Tasuta

Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas

Tekst
iOSAndroidWindows Phone
Kuhu peaksime rakenduse lingi saatma?
Ärge sulgege akent, kuni olete sisestanud mobiilseadmesse saadetud koodi
Proovi uuestiLink saadetud

Autoriõiguse omaniku taotlusel ei saa seda raamatut failina alla laadida.

Sellegipoolest saate seda raamatut lugeda meie mobiilirakendusest (isegi ilma internetiühenduseta) ja LitResi veebielehel.

Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Eine kurze Strecke hinter dieser Stelle wurde das schwarze Gestein wieder durch rote Felsmassen, vorzugsweise Porphyr, ersetzt, welche sich bis zu einer Höhe von 130 Fuß senkrecht aus dem Wasser erhoben. Dieser Punkt erhielt den Namen »Red Rock Gate«, doch bildeten die Felsen, wie man vielleicht aus dem Namen »Rotes Felsentor« schließen könnte, keineswegs zusammenhängende Mauern, sondern imposante Gruppen standen, durch kurze Zwischenräume getrennt, einander gegenüber, und zwischen diesen hindurch wand sich der schäumende Strom. Dadurch, daß der Fluß sich mit voller Gewalt auf die unerschütterlichen Felsen stürzte, von diesen abprallte und, in entgegengesetzter Richtung weitereilend, auf ähnliche Hindernisse stieß, wurde die Strömung so verstärkt, daß förmliche Stromschnellen entstanden und die Bemannung ans Ufer gesetzt werden mußte, um durch Ziehen an einem vom Boot aus dorthin geleiteten Tau den mit voller Dampfkraft arbeitenden Maschinen zu Hilfe zu kommen.

Gegen Mittag, nachdem wir mehrere Meilen durch ödes Wüstenland gereist waren, brach die Sonne hinter dem grauen Wolkenschleier hervor und überschüttete mit ihrem Glanz eine zackige Gebirgskette, die uns den Weg zu versperren schien. Eine enge Pforte oder Schlucht wurde indessen bald erkennbar, und in derselben, genau in der Mitte des Stroms, stand wie ein riesenhafter Wächter ein von schäumendem Wasser umspülter Felsenturm. Seine Höhe betrug annähernd 80 Fuß, und der schlanke, massive Kegel zeigte eine merkwürdig regelmäßige Zuckerhutform. Auf dem linken Ufer ragten die hohen, nackten Felsen empor, zu denen der Kegel einst gehört zu haben schien, während das rechte Ufer noch auf einer kurzen Strecke das Bild einer Sandwüste zeigte, dann aber auch von steilen Felsen gebildet wurde, welche die wilde Schlucht vervollständigten. Dem Felsenturm wurde der Name »Light House Rock« beigelegt, und ich muß einräumen, daß mich dieser Felsen wirklich an die Leuchttürme, wie ich sie vielfach am Erie- und am Michigansee gesehen habe, lebhaft erinnerte.

Versengte Weidenbäume auf der rechten Seite, und zwar an der Mündung einer Schlucht, wo das Fahrwasser des Stroms bis dicht an das Ufer reichte, veranlaßten uns zu landen, um uns zur Fahrt durch den Paß mit einem ausreichenden Holzvorrat zu versehen. Kaum war die Laufplanke ans Ufer geworfen und das Ventil dem überflüssigen Dampf geöffnet worden, als auf dem entgegengesetzten Ende der talförmig auslaufenden Schlucht ein Rudel Bergschafe, durch das ungewöhnliche Geräusch gestört, an dem steilen Abhang des nächsten Berges hinaufeilte und, flüchtig von Stein zu Stein springend, hinter dem nächsten Vorsprung verschwand. Es war ein schöner Anblick, diese starkgehörnten Tiere, wie sie anmutig an den Abgründen hinschwebten und den Boden kaum mit ihren leichten Hufen zu berühren schienen. Einige unserer Gesellschaft folgten ihnen noch mit Büchsen nach, doch ebenso leicht hält der vom steilen Abhang niederrollende Felsen in seinem Sturz inne, als das aufgescheuchte Bergschaf auf den verfolgenden Jäger wartet.

