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Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen.

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Die Schöpfung

Die muslimische Sicht

Seht, euer Herr ist Allah, Der die Himmel und die Erde in sechs Tagen erschuf“1 (Koran 7:54). Der heilige Koran und die Überlieferungen (Hadith) des heiligen Propheten (Fsmi) beschreiben die muslimische Haltung, die Allah für das Wunder Seiner Schöpfung lobt.

Wir haben bereits erklärt, dass Gott der Schöpfer des Universums und aller lebendigen und nicht lebendigen Dinge ist, die sich darin finden. In diesem Kapitel geht es vor allem darum, die Beziehung zwischen Menschheit, Natur und Gott, dem Schöpfer aller Dinge, zu untersuchen.

Die Erde und das Universum wurden von Gott im Lauf eines langen Prozesses geschaffen, der Schritt für Schritt ablief. Der Koran beschreibt den grundlegenden Prozess der Bildung des Universums folgendermaßen:

Haben die Ungläubigen nicht gesehen, dass die Himmel und die Erde eine Einheit waren, die Wir dann zerteilten? Und Wir machten aus dem Wasser alles Lebendige. Wollen sie denn nicht glauben? Und feste Berge haben Wir in der Erde gegründet, auf dass sie nicht mit ihnen wanke; und Wir haben auf ihr gangbare Pässe angelegt, damit sie sich zurechtfinden. Und Wir machten den Himmel zu einem wohlgeschützten Dach; dennoch kehren sie sich von seinem Zeichen ab. Und Er ist es, Der die Nacht und den Tag erschuf und die Sonne und den Mond. Sie schweben, ein jedes (Gestirn) auf seiner Laufbahn. (Koran 21:30–33)

Diese Koranverse deuten die Entwicklung der geordneten Welt an. Der Koran bezeugt weiterhin, dass Gott die Himmel und die Erde in sechs „Zeitabschnitten“ schuf und dabei nicht ermüdete (Koran 50:38). Gott erschuf das Universum und die Erde in einem geordneten Prozess, der Schritt für Schritt ablief. Wir erfahren außerdem, dass alles Leben im Wasser seinen Anfang nahm, eine Meinung, die von der modernen Wissenschaft gestützt wird. Der Koran bezeugt weiterhin, dass Allah eine Ordnung auf der Erde schuf:

Und Er machte seine Nacht finster und ließ sein Tageslicht hervorgehen. Und Er breitete hernach die Erde aus. Aus ihr brachte Er ihr Wasser und ihr Weideland hervor. Und Er festigte die Berge; (dies alles) als eine Versorgung für euch und für euer Vieh. (Koran 79:29–33)

Wir können aus dem koranischen Zeugnis erschließen, dass Gott nicht nur der Schöpfer des gesamten Universums ist, sondern dass Er es auch auf geordnete und verständliche Weise erschuf. Möglicherweise stehen die Menschen in Gottes Schöpfungsprozess an letzter Stelle. Gott schuf die Dinge im Himmel2, die Dinge auf der Erde, die Dinge zwischen Himmel und Erde und die Dinge unter der Erdoberfläche. „Sein ist, was in den Himmeln und was auf Erden ist und was zwischen beiden und was unter dem Erdreich liegt“ (Koran 20:6).

Zusammengefasst sagt der Koran Folgendes zur Schöpfung: Erstens gab es sechs Zeitabschnitte für die Schöpfung im Allgemeinen. Zweitens griffen diese Phasen bei der Erschaffung der Himmel und der Erde ineinander. Drittens war das Universum ursprünglich eine formlose zusammenhängende Masse, die Gott kraft Seiner Macht und Seines Willen aufbrach. Viertens gibt es eine Vielzahl von Himmeln und die Erde, wobei sieben Himmel besonders betont werden. Fünftens gibt es zwischen den Himmeln und der Erde eine Zwischenwelt der Planeten und Himmelskörper. Sechstens ist Gott allein der Schöpfer der Natur und des Universums, und nichts davon darf mit Gott gleichgesetzt oder angebetet werden, denn Gott erhebt sich transzendent über die Schöpfung. Siebtens und letztens schuf Gott alles auf geordnete und verständliche Weise.

