Handbuch IT-Outsourcing

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aa) Rechtliche Betrachtung

27

Bei der NewCo der (IT-Service-Gesellschaft) handelt sich um ein abhängiges Unternehmen i.S.d. § 17 Abs. 1 AktG, welches zwar ein rechtlich selbstständiges Unternehmen ist, auf das aber ein anderes Unternehmen (herrschendes Unternehmen) unmittelbar oder mittelbar einen herrschenden Einfluss nehmen kann. Bei dem herrschenden Unternehmen handelt es sich regelmäßig um die sog. Konzernmutter. Da i.d.R. das herrschende und das beherrschte Unternehmen unter einer einheitlichen Leitung stehen, bilden diese verbundenen Unternehmen auch einen Konzern i.S.d. § 18 Abs. 1 AktG. Der Spin-off (Ausgliederung) des IT-Betriebs in die NewCo kann auf zwei Wegen geschehen. Einerseits kann der Konzern die entsprechenden Assets und das Personal der Betriebsteile einzeln in eine NewCo übertragen (sog. Asset Deal). Anderseits kann der Konzern die Ausgliederung der Betriebsteile in eine NewCo nach Maßgabe des Umwandlungsgesetzes (UmwG) durchführen (sog. Share Deal).

(1) Spin-off durch Asset Transfer

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Wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes[25] müssen sämtliche Vermögensgegenstände (Assets) des Betriebsteils einzeln übertragen werden, dabei sind zu übertragenden Wirtschaftsgüter im Einzelnen zu individualisieren.[26] Es reicht nicht aus, den Betriebsteil pauschal zu bezeichnen.[27] Nach dem Bestimmtheitsgrundsatz muss immer genau beschreiben werden, welche Assets vom Kunden auf die NewCo übergehen.[28] Die Übertragung erfolgt grundsätzlich nach §§ 929 ff. BGB, bei Software nach § 34 Abs. 3 UrhG und bei unbeweglichen Gegenständen (z.B. das Gebäude des Rechenzentrums etc.) in notarieller Form durch Auflassung und Eintragung ins Grundbuch. Dies erfolgt im Wege eines Kauf- oder Übertragungsvertrages (sog. Spin-off) zwischen dem Konzern (und dessen einzelnen Gesellschaften) und der neuen IT-Service-Gesellschaft (NewCo).

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Anstelle eines Kauf- oder Übertragungsvertrages kann der Konzern auch im Wege einer Sachgründung das Asset in die neu gegründete IT-Service-Gesellschaft (NewCo) einbringen. Der Konzern muss dazu bei einer Sachgründung aber besondere gesetzliche Erfordernisse im Rahmen der Vorschriften zur Sicherung der Kapitalaufbringung berücksichtigen.[29] Daneben könnte der Konzern das Asset der Betriebsteile auch im Wege der Miete nach §§ 535 ff. BGB oder Pacht nach §§ 581 ff. BGB zur Nutzung überlassen. Dies kann aber zur sog. Betriebsaufspaltung führen, bei der ggf. Sonderprobleme zu beachten wären.[30]

30

Zu berücksichtigen sind auch die arbeitsrechtlichen Fragen, die im Rahmen einer Übertragung in eine eigene Service-Gesellschaft auftreten. Da anzunehmen ist, dass die Übertragung der Assets und des Personals als ein Betriebsteil anzusehen sind, gelten die entsprechenden Regelungen des § 613a BGB. Auf der anderen Seite wäre es durchaus möglich, das Personal nicht auf die Service-Gesellschaft zu übertragen, sondern diese lediglich der IT-Service-Gesellschaft auszuleihen. Dies würde ggf. dazu führen, dass die arbeitsrechtlichen Fragen zunächst einmal keine Relevanz hätten. Eine weitere Frage ergibt sich aus der Sicht des Datenschutzes. Da es im Datenschutz (noch) kein Konzernprivileg gibt,[31] müsste die IT-Service-Gesellschaft, sofern sie personenbezogene Daten verarbeitet, als sog. Auftragsdatenverarbeiter seine Dienste für den Konzern erbringen. Dies hat zur Folge, dass die IT-Service-Gesellschaft die Anforderungen der Auftragsdatenverarbeitung nach § 11 BDSG i.V.m. § 9 BDSG und der Anlage 1 zum BDSG berücksichtigen muss.