Nach kurzem Aufenthalt setzten wir unsere Reise fort, und Kapitän Robinson lenkte das Boot zwischen dem Leuchtturmfelsen und dem linken Ufer hindurch. Gefährliche Felsen, unter dem Wasserspiegel verborgen, umgaben uns vielfach, doch waren die Fluten tief, und es gelang dem kundigen Auge unseres Kapitäns stets, freilich nicht ohne Mühe, einen sicheren Kanal zu entdecken. Die Felsenkette, durch die der Paß uns führte, war nur schmal, und schon bei der nächsten Biegung gewannen wir eine Aussicht durch die nördliche Öffnung desselben. Das Gestein selbst bestand größtenteils aus fleischfarbigen und grauen Porphyrmassen, die sich zu beiden Seiten hoch übereinander türmten; nach diesen wurde, auf den ausdrücklichen Wunsch von Dr. Newberry, dem Paß der Name »Porphyrpaß« gegeben.

Als wir die Schlucht verließen, befanden wir uns am Rande einer weiten Ebene, die vorzugsweise gegen Norden von bedeutenderen Gebirgszügen begrenzt wurde, während gegen Osten und Westen nur einzelne niedrige Felshügel und blaue Bergkuppen die Einförmigkeit der wüstenähnlichen Fläche unterbrachen. Die Kiesebene reichte fast überall bis unmittelbar an den Fluß und war an manchen Stellen schroff abgewaschen worden, wo dann die verschiedenen Schichten von Sand, Lehm und Kies deutlich zutage traten. Elf Meilen hatten wir zurückgelegt, als wir am linken Ufer landeten, und dort befanden wir uns im ganzen erst fünfzig Meilen auf dem Flußweg von Fort Yuma entfernt.

Es gibt kaum eine unheimlichere Naturumgebung als die, in welche man gerät, wenn man einer der Schluchten in dieser Kiesebene aufwärts folgt. An den schrägen Abhängen der Seitenwände schimmert in bunten Farben leicht beweglicher, trockener Kies, während der Boden der spaltenähnlichen Schluchten dicht mit glattgespülten Felsblöcken bedeckt ist, die zu schwer sind, um vom Andrang der Regenwasser, die zeitweise als Gießbäche über dieselben hinwegstürzen, mit fortgerissen zu werden. Selten nur erblickt man eine verkrüppelte Kreosot- oder Talgholzpflanze, die wie trauernd hinter einem größeren Felsblock hervorlugt, wo sie vielleicht der nächste Sturm oder der Regen entwurzeln wird. Interessantere Formen — wenn auch denselben starren Charakter — boten die Felshügel, welche sich in der Entfernung von zwei Meilen hinter unserem Lager auf der Ebene erhoben, und meine Aufmerksamkeit erregte besonders eine sehr große, weiße Quarzader, die, in der Stärke von etwa vier Fuß, einen massiven Felshügel von oben bis unten fast senkrecht durchzog. Ich kann es nicht leugnen, daß ich in den gelben Rissen und Sprüngen des weißen Gesteins nach Gold forschte; doch vergeblich — ich sah weiter nichts als die schönen Quarzblöcke, und diese waren umgeben von formlosen Massen von metamorphosiertem Konglomerat.

Selbst in dieser traurigen Wüste fand ich Spuren von Wild, und als ich in der Dämmerung dem Lager zuschritt, vernahm ich vielfaches Locken von Rebhühnern, die sich bei Annäherung der Nacht unter den Schutz der niedrig hängenden Äste der Mesquitebäume in ein kleines Tal zurückgezogen hatten und die dornenreichsten Zweige zu ihrem nächtlichen Aufenthalt wählten. Dort saßen sie in Klumpen zusammengedrängt, so daß sie kaum von den nestartigen, besonders den Mesquitebäumen eigentümlichen, Parasiten zu unterscheiden waren; ich ließ die reizenden Vögel ungestört, denn wenn ich auch Gelegenheit hatte, viele von ihnen zu töten, so wäre es mir doch schwer geworden, durch das dichte Dornengestrüpp bis zu ihnen durchzudringen.

Gutes Fahrwasser schien uns in der Frühe des 18. Januar zu begünstigen, als wir unsere gewundene Straße gegen Norden verfolgten; doch schon nach einer Reise von drei Meilen traf uns abermals ein Unfall, der einen Aufenthalt von mehreren Stunden verursachte. Die eiserne Ruderstange war nämlich gebrochen, und das Ausnehmen und Einhängen derselben raubte fast ebensoviel Zeit wie die Schmiedearbeit. Glücklicherweise befanden wir uns in der Nähe eines kleinen ausgewaschenen Tals, wo gutes Brennholz im Überfluß vorhanden war; unsere Leute konnten daher, während der Schmied das sprühende Eisen auf dem Amboß zusammenfügte, mit leichter Mühe einen Holzvorrat an Bord bringen, der für den ganzen Tag ausreichte.

