Natürliche Rache. Schuldig. Julia.

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Natürliche Rache. Schuldig. Julia.
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NATÜRLICHE RACHE

Schuldig

Julia

B. L. Rámiz veröffentlichte im Juli 2017 »Worlds: Kapseln der Wiedergeburt I«. Seitdem hat er nicht aufgehört, an diesem Projekt zu arbeiten. Im April 2019 erschien »Worlds: Kapseln der Wiedergeburt II«, die zweite Folge dieser Saga.

Jetzt haben Sie »Julia« in Ihren Händen, den ersten Teil des Werks »Natürliche Rache«, dessen erstes Buch »Schuldig« heißt. In diesem Werk bietet der Autor nicht nur eine Reise durch die Reflexion über Umweltschutz, sondern hat auch ein neues Format geschaffen, das den Lesern eine neue Art bietet, eine Geschichte kennenzulernen.

B. L. RÁMIZ

NATÜRLICHE RACHE

Schuldig

Julia

Mary, du warst die Erste; Juanma: Du, der Zweite.

Danksagung:

 An Juan Manuel und Elena, eure Unterstützung ist immer wunderbar.

 An Francisco García, der für die Korrekturen dieses Buches verantwortlich war.

 Allen, die an mich geglaubt haben, insbesondere Eva und Marijose.

 An Adrián Lucas für das großartige Cover, das er entworfen hat.

 An Mary Carmen Belda für ihre selbstlose Zusammenarbeit.

Autor des Buches: B. L. Rámiz

©Alle Rechte vorbehalten:

Die vollständige oder teilweise Vervielfältigung dieser Publikation, unabhängig der Mittel oder Verfahren, ist ohne die vorherige, ausdrückliche und schriftliche Genehmigung des Autors untersagt. Jede Form der unbefugten Nutzung wird nach den gesetzlichen Bestimmungen strafrechtlich verfolgt.

TOT

»Und hier haben wir ihn! Er hat keine Kosten gescheut!« Ein Reporter mit einem außergewöhnlich weißen Lächeln berichtete Schritt für Schritt über die Ankunft des wichtigsten Informatik-Magnaten im Weißen Haus. »Nun steigt er aus seinem exklusiven ›Marybach‹ mit eingelassenen Gold- und Diamantelementen aus! Wie immer umgeben von einer Vielzahl von Sicherheitsleuten. Bis zu fünfzig Leibwächter begleiten ihn, wo auch immer er hingeht. Dieses Mal wurde ein Sicherheitsumkreis von zwei Kilometern begrenzt und die effektivsten Geschossdetektoren installiert, damit kein Schuss sein Ziel innerhalb des Umkreises erreichen konnte.« Um den Reporter konnte man eine Vielzahl von Journalisten und Kameras sehen, die direkt in die verschiedenen Medien auf der ganzen Welt übertrugen. »Wir warten nun darauf, dass er aussteigt ... und da ist er, meine Damen und Herren! In einem Anzug, der von seinem persönlichen Designer entworfen wurde! Er hat uns nicht enttäuscht und erfreut uns mit einem weiteren seiner Anzüge aus goldenem Stoff! Wenn Sie seine silbernen Schuhe sehen könnten ...! Wir können Ihnen berichten, dass es sich um ein exklusives Design des Designers Fabián Arizmendi handelt, das von der Sportmarke »Tanidas« hergestellt wurde. Seine Krawatte ...«

»DU HURENSOHN!«, schrie Alex empört, nachdem er sein Glas Saft leergetrunken hatte.

»ALEX! BITTE HÜTE DEINE ZUNGE!« Emma sah ihren Sohn mit einem wenig erfreuten Gesicht an.

»Ich werde mich bei diesem Scheißkerl nicht zusammenreißen! Er ist der Feind Nummer eins des Planeten!« Alex schien nicht gewillt zu sein, sich zu beruhigen. Tatsächlich war er so wütend, dass er die Reste des hausgemachten Brots ausspuckte, in das er gerade gebissen hatte.