(2) Spin-off durch Share Transfer

31

Als Alternative zur Einzelübertragung, besteht die Möglichkeit der Übertragung nach dem Umwandlungsgesetz (sog. Share Transfer). Mit dem Inkrafttreten des Umwandlungsgesetzes[32] wurde das Ausgliedern von Unternehmensteilen vereinfacht. Das Umwandlungsgesetz ist unter anderem geschaffen worden, um die bis zu seinem Inkrafttreten in zahlreichen verschiedenen Gesetzen verstreuten Regelungen zur Umstrukturierung von Unternehmen zu vereinheitlichen, dabei neue Umwandlungsmöglichkeiten zu schaffen und Lücken zu schließen und bei allem auch noch zum Schutz der Gläubiger und Minderheitsgesellschafter bessere rechtliche Rahmenbedingungen zu geben.[33] Die Übertragung im Wege der (partiellen) Gesamtrechtsnachfolge nach dem Umwandlungsgesetz kann zur Einzelübertragung eine einfachere Alternative sein, auch wenn z.B. die Spaltung nach § 123 UmwG verfahrenstechnisch aufwendiger ist als ein Asset-Deal.[34] In den Anwendungsbereich des Umwandlungsgesetzes fallen sämtliche inländischen Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften. Auf Anstalten des öffentlichen Rechts ist das Umwandlungsgesetz unmittelbar nur eingeschränkt anwendbar. Umwandlungsfähige Rechtsträger sind alle Personenhandelsgesellschaften (oHG, KG) und Partnergesellschaften und alle Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, KGaA und grundsätzlich auch die SE).[35]

32

Nach dem Umwandlungsgesetz sind folgende Umwandlungsmöglichkeiten denkbar:


Verschmelzung
Spaltung
Vermögensübertragung
Formwechsel

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Der Kunde möchte seine IT-Abteilungen bündeln und in eine Tochtergesellschaft, eine IT-Service-Gesellschaft übertragen. Bei einem solchen Vorgehen kommt lediglich die Spaltung nach § 123 UmwG in Betracht. Alle anderen Umwandlungsmöglichkeiten erscheinen hierfür nicht einschlägig. Eine Spaltung hat grundsätzlich den Nachteil der gesetzlichen Nachhaftung für Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers, vgl. § 133 UmwG, und es besteht die Möglichkeit der etwaigen Verpflichtung zur Nachsicherung nach § 22 UmwG. Diese vermeintlichen Risiken sind im Rahmen des Vorgehens des konzerninternen Sourcings aber zu vernachlässigen, da die ausgliederte IT-Service-Gesellschaft als NewCo sich weiterhin im Konzernverbund befindet und solange ein Beherrschungsvertrag nach § 291 AktG zwischen der NewCo und der Konzernmutter besteht, diese auch weiterhin für die NewCo haftet.

34

Das Umwandlungsgesetz unterteilt die Spaltung wiederum in die Aufspaltung nach § 123 Abs. 1 UmwG, in die Abspaltung nach § 123 Abs. 2 UmwG und in die Ausgliederung nach § 123 Abs. 3 UmwG. Alle Formen der Spaltung haben den Vorteil, dass im Wege der „partiellen Gesamtrechtsnachfolge“ die entsprechenden Vermögenswerte (Assets), Betriebe oder Betriebsteile nicht einzeln aufgeführt werden müssen.[36]

35

Für eine Verlagerung des Konzern-IT-Betriebes durch ein Spin-off auf die NewCo kommt lediglich die Ausgliederung in Betracht. Die Ausgliederung i.S.d. § 123 Abs. 3 UmwG ist die Übertragung eines oder mehrerer Vermögensteile eines Rechtsträgers auf eine oder mehrere übernehmende Rechtsträger, wobei im Unterschied zur Aufspaltung der übertragende Rechtsträger bestehen bleibt. Als Gegenleistung erhält der übertragende Rechtsträger Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger.

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Das Spaltungsverfahren ist sehr aufwendig. Es bedarf eines notariell beurkundeten Spaltungs- und Übernahmevertrages, der einen Monat vor Spaltungsbeschluss dem Betriebsrat zur Verfügung gestellt werden muss. Als Alternative zu diesen Verträgen kann auch ein Spaltungsplan mit gesetzlich festgelegtem Mindestinhalt, vgl. § 124 UmwG, dem Betriebsrat vorgelegt werden. In allen Fällen, in denen eine Spaltung erfolgt, um eine Neugründung durchzuführen, ist immer ein Spaltungsplan im Unterschied zu einem Spaltungs- und Übernahmevertrag erforderlich, weil im Unterschied zu einer reinen Spaltung kein Vertragspartner besteht, mit dem ein Spaltungs- und Übernahmevertrag abgeschlossen werden kann.[37]