Ich vertiefte mich bald in die Verfolgung zweier Hirsche, die langsam das Tal verließen und in eine der vielen Wasserrinnen einbogen; sie waren nicht scheu, doch auch bei der größten Vorsicht gelang es mir nicht, auf dem mit losen Kieseln übersäten Boden geräuschlos fortzuschreiten. Die Tiere — obgleich sie nicht flüchtig waren — hielten sich daher immer aus dem Bereich meiner Büchse und lockten mich durch ihr scheinbar zutrauliches Wesen immer tiefer in das Labyrinth der zahlreichen Schluchten. Ich gab endlich meine Jagd als fruchtlos auf und wandte mich wieder dem Fluß zu, wo ich dem fühlbaren Mangel an frischem Fleisch wenigstens durch einige Rebhühner etwas abzuhelfen suchte.

Um die Mittagszeit war das Steuerruder wieder in brauchbarem Zustand, und wir brachten bis zum Abend die Zahl der an diesem Tag zurückgelegten Meilen auf 1 ½. Auf der ganzen Strecke hatten wir uns fortwährend in der Mitte zwischen zwei parallellaufenden Gebirgsketten fortbewegt; die Richtung derselben war anscheinend von Norden nach Süden, doch ließ sich dies nicht so genau bestimmen, da ihre Basen zu weit vom Colorado entfernt waren. Ihr äußerer Charakter unterschied sich fast gar nicht voneinander, und so wurden ihnen denn nach der Verschiedenheit ihrer Ausdehnung die Namen »Long Range« und »Short Range« beigelegt.

Seit einigen Tagen erblickten wir zum erstenmal wieder Indianer am Ufer. Nach Mariandos Aussage gehörten diese zu dem Stamm der Yumas, und ihre Anwesenheit mit Weib und Kind deutete auf kulturfähigen Boden, der sich hinter der dichten Cottonwood-Waldung des Ufers befinden mußte. Jedenfalls war er nur von geringem Umfang, denn selbst an den lichten Stellen des Gehölzes vermochten wir keinen Blick auf ihn zu erhaschen. Wir waren dem Ufer nahe genug, um das große Erstaunen der Eingeborenen beobachten zu können, das sie über unser Dampfboot kundgaben; und es schien ihnen unbegreiflich zu bleiben, daß ein so großes Kanu wie das unsrige, imstande sei, ohne gezogen zu werden, stromaufwärts zu fahren. Die Kraft der Belebung des Eisens — denn das Eisen lebte ja sichtlich — schrieben sie übrigens allein dem Kapitän Robinson zu, weil derselbe nach ihrer Ansicht der einzige war, der unmittelbar mit der eisernen Ruderstange und dadurch auch mit der Maschine in Verbindung stand, während alle übrigen an Bord müßig umhersaßen oder -lagen.

Ein riesenhafter Yuma, der auf einem Vorsprung unsere Ankunft erwartete, schien mit den Eigenschaften des »feuerfressenden Kanus« vertraut zu sein, denn furchtlos ließ er durch Maruatscha und danach durch Mariando die Bitte an Lieutenant Ives stellen, ihn eine oder zwei Tagereisen weit mitzunehmen. Natürlich wurde seinem Wunsch entsprochen, und zwar um so mehr, als es von größter Wichtigkeit für uns war, ein freundliches Verhältnis mit den Eingeborenen aufrechtzuerhalten; wir konnten durch dergleichen kleine Gefälligkeiten in der Meinung der zu Mißtrauen so leicht hinneigenden Wilden nur gewinnen.

 

Der Abend rückte heran, Tausende von Kraniche versammelten sich zur nächtlichen Ruhe auf den nackten Sandinseln, kleine Trupps von Pelikanen begaben sich unter den Schutz der von ihren hochbeinigen Gefährten ausgestellten Schildwachen, und auch wir landeten an einer geeigneten Stelle auf dem linken Ufer, um hier den kommenden Tag zu erwarten. Dichtes Gehölz, und in diesem vorzugsweise schön gewachsene Cottonwood-Bäume, beschatteten den lehmigen Boden, auf dem unsere Zelte standen, und hinter dem schmalen Waldstreifen begannen wieder die sandigen Niederungen und die hochgelegenen Kieswüsten. Der Abend war mild, die Nacht pechschwarz, und malerisch beleuchteten die flackernden Lagerfeuer die glatten Stämme und die blätterlosen Kronen der nahen Bäume, das verworrene Gestrüpp, die weißen Zelte und die verschiedenen Gestalten vor diesen. Von der Wüste herüber schallte das Gekläff der Kojoten,Kojote = mexikanische Bezeichnung für den Präriewolf, wahrscheinlich vom aztekischen »Coyotl«. von den Sandbänken das behagliche, heisere Gekrächz der Kraniche, im Lager aber gesellte sich fröhlicher Gesang zu den Klängen wohlgestimmter Instrumente.