Der Mensch als Chalifa

Es ist angemessen, uns selbst die Frage vorzulegen, welche Rolle Gott uns Menschen gab, soweit es die Schöpfung betrifft. Wir haben bereits gesagt, dass der Mensch ein Teil der Schöpfung ist und möglicherweise das letzte Wesen, das Er erschuf. Die Menschen wurden auf besondere Weise erschaffen. Der Herr des Universums verlieh ihnen die Fähigkeit zu lernen, zu sprechen, zu verstehen, Richtiges vom Falschen und Gutes vom Bösen zu unterscheiden. Weil sie allein diese Fähigkeiten besitzen, genießen sie eine besonders hohe Stellung in der Hierarchie aller bekannten Kreaturen in den Himmeln wie auf der Erde.

Der erste Mensch, den Gott erschuf, war Adam. Er war das erste menschliche Wesen, das in den Himmeln oder auf der Erde in Erscheinung trat. Adam wurde als Chalifa (Vizeregent oder Stellvertreter) Gottes auf der Erde erschaffen. Dem heiligen Koran nach sagte Gott den Engeln:

Und als dein Herr zu den Engeln sprach: „Wahrlich, Ich werde auf der Erde einen Nachfolger einsetzen“, sagten sie: „Willst Du auf ihr jemanden einsetzen, der auf ihr Unheil anrichtet und Blut vergießt, wo wir doch Dein Lob preisen und Deine Herrlichkeit rühmen?“ Er sagte: „Wahrlich, Ich weiß, was ihr nicht wisset.“ (Koran 2:30)

Danach erschuf Gott Adam aus Ton, und er wurde die Namen aller Dinge und das Wissen um ihre Eigenschaften gelehrt (Koran 2:31). „Und Er brachte Adam alle Namen bei, dann brachte Er diese vor die Engel und sagte: ‚Nennt mir die Namen dieser Dinge, wenn ihr wahrhaftig seid!‘“ (Koran 2:31).

Obwohl Adam die Bezeichnungen aller Dinge in Gegenwart der Engel beigebracht worden waren, konnten sie sich nicht an einen einzigen Namen erinnern, so dass sie erwiderten: „Gepriesen seist Du. Wir haben kein Wissen außer dem, was Du uns gelehrt hast; wahrlich, Du bist der Allwissende, der Allweise“ (Koran 2:32).

Dann bat Gott Adam, den Engeln die Namen aller Dinge mitzuteilen, die er gelernt hatte. Adam gab alle Bezeichnungen korrekt wieder, sehr zur Überraschung der Engel. Deshalb verkündete Gott, dass das Wissen seines Chalifa auf Erden dem Seiner Engel überlegen sei. Er befahl all seinen Engeln, sich vor Adam zu verbeugen; alle gehorchten, bis auf Iblis (Satan), der sich hochmütig weigerte und so den Glauben ablehnte (siehe Koran 2:34).

Etwa zu dieser Zeit schuf Gott eine Gefährtin (Frau) für Adam, damit er Gesellschaft habe. Ihr Name war Hauwa (Eva). Der Koran sagt:

Und Wir sprachen: „O Adam, verweile du und deine Gattin im Garten und esset uneingeschränkt von seinen Früchten, wo immer ihr wollt! Kommt jedoch diesem Baum nicht nahe, sonst würdet ihr zu den Ungerechten gehören.“ (Koran 2:35)

Wir haben bereits bemerkt, dass Allah die Menschen auf besondere Weise erschuf und ihnen eine besondere Stellung verlieh. Adam war als Chalifa Gottes vorgesehen. Dann brachte Gott ihm die Namen aller Geschöpfe bei, die Adam perfekt zu beherrschen lernte. Dann befahl Gott den Engeln, sich vor dem Menschen niederzuwerfen, was bis auf Satan alle taten.3 Was hat all das zu bedeuten? Es bedeutet, dass Gott dem Menschen die Möglichkeit einräumte, die Kontrolle über alle Dinge auszuüben, denn den Namen einer Sache zu besitzen bedeutet auch Macht darüber auszuüben. Der Koran sagt: „Wahrlich, die Erde ist Allahs; Er vererbt sie unter Seinen Dienern, wem Er will, und der Ausgang (aller Dinge) ist für die Gottesfürchtigen“ (Koran 7:128).