37

Bei der Spaltung zur Aufnahme wird die fragliche Übertragung der Vermögensteile gleichzeitig jeweils auf einen anderen bestehenden Rechtsträger übertragen. Bei der Spaltung zur Neugründung wird die fragliche Übertragung auf einen anderen (neu gegründeten) Rechtsträger übertragen.[38]

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Die Anforderungen an den Spaltungs- und Übernahme/Spaltungsplan sind in § 126 UmwG gesetzlich geregelt. Danach muss der Spaltungs- und Übernahmevertrag oder sein Entwurf mindestens folgende Angaben enthalten:


1. den Namen oder die Firma und den Sitz der an der Spaltung beteiligten Rechtsträger;
2. die Vereinbarung über die Übertragung der Teile des Vermögens des übertragenden Rechtsträgers jeweils als Gesamtheit gegen Gewährung von Anteilen oder Mitgliedschaften an den übernehmenden Rechtsträgern;
3. bei Aufspaltung und Abspaltung das Umtauschverhältnis der Anteile und gegebenenfalls die Höhe der baren Zuzahlung oder Angaben über die Mitgliedschaft bei den übernehmenden Rechtsträgern;
4. bei Aufspaltung und Abspaltung die Einzelheiten für die Übertragung der Anteile der übernehmenden Rechtsträger oder über den Erwerb der Mitgliedschaft bei den übernehmenden Rechtsträgern;
5. den Zeitpunkt, von dem an diese Anteile oder die Mitgliedschaft einen Anspruch auf einen Anteil am Bilanzgewinn gewähren, sowie alle Besonderheiten in Bezug auf diesen Anspruch;
6. den Zeitpunkt, von dem an die Handlungen des übertragenden Rechtsträgers als für Rechnung jedes der übernehmenden Rechtsträger vorgenommen gelten (Spaltungsstichtag);
7. die Rechte, welche die übernehmenden Rechtsträger einzelnen Anteilsinhabern sowie den Inhabern besonderer Rechte wie Anteile ohne Stimmrecht, Vorzugsaktien, Mehrstimmrechtsaktien, Schuldverschreibungen und Genussrechte gewähren, oder die für diese Personen vorgesehenen Maßnahmen;
8. jeden besonderen Vorteil, der einem Mitglied eines Vertretungsorgans oder eines Aufsichtsorgans der an der Spaltung beteiligten Rechtsträger, einem geschäftsführenden Gesellschafter, einem Partner, einem Abschlussprüfer oder einem Spaltungsprüfer gewährt wird;
9. die genaue Bezeichnung und Aufteilung der Gegenstände des Aktiv- und Passivvermögens, die an jeden der übernehmenden Rechtsträger übertragen werden, sowie der übergehenden Betriebe und Betriebsteile unter Zuordnung zu den übernehmenden Rechtsträgern;
10. bei Aufspaltung und Abspaltung die Aufteilung der Anteile oder Mitgliedschaften jedes der beteiligten Rechtsträger auf die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers sowie den Maßstab für die Aufteilung;
11. die Folgen der Spaltung für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen sowie die insoweit vorgesehenen Maßnahmen.

39

 

Die Regelungen können als sehr umfangreich angesehen werden, zur Erleichterung der Praxis erlaubt der § 126 Abs. 2 UmwG aber, dass bei der Bezeichnung der zu übertragenden Gegenstände auf Urkunden wie Bilanzen und Inventare Bezug genommen werden kann, deren Inhalt eine Zuweisung des einzelnen Gegenstandes ermöglicht.[39] Soweit für die Übertragung von Gegenständen im Falle der Einzelrechtsnachfolge in den allgemeinen Vorschriften eine besondere Art der Bezeichnung bestimmt ist, sind diese Regelungen auch für die Bezeichnung der Gegenstände des Aktiv- und Passivvermögens (Absatz 1 Nr. 9) anzuwenden. § 28 GBO ist zu beachten. Im Übrigen kann auf Urkunden wie Bilanzen und Inventare Bezug genommen werden, deren Inhalt eine Zuweisung des einzelnen Gegenstandes ermöglicht; die Urkunden sind dem Spaltungs- und Übernahmevertrag als Anlagen beizufügen. Solche Urkunden sind dann gem. § 126 Abs. 2 UmwG dem Spaltungs- und Übernahmevertrag als Anlagen beizufügen.