»Ich verstehe, wie du dich dieser unmöglichen Person gegenüber fühlst, aber ich denke nicht, dass es notwendig ist, auf Wut oder diese Art von Vokabular zurückzugreifen.« Emma übergoss ihre Tomate mit etwas Olivenöl. Dann sah sie ihren Mann an. »Andererseits hätte ich auch gehofft, dass dein Vater dich wegen deinem Verhalten zurechtweist.«

»Es kann sein, dass sein Vater dies nicht getan hat, weil er mit seinem Sprössling einer Meinung ist. Izan Moore ist ein Hurensohn.« Daniel, der Vater der Familie Smith, fügte seinem Kaffee ein paar Tropfen Stevia hinzu, während er sein Haarband zurechtrückte, das sein langes blondes Haar voller Dreadlocks zusammenhielt. »Ich wette, er ist der größte Hurensohn der Welt.«

»Yeah!« Alex und sein Vater klatschten sich gegenseitig ab, als Zeichen ihres Einverständnisses. Emma sah sie sehr wütend, aber auch etwas resigniert an.

»Wie könnte unser Sohn normal sein, mit solch einem Vater?« Emma begann den Tisch abzuräumen, fast alle waren mit dem Frühstück fertig.

»Und wer ist normal in dieser Familie?«, fragte Daniel. »Wir sind Amerikaner, kommen aus Kalifornien und leben auf dem Land, bei einer kleinen Stadt im tiefsten Inneren Spaniens, autark mit Obst und Gemüse und verkaufen, was wir übrighaben. Wir sind eine vom Aussterben bedrohte Art im 21. Jahrhundert!«

»So gesehen ...« Emma hatte keine Lust zu streiten und tief in ihrem Inneren hielt sie genau dasselbe von Herr Moore wie ihr Mann und ihr Sohn.

»Ich bin fertig!« Julia kam die Treppe herunter, die direkt zum Wohnzimmer im Erdgeschoss führte, wo der Rest der Familie das Frühstück beendete. »Warum schaut ihr diesen Hurensohn an?«, fragte Julia und zeigte mit dem Finger auf den Fernseher.

»Noch eine!« Emma wollte sich nicht an solche Ausbrüche gewöhnen. »Spike!«

Der Familienhund war gerade durch die Katzenklappe an der Haustür hereingekommen und war direkt zum Fernsehen gegangen, wo der Informatik-Magnat über einen langen roten Teppich lief und von schwarz gekleideten Leibwächtern umgeben war. Er schien sehr wütend zu sein. Er bellte ein paar Mal und knurrte ausgiebig und fletschte die Zähne.

»Sogar Spike hasst diesen Scheißkerl! Ihm ist es nicht genug die globale Erderwärmung und Verschmutzung des Planeten zu verleugnen. Jetzt wird er den Präsidenten der Vereinigten Staaten davon überzeugen, von allen zum Schutz der Umwelt festgelegten Protokollen abzuweichen!« Alex hasste diesen Kerl mit all seiner Kraft.

»Nicht nur das, es wird gemunkelt, dass er möchte, dass der Präsident den Vereinten Nationen mit der Abschaffung von Handelsabkommen droht, wenn die Protokolle die Wirtschaft der Vereinigten Staaten beeinflussen könnten«, fügte Daniel hinzu.

»VERDAMMTES SCHWEIN!«, schrie Alex und sprang von seinem Stuhl. »HOFFENTLICH RÄCHT SICH DIE NATUR AN DIESEM VERDAMMTEN SCHEISSHAUFEN!« Alex Stimme war so laut, dass Spike ein wenig Angst bekam. Er sah ihn an und verließ dann das Haus wieder durch die Katzenklappe an der Haustür.

»Jetzt ist es aber gut!« Emma wollte diese üble Redensweise nicht weiter hören. »Auf geht´s! Räumen wir den Tisch ab, wir müssen Julia zur Haltestelle begleiten!«

Die Familie Smith trennte sich regelmäßig voneinander, um Kurse zum Thema Umweltschutz zu belegen. Alle Familienmitglieder lebten vollständig vegetarisch und bauten fast alles an, was sie konsumierten. Julia würde an diesem Morgen nach Málaga zu einer Umweltkonferenz fahren. Am nächsten Tag würde Alex nach Asturien gehen, um an der ›Messe der natürlichen Ideen‹ teilzunehmen und Daniel würde ihn auf der Reise bis nach Madrid begleiten, wo er einen Kurs besuchen würde zur Herstellung von Dingen, die auf nicht kontaminierende Weise abkühlten. Emma musste sich diesmal um die Saat kümmern, aber sie würde an einem Wettbewerb über ökologische Hüte teilnehmen, sobald ihre Tochter wieder zurück sei.

