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Der Vaquero

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»Sollte es mit der Verheiratung sein Ernst gewesen sein, so würde ich das für das denkbar größte Unglück halten, das ihn hätte betreffen können,« wandte Bertrand nachdenklich ein. »Fand sie hingegen noch nicht statt, dann müßte das Aeußerste aufgeboten werden, sie zu hintertreiben. Seine letzten Beziehungen zu der Heimat würden durch einen derartigen Schritt abgebrochen werden, und das darf, wenn es noch zu verhüten ist, nicht geschehen.«

»Wie wollen Sie etwas hintertreiben, das der wilde Bursche einmal in seinem aufsätzigen Schädel zurechtlegte?« fragte King verdrossen. »Eher möchte Sie einen Felsblock in schmiegsames Wachs verwandeln, als seinen Starrsinn brechen. Nein, nein; gönnen Sie seinem tollen Treiben ungehemmten Lauf, bis er, wenn auch erst spät, zur Vernunft kommt. Da ferner Ihre Auftraggeberin unstreitig in den vornehmsten Kreisen zu suchen ist, haben Sie doppelte Ursache, ihn seinem Schicksal zu überlassen. In solche Gemeinschaft gehört er nicht hinein; denn anstatt freundliche Teilnahme zu erwecken, würde er abfällige Urteile gegen sich herausfordern, und das hieße bei einem Charakter, wie dem seinigen, den Untergang besiegeln.«

»Ihre Bedenken erkenne ich an,« versetzte Bertrand zweifelnd, »wo man aber seinem Vater ein so treues Andenken bewahrte, eine so unzweideutige Zuneigung, da läßt sich erwarten, daß das Urteil über den jungen Mann sich mildert und es nur allein in seinem Willen liegt, ein Glück einzuheimsen, wie es selten einem Sterblichen geboten wird.«

War bisher in Kings Zügen tiefe Schwermut zum Ausdruck gelangt, so blickte er jetzt auf Bertrand, als hätte er unter Aufbieten des äußersten Scharfsinns in seinem Inneren lesen wollen.

»Das klingt rätselhaft,« begann er zögernd, »doppelt rätselhaft für mich, der ich den jungen Mann kenne und daher weiß, daß er mit seinem Erscheinen drüben dem verschollenen Pardelstein keinen guten Dienst leistete. Einen Schatten würde er heraufbeschwören, der das Andenken an ihn verzerrte. Doch, immerhin: haben Sie ernste Gründe zu dem Versuch, in des Burschen Geschick einzugreifen, dann darf ich es Ihnen nicht wehren oder verleiden, obgleich ich den Mißerfolg Ihrer Mühe vorhersehe. Ich will sogar, soweit es in meiner Gewalt liegt, Ihnen zu dem zweifelhaften Unternehmen die Hand bieten, muß aber im voraus die Verantwortlichkeit ablehnen, wenn Sie bitter enttäuscht werden.«

»Mehr konnte ich nicht hoffen,« beteuerte Bertrand, »auf alle Fälle gewinne ich für mich die Befriedigung, mein Alles an die Lösung einer Ehrenpflicht gesetzt zu haben.«

»Warnen muß ich Sie noch,« riet King düster, »meinen Beistand nicht zu überschätzen. Er beschränkt sich auf die Bezeichnung der Stelle, wo Sie, sofern des jungen Mannes Angaben Wahrheit zu Grunde lag, auf seine Spuren gelenkt werden können.«

»Damit wäre wenigstens ein Weg angebahnt,« bemerkte Bertrand ermutigt, »das weitere hinge von der Gunst des Glückes ab.«

»Leider bin ich selbst nicht im stande, Ihnen über eine bestimmte Grenze hinaus zu dienen,« versetzte King, »denn Sie können kaum unbekannter mit dem fernen Westen sein, als ich es geblieben bin. Dafür darf ich Ihnen mit gutem Gewissen meine Haushälterin empfehlen. – Sie lernten sie ja bereits kennen. Fremd blieb Ihnen dagegen, daß hinter ihren zahlreichen Schrullen und Absonderlichkeiten wie in den rauhen Formen eines Korporals ein ehrliches Herz verborgen ist. Besonders wertvoll für Sie ist, daß sie viele Jahre das Feldleben mit ihrem Gatten teilte und es kaum ein Fort auf der Indianergrenze giebt, wo sie nicht längere oder kürzere Zeit verbrachte. Vollständig vertraut mit dem will- den Westen, wird sie zu der beabsichtigten Reise Sie in einer Weise vorbereiten, wie es schwerlich von einem zweiten zu erwarten wäre. Erfährt sie aber die Ursache Ihrer Wüstenfahrt, so ist die nächste Folge, daß sie Ihre Aufgabe zu der eigenen macht. Denn die Vorliebe für den Taugenichts, den Bob, wie sie ihn nennt, den sie natürlich zu seinem Nachteil mit ihrer Zärtlichkeit gründlich verzog, ist eine Triebfeder, stark genug, sie zu den abenteuerlichsten Entschlüssen zu bestimmen. Setzten Sie sich daher baldigst mit ihr ins Einvernehmen.«