40

Der Vertrag oder sein Entwurf ist gemäß § 126 Abs. 3 UmwG spätestens einen Monat vor dem Tag der Versammlung der Anteilsinhaber jedes beteiligten Rechtsträgers, die gemäß § 125 UmwG in Verbindung mit § 13 Abs. 1 UmwG über die Zustimmung zum Spaltungs- und Übernahmevertrag beschließen soll, dem zuständigen Betriebsrat dieses Rechtsträgers zuzuleiten. Den Vertragsparteien steht das Recht frei, über die vorgenannten Mindestinhalte hinausgehende Regelungen zu vereinbaren.[40]

41

Gemäß § 127 UmwG ist von den Leistungsorganen jedes der beteiligten Unternehmen ein Spaltungsbericht anzufertigen. Die Vertretungsorgane jedes der an der Spaltung beteiligten Rechtsträger haben einen ausführlichen schriftlichen Bericht zu erstatten, in dem die Spaltung, der Vertrag oder sein Entwurf im Einzelnen und bei Aufspaltung und Abspaltung insbesondere das Umtauschverhältnis der Anteile oder die Angaben über die Mitgliedschaften bei den übernehmenden Rechtsträgern, der Maßstab für ihre Aufteilung sowie die Höhe einer anzubietenden Barabfindung rechtlich und wirtschaftlich erläutert und begründet werden (Spaltungsbericht); der Bericht kann von den Vertretungsorganen auch gemeinsam erstattet werden. § 8 Abs. 1 Satz 2 bis 4, Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

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Gemäß § 127 Satz 2 i.V.m. § 8 Abs. 3 UmwG ist dieser durch – notariell zu beurkundende – Verzichtserklärungen der Anteilsinhaber aller beteiligten Rechtsträger vermeidbar sowie auch dann, wenn sich alle Anteile des übertragenden Rechtsträgers in der Hand des übernehmenden Rechtsträgers befinden. Ferner müssen folgende weitere Schritte bedacht werden:


Spaltungsbeschluss gem. § 125 i.V.m. § 13 UmwG,
Sachgründungsbericht nach dem GmbHG bei der Sachgründung einer GmbH, vgl. § 138 UmwG,

43

Für die Ausgliederung von Vermögensteilen in eine Tochtergesellschaft gelten die allgemeinen Spaltungsvorschriften grundsätzlich entsprechend. Jedoch sieht das Gesetz bei einzelnen Anforderungen und Verfahrensschritten Erleichterungen vor, die die Ausgliederung im Vergleich zur Abspaltung i.d.R. vereinfachen. So entfällt im Spaltungs- und Übernahmevertrag die Festlegung eines Umtauschverhältnisses und der Einzelheiten der Anteilsübertragung und Aufteilung der übernehmenden Gesellschaft, vgl. § 126 Abs. 1 Nrn. 4, 5, 10 UmwG, da die Anteile ausschließlich dem übertragenden Rechtsträger selbst gewährt werden. Ebenso entfällt die etwaige Verpflichtung zur Unterbreitung eines Barabfindungsangebotes, vgl. §§ 29 ff. UmwG. Entsprechend reduzieren sich die Ausführungen im Spaltungsbereich. Die Spaltungsprüfung entfällt gem. § 125 Satz 2 UmwG ebenfalls.[43]

(3) Haftung

44

Gemäß § 133 Abs. 1 UmwG haften die bei der Spaltung beteiligten Rechtsträger als Gesamtschuldner für die Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers, die vor dem Wirksamwerden der Spaltung begründet worden sind. Selbstverständlich bleiben daneben die allgemeinen Haftungsbestimmungen wie die §§ 25, 26 und 28 HGB bestehen. Unter den Voraussetzungen des § 125 i.V.m. § 22 UmwG kann der Gläubiger Sicherheitsleistungen für seinen Anspruch verlangen. Zur Sicherheitsleistung ist gem. § 133 Abs. 1 Satz 2 2. Hs. UmwG allerdings nur der an der Spaltung beteiligte Rechtsträger verpflichtet, gegen den sich der Anspruch richtet. Die Inhaber von Sonderrechten in einem übertragenden Rechtsträger werden durch §§ 125 i.V.m. §§ 23, 133 Abs. 2 UmwG geschützt, da ihnen in dem übernehmenden Rechtsträger gleichwertige Rechte zu gewähren sind.[44] Darüber hinaus sieht § 133 Abs. 3 UmwG vor, dass diejenigen Rechtsträger, denen die Verbindlichkeiten im Spaltungs- und Übernahmevertrag nicht zugewiesen worden sind, ebenfalls für die Verbindlichkeiten haften.[45]

