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Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas

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Gewiß war es von großer Wichtigkeit für unsere Expedition, die Möglichkeit einer Verbindung zwischen der von uns erforschten Wasserstraße und dem Rio Virgin dargelegt zu sehen. Weil nun die Gebirge auf dem rechten Ufer nicht denselben Charakter des Undurchdringlichen trugen wie weiter oberhalb am Black Cañon, so ging Lieutenant Ives auf Egloffsteins Vorschlag ein, von diesem Lager aus nach einem Paß durch das Gebirge forschen zu lassen. Einer unserer Köche, ein Deutscher, der sich durch die in der Heimat genossene Erziehung, aber auch durch einen unbesiegbaren Hang zum Abenteuerlichen zu einer solchen Aufgabe besonders eignete, bot sich zu diesem Unternehmen an, und es wurde daher beschlossen, ihn in Begleitung eines unserer Indianer auf dem Landweg an den Rio Virgin und die Emigrantenstraße zu senden. Gemäß den früher von uns eingezogenen Nachrichten, die von den Eingeborenen bekräftigt wurden, sollte sich an dem Punkt, wo die von San Bernardino zum Utah-Gebiet führende Straße den Rio Virgin berührt, eine Mormonensiedlung befinden. Aus denselben Quellen war uns kund geworden, daß jener Punkt von der Stelle, wo wir lagerten, nach unseren Berechnungen nicht über vierzig Meilen entfernt sein konnte. Den Weg nach der Ansiedlung kannte Navarupe genau, es kam also nur darauf an, dem Indianer einen zuverlässigen Mann beizugeben, der imstande war, betreffs der Anlage einer Wagenstraße das Terrain richtig zu beurteilen.



Der Koch hatte seine Vorbereitungen sehr schnell getroffen, und auch Navarupe erklärte sich bereit zu dem Unternehmen, vorausgesetzt, daß man ihm etwas starkes Leder zu einem Paar Sandalen gebe. Sein Wunsch wurde natürlich erfüllt, und schon am folgenden Morgen, also in der Frühe des 14. März, ließ Kapitän Robinson die beiden mit Lebensmitteln und Waffen ausgerüsteten Abenteurer in dem Ruderboot nach dem jenseitigen Ufer übersetzen, von wo aus sie ihre einsame Wanderung durch die Gebirge antreten sollten.



Es war Sonntag, das Wetter unfreundlich und trüb, und um nicht einen zu großen Vorsprung vor den beiden zurückgesandten Boten zu gewinnen, brachten wir den Tag im Lager zu. Die meisten von uns beschäftigten sich mit Schreiben von Briefen, denn zugleich mit uns sollte auch der von Fort Yuma heraufgekommene Läufer aufbrechen und seine Rückreise zu Lande antreten.



Am 15. März setzten wir unsere Reise stromabwärts wieder fort. Diese war nach dem Ausspruch von Kapitän Robinson gefährlicher als die Fahrt aufwärts, doch gelangten wir nichtsdestoweniger bedeutend leichter als früher über die Hindernisse hinweg, und eine Strecke, auf der wir beim Hinauffahren, die Ruhetage abgerechnet, drei Tage zubrachten, legten wir jetzt in einem Tag zurück. Nicht wenig überraschte es uns, als wir, um Holz einzunehmen, auf dem rechten Ufer landeten und dort die frischen Spuren von zwei Pferden und zwei Maultieren entdeckten. Die genaue Untersuchung, die wir anstellten, ergab, daß die beiden Pferde und ein Maultier von Weißen geritten wurden, während das andere Tier ziemlich schwer bepackt, lose nebenher gelaufen war. Die Hufeisen der Pferde, die Art, in der die Tiere einander gefolgt oder hindernden Gegenständen ausgewichen waren, bewiesen hinlänglich, daß wir die Spuren von weißen Steppenreisenden, und zwar sehr erfahrenen, vor uns hatten, und keineswegs, wie einige in unserer Gesellschaft schon glaubten, die Merkmale räuberischer Indianer, die sich mit erbeuteten Pferden auf der Heimkehr befanden.



Unsere ersten Gedanken fielen natürlich auf die Mormonen, und für nur zu wahrscheinlich hielten wir es, daß, während wir uns im Black Cañon befanden, einige Emissäre dieser fanatischen Sekte an uns vorbeigezogen seien, um hinter unserem Rücken die Indianer zum Aufstand zu bewegen. Doch wer sie auch sein mochten — wir hatten sie jetzt zwischen uns und unserem Train, wir mußten also jedenfalls von ihnen hören oder sehen; und nicht weiter darüber beunruhigt, setzten wir unsere Reise gegen Süden fort.