»Dieser Rosenstrauch wächst sehr schnell!« Julia war fast einen Meter vom neuen Rosenstrauch ihrer Mutter entfernt. Sie streckte die Hand aus, um die Oberfläche der Blätter zu berühren. »SCHEISSE!«

»Was ist los?«, fragte Alex und beeilte sich seinen Kopf umzudrehen, um seine Schwester anzusehen, die ihren Zeigefinger in ihren Mund steckte. »Wie übertrieben! So ein Schrei wegen einem verdammten kleinen Dorn!«

»Aber er war noch weit weg, ich könnte schwören ... MIST! Schaut auf die Uhr wie spät es ist!« Julia deutete auf die Holzuhr, die am Kaminabzug hing. »Wir müssen sofort los!«

»Auf, ja!« Julia beeilte sich, die Haustür zu öffnen. »Zum Glück habe ich die Fahrräder schon vorbereitet!«

Die Familie eilte aus dem Haus und ließ den Fernseher an, wo weiterhin die Live-Übertragung des Informatik-Medienmagnaten Izan Moore lief, der bereits im ovalen Büro neben dem Präsidenten saß und sie schon auf gute Freunde machten.

»Es werden ihnen im Moment die Mikrofone angebracht, damit wir bald Herrn Moore und den Präsidenten Crumb hören können«, sagte die Stimme des Reporters, dessen ultraweißes Lächeln niemanden mehr quälen konnte, da es nicht auf dem Bildschirm erschien. »Oh! Schauen Sie sich Pree an! Es sieht so aus, als hätte sie eine brandneue Kette mit in Weißgold eingelassenen Diamanten! Die Mikrofone sind bereits angebracht, es scheint, als würden sie beginnen zu reden.«

»Liebe amerikanische Bürger, Bürger der Welt, wir sind hier, um Licht in all den Unsinn zu bringen, der mit bösen Absichten über meine Unternehmen verbreitet wird.« Herr Moore streichelte Pree, seinen kleinen weißen Chihuahua, der ruhig auf seinem Schoß lag. »Ich danke Präsident Crumb für die Einladung, ihn zu besuchen.«

»Sie haben mich doch darum gebeten! Wer kann da widerstehen?« Im Hintergrund waren mehrere Leute zu hören, die über die Worte des Präsidenten lachten, der direkt in die Kamera schaute. »Aber kommen wir direkt zu dem, was uns interessiert: Wer gibt hier die Befehle? Sie oder Ihr Hund?« Wieder war im Hintergrund etwas Gelächter zu hören.

»Gute Frage! Was denken Sie? Ich trage keine Diamantkette!« Diesmal dauerte das Lachen länger als zuvor. »Jetzt im Ernst. Über mich wird gesagt, dass ich Tiere hasse. Kümmert sich jemand, der seinen Hund hasst, mehr um ihn als um sich selbst? Ich bin hier, um etwas zu sagen, was ich schon so oft gesagt habe. Ich bin hier, um zu bestätigen, dass es keine solche Umweltverschmutzung gibt, dass es keine globale Erderwärmung gibt. Das alles sind Täuschungen einiger Länder, um die Industrien anderer zu zerstören.«

 

»Wir haben bereits darüber gesprochen und Sie wissen, dass wir ziemlich ähnlicher Meinung sind, aber ich kann die Unfähigen nicht dazu bringen, angemessen zu denken.« Der Präsident der Vereinigten Staaten strotzte nur vor Arroganz mit seinen Worten und Gesten.

»Aber Sie können etwas tun, um was ich Sie noch nicht gebeten habe. Ich möchte der Welt zeigen, dass das ganze Verschmutzungsthema ein Lügenmärchen ist. Sie liefern uns Tausende von gefälschten Fotos und Videos, die uns glauben lassen sollen, dass sie echt sind, aber alle sind nur Fake.« Herr Moore fuhr mit den Fingern über Prees Brust, die auf seine Schulter geklettert war.