Gott erwies dem Menschen, seinem Chalifa, die Ehre, ihm die Autorität über seine zahllosen Geschöpfe anzuvertrauen. Die Menschen erhielten den Auftrag, die Natur zu ihrem eigenen Wohlergehen zu gebrauchen (Koran 22:72). Als Chalifa sind die Menschen dazu erwählt, das Land zu bebauen und ihr Leben durch Wissen und Sinn zu bereichern. Die Natur ist dem Menschen unterworfen. Die höhere Stellung, die der Mensch in den Augen Gottes innehat, schenkt ihm Autorität über die ganze Schöpfung. Allein die Menschen genießen das Recht, im Gehorsam gegenüber Gottes Geboten die Natur zu ihrem eigenen Wohlergehen zu nutzen.

Der Koran lehrt:

Allah ist es, Der euch das Meer dienstbar gemacht hat, auf dass die Schiffe darauf nach Seinem Geheiß fahren. … Und Er hat das für euch dienstbar gemacht, was in den Himmeln und auf Erden ist; alles ist von Ihm. Hierin liegen wahrlich Zeichen für Leute, die nachdenken. (Koran 45:12–13)

Das hier erwähnte Meer ist nur ein Beispiel für Allahs wunderbare Sorgfalt, mit der Er alles in der Natur in den Dienst des Menschen stellte. Während sich die Menschheit die Natur zu ihrem eigenen Wohlergehen nutzbar macht, sollte sie niemals vergessen, dass alles von Gott kommt. Die Menschen sind lediglich Gottes Chalifa auf der Erde. Sie sollten im Gehorsam gegenüber Gottes offenbarten Geboten verantwortlich mit der Natur umgehen.

Die Rechte der Natur

Obwohl die höhere Stellung des Menschen ihm Autorität über Gottes Schöpfung verleiht, überschreitet er manchmal seine Grenzen. Der Islam lehrt, dass die gesamte Schöpfung gewisse Rechte besitzt, die von der Menschheit nicht verletzt werden dürfen. Das bedeutet, dass die Menschen nicht die Freiheit besitzen, die Natur zu misshandeln. Es ist das grundlegende Recht von Gottes Schöpfung (der Natur), sich nicht durch ergebnislose Unternehmungen auszehren zu lassen, und sie sollte auch nicht unnötig verletzt, beschädigt oder zerstört werden. Zum Beispiel missbilligt der Islam das nutzlose Fällen oder Abschneiden von Bäumen und Büschen. Der Chalifa kann die Früchte und andere Produkte von Wald- und Grasland benutzen, doch besitzt er nicht das Recht, sie mutwillig zu zerstören. Schließlich sind auch Pflanzen etwas Lebendiges. „Und vom Himmel senden Wir Wasser hernieder, das voll des Segens ist, und bringen damit Gärten und Korn zum Ernten hervor … als Versorgung für die Diener“ (Koran 50:9–11).

Der Chalifa hat die Freiheit, die Planeten über der Erde zu erforschen, aber er besitzt nicht das Recht, zu versuchen sie zu zerstören. Der Islam verbietet selbst die Verschwendung unbelebter Dinge. Er billigt nicht einmal, Wasser verschwenderisch laufen zu lassen; er empfiehlt lediglich eine begrenzte und vorgeschriebene Menge, die man für den wadu (Waschung) oder ghusul (Vollbad) benutzen sollte.