Wir begrüßten die bekannte Insel und den Mount Davis und sahen rasch hintereinander die gefürchteten Stromschnellen; leise, ohne anzustoßen, glitten wir mit der Strömung über diese hinweg, und die Sonne war noch nicht weit über den Zenit hinaus, als wir das Cottonwood-Tal erreichten und Kapitän Robinson das Dampfboot nach der schönen Baumgruppe hinlenkte, deren junges Laub während unserer Abwesenheit an Ausdehnung gewonnen und eine dunklere, kräftigere Färbung angenommen hatte. Wir sprangen ans Ufer, und mit Freude erfüllte es uns, daß wir gerade dort unseren Train erwarten sollten; denn doppelt reizend erschienen uns die lieben alten Bäume mit ihren schattigen Kronen, nachdem wir so lange Zeit in der schrecklichen Wüste zugebracht hatten. Die Strahlen der Sonne waren noch nicht kräftig genug, um den Schatten so sehr wünschenswert zu machen, doch beeilte sich jeder, unter einer laubenähnlichen Verdichtung der herabhängenden Zweige für die nächsten Tage seine Heimat zu wählen, denn es lag ja etwas Ungewöhnliches für uns in dem Gedanken, im Schatten von Bäumen zu ruhen.



Die Dämmerung stellte sich allmählich ein, und mit dieser verstärkte sich der rauhe Westwind; die Wellen im Colorado plätscherten, das Laub der Bäume rauschte, die biegsamen Zweige schwankten, und wo sich zwei Äste oder Stämme aneinander rieben, da knarrte es, als wenn das Holz durch den Frühlingssaft doppelt belebt worden wäre.



Plötzlich erschallte vom jenseitigen Ufer eine Stimme, die in gutem Englisch die Worte rief: »Hol über!« Das Ruderboot wurde sogleich bemannt und hinübergesandt, und als es zurückkehrte, führte es uns einen einzelnen Mann zu, dessen ganzes Äußeres den Mormonen verriet. Es war eine hagere, wettergebräunte Gestalt, und obgleich der Mensch noch keine dreißig Jahre zählen konnte, so lagen doch ein eigentümlicher Ernst und eine an Fanatismus grenzende Energie in seinen Zügen. Er war bekleidet mit einem bunten, baumwollenen Hemd, das mittels eines Gürtels um seine Hüften zusammengehalten wurde; ferner trug er hirschlederne Beinkleider und Mokassins, und ein grauer, abgetragener Filzhut ruhte auf seinen schlichten, dunkelblonden Haaren, die wie sein Bart von ungewöhnlicher Länge waren. Als Waffe führte er nur ein kurzes Messer bei sich, das er auf dem Rücken im Gürtel trug.



Dieser Mensch trat mit kaltem Gruß und ebenso kalt begrüßt unter uns. »Ich wünsche zu erfahren«, redete er uns an, »ob die Mohave-Indianer den Weißen freundlich gesinnt sind; es ist nämlich meine und meiner beiden Gefährten Absicht, nach Fort Yuma und von dort nach den kalifornischen Ansiedlungen zu reisen.«



»Die Eingeborenen sind uns freundlich entgegengekommen«, hieß es zurück, »trotzdem die Mormonen versucht haben, sie zu Feindseligkeiten gegen die Amerikaner zu verführen. Was führt Euch aber hierher, und zwar auf solchem Weg? Denn wie aus den Spuren Eurer beiden Pferde und der beiden Maultiere zu entnehmen ist, kommt Ihr zu dritt mit einem bepackten Tier oben aus den Gebirgen.«



Nicht im geringsten überrascht darüber, daß wir soviel über ihn und den von ihm eingeschlagenen Weg wußten, gab er uns zur Antwort, daß er vom Großen Salzsee komme und auf dem sichersten Weg die Ansiedlungen der Amerikaner zu erreichen wünsche; er bestritt, daß er ein Mormone sei, gab aber zu, daß er mehrere Jahre unter ihnen gelebt und sich nur von dort entfernt habe, weil die Mormonen keinen, der nicht ihres Glaubens sei, dort emporkommen ließen und jetzt, nach den Verwicklungen mit den Vereinigten Staaten, nur noch Bekenner der neuen Lehre unter sich dulden wollten. Auf die Frage, warum er nicht die nähere und sichere Richtung nach San Bernardino anstatt des gefährlichen Weges am Colorado hinunter eingeschlagen habe, gab er den Bescheid, daß die Straße nach San Bernardino durch die von den Mormonen dorthin gesandten Utah-Indianer zu unsicher geworden sei.