»Ja, die Presse und die sozialen Medien sind in letzter Zeit voller Fakes«, bestätigte Präsident Crumb. »Aber ich muss Sie fragen: Wie wollen Sie beweisen, dass es keine globale Erderwärmung und keine Umweltverschmutzung gibt?«

»Darauf wollte ich hinaus! Wie ich bereits sagte, fördern einige Länder diese Täuschungen, sie fördern sie seit Jahrzehnten mit nur einer Absicht: Die Wirtschaft der Vereinigten Staaten zu zerstören.« Der Chihuahua stieg von der Schulter seines Besitzers und sprang zu Boden. »Es gibt nur einen Weg, um zu beweisen, dass das alles falsch ist.« Pree näherte sich der Tür, die zum Rosengarten führte. Auf der anderen Seite war eine weiße Taube gelandet und der Chihuahua kratzte an der Tür. »Es gibt nur einen Weg den Menschen die Augen zu öffnen, damit sie erkennen, dass sie uns daran gehindert haben, das volle industrielle Potenzial zu entfalten, das wir haben.« Pree kratzte eindringlicher an der Tür.

»Um Himmels Willen! Öffnet ihr die Tür!«, befahl der Präsident. Pree ging nach draußen und ging auf die Taube zu. Niemand schien darauf zu achten. »Bitte fahren Sie fort. Wie können wir die Menschen dazu bringen, die Wahrheit zu erkennen?«

»Es ist ziemlich einfach, es liegt ganz bei Ihnen.« Pree kam wieder rein und schien einen Freund mitzubringen. Alle waren überrascht zu sehen, wie der Chihuahua wieder auf Herr Moores rechte Schulter kletterte und die Taube auf die andere Schulter flog. »Beeindruckend! Es scheint, als ob die Natur mir helfen möchte, die Augen der Menschen zu öffnen! Ich, der Feind der Tiere! Wie sehr mag mich diese Taube wohl hassen? Ich versichere Ihnen, das war nicht vorbereitet.« Im Hintergrund waren mehrere erstaunte Ausrufe zu hören. »Herr Präsident, nur Sie können die Menschen über die Realität unterrichten. Nur Sie können beweisen, dass es keine Verschmutzung gibt! Holen Sie die Vereinigten Staaten aus allen Protokollen, die die industrielle Produktion einschränken! LASST UNS UNBEGRENZT PRODUZIEREN!«

Es waren nur ein paar Zehntelsekunden. Niemand konnte reagieren. Niemand konnte es glauben. Nur ein paar Zehntelsekunden. Ein Desaster. Eine Tragödie.

Die Taube flog ein paar Zentimeter direkt vor das Gesicht des Klimawandel-Leugners. Sie warf ihren Schnabel so schnell hin und her bis seine Augen aus den Augenhöhlen sprangen und Hunderte von Bluttropfen alles um ihn herum bespritzten und die Taube gesprenkelt war. Genau in diesem Moment, genau zum zehnten Mal, als die Taube das rechte Auge aus der Augenhöhle des Magnaten riss, schlug Pree mit aller Kraft ihre Zähne ihres Kiefers in die rechte Halsschlagader und genau in dem Moment, in dem das linke Auge aus der Augenhöhle von Herr Moore direkt auf den Präsidenten zuschoss, riss der Chihuahua die Halsschlagader derselben Seite ihres Besitzers aus. Das Blutbad nahm zu, je mehr Moore atmete und zwei Blutstrahlen schossen auf beide Seiten, die alles rot färbten.

In nur wenigen Zehntelsekunden war Pree mit dem Blut ihres Besitzers befleckt und nur wenige Zehntelsekunden später war sie auf die Brust des Präsidenten gesprungen, dessen Augen bereits von der Taube gepickt wurden.

Alle waren geschockt, alles war gelähmt. Die beiden Männer, die noch kurz zuvor darüber gesprochen hatten wie man die Welt steuern könnte, waren nun dort ohne Augen und es sprudelte Blut aus beiden Seiten ihres Halses.

OHRWÜRMER

Der Bahnhof am Eingang der Stadt Añora war an diesem Morgen nicht gerade überfüllt. Spike war der erste, der dort ankam. Dann stellte Julia das Fahrrad auf dem Parkplatz ab und holte zwei Bahntickets heraus. Ihre Mutter wartete an der Tür auf sie mit dem kleinen Rucksack, in dem sie alles trug, was sie für ihre Reise nach Málaga benötigte.