 

Selbst bei der Nahrung erlaubt Allah weder Verschwendung noch Exzess. Es ist falsch, sich zu überfressen, wenn andere hungrig sind. Muslimen ist es erlaubt, Tiere zu schlachten, um sie zu essen, doch es ist verboten, sie zum Vergnügen, aus sportlichem Ehrgeiz oder aus Boshaftigkeit zu töten. Und wenn ein Tier geschlachtet wird, sollte man ihm so wenig Schmerz zufügen wie nur irgend möglich. Der Name des Leben Spendenden wird vor der Schlachtung angerufen, um daran zu erinnern, dass man Leben nicht gedankenlos nehmen darf, sondern nur mit dem Ziel, etwas zu essen zu haben. Die Jagd ist nur zur Nahrungsbeschaffung erlaubt. Allerdings dürfen gefährliche und giftige Tiere getötet werden, weil menschliches Leben einen höheren Wert als das eines gefährlichen Tieres besitzt. Wiederum sollten sie so getötet werden, dass es ihnen möglichst wenig Schmerzen zufügt. Lasttiere müssen freundlich und menschlich behandelt werden. Vögel sollten nicht in Käfigen gehalten werden, außer es gibt einen stichhaltigen Grund.

Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Gott, der Schöpfer aller Dinge, die Menschheit gelehrt hat, sich die Natur zunutze zu machen, Verschwendung und Zerstörung aber in jeder Hinsicht zu vermeiden. Der barmherzige Allah hat den Menschen die Natur zur Verfügung gestellt, damit sie sie am Leben erhält; ihnen ist darum aufgetragen, aus den von Gott geschaffenen Mitteln das Beste zu machen. Diese Gaben im Gehorsam gegenüber Gottes Geboten verantwortlich zu verwalten, ist der Schlüssel zur muslimischen Haltung im Umgang mit der Natur.

Eine christliche Entgegnung

Islam und Christentum erkennen beide an, dass die Natur eine wunderbare Schöpfung Gottes ist. Die Menschen sind von Gott berufen, die Natur dankbar und verantwortlich zu nutzen. Die Zerstörung und selbstsüchtige Ausbeutung der Natur wird von Christen wie auch Muslimen verurteilt. Christen identifizieren sich zutiefst mit der muslimischen Wertschätzung der Natur als guter und wunderbarer Schöpfung Gottes. Sie erkennen ebenfalls beide ihre Abhängigkeit von Gott bei der verantwortungsvollen Nutzung natürlicher Ressourcen an.

Trotzdem scheint es zwischen dem muslimischen und dem christlichen Naturverständnis einige Unterschiede zu geben. Zum Beispiel erfahren wir im Islam, dass Gott den Menschen die Namen aller Dinge lehrte; im biblischen Bericht lesen wir, dass dem Menschen aufgetragen wurde, die Tiere zu benennen. Im Islam ist die Menschheit der Chalifa Gottes auf Erden; im Christentum wird den Menschen aufgetragen, sich die Erde untertan zu machen. Weist das darauf hin, dass den Menschen im biblischen Bericht beträchtliche persönliche Freiheit, Autorität und Verantwortung zugebilligt wird, um die Natur für ihr eigenes Wohlergehen zu nutzen?

Allerdings sagt die Bibel nachdrücklich, dass ein Mensch sich an seiner Beziehung zur Natur am meisten freuen kann, wenn er auch in einer richtigen und fröhlichen Beziehung mit Gott lebt.

Es ist das Anliegen der Bibel, den Sinn des Lebens aufzudecken; sie ist kein Buch, das wissenschaftliche Informationen enthält. Ein Teil der biblischen Offenbarung zeigt, dass die Erde Gottes gute und geordnete Schöpfung ist. Darüber hinaus sagt die Bibel nichts. Es liegt in der Verantwortung des Menschen zu verstehen, wie Gott die Erde zusammengesetzt hat, und die Geheimnisse der Naturgesetze zu erforschen. In der Bibel lesen wir, dass Gott dem Menschen befahl, sich die Erde „untertan zu machen“, sie zu „füllen“, zu „bebauen“, über sie zu „herrschen“ und sie zu „bewahren“.