Verstohlen blitzten am 19. Januar erst einige Strahlen der Sonne durch das herbstlich entblätterte Dickicht, als wir uns an Bord begaben. Die regsamen Kraniche hatten schon längst unter wildem Jubelruf ihre Weiterreise angetreten, die gemächlicheren Pelikane saßen dagegen noch auf ihrer alten Stelle, sie reckten ihre breiten Schwingen, putzten ihr schönes Gefieder und saßen noch immer da, als wir schon längst an ihnen vorübergefahren waren und drei Meilen oberhalb unserer Lagerstelle die »Explorer« über eine Sandbank wanden. Auch Eingeborene zeigten sich am Ufer, sie beobachteten neugierig unser seltsames Treiben und gaben zuweilen durch gellenden Ruf ihre Verwunderung zu erkennen. Glücklicher als bei früheren Gelegenheiten, gelangten wir bald wieder in tiefes Wasser und legten dann eine bedeutende Strecke zurück, ohne auf Hindernisse ernsterer Art zu stoßen.

Die Umgebung blieb fast ganz dieselbe wie am vorhergehenden Tag; flaches Land dehnte sich nach allen Richtungen hin weit aus und stieg sanft und gleichmäßig an, in dem Grad, wie es sich vom Fluß entfernte und den Basen der blauen Gebirgszüge näher trat. Die Ufer waren höher oder niedriger, je nachdem der Strom mehr oder weniger an der Kiesebene genagt hatte, und die rechte Uferwand erhob sich auf der Strecke von einer Meile sogar bis zu einer Höhe von sechzig Fuß, wo dann über dem Wasserspiegel eine graue Sandsteinlage sichtbar wurde, auf der abwechselnd Kies- und Lehmschichten ruhten.

Die Sandschichten schienen ein Lieblingsaufenthalt der kleinen Höhlenschwalbe zu sein, denn ich nahm zahlreiche runde Öffnungen wahr, die sich reihenweise am Ufer hinzogen und so angebracht waren, daß sie den befiederten Erdbewohnern vollständigen Schutz gegen die Zudringlichkeit der Schlangen und kleinen Nagetiere gewährten. Die Schwalben selbst befanden sich aber noch im wärmeren Süden, ich erhielt also kein Exemplar dieser reizenden Verkünder des Frühlings. Den weißköpfigen Adler sah ich hier seit langer Zeit zum erstenmal wieder, er war aber sehr scheu und hielt sich stets in einer für ihn sicheren Entfernung. Zahllose Kraniche erfüllten die Lüfte mit ihrem durchdringenden Geschrei; blaue und weiße Reiher flüchteten sich fast in jedem Augenblick beim Herannahen des Dampfbootes; Kormorane, Gänse und Enten mancher Art schwammen auf dem stillen Wasser in den von den Sandbänken gebildeten Winkeln und gaben mir mitunter Gelegenheit, mich vom Verdeck aus mit der Jagd zu beschäftigen, was mir eine angenehme Unterhaltung auf der Fahrt durch die einförmige Wüste gewährte.

Long Range und Short Range blieben hinter uns zurück, ein neuer Gebirgszug tauchte im Westen auf, und deutlicher wurden die Linien und Formen der mächtigen Felsmassen, die gegen Norden den Horizont einfaßten und die schon am vorhergehenden Tag die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatten. Sechzehn Meilen waren überwunden; wir nannten es eine gute Tagereise und schauten nach einer zum Landen geeigneten Stelle aus. Beide Ufer mit dem dichten Gehölz schienen uns gleichsam zum Rasten einzuladen, doch neidische Sandbänke versperrten uns überallhin den Weg, so daß wir genötigt waren, auf einer großen, vegetationslosen Sandinsel beizulegen, auf der nur mit knapper Not die Zelte zum Stehen gebracht werden konnten. Treibholz war genug vorhanden, es fehlte uns also nicht an einem gemütlichen Lagerfeuer; Stoff zur Unterhaltung boten zum Überfluß die Erlebnisse eines jeden von uns, und der Zufall fügte es, daß ich die Rolle eines Erzählers übernahm und einiges über meine Abenteuer am Nebraska mitteilte.