»So dürfte ich vielleicht heute schon Gelegenheit suchen, in näheren Verkehr mit ihr zu treten?«

»Seien Sie unbesorgt. Wie ich die Alte kenne, macht sich das ganz von selbst. Nur um eines bitte ich dringend« – hier warf King einen argwöhnischen Blick auf das Fenster und fuhr etwas gedämpfter fort: »sie ist nämlich neugierig, wie ein Eichhorn. Nennen Sie den Namen Pardelstein, so findet sie nicht eher Ruhe, als bis sie Ihr ganzes Herz umgekehrt hat, wie – nun, die Frau Korporal würde sagen: wie einen frisch gewaschenen Kommißhandschuh, und das möchte Ihr Unternehmen doch nachteilig beeinflussen. Sie braucht überhaupt nicht mehr zu wissen, als daß Sie von Verwandten oder Taufpaten des jungen Menschen beauftragt wurden, sich von seinem Leben und Wohlergehen zu überzeugen.«

»Ich darf wieder hier vorsprechen?«

»So oft es Ihnen beliebt. Im übrigen werde ich von der Alten auf dem Laufenden erhalten, denn kein Wort hört sie von Ihnen, das sie mir nicht schleunigst hinterbrächte.«

Bertrand erhob sich. King begleitete ihn bis vor die Hausthür hinaus, wo sie mit höflichem Gruß voneinander schieden. Gleich darauf saß King wieder vor seinem Werktisch. Die Feile kreischte und schnarrte, als hätte er ein Versäumnis einzuholen gehabt. Wie um ihn an die halb fertig geschmiedete Nähmaschinenstütze zu erinnern, sah Kornett verständnisvoll zu ihm auf.

Fünftes Kapitel

Sinnend war Bertrand in den durch den schattigen Hain nach der Stadt führenden Pfad eingebogen. Was er von dem seltsamen Schlosser erfahren hatte, beschäftigte ihn ausschließlich. Jedes seiner Worte wiederholte er in Gedanken. Befriedigte ihn einerseits, auf eine unzweifelhafte Spur des jungen Pardelstein gestoßen zu sein, so stand dem entmutigend gegenüber, daß derjenige, der gewiß der nächste gewesen wäre, Nachsicht walten zu lassen, ihn als eine Art Unhold schilderte. Doch ob verwildert, verkommen und gesunken, gleichviel, wie er ihn fand: für ihn gab es keinen anderen Ausweg. War überhaupt eine Möglichkeit vorhanden, ihn seiner jetzigen Lage, vielleicht den widerwärtigsten Verhältnissen zu entreißen, so mußte er, dem aus überströmendem Herzen erteilten Versprechen getreu und durchdrungen von den Empfindungen tiefer Dankbarkeit, ihn jener Wolfrade Ecke zuführen. Mochte sie selbst dann entscheiden, inwieweit er der ihm zugedachten Wohlthaten wert sei.

Vor sich niederschauend, war er in den Hain eingetreten, als eine gebieterische Stimme ihn aus seinem Brüten aufschreckte.

»Sie da, mein junger Mann,« hieß es mit unverkennbarem Wohlgefallen, »nachdem Sie den Herrn King so lange störten, haben Sie für mich vielleicht ebenfalls einige Minuten übrig.«

Beim ersten Wort hatte Bertrand aufgesehen, und vor ihm stand Frau Hickup. Während sie mit der linken Hand die brennende Pfeife in der Schwebe hielt, streckte sie ihm die rechte herablassend entgegen.

»Der Frau Korporal Knockhimdown stehe ich zu Diensten,« antwortete Bertrand höflich, und das anerkennende Nicken der Alten belehrte ihn über die günstige Aufnahme der glänzenden Anrede; »nach den Schilderungen des Herrn King erfreue ich mich doppelt der näheren Bekanntschaft mit Ihnen.«

Abermals neigte Frau Hickup das Haupt geschmeichelt und fügte hinzu: »Herr King verfährt zuweilen etwas verschwenderisch mit seinen Lobpreisungen; aber immerhin: Disziplin und Subordination waren die Glaubensartikel meines seligen Knockhimdown und sind auch die meinigen geworden; das kommt Herrn King am meisten zu gute. Doch das nebenbei. Legte ich mich gerade nicht aufs Horchen, so meinte ich im Vorübergehen doch den Namen seines Sohnes verstanden zu haben, oder sollte ein Irrtum walten?«