Anmerkungen


1Muslimische Korankommentatoren glauben, dass die sechs Tage eine metaphorische Bedeutung besitzen. Ein Tag kann aus der Sicht Gottes zwischen 1 000 bis zu 50 000 Jahren unserer Zeitrechnung dauern (siehe Koran 70:4). Bei diesen Schöpfungstagen handelt es sich in Wirklichkeit um sechs lange Zeitabschnitte.
2Nach muslimischem Glauben gibt es sieben Himmel: „Allah ist es, Der sieben Himmel erschuf “ (Koran 65:12).
3Manche muslimischen Gelehrten vertreten die Ansicht, dass Iblis (Satan) kein Engel, sondern ein Jinn (Geist) war und eine Gruppe von Jinn anführte, die Allah nicht gehorchten.

Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen.

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Adam und Hauwa

Die muslimische Glaubensauffassung

Wenn Ich ihn nun vollkommen geformt und ihm Meinen Geist eingehaucht habe, dann werft euch vor ihm nieder“ (Koran 15:29). In einem weiteren Koranvers sagt Allah: „Dein Herr [sprach] zu den Engeln …: ‚Wahrlich, Ich werde auf der Erde einen Nachfolger (Chalifa) einsetzen‘“ (Koran 2:30). Muslimische Gelehrte sind sich nicht völlig einig darüber, was es bedeutet, den Menschen als Chalifa (Vizeregent) Gottes zu bezeichnen oder Gottes Geist zu empfangen. Einige moderne muslimische Gelehrte glauben, der koranische Befund weise darauf hin, dass der Mensch in gewisser Hinsicht Gott ähnlich ist. Der orthodoxe Glaube lehnt die Vorstellung von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen dagegen ab. Dass Gott dem Menschen Seinen (Gottes) Geist einhaucht, wird von einigen Gelehrten mit der menschlichen Fähigkeit erklärt, Wissen und Willen zu besitzen, die – richtig eingesetzt – dem Menschen Überlegenheit über die gesamte Schöpfung schenken. Das bedeutet allerdings nicht, Gott zum Menschen zu machen, denn Gott ist absolut transzendent.

Trotzdem ist der Mensch ein würdevolles Wesen, dem Gottes Geist eingeflößt wurde, und ihm wurde aufgetragen, Sein Chalifa auf Erden zu sein. Dem Menschen wurde das Amt des Chalifa anvertraut, weil er allein von Gottes Geschöpfen mit verstandesmäßigen Fähigkeiten, geistlichem Streben und der Macht bewusster Handlungen begabt ist. Allah hat dem Menschen eine begrenzte Autonomie zugestanden, ihn zu seinem Chalifa auf der Erde ernannt und ihn nachdrücklich angewiesen, Seiner Führung und Leitung entsprechend zu leben.

Weil Gott dem Menschen Seinen Geist eingehaucht hat, hat der Mensch etwas Besonderes an sich, etwas, das er zumindest zu einem gewissen Grad beibehalten musste. Dieses Besondere ist Folgendes:


a)Die Fähigkeit (das Wissen), zwischen Richtig und Falsch, Gut und Böse, Realität und Illusion zu unterscheiden.
b)Der freie Wille, der zwischen Gut und Böse, Wahr und Falsch, Recht und Unrecht wählen kann.
c)Die Autorität, sich die Dinge um sich herum zu eigen zu machen und sie zu gebrauchen.
d)Die Fähigkeit, zu sprechen, die Anbetung des Schöpfers in Worten auszudrücken.

Alle oben genannten Punkte sind geistliche Eigenschaften, die Gott dem Menschen anvertraut hat, und wenn sie in richtiger Weise gebraucht werden, versetzen sie den Menschen in die Lage, sich dem Willen Allahs zu unterwerfen. Weiterhin halten wir fest, dass Gott den Menschen bei Seiner Schöpfung angewiesen hat, nur Ihn und niemanden sonst anzubeten. Er stellte den Menschen für eine bestimmte Zeit auf die Erde, um ihn daraufhin zu prüfen, wie er die besonderen geistlichen Eigenschaften einsetzte, die Gott ihm mitgegeben hatte. Gott schuf den Menschen, damit er Ihn anbetete, nicht damit er Ihm in irgendeiner Weise gleich oder ein Rivale sei. Die geistlichen Eigenschaften des Menschen entsprechen also seiner begrenzten Natur.