Zehntes Kapitel

Erzählung der Abenteuer am Nebraska — Das Lager beim Yuma-Dorf — Besuch von Yuma-Indianern — Chimehwhuebe- und Mohave-Indianer auf dem Ufer — Benehmen der Indianerinnen — Der angeschwemmte Talboden — Gute Reise am 23. Januar — Chimehwhuebe-Indianer im Lager — Der Sandsturm — Die Sonntagsfeier — Änderung des Reiseplans — Gebirge nach allen Richtungen — Half Way Range — Riverside Mountains — Charakter der Schluchten in der Kieswüste — Zahlreiche Sandbänke — Der Ausflug den Fluß hinauf — Lager auf der Sandinsel

Ich schloß meine Erzählung in Fort Yuma damit, daß durch die Hilfe der Post der Vereinigten Staaten der Wagen des Herzogs Paul von Württemberg aus den Fluten des Nebraska aufs Trockene gebracht worden war und daß wir uns beeilten, aus der unsicheren Nähe der Indianer zu gelangen. Ich fahre also fort:

»Wir folgten auf dem südlichen Ufer des Nebraska der breiten und ebenen Emigrantenstraße. Wenn die Nächte auch schon empfindlich kalt waren, so begünstigte uns doch immer trockenes, gutes Wetter, so daß wir noch gar nicht bezweifelten, daß wir vor dem Beginn der Schneestürme die Ansiedlungen am Missouri erreichen würden. Zwei Tagereisen mochten wir ungefähr vom Übergangspunkt des Nebraska entfernt sein, als gutes Gras uns veranlaßte, schon um die Mittagszeit unseren Tagesmarsch für beendet zu erklären. Wir überließen die Pferde der Freiheit und befanden uns bei dem schönen, warmen Herbstwetter recht glücklich und zufrieden in der stillen Einsamkeit der endlosen Prärie. Als wir gegen Abend auf dem trockenen Rasen lagen und uns über das Eigentümliche unserer Lage, über die Vergangenheit und über die nächste Zukunft unterhielten, dabei eine Büffelherde beobachteten, die auf uns zuschritt und von der wir ein Mitglied zu erlegen hofften, näherte sich uns von Westen her ein kleiner Trupp Reiter, die wir sogleich für Weiße erkannten, die aber auch leider unsere Büffel verjagten. Als sie unserer ansichtig wurden, lenkten sie auf uns zu, begrüßten uns freundlich und teilten uns mit, daß sie Mormonen seien und sich auf der Reise vom Großen Salzsee (Utah Lake) nach dem Missouri befänden. Sie ritten am gleichen Abend noch einige Meilen weiter und schlugen ihr Lager so auf, daß wir während der Nacht den Schein ihres Feuers vor Augen hatten.

Fast zu gleicher Zeit brachen wir am folgenden Morgen auf, die Mormonen behielten also einen Vorsprung vor uns, der durch ihre besseren Pferde von Stunde zu Stunde vergrößert wurde. Wellenförmiges Land entzog sie bald ganz unseren Blicken, und wieder allein auf der weiten Fläche, zogen wir, so schnell es die schwindenden Kräfte unserer Tiere nur erlauben wollten, unsere Straße weiter. Plötzlich erschallten einige Schüsse in der Richtung, wo die Mormonen verschwunden waren; wir wurden indessen dadurch nicht weiter beunruhigt, sondern lebten in der Meinung, daß die vor uns Reisenden Jagd auf Büffel gemacht hätten, und wir freuten uns darauf, unseren schwachen Fleischvorrat wieder durch einige frische Büffelrippen vermehren zu können. Es ist nämlich ein alter Präriebrauch, daß jeder Vorüberziehende sich von einem frisch erlegten Büffel soviel abschneidet, wie ihm beliebt, ohne sich weiter mit dem Jäger über einen Preis zu verständigen.

Wir näherten uns allmählich der Stelle, wo die Schüsse gefallen waren, und ich erblickte endlich von der Höhe einer Schwellung des Bodens über die folgende Schwellung hinweg in der Niederung eine Gruppe von Menschen, die anscheinend einen Gegenstand betrachteten, der auf dem Boden lag. Wir beide wurden dadurch noch in unserem Glauben bestärkt, und der Herzog gab mir infolgedessen den Auftrag, hinüberzureiten, von dem Büffel ein tüchtiges Stück abzuschneiden und demnächst mit ihm weiter oberhalb in der Straße wieder zusammenzutreffen. Ich spornte meinen armen Schimmel an, und nach einigen Minuten befand ich mich auf der nächsten Höhe, von der ich die Szene vor mir übersehen konnte.