»Sicher nicht; und sehr dankbar wäre ich Ihnen, vervollständigten Sie das, was Herr King mir über ihn anvertraute.«

»Wie ich vermutete,« erwiderte Frau Hickup befriedigt; »doch hier ist eine Bank, mein junger Mann, auf der ich die schönen Sommerabende mit den Erinnerungen aus meiner Militärzeit zu verbringen pflege, und das erhält mich jung,« und nach einem kunstgerechten ordnenden Griff durch das Scheitelhaar sich niederlassend, forderte sie Bertrand auf, neben ihr Platz zu nehmen, und weiter hieß es belehrend: »Zunächst ist Herr King in seinem Urteil über den Bob zu streng, und das wirkte von jeher nachteilig auf den Schlingel ein. Vater und Sohn paßten eben mit ihren verschiedenartigen Temperamenten genau so zu einander, wie Flintenkugeln statt der Rosinen in den Puddingteig. Mit einem Wort: aus dem Bob ließe sich heute noch mit Geduld und Zärtlichkeit etwas Ordentliches herausdrillen, behaupte ich.«

»Aehnliche Eindrücke empfing ich in meinem Verkehr mit Herrn King und bin beglückt, solch freundliches Urteil von Ihnen zu hören,« erklärte Bertrand bedachtsam. »Ich befinde mich nämlich auf dem Wege, Ihren Bob auszukundschaften, und wurde darüber verständigt, daß Ihre Ratschläge von hohem Wert für mich sein würden.«

Frau Hickup drückte die hervorquellende Asche in den Pfeifenkopf zurück, blies einige kräftige Rauchwolken von sich und hob an:

»Ein wahres Wort, mein junger Mann; denn hat man seine achtzehn Jahre in der Armee heruntergerasselt, so kann man von Erfahrungen reden, behaupte ich.««

»Bei Ihrem Wohlwollen für Bob hoffe ich keine Fehlbitte zu thun, wenn ich Sie ersuche, bei meinen Nachforschungen mir etwas zur Hand zu gehen.«

Frau Hickup schloß das eine Auge und warf mit dem anderen Bertrand einen prüfenden Blick zu. »Da müßten Sie ja mitten in die Wildnis hinein,« bemerkte sie nach kurzem Sinnen.

»Darauf bin ich gefaßt.«

»So? Nun, eine Kleinigkeit ist das nicht, namentlich nicht für einen Ausländer. Doch zunächst die Frage: Was ist Ihr Metier? Womit verdienen Sie Ihre Dollars?«

 

»Ich studierte Astronomie.«

»Was?«

»Astronomie oder Sternkunde.«

»Brotlose Künste, mit denen Sie in der Wildnis keinem Kaninchen Salz auf den Schwanz streuen. Denn erstens sind die Sterne zu weit von hier, um genauer mit ihnen bekannt zu werden, und dann mag der Henker sie alle zählen, zumal einer genau so aussieht, wie der andere. Es giebt überhaupt nur zwei Sorten von Sternen, vor denen ich Respekt habe. Erstens die Sterne, die zu den Streifen des Unionsbanners gehören, und dann diejenigen, wie sie den Offizieren auf Kragen und Achselstücke genäht werden.«

»Durchaus praktische Anschauungen; und dennoch gewährt es dem Berufenen hohen Genuß, zu beobachten, wie die Gestirne von Ewigkeit zu Ewigkeit unabänderlich ihre vorgeschriebenen Bahnen wandeln.«

»Disziplin, behaupte ich, mein junger Mann, Disziplin, ohne welche die vielen tausend Sterne am Himmel durcheinander tanzten, wie die Reiskörner in einem brodelnden Kessel; das würde mein seliger Knockhimdown sicher bestätigen, säße er hier bei uns; aber auch, daß Sie mit Ihrem Sternenkrempel in der Wildnis eine jämmerliche Institution wären, ständen Ihnen keine anderen Hilfsmittel zu Gebote. Vom Soldatenstande verstehen Sie nichts?«

»Auch Soldat bin ich gewesen. Ich diente ein Jahr bei der Reiterei.«

»Ein ganzes Jahr? Das wäre gerade lange genug, um das Wort Subordination richtig aussprechen zu lernen. Aber immerhin: es ist wenigstens ein kleiner Anfang, und befindet man sich erst auf dem Marsch, lernt sich das weitere durch praktischen Dienst.«