(4) Arbeitsrechtliche Fragen nach UmwG

45

I.d.R. werden die meisten Fälle der Arbeitnehmerübernahme nach § 613a BGB geregelt. Bei der Arbeitnehmerübernahme nach Umwandlungsrecht ergeben sich häufig folgende Frage- und Problemstellungen:[46]


Arbeitgeberstellung
Regelung des Übergangs von Arbeitsverhältnissen bei Umwandlungen
Fortgeltung von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen
Betriebsratsmandat und Mitbestimmung nach dem BetrVG n.F.
Kündigungsrechtliche Stellung
Haftungsfragen

46

Hierbei muss besonderes Augenmerk auf das Verhältnis des arbeits- und umwandlungsrechtlichen Übergangs der Arbeitsverhältnisse gelegt werden. Der § 324 UmwG ist in seinem Regelungscharakter recht undeutlich. Streitig ist hierbei, ob es sich gem. § 324 UmwG durch den Wortlaut des Gesetzes: „§ 613a Abs. 1 und Abs. 4 des BGB bleibt durch die Wirkung der Eintragung eine Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung unberührt“ um eine reine Rechtsfolgenverweisung oder um eine Rechtsgrundverweisung zur Anwendung von § 613a BGB bei Outsourcing-Projekten durch Gesamtrechtsnachfolge handelt.[47] In der Praxis wird man wohl davon ausgehen können, dass es sich hierbei um einen Rechtsfolgenverweisung handelt.[48]

47

Ein Tarifvertrag wirkt gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG nur dann normativ, wenn der übernehmende Rechtsträger nach der Umwandlung durch eine eigene Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband eine entsprechende Tarifbindung bewirkt. Die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband wird dabei nicht von der Gesamtrechtsfolge erfasst. Die normative Wirkung des Tarifvertrages kann somit bei der Unternehmensumwandlung seine Wirkung verlieren.[49] Dies gilt in gleicher Weise, wenn infolge der Umwandlung der fachliche Geltungsbereich des jeweiligen Tarifvertrages verlassen wird.

48

Grundsätzlich gelten die Betriebsvereinbarungen bei Identität des Betriebs fort,[50] da das BAG entschieden hat, dass die normative Wirkung des § 77 Abs. 4 BetrVG entfällt, wenn die Identität des Betriebs durch die Umwandlung verloren geht.[51] Ferner ist nach der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates gem. § 50 Abs. 1 oder Abs. 2 BetrVG zu unterscheiden, da bei abgeleiteter Zuständigkeit die Regelungen in der Gesamtbetriebsvereinbarung jeder Einzelbetriebsrat selbst hätte treffen können.[52]

49

Bei den Umwandlungsformen der Verschmelzung und der Spaltung sind die in § 5 Abs. 1 Nr. 9, 126 Abs. 1 Nr. 11 UmwG enthaltenen Pflichtangaben über arbeitsrechtliche Folgen im Umwandlungsvertrag, die Zuleitung an den Betriebsrat nach §§ 5 Abs. 3, 126 Abs. 3 UmwG, die Ergänzung des § 106 Abs. 3 Nr. 8 BetrVG (Wirtschaftausschuss) und die Ergänzung des § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG (Betriebsrat) von Bedeutung.

Bei den Umwandlungsformen der Verschmelzung oder Spaltung sieht das UmwG die Zuordnung von Arbeitnehmern nach § 323 Abs. 2 UmwG, die Verweisung auf den Kündigungsschutz nach § 613a Abs. 4 BGB sowie die Informationspflicht in § 613a Abs. 5 und Abs. 6 BGB (§ 324 UmwG) und die Verweisung auf die Weitergeltung von Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen nach § 613a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB (§ 324 UmwG) vor.[53]