Wider alles Erwarten erblickte ich aber keinen einzigen weißen Menschen, wohl aber zwanzig bis dreißig Indianer, die, nach ihrem wilden Schmuck zu urteilen, sich auf dem Kriegspfad befanden. Welcher Art meine Überraschung war, wird jeder leicht erraten können, denn das Zusammentreffen mit einer indianischen Kriegsabteilung wird für nicht ganz ungefährlich gehalten, und man geht daher einer solchen, wenn man ihr nicht an Stärke überlegen ist, gern aus dem Weg. Indem ich dies berücksichtigte, wandte ich mein Pferd und eilte dem Herzog nach, um ihn von der unwillkommenen Neuigkeit in Kenntnis zu setzen.

»Wenn es eine Kriegsabteilung ist«, antwortete der Herzog, indem er mir meine Doppelbüchse aus dem Wagen reichte, »so werden wir sie bald genug zu sehen bekommen; halten Sie sich bereit, für Ihr Leben zu kämpfen, schießen Sie aber nicht ohne Not, und wenn Sie schießen, so fehlen Sie nicht Ihren Mann.« Das war gewiß ein sehr schöner, wohlgemeinter Rat, doch leugne ich nicht, daß es mir etwas mehr Freude gemacht hätte, wenn die Veranlassung zu demselben gar nicht vorhanden gewesen wäre. Ich untersuchte indessen meine Pistolen und legte das Gewehr vor mir quer auf den Sattel, während der Herzog sich mit einem ganzen Arsenal scharf geladener Büchsen, Flinten und Pistolen umgab.

Nach diesen Vorkehrungen setzten wir unseren Weg fort, waren aber kaum zweihundert Schritt weitergezogen, als zu Pferd und zu Fuß ein ganzer Trupp der wilden Steppenbewohner auf dem nahen Hügel erschien und vor uns in die Straße eilte. Es waren Oglala-Indianer, ein Nebenstamm der Dakotas, und so schöne Krieger, wie man sie nur auf der anderen Seite der Rocky Mountains irgend finden kann. Alle waren mehr oder weniger mit den buntfarbigsten Stoffen bekleidet; Gesicht, Brust und Arme hatten sie sich auf eine wahrhaft teuflische Weise bemalt und ihr Haar an den Schläfen in lange Zöpfe gedreht, während die eigentliche Skalp- oder Wirbellocke auf den Rücken herunterfiel. An Waffen fehlte es ihnen auch nicht, denn außer Bogen, Pfeil, Tomahawk und Messer führten sie auch noch Karabiner und Lanzen.

Solcherart also war die Gesellschaft, die uns entgegenrückte. Als sie sich bis auf fünfzig Schritt genähert hatte, hielten wir still und legten unsere Gewehre auf die vordersten der ungebetenen Gäste an, wobei der Herzog ihnen zu verstehen gab, daß wir bei der geringsten Bewegung schießen würden. Auf unsere Vorsichtsmaßregeln antworteten die Indianer mit den gewöhnlichen Friedenszeichen, worauf wir ihnen gestatten, zu uns heranzukommen.

Es ist eigentümlich, wie diese Wilden ein bestimmtes Auftreten und den Beweis persönlichen Mutes achten, denn nachdem wir uns vollständig in der Gewalt dieser Oglalas befanden, rührten sie unser Eigentum nicht an, sie fragten wohl nach Whisky, doch nahmen sie nichts, wo sie es hätten ungestraft tun können, und begnügten sich hinsichtlich des Feuerwassers auch sehr bald, als der Herzog einem von ihnen die Essigflasche reichte und dieser nach einem derben Zug daraus mit den Zeichen des größten Abscheus die genossene Flüssigkeit wieder ausspie. Wir warteten nur so lange, bis ein Indianer, der auf des Herzogs Frage nach Fleisch ins Lager geeilt war, mit einem tüchtigen Braten zurückkehrte und denselben in den Wagen warf; der Herzog bot als Gegengeschenk ein Tischmesser, dasselbe wurde aber ausgeschlagen, die Indianer entfernten sich, und wir zogen unsere Straße weiter.