»An gutem Willen fehlt es mir freilich nicht; allein fremd, wie ich den hiesigen Verhältnissen gegenüberstehe, würde ich auf einem Boden, den ich nur aus Schilderungen kenne, ohne einen zuverlässigen Ratgeber auf große Schwierigkeiten stoßen.«

»Ohne Zweifel, mein junger Mann, und diese Selbsterkenntnis ist schon viel wert.«

»In erster Reihe würde es sich darum handeln, den Squatter ausfindig zu machen, an den die für Ihren Bob bestimmten Nachrichten gesendet werden sollten –«

»Howitt heißt er,« fiel Frau Hickup lebhaft ein, »und am Smoky- Hill-Fork haust er, noch eine gute Strecke über Fort Riley hinaus. Hab's im Gedächtnis behalten, was Bob damals schrieb, als es sich um 'ne Heiratsangelegenheit drehte. Ich weiß da herum Bescheid, wie in Herrn Kings Werkstatt. Denn in Fort Riley stand ich ein volles Jahr, und manches lustige Gefecht hatten wir mit den Prairiewilden, die sich damals noch fühlten. Aber wir machten ihnen Beine, daß die Schurzlappen hinter ihnen her flatterten, als hätten sie bei 'ner handlichen Brise auf 'ner Waschleine gehangen. Also zum Howitt wollen Sie?«

»Er ist wohl der einzige, durch den ich über den Verbleib des jungen King Näheres in Erfahrung bringen könnte.«

»Richtig, mein junger Mann; wenn nicht durch ihn, so doch sicher durch das Frauenzimmer, das er zu freien gedachte.«

»Hoffentlich ist er noch nicht verheiratet.«

»Sicher nicht. Denn vom Verlieben bis zur Hochzeit ist oft ein langer Weg, sagte schon Korporal Knockhimdown, als mein Vater sich dagegen sträubte, mich in die Armee eintreten zu lassen. Doch das nebenbei. Denn wäre dem Schlingel viel am Freien gelegen gewesen, hätte er das Kind, die Independence, genommen, und die ist sicher dazu geschaffen, den ärgsten Taugenichts in einen seßhaften Mann umzuwandeln.«

»Eine allzuschwierige Aufgabe wäre es also nicht, jenen Howitt aufzusuchen,« meinte Bertrand zweifelnd, »wer aber bürgt dafür, daß ich den Punkt finde, wohin ich von dort aus gewiesen werde? Ist die Prairie doch keine Stadt, wo auf jeder Straßenecke deren Name verzeichnet steht.«

»Abermals ein wahres Wort, mein junger Mann. Und dennoch giebt es Leute, die ihren Weg in der Wildnis so leicht ausmachen, wie der verbohrteste Rekrut schon am dritten Tage seiner Dienstzeit den von der Wachtstube nach dem Eßraum.«

»Wo aber und wie wäre ein solcher Mann für meine Dienste zu gewinnen?«

Frau Hickup pflügte mit den gespreizten Fingern ihr ergrautes Gelock, widmete der Pfeife etwas ernstere Aufmerksamkeit, und sie wieder seitwärts schwingend, sah sie unter den gerunzelten Brauen hervor ins Leere. Eine Minute verstrich in Schweigen.

Plötzlich kehrte sie sich mit einer heftigen Bewegung dem sie gespannt beobachtenden Gefährten zu: »Junger Mann, ich wüßte wohl einen, aber die Sache will zuvor ordentlich überlegt sein. Sehne ich mich danach, vor meinem Altwerden die Ebenen noch einmal zu kreuzen, zumal es sich darum handelt, den Taugenichts, den Bob, einzufangen, wie 'nen wilden Mustang, so ist es doch bedenklich, unseren guten Herrn so lange unbeaufsichtigt zu lassen. Die Independence ist zwar nicht nur ein liebliches, sondern auch ein handfestes Soldatenkind – doch immerhin: die Angelegenheit will zuvor überlegt sein, behaupte ich.«

»Zu einem derartigen Wagestück wollten Sie sich verstehen?«

Frau Hickup warf einen Blick unsäglicher Geringschätzung auf Bertrand. »Wagestück?« sagte sie. »Für einen gesunden Mann giebt es überhaupt kein Wagestück, am wenigsten für jemand, der, wie ich, bei Monterey und Buena Vista mitfocht,« und ihre Augen sprühten förmlich in kriegerischem Feuer, nachdem sie im Geiste bereits Prairieluft einatmete und nach der Magnetnadel ihren Weg über die endlosen Grasfluren suchte. »Doch ich wiederhole nochmals, die Sache will überlegt sein, und dann fragt es sich, ob Sie Vertrauen zu einer alten Korporalswitwe besitzen.«

