[211] Der Ruf des Softwareherstellers lässt sich auch dadurch schützen, dass für das betreffende Programm angegeben wird, auf welchen Hardwaresystemen es erfolgreich getestet wurde, und dass im Übrigen keine Ablauffähigkeit garantiert werden könne.[212] Auch würde dies dem wesentlichen Gedanken des Outsourcings widersprechen, da sich der Kunde auf seine Kernkompetenzen beschränken will und das Hosting gerade die Kernkompetenz des Providers ist und er schon aus Gründen seines eigenen Rufes als Hosting-Provider bedacht ist, die Applikationen auf einer ausreichenden Hardwareplattform (Server) zu hosten.

644

Auch eine mögliche Argumentation, dass ohne Systemvereinbarung der Softhersteller nicht überprüfen kann, ob die Applikationen nicht illegal vervielfältig werden bzw. ob der Kunde zu wenige Lizenzen für seine Anwender hat, erscheint fraglich.[213] Eine grundsätzliche Erlaubnis zum Hosting stellt einen erheblichen Eingriff in das Nutzungsrecht des Kunden dar und steht der Freiheit zum Hardwarewechsel bzw. Providerwechsel entgegen.[214] Die wesentliche Argumentation, dass der Kunde zu wenig Lizenzen für seine Anwender hat, kann auf dem Weg der Einräumung eines Prüfungsrechts, welches die Anzahl der benötigten Lizenzen (sog. Vermessung) misst, zielgerichteter und effektiver gestaltet werden. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass eine solche Systemvereinbarung (vgl. CPU-Klausel[215]) mit der Anbindung einer Software (Applikation) an eine bestimmte Maschine nicht mehr mit Kaufrecht vereinbar[216] und somit gegen AGB-Recht verstößt.

645

Fraglich könnte aber sein, ob der Provider für das Hosting der Applikationen ein eigenes Nutzungsrecht benötigt und ob der Kunde seine Lizenzen im Rahmen des Outsourcing-Vertrages übertragen muss. Dies könnte insbesondere der Fall, wenn der Kunde bestimmte Zusatzleistungen wie z.B. die Pflege der Applikationen (Bsp. Application Management Service) durch den Provider in Anspruch nimmt. Der Provider benötigt i.d.R. immer dann ein eigenes Nutzungsrecht, wenn er nicht mehr im Interesse des Kunden/Lizenznehmers des Nutzungsrechts tätig ist und wenn er die Applikationen intensiv nutzt.[217] Dies dürfte regelmäßig dann vorliegen, wenn die Applikationen auch Dritten komplett zur eigenen Nutzung, wie beim Application Service Providing (ASP) zur Verfügung gestellt werden (welches auch in Nummer 2 Satz 3 der SAP-Bedingungen ausdrücklich und zulässig untersagt ist). Solche Fälle dürften dann auch als unerlaubte Vervielfältigung zu klassifizieren sein. In Fällen wie AMS ist dies i.d.R. nicht der Fall, da der Provider lediglich die Applikationen durch Einspielen von Updates und Upgrades im Auftrag und für den Kunden pflegt. Der Provider benötigt somit kein eigenes Nutzungsrecht, da die Software nicht auf ihn übertragen wird. Vielmehr ist er als Erfüllungsgehilfe gem. § 278 BGB des Kunden zu qualifizieren, da er lediglich Leistungen (IT-Services) an den Applikationen für Kunden vornimmt.[218]

646

Unterstellt man, dass der Kunde dennoch ein eigenes Nutzungsrecht benötigt, so müsste der Kunde sein Nutzungsrecht auf den Provider übertragen. Zum einen könnte eine solche Vereinbarung gegen Urheberrecht verstoßen. Aus urheberrechtlicher Sicht ist vor allem der Erschöpfungsgrundsatz (vgl. § 17 Abs. 2 UrhG bzw. speziell für Computerprogramme der § 69c Nr. 3 UrhG) zu berücksichtigen. Der Erschöpfungsgrundsatz beruht auf der Überlegung, dass der Urheber bzw. der von ihm Berechtigte mit der Veräußerung über die Vergütung ein angemessenes Äquivalent für das einzelne Werkexemplar erhalten hat[219] und er gilt für alle Formen der Veräußerung wie Verkauf oder Schenkung.[220] Eine Ausnahme bildet die Überlassung im Rahmen der Softwaremiete, da der Erschöpfungsgrundsatz des § 69c Nr. 3 UrhG auf einen mietrechtlich ausgestalteten Lizenzvertrag nicht anwendbar ist. Beim SAP-Hosting wird i.d.R. SAP bzw. der Kunde Eigentümer der Software bleiben und dem Provider (Hosting-Provider) lediglich die SAP-Applikationen zum Hosting zur Verfügung stellen. Ob dieses Zurverfügungstellen der SAP-Lizenzen eine Übertragung eines Nutzungsrechtes darstellt, kann offen bleiben, da im Ergebnis pauschale Weitergabeverbote sowie generelle Zustimmungsvorbehalte im Lizenzvertrag unwirksam sind.[221] Der Erschöpfungsgrundsatz verhindert grundsätzlich, dass Weitervergabeverbote urheberrechtlich wirksam vereinbart werden können.[222]