50

Das UmwG enthält leider keine Regelungen zur normativen Fortgeltung von Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen. In Frage könnte aber eine Transformation der normativen Regelungen im Arbeitsvertragsrecht unter der Prämisse des § 613a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB kommen. Der § 613a BGB setzt hierbei den Übergang eines Betriebs oder Teilbetriebs voraus. Das BAG hat mit dem Urteil von 25.5.2000[54] entschieden, dass die Vorschriften zum Betriebsübergang des § 613a BGB auch in Umwandlungsfällen gelten und selbstständig zu prüfen seien. Bei der Spaltung und Teilübertragung sieht § 126 Abs. 1 Nr. 9 UmwG vor, dass die Arbeitsverhältnisse mit den Betriebsteilen übergehen. Somit schützt das Kündigungsverbot des § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB den Arbeitnehmer im Falle eines Betriebsübergangs vor einer Kündigung aufgrund des Übergangs.[55] Bei der Spaltung oder Teilübertragung verschlechtert sich gem. § 323 Abs. 1 UmwG die kündigungsrechtliche Stellung eines Arbeitnehmers aufgrund der Spaltung oder Teilübertragung für die Dauer von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens nicht.[56]

 

51

Gemäß §§ 5 Abs. 1 Nr. 9, 126 Abs. 1 Nr. 11, 136, 176, 177, 194 Abs. 1 Nr. 7 UmwG sind die zuständigen Betriebsräte über die Folgen der Umwandlung für die Arbeitnehmer und ihre Vertretung sowie die vorgesehenen Maßnahmen zu unterrichten. Dabei ist der Umwandlungsvertrag bzw. Spaltungsplan oder Umwandlungsbeschluss dem zuständigen Betriebsrat spätestens einen Monat vor dem Tag der Anteilsinhaberversammlung zuzuleiten, vgl. §§ 5 Abs. 3, 126 Abs. 3, 176, 177, 194 Abs. 2 UmwG.

52

Checkliste zu arbeitsrechtlichen Anforderungen beim Outsourcing nach UmwG[57]


Vorliegen einer umwandlungsrechtlichen Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung oder Formwechsels
Übertragung eines Betriebs oder Teilbetriebs i.S. des § 613a BGB (str. wg. § 324 UmwG)
Feststellung einer Betriebsänderung
Informationsrechte des Betriebsrates nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 9, 126 Abs. 1 Nr. 11, 136, 176, 177, 194 Abs. 1 Nr. 7 UmwG
Information des Wirtschaftsausschusses (nach § 106 Abs. 3 Nr. 8 BetrVG)
Mitbestimmung und Mitwirkung des Betriebsrates nach § 111 BetrVG interessenausgleichs- und/oder sozialplanpflichtig; Ausnahme: Bagatellausgliederungen)
Pflichtangaben nach § 5 Abs. 1 Nr. 9, § 126 Abs. 1 Nr. 11, § 194 Abs. 1 Nr. 7 UmwG im Umwandlungsvertrag
Beachte: Besonderheiten des Betriebsübergangs in der Insolvenz
Zuleitung des Umwandlungs- bzw. Spaltungsplanes oder Umwandlungsbeschlusses an den zuständigen Betriebsrat spätestens einen Monat vor Anteilseignerversammlung (§§ 5 Abs. 3, 126 Abs. 3, 176, 177, 194 Abs. 2 UmwG)

53

Treffen Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB und Unternehmensumwandlung zusammen, stellt sich die Frage, welche haftungsrechtlichen Vorschriften Anwendung finden:


die des § 613a Abs. 2 BGB oder
die des UmwG (§§ 22, 133 ff. UmwG).

54

§ 613a Abs. 3 BGB, wonach § 613a Abs. 2 BGB nicht gilt, wenn ein Unternehmen durch Umwandlung erlischt, regelt das Verhältnis nur unvollkommen. Zwar scheint § 613a Abs. 3 BGB auf den ersten Blick vorauszusetzen, dass Absatz 2 in sonstigen Fällen der Umwandlung Anwendung findet, doch ist nach herrschender Auffassung die Haftungsregelung des § 613a Abs. 2 BGB auf Fälle der Unternehmensumwandlung generell nicht anzuwenden. Folgendes spricht dafür: Nach § 324 UmwG bleiben allein die Absätze 1 und 4 des § 613a BGB unberührt, nicht auch dessen Absatz 2.[58] Der § 133 Abs.+ 2 UmwG bleibt allein gem. §§ 25, 26 HGB unberührt, nicht auch § 613a Abs. 2 BGB.[59] Vielmehr enthalten die §§ 22, 133 ff. UmwG günstigere Sonderregelungen zum Schutz der Arbeitnehmer, die§ 613a Abs. 2 BGB als leges specialis vorgehen.[60] Deshalb erschöpft sich die Bedeutung des § 613a Abs. 3 in der Selbstverständlichkeit, dass eine Nachhaftung des erlöschenden bisherigen Inhabers nicht in Betracht kommt.[61]