»Blindes Vertrauen,« beteuerte Bertrand, und er atmete erleichtert auf. »Meine Dankbarkeit, doch auch die anderer würde endlos sein, trügen Sie dazu bei, daß ich den jungen Mann kennen lernte, vorausgesetzt, er lebt noch und wurde von seiner Abenteuerlust nicht in unbekannte Fernen verschlagen.«

»Galgenholz ist zähe und Unkraut vergeht nicht, mein junger Mann, behaupte ich, und so wird auch der Bob heute noch aufrecht in seinen Schuhen stehen. Bändelte er wirklich mit einem einfältigen Dinge an, so bewahrte ihn das vor den unbekannten Fernen. Also guten Mut. Fünf Monate offene Jahreszeit liegen noch vor uns, und die reichen aus, ein gut Stück Prairie abzuklappern. Wann sprechen Sie wieder vor?«

»Zu jeder von Ihnen anberaumten Stunde.«

»Gut, sagen wir: morgen um diese Zeit. Bis dahin habe ich alles in meinem Kopf zurechtgelegt und mit Herrn King vereinbart. Dann höchstens noch eine Woche, und wir sind marschfertig.«

Bertrand erhob sich. Mit einem Händedruck, den er eine Weile nachher noch fühlte, entließ ihn der weibliche Korporal.

Frau Hickup aber begab sich ungesäumt zu King nach der Werkstatt. Lange und ernst sprachen sie miteinander. Als sie schieden, war die Reise über die Steppen eine beschlossene Sache, und mit rastlosem Eifer wurden die entsprechenden Vorbereitungen getroffen.

Sechstes Kapitel

Eine liebliche Sternennacht hatte sich auf die Prairie gesenkt. Es war gerade so dunkel, daß man aus mäßiger Entfernung eine lagernde Rinderherde nicht von Strauchwerk oder kleinen Bodenerhebungen zu unterscheiden vermochte. Feierliche Stille herrschte auf der unbegrenzten Ebene, feierliche Stille in den mit Hainen und Baumgruppen geschmückten Thälern der kleinen Nebenflüsse, die von der großen nördlichen Biegung des Arkansasstromes bis in die Nachbarschaft des Smoky- Hill-Fork hinaufreichten. Das Tierleben schwieg. Nur die nimmersatten Prairiewölfe ließen bald hier, bald dort, vereinzelt oder im Chor ihre kläffenden und jauchzenden Stimmen vernehmen. Zuweilen drang der schrille Ruf eines wandernden Regenpfeifers aus Wolkenhöhe nieder.

Kaum vernehmbar war das Geräusch, mit dem zwei kräftige Gäule einen leichten, jedoch festgebauten Planwagen über den weichen Rasen zogen. Ein unbelastetes Reservepferd, an kurzer Leine befestigt, schritt neben dem Handpferde einher. Von kundiger Hand gelenkt, verfolgten sie ihren Weg an einer von Wolkenniederschlägen gerissenen Furche hin. Sie vertiefte und erweiterte sich allmählich zu einer Schlucht mit schroffen Uferwänden. Die Bewegungen der Pferde zeugten von einem langen und heißen Tagesmarsch. Zugleich erheischten die Dunkelheit wie die Nähe des hie und da durch Regengüsse zerwühlten Erdbodens Vorsicht.

Das Ziel der unterhalb des gewölbten Leinwandverdecks sitzenden beiden Reisenden war ein matter, rötlicher Schein, der, einem im Thal des in den Arkansas mündenden Pawnee-Fork geschürten Feuer entströmend, oberhalb desselben in der Atmosphäre lagerte. Bald nach Einbruch der Dunkelheit hatten sie ihn entdeckt und seitdem im Auge behalten. Ein anderer hellerer Schein zeigte sich gegen anderthalb englische Meilen weiter stromaufwärts, und ein dritter, kaum zu unterscheidender, abermals um so viel weiter. Von dem nächsten befanden sie sich vielleicht noch fünfhundert Schritte entfernt, als abseits eine Anzahl schwarzer Unebenheiten, anscheinend Stauden, Gestrüpp oder Hügel einer Prairiehundekolonie ihre Aufmerksamkeit erregte. Wie weit die mutmaßlichen Hindernisse reichten, verhüllte die Dunkelheit. Die äußeren Formen gingen in dem dort hohen Grase vollständig verloren.