647

Da die SAP für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Nutzungsbedingungen verwendet und diese ihren Kunden bei Abschluss eines Vertrags zur Verfügung stellt, handelt es sich hierbei i.d.R. um allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) i.S.d. §§ 305 ff. BGB. Hierbei müsste insbesondere geprüft werden, ob die sog. Outsourcing-Klausel der SAP-Lizenzbedingungen eine unangemessene Benachteiligung des Lizenznehmers gem. § 307 BGB darstellt. Diese liegt vor, wenn die Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB). Für die AGB-rechtliche Zulässigkeit von Weitergabebeschränkungen ist zwischen Weitergabeverboten einerseits und Bedingungen, die an die Weitergabe geknüpft werden, andererseits zu unterscheiden. Ein generelles Weitergabeverbot widerspricht dem Erschöpfungsgrundsatz sowie dem Leitbild des Kaufvertrages (Kauf der Lizenzen durch Kunden) und ist daher unwirksam.[223] Nach der überzeugenden Rechtsauffassung des OLG Nürnberg gilt das Gleiche für Zustimmungsvorbehalte, da entgegen der gesetzlichen Regelung des § 34 Abs. 1 Satz 2 UrhG der Lizenzgeber nicht zur Zustimmung verpflichtet ist und sich der Zustimmungsvorbehalt folglich für den Lizenznehmer wie ein pauschales Veräußerungsverbot auswirken kann. Dies dürfte nicht im selben Maße gelten, wenn der Lizenzgeber durch die Klausel zur Zustimmung verpflichtet ist, sofern nicht berechtigte Gründe seinerseits entgegenstehen.[224] Solche berechtigte Gründe sieht die SAP AG in Nummer 2 Satz 6 ihrer Nutzungsbedingungen: „SAP wird in dieser Vereinbarung ihre berechtigten Interessen wahren, insbesondere hinsichtlich der vorbehaltlosen Anerkennung der Bedingungen zur Nutzung und Weitergabe der Softwareprodukte im Softwareüberlassungs- und Softwareservicevertrag und in diesem Nutzungsmodell durch den Dritten“. Darunter versteht die SAP AG bestimmte Anforderungen an den Outsourcing-/Hostingvertrag zwischen dem Kunden und dem Provider. In der Praxis stimmt die SAP AG i.d.R. einem Outsourcing, sprich einem Hosting der SAP-Applikationen bei einem Provider zu, wenn folgende Punkte im Hosting-Vertrag zwischen Kunden und Provider regelt sind:

 

Der Provider verpflichtet sich schriftlich zur Einhaltung der Bedingungen des zwischen dem Kunden und SAP geschlossenen Software-Nutzungs- und Pflegevertrages.
Der Provider verpflichtet sich, die Software ausschließlich zur Abwicklung von Geschäftsvorfällen des Kunden einzusetzen.
Es erfolgt keine Veränderung im Umfang der Nutzung der Software.
Die Verlagerung der Software ins Ausland bedarf dabei der zusätzlichen schriftlichen Genehmigung durch SAP im Einzelfall. Die Genehmigung darf nur aus wichtigem Grund verweigert werden.
Es muss eine entsprechende Geheimhaltungsvereinbarung mit dem Provider und dem Kunden bestehen, die die Rechtspositionen der SAP ausreichend schützt.

648

In der Praxis wird die Erlaubnis der SAP AG zum Hosting der SAP-Applikationen i.d.R. ohne Schwierigkeiten erteilt. Auch wenn die sog. Outsourcing-Klauseln in den SAP-Lizenzbedingungen ggf. nicht wirksam sind, sollte man sich aus partnerschaftlichen Gründen dennoch an die Vorgaben der SAP AG halten, da die Anforderungen der SAP AG nicht unbillig sind.