Handbuch IT-Outsourcing

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c) Application Management Services (AMS)

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Neben dem reinen Betreiben von z.B. SAP-Applikationen beim SAP-Hosting, ist es für den Kunden natürlich wichtig, dass seine SAP-Applikationen auch „gemanagt“ werden. Beim Application Management (AM) bzw. bei den Leistungen um das Application Management, den sog. Application Management Services (AMS), werden in erster Linie Leistungen wie Pflege, Betreuung und Weiterentwicklung für die Applikationen des Kunden erbracht.[225] Dabei sind die Application-Management-Leistungen i.d.R. viel weitreichender als reine Pflegeleistungen von Software bzw. Applikationen wie z.B. beim SAP-Basisbetrieb. Zum Teil wird AMS auch mit Applikations-Outsourcing gleichsetzt, wobei hierbei i.d.R. die Auslagerungsbereiche AMS und SAP-Hosting zusammengefasst werden.[226]

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Der Prozess des Application Managements kann als Regelbetrieb angesehen werden, wenn der Provider die regelmäßige Pflicht zur Betreuung und Weiterentwickelung übernimmt. Orientiert an dem oben beschriebenen Hostingkonzept wird der Provider seine AMS Leistungen auf einem Entwicklungssystem entwickeln, auf einer QSU testen und dann erst in den Betrieb geben (siehe Abbildung 40).

Abb. 40:

Prozess des Application Managements


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Es lässt sich vortrefflich darüber streiten, ob Application Management Services tatsächlich zum Layer der IT-Infrastruktur (wenn es zusammen mit dem Hosting angeboten wird) gehört oder zum Layer der IT-Prozesse (Pflege erscheint eher als eine Dienstleistung) gehört. In der Praxis vermischen sich zum Teil die Grenzen zwischen IT-Prozesse und IT-Infrastrukturen, da Leistungen über den einzelnen Layern (Schichten) hinaus angeboten werden. Es besteht aber auch darin die Möglichkeit, dem Application Management einen eigenen Layer zuzugestehen, was zudem seine Bedeutsamkeit unterstreichen würde. Die Abbildung 41 stellt hierbei eine andere Sichtweise als das Task-Layer-Modell dar und verbindet im Auslagerungsbereich AMS Leistungen aus den Gruppen der IT-Prozesse und IT-Infrastrukturen zu einer Leistung.

Abb. 41:

Application-Management-Services


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In der Praxis gewinnt die Betreuung von Applikationen (wie bereits erläutert)[227] immer mehr an Bedeutung. Zum Leistungsumfang der Applikationsbetreuung (Application Management) zählt im Einzelnen:


Konzeption, Entwicklung, Implementierung (inkl. kleinerem Customizing)
Wartung und Support
Migration, Re-Engineering, Integration
Ablösung
SAP-Services

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Leistungen aus dem Umfeld der Application-Management-Services (AMS) werden häufig auch als Applikationsbetreuung oder Application Support bezeichnet.

aa) Leistungsumfang der Applikationsbetreuung

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Beim Leistungsumfang der Applikationsbetreuung werden die Applikationen nach den Wünschen des Kunden installiert und konfiguriert. Der Provider sollte je nach Kundenwunsch die Benutzer- und Rechteverwaltung sowie die Administration der Applikationen übernehmen. Ferner sollte der Provider Updates und Patches ebenfalls bei Bedarf selbstständig via automatischer Softwareverteilung einspielen. Der Provider fährt dabei regelmäßig Backups, d.h. inkrementelle Backups erfolgen täglich, komplette Backups werden einmal pro Woche durchgeführt. Häufig werden Backups dem Kunden als Zusatzservice angeboten und auf geeigneten Speichermedien zugesandt. Der Provider übernimmt häufig auch selbstständig Maßnahmen zur Gewährleistung (Sachmängelhaftung) und Steigerung der Performance der Applikationen und richtet dafür eine 24-h-Überwachung der Applikationen ein, um eine in den SLA vereinbarte Verfügbarkeit zu halten.[228] Zu den Applikationen (lokal oder zentral), die häufig ausgelagert werden, zählen vor allem:


SAP-Standardapplikationen
Legacy Applikationen
Lotus Notes Applikationen
MS Office Applikationen
Datev-Anwendungen
Oracle
PeopleSoft
Siebel Services

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Bei der Art und Weise, wie eine Applikationsbetreuung (Application Management) technisch durchgeführt wird, ergeben sich meist verschiedene Möglichkeiten. Dabei wird unterschieden zwischen:



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Die Provider managen beim Applikationsmanagement den gesamten Lebenszyklus der unternehmensweit eingesetzten Anwendungen – von der Konzeption über Entwicklung, Implementierung, Wartung und fortlaufender Versionspflege bis hin zur Migration. Für den schnellen und zuverlässigen Support stehen Leistungen des Service Desk/User Help Desk auch aus dem Layer der IT-Prozesse zur Verfügung. Der Provider Hewlett Packard (HP) bietet z.B. mit seinen Management-Services im Bereich des Application-Managements folgende Leistungen aus seinem Service Offering Portfolio an:[233]


Konzeption, Entwicklung, Implementierung: Die Application-Management-Services gewährleisten hierbei, dass Verfügbarkeit, Performance und Funktionalität der Anwendungslösungen genau auf die betrieblichen Erfordernisse abgestimmt werden.
Pflege und Support: Für die bereits vorhandenen Unternehmensanwendungen werden umfassende, vertraglich festgeschriebene Support- und Wartungsservices nach vereinbarten Service-Level Agreements erbracht.
Migration, Re-Engineering, Integration: Wenn die Lösungen den geschäftlichen Anforderungen des Kunden nicht mehr genügen, übernehmen die Application-Management-Services die Migration auf leistungsfähigere Plattformen oder gewährleisten den reibungslosen Umstieg auf führende Enterprise-Anwendungen. Darüber hinaus stellen sie die Integration der einzelnen Anwendungen des Unternehmens sicher.
Ablösung: Anwendungen, die ihre Anforderungen nicht mehr erfüllen oder nicht mit vertretbarem Aufwand zu warten sind, werden durch ein Application Management bei minimaler Beeinträchtigung des laufenden Betriebs durch neue Applikationen abgelöst.
Das Application Management wird durch das Management der gesamten IT-Infrastruktur optimal ergänzt. Beispielsweise stimmt der Provider die Server, Netzwerke, Speicherlösungen und Sicherheitsregelungen gezielt auf die Applikationsanforderungen des Kunden ab. Dies gilt sowohl für Applikationen auf Mainframes als auch bei Standard-Anwendungspaketen führender Softwarehersteller.
SAP-Services: Die speziell für geschäftskritische Applikationen konzipierten Services im Rahmen des Applikationsmanagements stellen die Hochverfügbarkeit der SAP-Lösung des Kunden sicher – wie z.B. durch Anwendungsmanagement wie Performance-Tuning und Optimierung der SAP-Anwendungen.

bb) Abgrenzung zu anderen Auslagerungsbereichen

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Die Abgrenzung zu den Desktop-Services/NWSM ist dabei oft fließend und hängt immer von der jeweilig vereinbarten Leistung ab. In der Regel kann aber davon ausgegangen werden, dass bei der Erbringung von Desktop-Services alle Leistungen erbracht werden, die die Client-Hardware (beim Client-Serverbetrieb natürlich auch die Serverunterstützung) und die Software betreffen. Bei der Software wird der Client nur bis zur Betriebssystemebene betreut.[234] Bei der Applikationsbetreuung (Application Management) sorgt der Provider im Wesentlichen dafür, dass die Applikationen des Kunden jeweils auf dem gewünschten Release-Stand sind, und dass die Applikationen entsprechend den Service-Levels Agreements (SLA) verfügbar sind. Häufig werden Application-Management-Services (AMS) auch in Zusammenhang mit dem Hosting, insbesondere beim SAP- Hosting erbracht (siehe Zusatzleistungen beim SAP-Hosting). Dabei wird das Bereitstellen der Großrechner-Infrastruktur (sprich des Hosts) als reine Zurverfügungstellung des sog. „Blechs“ bezeichnet, während die Application-Management-Services (AMS) als komplizierte und aufwendigere Leistungen betrachtet werden. Ein guter Hosting-Provider/Provider sollte immer in der Lage sein, beide Leistungen anzubieten.

cc) Application Management vs. Application Services Providing (ASP)

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Zwischen dem Application Management und Application Services Providing (ASP) besteht eine gewisse Verwandtschaft. Während beim Application Management der Dienstleister die Applikationen des Kunden pflegt (siehe Definition des Application Management oben), werden beim Application Services Providing (ASP) die Applikationen des Providers von einem externen Server dem Kunden zur Verfügung gestellt.

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Auch beim Application Services Providing (ASP) muss der Provider Application-Management-Services erbringen, der Unterschied zum Applications Management (AM) besteht aber darin, dass der (Outsourcing-) Kunde die temporäre Nutzung der Applikation bezahlt, nicht die notwendigen einzelnen Application-Management-Services. Dabei interessiert sich der ASP-Kunde nicht mehr für die einzelnen Leistungen (AMS), die zur Nutzung der Applikationen notwendig sind.