Plötzlich, als die Räder das nächste Hindernis beinahe streiften, begannen die Pferde heftig zu schnauben. Wie der Blitz schnellte die schwarze, unförmliche Masse empor, um als gescheuchtes Rind das Weite zu suchen. Andere folgten seinem Beispiel, und gleich darauf erdröhnte der Erdboden unter dem Stampfen Tausender von flüchtigen Hufen. Beinahe gleichzeitig drangen Bellen, Heulen, Fluchen und Peitschengeknall aus größerer Entfernung herüber, begleitet von dem schärferen Getöse zum tollen Rennen unbarmherzig gestachelter Pferde. Es war, als ob die Hölle sich geöffnet und die wilde Jagd zum Kreuzen über die Ebene ausgespieen habe.

Die Reisenden hielten an. Sie begriffen, daß sie längst von den Hirten an der Fortsetzung der Fahrt gehindert worden wären, hätten diese die unzugängliche Schlucht wie den schroffen Abhang des Flußhals nicht als sichere Einfriedigung betrachtet und daher den beiden anderen Seiten um so schärfere Aufmerksamkeit zugewendet.

»Da sind wir in eine richtige Falle geraten, bei Gingo!« meinte Frau Hickup verdrossen, »und wir mögen noch von Glück sagen, wenn wir halb so komfortabel herausschlüpfen, wie wir hineinpilgerten, behaupte ich.«

»Umkehren wäre wohl am ratsamsten,« erwiderte Bertrand nachdenklich; denn aus den Stimmen, wie dem fortdauernden Gepolter ließ sich heraushören, daß zügellose Wut sich der Hirten bemächtigt hatte und die nach vielen Hunderten, sogar Tausenden zählenden Rinder durch den von ihnen selbst erzeugten Lärm nur noch unbändiger wurden.

»Umkehren, mein junger Mann?« fragte Frau Hickup geringschätzig, »das röche nach feiger Flucht vor dem Feinde und würde obendrein als Schuldbewußtsein ausgelegt. Denn keine zehn Minuten dauerte es, bis ein halbes Dutzend von der Sorte uns umringten und mit den Pistolen vor unseren Nasen herumfuchtelten, als handelte es sich darum, mit 'nem Ladiesfächer die Fliegen von einem gesunden Stück Fleisch abzuwehren. Nein, hier bleiben wir. Menschenfresser sind es nicht, die uns stellen. Gehört die Herde aber zu denen King Bobs, wie sie ihn beim Howitt nannten, giebt's überhaupt nichts zu fürchten.«

Bertrand antwortete nicht, und wie er, lauschte nunmehr auch seine mannhafte Gefährtin auf die bedrohliche Bewegung, die durch sie ins Leben gerufen worden war. Deutlich unterschieden sie, daß der Lärm sich mit großer Schnelligkeit entfernte, erst nach einiger Zeit wieder wuchs, und das Bellen und Peitschengeknall von Minute zu Minute schärfer hervortrat. Man war mithin der Flüchtlinge wieder Herr geworden, aber eine Weile dauerte es noch, bevor dem dumpfen Getöse zu entnehmen war, daß sie in ihren Winkel zurückkehrten. Endlich ertönte das Gepolter, unter dem zwei zur äußersten Eile gegeißelte Pferde der Regenschlucht zustürmten. Dann schoß es klirrend, schnaubend und keuchend herbei, daß es wie ein Wunder erschien, wenn die Tiere auf dem schwarzen Erdboden nicht stolperten und samt ihren wilden Reitern das Genick brachen.

»Hier sind sie, bei allen zehntausend Heiligen!« brüllte eine Stimme, in der sich unbezähmbare Wut verriet, und vor dem grausamen Griff in die Zügel gelangte das eine Pferd aus dem Rennen neben dem Wagen zum plötzlichen Stillstand. »Hier heran, Antonia, und die Hölle über jeden, der Miene macht, seinen niederträchtigen Unfug noch zu rechtfertigen!«

Ein zweiter Reiter sprengte , um ihm den Weg zu verlegen, vor den Wagen hin, und grimmig schrie der zuerst eingetroffene unter das aufgeschürzte Wagenverdeck:

»Mille Caramba! Was in des Satans Namen bewog euch, mit eurer verdammten Karrete mitten in die Herde hineinzufahren und eine Stampede zu erzeugen, die uns die Hälfte der Tiere kosten kann?!«

»Hölle und Verdammnis über euch selber,« erwiderte der weibliche Korporal unverzagt, »seid ihr eselhart genug, eure Herde auf der einen Seite unbeaufsichtigt zu lassen, so verdient ihr's nicht besser, als daß euer Viehzeug bis auf den letzten Schweifbüschel zum Henker geht, ohne daß es uns zur Last gelegt werden dürfte!«

 

»Ein Frauenzimmer!« rief der alte Vaquero verwundert aus. »Caramba! Das schützt dich dagegen, die eigenen Zähne zu verschlucken! Wärst du aber das hübscheste Mädchen, das je einen verliebten Burschen um eine Stunde Nachtschlaf prellte, so hinderte das nicht, dich samt deinem Partner da für allen Schaden verantwortlich zu machen!«