Trotz der schönen Redensarten, die der Mensch vortrug, zweifelte niemand, daß wir einen Spion vor uns hatten, der in einer für uns verderblichen Absicht zu den Mohaves zu ziehen beabsichtigte. Soviel Schlauheit er auch zeigte und es vorsichtig vermied, sich durch ein unbedachtes Wort zu verraten, so entgingen uns doch nicht die Blicke eines tiefgewurzelten Hasses, mit denen er uns, wenn er sich unbeobachtet glaubte, betrachtete und die vollkommen im Einklang standen mit seinen großen weißen Zähnen, die er während des Sprechens fortwährend wie ein fletschender Wolf zeigte. Wir luden den Fremden ein, an unserer Mahlzeit teilzunehmen, was er nach besten Kräften tat; auch die Pfeife reichten wir ihm hin, aber auf das Verlangen, ihm Salz und Tabak zu seiner weiteren Reise mitzugeben, erfolgte eine abschlägige Antwort, und zwar aus dem einfachen Grund, weil wir selbst nichts mehr hatten.



Ziemlich spät saßen wir noch auf und ergötzten uns an dem Spion, wie er sich mit heftigen Worten über die Mormonen äußerte, während wir selbst ihnen Gutes nachsagten und nur gelegentlich eine sarkastische Bemerkung fallenließen, die er mit einem erkünstelten lauten Lachen lohnte, hinter dem aber so viel giftiger Haß hervorlugte, daß man sich unwillkürlich von dem Verräter zurückgestoßen fühlte. Die Nacht war zu finster, um den Mormonen über den Fluß zu setzen, wir behielten ihn daher bei uns im Lager und versorgten ihn mit einigen Decken, stellten aber eine Schildwache bei ihm auf, die ihn während der ganzen Nacht nicht aus den Augen lassen durfte.



Am 16. März in aller Frühe begab sich unser Gast in den Kahn, der ihn nach dem anderen Ufer hinüberbringen sollte; er nahm weder Abschied noch dankte er für die empfangene Gastfreundschaft, und wahrscheinlich fluchte er uns noch in seinem Herzen. Doch auch von unserer Seite folgten ihm gerade keine Segenswünsche, denn mehrfach vernahm ich Äußerungen, die darauf hindeuteten, daß man ihn lieber an einem Baum hängend als in unserem Kahn gesehen hätte. Ich kann nicht leugnen, daß auch nach meiner Ansicht der Mensch ein solches Los wohl verdient hätte, denn wenn die Eingeborenen uns später nicht mit Stumpf und Stiel ausrotteten und ihr feindliches Auftreten nur bis auf das Erschießen von einigen unserer Maultiere gedieh, so war das nicht Schuld der Mormonen. Angelegt waren ihre Pläne listig genug, doch verloren sie ihren künstlich erzeugten Einfluß wieder, als sie bei unserer Annäherung flüchteten und eine Verständigung zwischen uns und den Eingeborenen — freilich nur mit knapper Not — zustande gekommen war.

 



Die indianischen Fischer erfreuten uns an diesem Tag wieder durch ihren Besuch, und wie immer brachten sie uns einen Vorrat von Fischen. Auch Nachrichten von unserem Train erhielten wir durch sie, jedoch keine sehr erfreulichen. Nach ihrer Ansicht befand sich dieser nur noch zwei Tagereisen von uns entfernt, und die Tiere waren so ermattet und heruntergekommen, daß sie kaum noch ihre Last zu tragen vermochten. Von Iretéba erzählten sie auch; dieser hatte uns nämlich zwei Tage früher verlassen, um, vor seiner Abreise mit uns, seine Familie zu besuchen; er war aber mit den Mormonen zusammengetroffen, und diese hatten ihn durch Versprechungen dazu bewogen, sie vorläufig zu Mesikehota, einem der ersten Mohave-Häuptlinge, zu führen. Sosehr wir auch darüber staunten, daß uns der treue Iretéba scheinbar hinterging, so mußten wir es auch von der anderen Seite wieder natürlich finden, daß ein Eingeborener, der keinen Unterschied zwischen weißen Menschen verschiedener Religionen zu machen wußte und dem wahrscheinlich der eine als unser Gast bezeichnet wurde, Leuten Dienste leistete, die ihm selbst Vorteil brachten und in seinen Augen von keinem Nachteil für uns sein konnten. Am meisten aber wunderten wir uns darüber, daß drei einzelne Menschen es wagten, hier gegen unsere ganze Expedition aufzutreten, und daß diese ferner Kenntnis davon erhalten hatten, daß wir an Mesikehotas Gebiet vorbeigezogen waren, ohne zu landen, und daß sie die aus jener Zurücksetzung entsprungenen Gefühle jetzt schlau auszubeuten strebten.