So gut der Mensch auch sein mag, kann er sich doch nicht mit der Güte und Vollkommenheit Allahs, seines Schöpfers, messen. Die Geschichte hat gezeigt, dass der Mensch nachlässig, achtlos und vergesslich ist. Er ist gut, aber unvollkommen. Und weil er unvollkommen ist, muss er ständig daran erinnert werden. Darum sandte Gott Seine Propheten und Boten, um dem Menschen zu helfen, Vollkommenheit zu erreichen. Durch die Propheten hat Gott den Menschen immer wieder an das Gesetz Gottes erinnert.

Die ersten Muslime

Der Islam bezeugt, dass Adam, Allahs erster Chalifa auf Erden und der erste Mensch der Schöpfung, auch der erste Prophet war, der gesandt wurde, um der Menschheit Führung und Orientierung zu geben. Die Prophetie beginnt mit dem ersten Menschen. Dem ersten Menschen auf der Erde wurde eine klare Leitlinie und ein Gesetz gegeben, dem er folgen und das er seinen Nachkommen weitergeben sollte. Dieses Gesetz war und ist der „Islam“, die Unterwerfung unter Allah.

Es ist die ernsthafte Überzeugung eines Muslimen, dass diese erste Phase des Lebens auf der Erde nicht in Sünde und Rebellion gegen den Schöpfer begann. Obwohl Adam und Hauwa (Eva) nach der Versuchung durch Satan aus dem himmlischen Garten vertrieben und zur Erde herab gesandt wurden1, erkannten sie ihre Sünde und bereuten. Sie baten Gott um Vergebung. Ihnen wurde die notwendige Führung und Orientierung gewährt. Adam war ein wahrer Prophet Allahs. Sie waren die ersten wahren Muslime.

Dies wird im Koran deutlich offenbart. Wir lesen: „Sie sagten: ‚Unser Herr, wir haben gegen uns selbst gesündigt; und wenn Du uns nicht verzeihst und Dich unser erbarmst, dann werden wir gewiss unter den Verlierern sein‘“ (Koran 7:23). Der barmherzige Allah sandte sie mit den Worten zur Erde: „Da sprachen Wir: ‚Geht (vom Paradies) hinunter! Der eine von euch sei des anderen Feind. Und ihr sollt auf der Erde Wohnstätten und Versorgung auf beschränkte Dauer haben‘“ (Koran 2:36).

Trotzdem ist die Anwesenheit des Menschen auf der Erde keine Bestrafung, sondern eine Prüfung, ob er sich Allahs Willen beugt. Obwohl Er sie nach der Versuchung durch den Satan auf die Erde schickte, vergab Er ihnen ganz gewiss. Der Koran sagt: „Da empfing Adam von seinem Herrn Worte, worauf Er ihm verzieh; wahrlich, Er ist der Allverzeihende, der Barmherzige“ (Koran 2:37).

Weil Gott der All-Liebende, der All-Barmherzige ist, trotz der Fehler des Menschen, sicherte Gott ihm seine Führung zu. Er sagte: „Geht hinunter von hier allesamt! Und wenn dann zu euch Meine Rechtleitung kommt, brauchen diejenigen, die Meiner Rechtleitung folgen, weder Angst zu haben, noch werden sie traurig sein“ (Koran 2:38).

So wurde dem ersten Menschen Inspiration und Führung für die gesamte Menschheit geschenkt. Gott sichert dem Menschen zu, dass jeder, der dieser Führung folgt, frei von Angst um die Gegenwart und die Zukunft ist und nicht um die Vergangenheit zu trauern braucht.