»Bei Gingo! Die Verantwortlichkeit wollen wir gern auf unser Gewissen nehmen, ohne daß wir schwerer daran trügen, als ich hier an meinem Pfeifenstummel,« versetzte Frau Hickup herausfordernd. »Die Prairie wurde für jedermann unter dem Himmel ausgebreitet, und denjenigen möchte ich sehen, der uns wehrte, zu fahren, wohin wir gute Lust haben.«

»Zum Fahren sind die alten Geleise da, die führen nicht in eine abseits lagernde Herde hinein. Mit solcher Ausrede rettet ihr nicht ein Haar auf euren verdammten Schädeln.«

»Meint ihr?« höhnte Frau Hickup. »So zeigt mir den Weg zu dem, den ich suche, und der heißt King Bob. Der ist der Mann dazu, euch Augen und Ohren aufzuknöpfen, daß ihr zeitlebens daran zu denken habt!«

»Zum King Bob? Hol's der Teufel! Dergleichen kann jeder sagen, dessen Zunge zum Lügen zugespitzt wurde.«

»Könnt ihr mit euren Blechschädeln das nicht fassen, so führt uns der Sicherheit halber selber zu ihm, und ihr werdet Wunder erleben.«

»King Bob ist überhaupt nicht hier,« hieß es etwas weniger feindselig zurück, »den habt ihr auf 'ner anderen Stelle zu suchen; da weiter oben, wo der Feuerschein in der Luft schwebt. Doch zuvor müssen wir hier miteinander fertig werden – verdammt! da kommen die Rinder! Fort mit euch in gerader Richtung auf den Creek zu, und langsam und ohne Hallo, oder die Stampede bricht von neuem los.«

Während Frau Hickup die Pferde antrieb und zügelte, ritten die beiden Vaqueros ihnen zur Seite, fortgesetzt die von schweren Drohungen begleiteten Warnungen wiederholend.

»Das scheint eine heitere Gesellschaft zu sein, in die wir gerieten,« wendete Bertrand sich an die alte Gefährtin, »ich selbst komme mir vor, wie ein Junge, der eben erst lernte, sich an der Schürze seiner Mutter aufrecht zu erhalten.«

»Durchaus reglementsmäßig,« erklärte Frau Hickup sorglos lachend, »ein Weib kann dem Gesindel schon eher ein kräftiges Wort an den Hals werfen, als ein Mann, und wären ihm die Haare faustdick auf den Zähnen gewachsen. Ich kenne die Sorte. Die ist gerade wie ihre tückischen Katzen von Gäulen. Verspricht man denen Zuckerbrot, so schlagen und beißen sie um sich, wogegen ein ordentlicher Fußtritt ihnen Achtung einflößt.«

»Auf alle Fälle ist King Bob nicht weit.«

»Ob weit oder nahe, bei Gingo! Was hilft's, wenn die Esel uns nicht von dannen lassen, behaupte ich. Und denen ist alles zuzutrauen. Die fühlen sich nämlich auf der Prairie so frei und unabhängig, wie die Geier, die so hoch fliegen, daß die feinste Büchsenkugel sie nicht erreicht.«

Schweigen folgte. Nur die beiden Reiter sprachen zu einander, indem sie aus dem von der Herde erzeugten Geräusch Schlüsse auf deren Bewegungen zu ziehen suchten und mehr Verwünschungen mit einflochten, als zur Bekräftigung ihres Grimmes unumgänglich notwendig. So erreichte der Wagen den Uferrand des Thales zu derselben Zeit, zu der hinter ihm die vordersten Mitglieder der Herde durch die Regenschlucht aufgehalten wurden und in der Richtung nach dem Flüßchen zu sich ausbreiteten.

Nachdem Frau Hickup und Bertrand einen Blick in die Niederung hinabgesendet hatten, wo zwei oder drei Hirten als Wachen vor einem lodernden Scheiterhaufen sich zu schaffen machten, wendete die tapfere Korporalswitwe sich an den älteren Vaquero mit den Worten:

»Da möchten wir also stromaufwärts fahren und den Uferrand halten, um zum King Bob zu gelangen.«

»Und ich will verdammt sein, wenn ihr das nicht bleiben laßt, und wäre ich gezwungen, einen eurer Gäule über den Haufen zu schießen,« lautete die bedrohliche Erwiderung; »wollt ihr zum King Bob, dann gebraucht eure eigenen Beine. Pferde, Wagen und Inhalt bleiben hier, und ihr mögt darauf schwören, daß wir uns schadlos daran halten, sollte durch eure Schuld auch nur ein Huf zum Teufel gegangen sein. Zieht ihr vor, da unten bei uns zu übernachten, seid ihr willkommen dazu.«