»Dein Zug kommt gleich. Wo ist Carlos?«, fragte Emma.

»Ich bin sicher, er wird wie immer gerade noch rechtzeitig ankommen«, sagte die Tochter der Familie Smith und verdrehte die Augen.

»Nun, dein Zug wird in sieben Minuten kommen! Dein fauler Freund wird wohl an Land bleiben, hahaha!« Alex neckte seine Schwester, wann immer er die Möglichkeit dazu hatte.

»Halt die Klappe, du Clown!«, keifte Julia. Diese Streitereien waren geläufig, ihre Eltern waren daran gewöhnt, deshalb zogen sie es vor, sie zu ignorieren.

»Da ist er!« Daniel hob die Hand, um Carlos zu begrüßen. »Lauf, der Zug fährt gerade ein!«

Carlos war am Schwitzen, man konnte erkennen, dass er mit dem Fahrrad gefahren war, um nicht zu spät zu kommen. Er trug genau wie Julia einen Rucksack und seine schwarze Mähne reichte ihm bis zur Hüfte. Er war dabei in Richtung Parkplatz zu gehen, doch Daniel hielt ihn auf.

»Ich kümmere mich darum! Schnell in den Zug!«, rief er und zeigte auf die nächste Tür.

»Melde dich, wenn du ankommst, Liebling«, sagte Emma und umarmte ihre Tochter. »Und lerne so viel du kannst!«

Nachdem Julia und Carlos sich verabschiedet hatten, stiegen sie in den Zug und dieser fuhr sofort los in Richtung ihres Zieles.

Am Morgen war der Himmel etwas bewölkt, so dass Julia beschloss, ihre Sonnenbrille in einem der Fächer ihres Rucksacks aufzubewahren. Sie verstauten ihr Gepäck in den Gepäckfächern des Wagons, der völlig leer war.

»Es ist egal, sie sind nicht nummeriert«, sagte Julia, als sie sah, dass Carlos ihre Hand nahm, in der sie die Tickets trug, um die Sitznummer herauszufinden.

»Genau hier.« Carlos zeigte auf ein paar leere Plätze. »Entschuldigung, ich wäre fast zu spät gekommen.«

»Du bist immer zu spät, Carlos.« Trotz des Vorwurfs schien Julia nicht böse zu sein. Tatsächlich lächelte sie.

»Ich habe eben den Empfang von Präsident Crumb geschaut. UNFASSBAR! Findest du nicht auch?«, fragte Carlos und band seine Haare in einem Pferdeschwanz zusammen.

»Ja, deine Haare sind schon zu lang. Wann wirst du sie endlich schneiden?«, neckte ihn Julia.

»Das meine ich nicht!« Carlos sah Julia an, sie erwiderte den seltsamen Blick und schüttelte den Kopf. »DU WEISST ES NICHT!«

»Was weiß ich nicht?«, fragte Julia stirnrunzelnd. Sie kannte ihren Freund so gut, um zu verstehen, dass etwas ganz Wichtiges geschehen sein musste.

»Klar! Du wirst keine Zeit gehabt haben zu sehen, was passiert ist! Ihr wohnt weiter weg!«, rief Carlos aus. »Moore und der Präsident sind tot!«

»WIE!!?« Julia war fassungslos. »Wenn das ein Witz ist, dann ist er nicht lustig.«

»Im Ernst!«, sagte Carlos sehr aufgeregt. »Moores Chihuahua hat beiden die Halsschlagader aufgerissen und eine weiße Taube hat ihnen mit dem Schnabel die Augen ausgepickt!«

»Chihuahuas und Halsschlagader, Tauben und ausgepickte Augen ... Hast du etwa schon Marihuana geraucht?« Julia bat ihn immer, nicht zu kiffen, wenn sie etwas vorhatten, wo sie konzentriert sein mussten.

»Ich weiß, es klingt wie eine Facebook-Lüge! Aber es ist wirklich wahr! Alles ist live passiert!« Carlos erkannte, dass es für diejenigen schwer zu glauben sein musste, die es nicht gesehen hatten und deshalb nahm er sein Smartphone heraus, um ihr das Video zu zeigen.