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Ein Application Services Providing (ASP)/Software as a Service (SaaS) kann daher auch als eine logische Weiterentwicklung des Application Management (AM) hin zur einer IT-Services bzw. business-on-demand-Lösung gesehen werden.

dd) Lizenzmanagement

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Neben den üblichen Einsparungspotenzialen durch die große Anzahl von Applikationsbetreuungen, die ein Provider in der Regel durchführt, kann der Provider durch ein entsprechendes auf den Kunden zugeschnittenes Lizenzmodell (Lizenz-Management) erhebliche Kosteneinsparungen für den Kunden erreichen.

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Mit einer optimierten Lizenzverwaltung kann der Provider die Softwarebeschaffung im Sinne eines strategischen Einkaufs bündeln, um Preisnachlässe auszuhandeln. Darüber hinaus könnten Anwender sowohl unnötige Kosten als auch rechtliche Probleme vermeiden, weil es weder zu einer Über- noch zu einer Unterlizenzierung kommt.[235]

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Kosteneinsparungen für den Kunden ergeben sich auch bei Netzwerklizenzen (die Applikation wird über das LAN oder WAN von einem Server bezogen, Application-Hosting), da möglicherweise viel weniger Lizenzen benötigt werden. Hierbei geht man von der Tatsache aus, dass die meisten gekauften Lizenzen nur kurzzeitig (xx Stunden pro Tag) genutzt werden.[236] Dies lässt sich vor allem dadurch erklären, dass Mitarbeiter außer Haus unterwegs sind oder mit anderen Applikationen arbeiten. Durch ein entsprechendes Lizenz-Management kann somit die gleiche Anzahl von User/Clients eine geringere Anzahl von Lizenzen nutzen, was zu erheblichen Kosteneinsparungen bei der Beschaffung von Lizenzen führt.

ee) Application Management nach ITIL V3 (2011)

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Nach der IT Infrastructure Library (ITIL) ist die wichtigste Aufgabe des Application Managements, sinnvoll auf Änderungen innerhalb der Branche zu reagieren. An erster Stelle stehen dabei die klare Formulierung der Anforderungen und die Implementierung einer Lösung, die der Kundenorganisation entspricht. Im Rahmen des Software Lifecycle Supports soll gemeinsam mit den Verantwortlichen für die Software-Entwicklung eine verbindliche Vorgehensweise festgelegt werden, die alle Arbeiten während des gesamten Lebenszyklus der Programme unterstützt. Denn die Art und Weise, wie die Programme entworfen, erstellt, getestet, zum Einsatz gebracht, gepflegt und schließlich durch andere ersetzt oder ausgemustert werden, spielt eine große Rolle innerhalb des IT-Services. In jedem Zeitraum des Lebenszyklus der Software müssen Vereinbarungen zwischen der Entwicklung der Nutzung getroffen werden. Die Auswahl der Modelle für den Software Lifecycle kann tief greifende Folgen für die IT-Services haben.[237]

ff) Rechtliche Betrachtung

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Bei der rechtlichen Betrachtung des Applikationsmanagements stellt sich zunächst die Frage, ob der Provider die entsprechenden Applikationen sprich die Lizenzen vom Kunden übernimmt und in welchem Rahmen er diese Lizenzen übernimmt. Diese Frage wird vor allem im Rahmen des Outsourcing-Projektes relevant und deshalb auch dort besprochen.

(1) Charakter der AMS-Leistungen

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Bei den Leistungen rund um das Applikationsmanagement, den sog. Application Management Services (AMS), stellt sich i.d.R. die Frage, ob diese Leistungen werkvertraglichen oder dienstvertraglichen Charakter haben. Bei Werkverträgen wird immer ein gewisser Erfolg geschuldet.[238] Auf die Bezeichnung des Vertrages kommt es dabei nicht an. Auch dann, wenn ein Vertrag als Dienstvertrag bezeichnet wird, kann es ein Werkvertrag sein und umgekehrt.[239] Für die Abgrenzung zwischen Werk- und Dienstvertrag ist der im Vertrag zum Ausdruck kommende Wille der Vertragsparteien maßgeblich. Es kommt darauf an, ob auf dieser Grundlage eine Dienstleistung als solche geschuldet oder als Arbeitsergebnis deren Erfolg geschuldet wird.[240] Wird z.B. in einem Service-Level-Agreement die Einspielung eines gesetzlichen notwendigen Updates innerhalb eines gewissen Zeitraums geschuldet, damit die Applikation auch den Ansprüchen der GoB[241] nach § 264 Abs. 2 HGB genügt, so dürfte dieses Service-Level-Agreement (oder der entsprechende Leistungsvertrag) dem Werkvertragsrecht unterliegen.