»Da suchen wir lieber den King Bob auf, vorausgesetzt, ihr bürgt dafür, daß von unserem Eigentum nichts verloren geht.«

»Nicht 'n verwünschter Radnagel oder ein Haar aus den Mähnen eurer Bestien,« höhnte der Vaquero, »es soll sogar für die Tiere gesorgt werden, als wären sie bereits die unserigen.«

Sich aus dem Sattel schwingend, begaben die beiden Reiter sich ans Werk, die Pferde aus den Geschirren zu lösen.

»Eine andere Wahl giebt es freilich nicht, sagte der hungrige Fischreiher zum Frosch, da schluckte er ihn herunter,« meinte Frau Hickup, indem sie mit dem Gefährten den Wagen verließ, und die Büchsen auf die Schultern werfend, schritten sie davon.

Eine größere Strecke legten sie schweigend zurück, ohne daß sie von den mit der Herde beschäftigten Männern weiter belästigt worden wären. Plötzlich lachte Mutter Hickup vor sich hin.

»Was meinen Sie, mein junger Mann, wenn der Schlingel, der Bob, überhaupt nicht zur Hand wäre?« fragte sie gut gelaunt.

»So müßten wir uns in das Unabänderliche fügen und das Beste davon machen,« antwortete Bertrand in demselben Ton; um Ihretwillen würde ich es beklagen.«

»Gut gesprochen, mein junger Mann, obwohl ich das Beklagtwerden von jeher verabscheute, selbst damals, als sie meinen seligen Knockhimdown mit ganz unvorschriftsmäßig verschnittenem Skalp ins Lager trugen. Daran zu denken ist übrigens früh genug, wenn wir erst in der Falle drinnen sitzen,« und weiter wanderten sie auf dem Uferrande dem Lichtschein zu, der offenbar einem mächtigen Feuer entströmte.

Indem die Strecke bis dahin sich allmählich verringerte, schallte Jauchzen, Bellen, Singen und Kreischen deutlicher zu ihnen herüber. Eine Höllenorgie schien daselbst gefeiert zu werden, vertrauenerweckend klang es am wenigsten. Die beiden Wanderer wurden einsilbiger, bis sie sich endlich dafür entschieden, anstatt sogleich ins Thal hinabzusteigen, zuvor einen Blick auf das unheimlich belebte Lager zu werfen.

Vorsichtig einherschleichend, gelangten sie auf einen Punkt, von dem aus sie es bequem zu überschauen vermochten. Gerade vor ihnen und durch eine gegen vierzig Fuß hohe Erdwand von ihnen getrennt, war es aufgeschlagen worden. Was sie aber da unten gewahrten, war wenig geeignet, ihnen einen hohen Begriff von Bobs Königswürde und der guten Sitte der von ihm Beherrschten zu verschaffen.

Ein mit halben Baumstämmen genährtes Feuer beleuchtete die Stätte in weiterem Umkreise. In dessen flackerndem Schein erblickten sie vierzehn oder sechzehn Männer, die sich in lebhaftem Gewirre um den Scheiterhaufen herumbewegten. Leute der verschiedensten Altersstufen waren es, vom schlanken Burschen, dem der Bart erst ums Kinn wachsen sollte, bis zum alten Vaquero, der in einem langen Leben der Mühe und Entbehrungen ergraute. Doch diese wie jene trugen im Aeußeren dieselben Merkmale der Verwahrlosung. Räubergestalten veranschaulichten sie in den verschiedenartigsten Aufzügen, je nachdem man Gelegenheit gefunden hatte, abgetragene Kleidungsstücke durch die seltsamsten Zutaten zu ergänzen oder zu ersetzen. Unordentlich, wie es kaum anders zu erwarten, lagen ihre Habseligkeiten umher. Deren Hauptbestandteile bildeten die sowohl als Mäntel wie als Betten dienenden gestreiften Wolldecken. Nur die in Säcken und Fässern geborgenen Lebensmittel waren sorgfältig übereinander geschichtet oder in künstlich aus Zweigen hergestellten Lauben untergebracht worden. Doch welcher Art die Erscheinungen der einzelnen Männer sein mochten, von welcher Art die Umgebung: die allgemeine sorglose Stimmung konnte dadurch nicht beeinflußt werden. Es verriet sich in dem Gesänge, dem taktmäßigen Händeklatschen und dem Rasseln eines Tamburins, womit man die Tanzbewegungen eines halben Dutzends der wilden Gesellen begleitete.