»Und jetzt zeigst du mir einen von deinen Fakes«, sagte Julia gelangweilt. »Komm schon, hör auf mit diesem Unsinn und lass uns einen Blick auf den Konferenzablauf werfen.«

Aber Carlos hielt bereits das Video vor sie. Julias Gesicht war ein Gedicht: Zuerst lächelte sie leicht, dann verzog sie ihr Gesicht angewidert und drehte den Kopf zur Seite, als wollte sie es nicht mehr sehen. Aber es schien wahr zu sein. Er nahm sein Smartphone und suchte nach Nachrichten über den Empfang von Izan Moore, musste jedoch nur den Buchstaben ›I‹ eingeben, damit Google ›Izan Moore‹ als wahrscheinlichste Suche anzeigte. Er wählte eine der Nachrichten mit gerunzelter Stirn.

»VERDAMMT! ABER WAS ZUM TEUFEL?« Sie flippte völlig aus. »ES IST WAHR!«

»Überall auf der Welt wird über nichts anderes geredet! Deshalb war ich spät dran!«, sagte Carlos. »Die Taube und der Chihuahua wurden eingeschläfert, sobald die Leibwächter den Schock überstanden hatten«.

»Echt übertrieben! Oder?«, sagte Julia, aber das Gesicht ihres Freundes gab ihr zu verstehen, dass sie sich genauer erklären musste. »Ich meine nicht den Tod des Hundes oder der Taube! Auch nicht den dieser beiden Hurensöhne! Und obwohl ich denke, dass sie der Welt einen Gefallen tun, indem sie tot sind, wünsche ich niemandem einen so schrecklichen Tod.«

»Die Wahrheit ist, dass es ziemlich seltsam war. Man kann es im Video nicht sehen, aber der Chihuahua wollte in den Rosengarten und als er wieder eintrat, tat er es mit dieser Taube«, erklärte Carlos. »Da kamen schnell Theorien über trainierte Tauben auf.«

»Wer trainiert Tauben darauf, den Leuten die Augen auszustechen?«, fragte Julia und rümpfte dabei ihre Nase.

»Und das Seltsamste: Wer kann Tauben dazu trainieren, einen Chihuahua davon überzeugen zu können, Halsschlagadern aufzureißen?« Carlos schien an die schwierigste Frage in diesem Dilemma gekommen zu sein.

»Es spielt keine Rolle, wie auch immer, sie sind tot. Besser so.« Julia hielt die Angelegenheit für erledigt. »Jetzt werden wir den Ablauf checken.«

»Wie langweilig! Wir kennen den doch schon auswendig! Gestern haben wir mehr als drei Stunden damit verbracht, ihn durchzugehen«, beklagte sich Carlos.

Die Reise verlief zwischen Lachen und Beschwerden auf beiden Seiten. Am Ende gingen sie nichts durch, aber sie sprachen über die Pläne, die Julias Vater und Bruder hatten. Sie lasen ein bisschen und hörten Musik, bevor sie in einen tiefen Schlaf fielen.

»Leute, entschuldigt« Ein Schaffner klopfte zweimal auf Julias Schulter, die auf dem Sitzplatz am Gang saß. »Ihr habt Glück gehabt, dass ich hier vorbeikomme, der Zug ist gerade in Málaga angekommen und fährt gleich weiter.«

»Scheiße! Entschuldigung!« Julia sah den Schaffner etwas verlegen an. »Möchten Sie unsere Fahrkarten sehen?«

»Nein, danke, sie liegen auf dem Tisch, also habe ich sie bereits gesehen und euch weiterschlafen lassen«, antwortete der Schaffner lächelnd. »Auf geht´s! Raus jetzt!«

Die beiden jungen Leute packten ihre Taschen, nachdem sie sich beim Schaffner bedankt hatten und stolperten durch die Tür des Wagons, durch die sie eingestiegen waren. Das Hotel, in dem sie diese zwei Nächte verbringen würden, war ganz in der Nähe des Bahnhofs ›María Zambrano‹, also gingen sie zu Fuß. In Málaga war der Himmel etwas klarer, aber gemessen an der Richtung der Wolken schien es, als würden sie diesen bis Ende des Nachmittags vollständig bewölken.