Viele Muslime glauben, dass Adam und Hauwa zunächst im Himmlischen Garten waren, um ihre Haltung auf die Probe zu stellen, bevor sie auf die Erde gesandt wurden, wo sie zu Chalifa ernannt wurden.2 Der Garten war der geeignetste Ort für diese Prüfung, weil er tatsächlich das Paradies war (Dschanna). Dem Menschen wurde gezeigt, dass das Paradies der angemessene Ort für ihn sei, dass er jedoch nicht im Paradies bleiben könne, wenn er den Versuchungen Satans nachgebe. Die einzige Möglichkeit, den „Garten“ wieder zu gewinnen, bestand darin, dem Satan entschieden und mit Erfolg entgegen zu treten, indem der Mensch Gottes Gesetz gehorchte. Der Prophet Adam empfing wahre Führung und Leitung, so dass er selbst, seine Familie und Nachkommen sich dem Willen Allahs unterwerfen und so das Paradies wieder erlangen könnte.

Es ist bedeutsam, dass Hauwa (Eva) genau so wie Adam die Verantwortung dafür übernehmen musste, Satan nachgegeben zu haben. Beide wurden versucht, beide bereuten, beide wurden vom barmherzigen Allah gesegnet, beiden wurde vergeben. Beide waren wahre Muslime. Mann und Frau sind in den Augen Gottes gleich. Beide sind Gottes Chalifa auf Erden. Kein Muslim sollte der Frau die Schuld am ersten Fehler der Menschheit zuweisen. Im Islam ist die Frau dem Mann nicht untergeordnet und der Mann nicht der Frau.

Die Schwachheit der Menschheit

Alle Menschen werden als wahre Muslime geboren, unschuldig, rein und frei (Koran 30:30). Noch keine Handlung hat den menschlichen Willen entstellt und verdreht. Jede Vorstellung von Erbsünde steht den wahren Lehren des Islam entgegen. Es bedeutet keine Sünde für den Menschen, fehlbar zu sein. Als begrenztes Geschöpf ist er notwendigerweise unvollkommen. Es wird allerdings zur Sünde, wenn der Mensch die Mittel in der Hand hält, um Vollkommenheit zu erreichen, und sich entscheidet, von ihnen keinen Gebrauch zu machen. Der Mensch ist nicht dafür verantwortlich, wenn er in seiner Kindheit eine Sünde begeht. Er steht erst für seine Taten ein, wenn er erwachsen geworden ist, ihm Gott Verstand geschenkt hat und er zwischen Recht und Unrecht unterscheiden kann. Erst dann kann er vor seinem Schöpfer die Verantwortung für seine Taten übernehmen. Weil der Mensch gut ist, ist es trotzdem zum großen Teil das Ergebnis äußerer Einflüsse und seines Umfelds, was aus ihm nach seiner Geburt wird.

 

Obwohl der Mensch ein gutes und verantwortliches Wesen ist, liegt es in der Verantwortung des einzelnen Gesetzesübertreters, wenn er sündige Handlungen begeht. Nach muslimischer Überzeugung ist Sünde nicht erblich, denn kein Mensch wird als Sünder geboren. In ähnlicher Weise ist Sünde ihrem Wesen nach auch weder etwas Gemeinschaftliches noch lässt sie sich übertragen. Gott hat dem Menschen einen freien Willen geschenkt, und jeder Mensch ist daher für seine Taten persönlich verantwortlich, mögen sie gut oder schlecht sein, richtig oder falsch. Ein Mensch kann seine Freiheit missbrauchen und sich dem Laster hingeben, doch gleichzeitig ist er in der Lage, sich zu bessern und Vergebung zu erfahren, wenn er den aufrichtigen Entschluss fasst, sich Gottes Führung zu unterwerfen. Sünde wird erworben, sie wohnt dem Menschen nicht von Natur aus inne, und deshalb kann ein Mensch der Sünde leicht aus dem Weg gehen, wenn er sich entschließt, seine besonderen Eigenschaften einzusetzen, mit denen er ausgestattet wurde. Sünde ist nicht unvermeidlich, weil der Mensch nicht sündig ist.

Zusammenfassung

Das muslimische Menschenbild lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: Der Mensch ist ein würdevolles ehrenwertes Geschöpf, dem Gott Seinen Geist eingehaucht hat. Diesen Geist kann man als gottähnliches Wissen und gottähnlichen Willen bezeichnen; es bedeutet aber nicht, dass der Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen worden wäre, dass er Gott gleich oder sein Rivale wäre. Die geistlichen Eigenschaften, die der Mensch empfangen hat, entsprechen lediglich seinem begrenzten Wesen. Der Mensch wurde darüber hinaus zu Gottes Chalifa auf Erden gemacht.