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Bei einer späteren tatrichterlichen Feststellung, was bei Fehlen einer ausdrücklichen Regelung Vertragsgegenstand ist, sind die gesamten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.[242] Das bedeutet, dass auch wenn im Vertrag ausdrücklich Dienstleistungen vereinbart worden sind, aber tatsächlich bei der Leistungserbringung Werkleistungen erbracht worden sind, Werkvertragsrecht gilt.

(2) Sachmängelhaftung versus AMS

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Gemäß § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Als Beispiel kann z.B. der Verkauf einer Lizenz für eine Standard-Software/Applikation wie SAP oder Oracle dienen. Liegt beim Verkauf dieser Lizenz ein Sachmangel i.S.v. § 434 BGB oder ein Rechtsmangel[243] i.S.v. § 435 BGB vor, stehen dem Käufer die Rechte nach §§ 437 BGB zu. Dabei schuldet der Verkäufer (Provider) lediglich die in der Leistungsbeschreibung beschriebene Beschaffenheit der Software/Applikation. I.d.R. ist es aber so, dass die Applikationen sich weiterentwickeln oder gegen Virenangriffe gesichert werden müssen. Dies geschieht meist durch Einspielen von Updates (zur Verbesserung der Softwarefunktionen der Applikation) und Upgrades (zur Erweiterung der Softwarefunktionen der Applikation). Dies sind i.d.R. alles Leistungen, die über das Maß einer Sachmängelhaftung hinausgehen, nämlich der Zurverfügungstellung der nach § 434 BGB vereinbarten Beschaffenheit. Hierzu verpflichten viele Software-Anbieter (z.B. SAP oder Oracle) ihre Kunden, entsprechende Pflegeverträge abzuschließen, welche häufig auch Teil der Application-Management-Services sind.

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Möchte der (Outsourcing-)Kunde darüber hinaus auch vertraglich definierte Reaktionszeiten oder Entstörzeiten (z.B. in einem Service-Level Agreement „SLA“) so kann er diese nicht grundsätzlich über Sachmängelhaftung erwarten. Prinzipiell hat der Käufer dem Verkäufer eine angemessene Nachfrist zur Nacherfüllung zu setzen. Diese ist zwar nicht für die Nichterfüllung als solche notwendig, aber als Voraussetzung für die sekundären Rechte auf Rücktritt gem. § 323 Abs. 1 BGB, Minderung gem. § 437 Nr. 2 BGB und Schadensersatz gem. § 281 Abs. 1 BGB erforderlich.[244] Dabei sollte die angemessene Nachfrist dem Schuldner eine letzte Gelegenheit zur Vertragserfüllung eröffnen.[245] Zwar braucht die angemessene Nachfrist nicht so bemessen zu sein, dass der Schuldner die noch gar nicht begonnene Leistung erst anfangen und fertig stellen kann,[246] dennoch sollte der Schuldner in die Lage versetzt werden, die bereits in Angriff genommene Leistung zu vollenden. Die Setzung einer angemessenen Nachfrist, um dann erst entsprechende sekundäre Rechte geltend zu machen, entspricht nicht unbedingt der IT-Praxis und somit auch nicht dem Applikationsmanagement. Aus diesem Grund werden in der IT-Praxis SLA mit entsprechenden Schwellwerten (Reaktionszeit > 30 Min.) vereinbart, deren Verletzung automatisch zur Zahlung von Vertragstrafen (Pönalen) führt.[247] Auch solche Leistungen eines SLA sind nicht von der gesetzlichen Sachmängelhaftung erfasst.

(3) Hosting der Applikationen

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Werden im Rahmen des Application Managements die Applikationen des Kunden auch gehostet, so muss auf den Inhalt der Hostingvereinbarung abgestellt werden. Applikations-Outsourcing wird häufig mit dem Betrieb (Hosting) von ERP-Plattformen wie z.B. SAP verknüpft. Der Provider ist in diesem Fall für die gesamte Anwendungsplattform inkl. Hardware, Netzwerk, Systembetrieb und Applikationsbetreuung (AMS) zuständig.[248]

(4) Application Service Providing

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Werden die Applikationen vom Provider von dessen Host gegen eine Gebühr dem Kunden temporär zur Verfügung gestellt, so handelt es sich in der Regel um Application Service Providing (ASP).

(5) Customizing

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Zuweilen kann es auch vorkommen, dass bestimmte Customizing-Leistungen i.S.v. Anpassungen der Applikationen (z.B. SAP ERP) Bestandteil von Application-Management-Services (AMS) sind.