Sie kamen im Hotel an, legten ihre Ausweispapiere vor, um für die Unterkunft einzuchecken und gingen auf ihr Zimmer. Es war ein einfaches Zimmer in einem billigen Hotel, das mit Gemeinschaftsbädern ausgestattet war. Sie verstauten ihre Kleidung in dem kleinen Schrank und steckten ihre Rucksäcke unter das Bett. Dann meldeten sie sich bei ihren Familien, dass sie sich bereits eingerichtet hatten und gingen nach draußen, um etwas zu essen.

Es fing an zu regnen, also gingen sie schneller, um einen Platz zum Essen zu finden, bevor es schlimmer werden würde. Ein Mann vor ihnen ging sehr langsam und führte einen Hund an der Leine. Er schrie ihn an.

»VERDAMMTER SCHEISSKÖTER! PISS JETZT! ES WIRD REGNEN!« Julia und Carlos sahen sich an und machten ein wütendes Gesicht. PISS VERDAMMT NOCHMAL, ICH WERDE KLATSCHNASS!« Als er das sagte, riss der Mann fest an der Hundeleine, so dass der Hund aufschrie.

Julia und Carlos wollten gerade eingreifen, als eine Möwe schnell herabstieg und dem Hundebesitzer auf seiner Glatze einen Kratzer verpasste. Er beschimpfte den Vogel ein paar Mal und riss dann wieder an der Leine. Die Möwe kratze ihn noch mehrmals und der Mann, etwas verängstigt, packte den Hund und rannte davon.

»Er hat es verdient!«, rief Julia aus. »Wir sollten jedoch vorsichtig sein, einige Möwen verteidigen ihr Gebiet.«

 

»Ihr Gebiet? Wir sind im Zentrum von Málaga!«, rief Carlos aus.

»Ich weiß nicht, ich schätze, sie ist desorientiert. Die Fauna spielt verrückt mit der Umweltverschmutzung und dem Klimawandel«, sagte Julia und wischte sich mit dem Ärmel ihrer Bluse das Gesicht ab. »Wir werden klitschnass! Genau hier!«

Sie gingen in eine Bar, in der mehr junge Leute waren und bestellten ein paar vegetarische Sandwichs. Dann gingen sie zurück ins Hotel, um sich auszuruhen.

Am nächsten Tag hatten sie die erste Umweltkonferenz, die sich mit ›Der kurzfristigen Nicht-Nachhaltigkeit des Fleischkonsums‹ befasste.

Nach der Konferenz gingen sie auf ihr Zimmer zum Essen, ihre Mutter hatte ihnen einen grünen Salat mit Tofu und Pilzen zubereitet. Eine Nachricht ihres Vaters teilte ihnen mit, dass er bereits in Madrid angekommen war und dass Alex seinen Weg nach Asturien bereits fortsetzte.

Als sie zum Hotel gingen, kamen sie an einem kleinen Park vorbei, in dem scheinbar gebaut wurde. Ein Stadtarbeiter hielt eine Kettensäge. Zuerst dachten Julia und Carlos, er würde einige Äste abschneiden, aber dann sahen sie, wie er die Kette des Geräts an den Stamm ansetzte.

»Entschuldigen Sie, hören Sie mal. ENTSCHULDIGUNG!« Julia musste schreien, um trotz des Motorgeräuschs gehört zu werden. Der Arbeiter sah sie an. »KÖNNTEN SIE DIE FÜR EINE SEKUNDE AUSSCHALTEN?«

»Hallo, sorry, ich konnte dich mit dem Lärm nicht hören. Was gibt es?«, fragte der Arbeiter sie freundlich.

»Nun, ich habe gesehen, dass Sie den Baum fällen werden, aber er sieht nicht krank aus, dürften wir wissen warum?«, fragte die Tochter der Smiths mit ihrem amerikanischen Akzent.

»Nun, es ist eine Schande, ich war selbst dagegen, aber natürlich, der Chef sagt, was Sache ist«, begann der Mann im braunen Overall zu erklären, während er die Kettensäge hielt. »Eine Baufirma hat dem Gemeinderat Millionen für diesen Park gezahlt, sie werden hier Luxusbüros bauen.«

»HURENSÖHNE! Kann da nichts getan werden?«, fragte Carlos und trat zwei Schritte vor.

»Glaubt mir, ich bin genauso sauer wie ihr, aber wenn es um finanzielle Interessen geht, sind Grünflächen weniger wichtig als Scheiße«, sagte der Arbeiter, bevor er die Kettensäge erneut startete und sich daran machte, den Baum zu fällen.