Kaum hatten wir uns voneinander getrennt, als ich inne wurde, daß ein Oglala dicht hinter mir ritt, ich lenkte zur Seite, doch folgte er allen meinen Bewegungen in einer so auffallenden Weise, daß ich mich mit fragender Miene zu ihm wandte. Es war ein großer, schöngewachsener Mann, der sein starkes, mutiges Pferd mittels einer einfachen Lederleine so leicht regierte und dabei so fest in dem hohen indianischen Sattel saß, als wenn Roß und Reiter aus einem einzigen Stück bestanden hätten. Die Züge seines Gesichts waren unter der dicken Lage roter und gelber Farbe kaum zu erkennen, und unter der vorstehenden Stirn blitzten ein Paar Augen so schrecklich wild und ernst, daß ich diese nie wieder habe vergessen können. Er war bekleidet mit einem Jagdhemd von hellblauem Baumwollzeug und langen, hirschledernen Gamaschen, die ebenso wie seine Mokassins dicht mit Perlenstickerei, seinen Riemen und schöngeordneten Skalplocken seiner erschlagenen Feinde geschmückt waren. Um den Hals trug er außer weißen und blauen Perlenschnüren einen Kragen von Bärenkrallen, die mittels Streifen von weichem Otterfell dicht aneinandergefügt waren, und eine Anzahl großer messingener Ringe beschwerten die durchstochenen Ohren

 

Dergestalt war also das Äußere des wilden Oglala, der mich alsbald aufforderte, ihm für seinen Lasso meinen Zaum zu geben er gab mir zu verstehen, daß er im Begriff sei, die Pawnee-Indianer zu bekämpfen und daß er zu diesem Zweck ein besseres Lenkmittel für sein Pferd benötige. Ich machte natürlich ein verneinendes Zeichen, worauf er sich wieder hinter mich begab und mir überallhin nachfolgte. Ich muß gestehen, daß mir der Mensch, mehr aber noch seine Bewegungen, recht unbequem wurde, so daß ich des Herzogs Aufmerksamkeit daraufhinlenkte.

»Reiten Sie nur vor mir«, riet mir der Herzog zu »damit ich, wenn er seine Waffe gegen Sie erhebt, ihn vom Pferd schießen kann.« Der Trost war wiederum sehr kaltblütig gegeben worden, doch unterlag es keinem Zweifel, daß ein solcher Schritt unser beider Ende herbeiführen mußte. Ich nahm indessen die gewünschte Stellung ein und brachte also den Indianer zwischen des Herzogs Büchse und mich.

Nicht weit waren wir in dieser Ordnung fortgezogen, als der Wilde plötzlich an meine Seite sprengte, seine unbewaffnete Hand hinter mir ausstreckte und, ehe ich seine Absicht erraten konnte, mir mein langes Bowiemesser, das ich auf dem Rücken im Gürtel trug, aus der Scheide riß. Trotzdem ich augenblicklich mein Pferd herumriß, hätte er mich ganz bequem niederstoßen können, doch lag das nicht in seiner Absicht, das Messer allein schien seine Raublust erregt zu haben, denn nachdem er es in seinen Besitz gebracht hatte, eilte er zurück zu seinem Lager.

»Ihr schönes Messer!« rief der Herzog aus. »Womit sollen wir jetzt unsere Büffel zerlegen? Reiten Sie doch dem Menschen nach, und lassen Sie es sich wiedergeben.«

»Wenn er es mir aber nicht wiedergeben will?« fragte ich zurück. »Nun, dann nehmen Sie es ihm ab,« lautete die Antwort. »Wenn ich aber skalpiert werde?« »Dann räche ich Sie!« »Wenn Sie dann auch skalpiert werden?« »Dann brauchen wir nicht mehr an den Missouri zu reisen.« Das ist alles sehr schön, dachte ich, doch schien mir mein Skalp, so wild und verworren er auch aussehen mochte, etwas mehr als das Messer wert zu sein und gern würde ich dieses vergessen haben, wenn ich nur meine Kopfhaut sicher gewußt hätte. Freilich war es sehr schmeichelhaft für mich, daß der Herzog mir soviel Mut zutraute, doch wünschte ich damals von ganzem Herzen, daß er selbst etwas weniger desselben besessen hätte und wir ruhig unserer Straße gezogen wären.