Der Islam glaubt nicht, dass die Menschheit sündig ist, sondern lehrt vielmehr, dass der Mensch nicht vollkommen ist. Nur Gott ist vollkommen! Doch der unvollkommene Mensch vergisst und ist nachlässig. Aus diesem Grund muss er ständig durch die Propheten und die Offenbarung an den richtigen Weg erinnert werden.

Eine christliche Entgegnung

Was ist der Mensch? Das ist die Frage. Was bedeutet es für den Menschen, Gottes Geist zu empfangen? Gewiss bedeutet es, dass Menschen die Krone der Schöpfung sind, wie der Islam bezeugt. Die Bibel sagt, dass der Mensch ein wenig tiefer gestellt ist als die Engel, doch mit Ruhm und Ehre gekrönt ist (Hebräer 2,7).

Das christliche Zeugnis erweitert den islamischen Glauben, dass die Menschheit bei der Schöpfung den Geist Gottes empfing. Die Bibel sagt: „Da nahm Gott, der HERR, Staub von der Erde, formte daraus den Menschen und blies ihm den Lebensatem in die Nase. So wurde der Mensch ein lebendes Wesen“ (1. Mose 2,7). Sie sagt außerdem: „So schuf Gott die Menschen nach seinem Bild, als Gottes Ebenbild schuf er sie und schuf sie als Mann und als Frau“ (1. Mose 1,27). Wenn man sagt, das Menschen nach dem Bild Gottes geschaffen wurden, bedeutet das nicht, dass Gott aussieht wie sie oder dass sie aussehen wie Gott. Es bedeutet, dass Menschen zutiefst gottähnliche Eigenschaften haben. Die Gottesebenbildlichkeit bedeutet insbesondere, dass Menschen die Fähigkeit besitzen, in Gemeinschaft mit Gott zu leben. Menschen können Gott kennen lernen. Sie sind in der Lage, sich an der Bundesbeziehung mit ihrem Schöpfer zu freuen; sie haben eine Persönlichkeit, sie sind Gott ähnlich.

Der Islam betont die intellektuellen Fähigkeiten des Menschen. Der christliche Glaube legt besonderen Wert auf den Menschen als Bundes- oder Gemeinschaftswesen. Im Islam wird die Menschheit erschaffen, um Gottes Willen zu gehorchen. Christen glauben, dass Menschen ihre umfassendste Menschlichkeit dort entdecken, wo sie mit Gott und anderen Menschen in froher Gemeinschaft leben.

Die Bibel schildert auch, was geschieht, wenn Menschen sich von Gott abwenden. Wenn Menschen gegen Gott rebellieren, werden sie böse und sündhaft. Christen glauben, dass das Ebenbild Gottes, nach dem sie geschaffen sind, verzerrt wird, wenn sie nicht in der rechten und frohen Gemeinschaft mit Gott leben. Die Bibel sagt: „Alle sind schuldig geworden und haben den Anteil an Gottes Herrlichkeit verloren“ (Römer 3,23).

Eine Klarstellung von muslimischer Seite

Es ist zu bezweifeln, ob der Geist Gottes, den Adam nach islamischer Überzeugung empfing, derselbe ist, der den Menschen nach christlichem Verständnis eingehaucht wurde. Wie oben erwähnt, glauben Muslime, dass sich dieser Geist auf das Leben bezieht, das von Gott geschenkt wird und das den Menschen mit Eigenschaften ausstattet, die ihn gegenüber anderen Wesen überlegen machen, vor allem mit überlegener Intelligenz, Wille, Autorität und Sprache.

Anmerkungen


1Auch Satan wurde aus dem Garten vertrieben.
2A. Maududi, The Meaning of the Qu’ran, Vol. I (Lahore: Islamic Publications Ltd., 1971), S. 58–59.