Als er die Kettensäge an den Stamm anlegte, schien sich der Baum seltsam zu neigen. Der Arbeiter sah auf und wechselte die Position. Als die Kette den Stamm wieder berührte, fiel ein Ast zu Boden und traf die Kettensäge. Diese fiel dem Arbeiter aus den Händen, knallte gegen den Stamm und drehte sich um. Eine Sekunde später lag der Arbeiter ohnmächtig auf dem Boden. Sein Arm lag ungefähr drei Meter von ihm entfernt. Julia und Carlos riefen entsetzt den Notruf an. Der Krankenwagen ließ nicht lange auf sich warten.

Nach diesem Zwischenfall hatten sie keine andere Wahl, als ihre geplanten Aktivitäten fortzusetzen, aber keiner von ihnen hatte jetzt mehr Appetit. Also nahmen sie sich Zeit bis zur Nachmittagskonferenz und gingen dann ins Hotel, um sich auszuruhen. Keiner von ihnen konnte das Bild des Armes aus dem Kopf bekommen.

Als sie im Hotel ankamen, gingen sie sofort schlafen, ohne zu viel zu reden. Julias Handy klingelte. Es war eine Nachricht von ihrem Bruder.

»Alex hat sich bereits auf seinem Campingplatz eingerichtet. Gute Nacht.« Julia hatte keine Lust zu reden, der Schreck steckte ihr noch in den Knochen.

»Geht es dir gut?«, fragte Carlos besorgt.

»Ja, es geht ... Nun, morgen wird es mir wieder besser gehen«, antwortete Julia. Dann küssten sie sich und kuschelten sich aneinander. Zum Glück schliefen sie sofort ein.

Um acht Uhr klingelte der Wecker auf Carlos Handy. Er schaltete ihn sofort aus, damit Julia nicht aufwachen würde und ging Frühstück holen, um seine Freundin aufzumuntern. Als er zurückkam schlief sie noch.

»Schatz ...«, flüsterte Carlos, »wach auf, ich habe Frühstück gebracht.«

Julia wachte mit einem Lächeln auf und küsste Carlos, bevor sie das Obst-Frühstück aß, das er für sie vorbereitet hatte. Er bemühte sich immer mit kleinen Aufmerksamkeiten um sie.

An diesem Morgen hatten sie die Konferenz über ›Nicht recycelbare Abfälle und wie man sie vermeidet‹. Dann holten sie ihre Sachen im Hotel ab und bereiteten sich auf den Rückweg nach Añora vor. Sie brauchten nicht lange, bis sie wieder im Zug saßen.

»Die Vorträge waren großartig, es ist eine Schande, dass wir sie nicht so genießen konnten«, sagte Julia. »Zum Glück weißt du immer, wie du mich aufmuntern kannst. Danke für das Frühstück heute Morgen.«

»Nur das Beste für meine Lieblingsfreundin«, antwortete Carlos, zwinkerte ihr zu und streckte seine Zunge heraus.

»Lieblings? Hast du etwa noch andere?«, fragte Julia und beide brachen in Lachen aus.

Der Zug befand sich bereits auf halber Strecke, als eine starke Bremsung ihn entgleisen ließ. Zum Glück saßen Carlos und Julia mit dem Rücken zur Fahrtrichtung, so dass es nur wenige blaue Flecken gab, als sie beim Umfallen des Wagons zu Boden fielen. Eine Frau neben ihnen, die auf der anderen Seite des Gangs in Fahrtrichtung gesessen war, schoss nach vorne und war den Fensterscheiben ausgesetzt, die ihr den Bauch durchschnitten. Eine große Blutlache überschwemmte den Bereich.

Unter Schock gelang es Julia und Carlos aus dem Zug auszusteigen. Sie schauten sich überall um. Sie schrien nach Überlebenden. Niemand antwortete. Als sie die Lok erreichten, sahen sie entsetzt den Fahrer an. Er war vom Aufprall herausgeschleudert worden. Julia sah, wie sich etwas auf seiner rechten Wange bewegte, die voller Blut war. Sie stoß mit ihrem Arm Carlos an, damit er es auch sehen konnte. Mehrere Ohrwürmer kamen aus seinem Ohr.

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