Ich hielt mich indessen nicht lange mit philosophischen Betrachtungen auf, sondern reichte dem Herzog mein Gewehr in den Wagen und ritt somit unbewaffnet über den nächsten Hügel auf das Lager der Oglalas zu. So interessant sich die wilde Bande in ihrem kriegerischen Schmuck auch ausnahm — es war nämlich die erste indianische Kriegsabteilung, die ich sah — , so fehlten doch auch nicht einzelne Sachen, die mir sehr mißfielen, z B ein geschlachtetes Pferd, an dem einzelne Krieger wie wilde Tiere herumschnitten und -zerrten, besonders aber der Umstand, daß bei meiner Annäherung fünf oder sechs derselben aufsprangen und ihre Karabiner auf mich anlegten. Ich machte, so gut es gehen wollte, meine Friedenszeichen, die Indianer nahmen ihre Gewehre zurück, und ich ritt nun in den Kreis. In der ganzen Bande befand sich nur ein Krieger, der eine Adlerfeder — die Auszeichnung von Häuptlingen — auf dem Scheitel trug, diesem näherte ich mich jetzt, reichte ihm sehr höflich die Hand, und da mir die Mittel zur Verständigung fehlten, so zeigte ich ihm meine leere Messerscheide wie auch den Dieb, und ich sagte zu ihm auf gut Deutsch (Englisch und Französisch hätte er ebensowenig verstanden), daß ich ihm unendlich verbunden wäre, wenn er mir das Messer wieder zustellen ließe. Was der Häuptling nicht verstand, das erriet er, denn er sprach zu einem seiner Leute, der sogleich eine lange Lanze ergriff und mit derselben auf mich zuschritt. Die Spitze der Lanze bestand aus einer Degenklinge und an derselben war ein runder, weißer Schild befestigt, auf den eine blutige Hand und ein blutiger, abgehauener Arm gemalt waren. Später erfuhr ich, daß dieser ein Zauber- oder Medizinschild gewesen sei, der vor mich hingestellt wurde, um mich der indianischen Freundschaft zu versichern, zu jener Zeit aber erwartete ich nichts anderes, als daß der menschenfreundliche Indianer mir mit der langen Klinge zwischen die Rippen fahren würde. Dergleichen geschah aber nicht, man ließ mich unangetastet, und was noch mehr war: der Messerdieb wurde vom Häuptling gezwungen, mir mein Eigentum zurückzuerstatten, was aber nicht ohne einiges Widerstreben von selten des Diebes vor sich ging.

Wieder im Besitz meiner Waffe, wünschte ich so bald wie möglich zum Herzog zurückzukehren, ich drückte dem Häuptling die Hand und versicherte ihm, daß ich mich zwar sehr glücklich in seiner Gesellschaft fühle, daß ich mich aber an jeder anderen beliebigen Stelle noch viel glücklicher fühlen würde — ein Kompliment, das der Krieger mit einem sehr ernsten, bedächtigen »Hau« beantwortete.

Noch mehreren der nahe stehenden Indianer reichte ich zum Abschied die Hand, doch als ich mich dem näherte, der mir das Messer zurückgegeben hatte und der, auf sein Gewehr gelehnt, mit finsteren Blicken dastand, würdigte mich dieser keiner Antwort und wandte mir als besonderes Zeichen seines Ärgers den Rucken zu.

Nur wenig berührt von dieser Unhöflichkeit verließ ich langsam das Lager, doch behielt ich den letztgenannten Indianer fortwährend im Auge. Dreißig Schritt mochte ich wohl schon geritten sein, als der erbitterte Wilde plötzlich sein Gewehr hob, den Hahn spannte und auf mich anlegte, ich wollte ihm schon winken, von dem schlechten Spaß abzulassen — denn für Scherz hielt ich seine feindliche Bewegung —, als ein Rauchwölkchen und ein Blitz sich vor der Mündung seines Gewehrs zeigten und in demselben Augenblick mir durch eine Kugel die Mütze vom Kopf gerissen wurde.

Vorbei ist vorbei, ob nun weit oder nahe vorbei. So dachte ich, als ich meinen Schimmel anhielt — eine Bewegung, die das gute Tier am besten verstand —, meine Mütze aufhob, mich wieder in den Sattel schwang und, die Indianer zum letztenmal grüßend, von dannen ritt.

Als ich beim Herzog anlangte, fand ich diesen mit der Büchse in der Hand neben dem Wagen stehen, der Schuß hatte ihn um mich besorgt gemacht, und dies um so mehr, als die für mich bestimmte Kugel auch über ihn hinweggesaust war. Meine Geschichte war bald erzählt, doch anstatt nun ohne weiteren Zeitverlust unseren Weg fortzusetzen, beschloß der Herzog, ebenfalls den Indianern einen Besuch zu machen um sich zu erkundigen, was eigentlich Veranlassung zu dem Schuß gegeben habe. Trotz meiner Bitten und Vorstellungen beharrte er auf seinem Willen, er hing die Büchse über die Schulter und schritt davon, wahrend ich bei den Pferden zurückblieb.