Uns allen war es übrigens bekannt, welche Gabe die Mormonen besitzen, die Eingeborenen für ihre Pläne zu gewinnen; ebenso wußten wir, daß sie unter den damaligen Verhältnissen keine Mittel scheuen würden, um in den Besitz unseres Dampfbootes und unserer Papiere zu gelangen. Wir hatten also die besten Gründe, uns etwas beunruhigt zu fühlen.



Der Wind hatte sich während des Tages allmählich verstärkt, und als die Nacht sich auf die Landschaft senkte, wehte ein heftiger Sturm, der ununterbrochen die ganze Nacht hindurch anhielt. Die Zelte waren geschützt von dem niederen Strauchwerk, aber laut rauschte es in den Kronen der hohen Bäume, und dazwischen erschallte mitunter der Schrei einer wilden Katze. Bald vom Boden, bald aus den Lüften vernahmen wir die winselnden Töne, je nachdem das raubgierige Tier zwischen undurchdringlichem Gestrüpp oder zwischen hohen Ästen seiner Beute nachstellte.



Als wir nach ungestörter Nachtruhe am 17. März unsere Zelte verließen, fegte der Sturm noch immer mit derselben Gewalt über den getrübten, welligen Spiegel des Colorado; dürre Blätter und Funken von den Küchenfeuern wirbelten im Lager umher, auch Sand und Staub belästigten uns wieder, doch fanden wir gegen diese Schutz in dem dichten Weidenstreifen, der sich hinter der Baumgruppe vorbeizog. Dort säuberten wir mittels Axt und Messer eine hinreichend große Stelle von hinderndem Gestrüpp, und um ein kleines Feuer, dessen Flammen nicht vom Wind gepeitscht wurden, verstrich uns die Zeit auf verhältnismäßig behagliche Weise.



Eine sehr angenehme Unterbrechung in unserer trägen Ruhe verschaffte uns ein Indianer, der von Lieutenant Tipton abgesandt war und der uns davon in Kenntnis setzte, daß der Train endlich am folgenden Tag bestimmt eintreffen würde. Als aber kurz vor Abend unser Freund Peacock persönlich anlangte, da verwandelte sich unsere Freude in Ausgelassenheit, und unmöglich war es dem vom scharfen Ritt ermüdeten Kalifornier, all die Fragen zu beantworten, die auf ungestüme Weise an ihn gerichtet wurden. Vor allen Dingen bestätigte Peacock die schon von dem Indianer überbrachten Nachrichten, gemäß derer der Train sich nur sechs Meilen südlich von uns befand; er selbst, da er wußte, daß es uns am Allernötigsten mangelte, hatte ein Säckchen Mehl, etwas Fleisch, Salz, Branntwein und Tabak an seinem Sattel befestigt und war, geführt von einem Eingeborenen, vorausgeeilt und glücklich zu uns gestoßen.



Die Befürchtungen, die wir so lange hinsichtlich des Schicksals unseres Trains gehegt hatten, waren durch Peacocks Ankunft größtenteils behoben. Die weniger erfreulichen Umstände, von denen er sprach, erschienen uns daher, nachdem wir eine tüchtige Mahlzeit gehalten und einen kräftigen Trunk dazu genommen hatten, nicht halb so schlimm, als wenn wir dergleichen Mitteilungen wie früher mit hungrigem Magen hätten vernehmen müssen.



So klagte Peacock besonders über den Zustand der Tiere, die einen über alle Beschreibung schrecklichen Weg am Colorado hinauf zurückgelegt hatten und die auf der ganzen Strecke von Fort Yuma aus kein einziges Mal auf erträgliche Weide gestoßen waren. Größtenteils hatten sie mit dem vorlieb nehmen müssen, was ihnen junge Pappelschößlinge oder die unfruchtbare Wüste boten; oft hatte ihnen trotz der Nähe des Stroms, zu dem sie nicht hinuntergelangen konnten, das Wasser gemangelt, öfter noch waren sie gezwungen gewesen, bei der Umgehung von Gebirgen sich so weit vom Fluß zu entfernen, daß sie diesen in mehreren Tagen nicht wieder zu erreichen vermochten. Zu all diesen Übelständen hatte sich noch die Beschaffenheit des Pfades gesellt, der beim Übergang über die Gebirge an Abgründen vorbeiführte, auf dem sogar einzelne der sonst so sicheren Maultiere das Gleichgewicht verloren hatten und mit ihrer Last in die Tiefe hinabgerollt waren. Mehrere waren auf diese Weise untauglich zur weiteren Arbeit geworden, andere hatten die Yuma-Indianer geraubt, und es waren dadurch fühlbare Verluste in der Herde, auf die wir uns von nun ab gänzlich verlassen sollten, entstanden.



Auch an Lebensmitteln brachte der Train nicht soviel mit, als wir erwartet hatten, denn manches war doch von den Eingeborenen sowie auch von der Besatzungsmannschaft schon in Fort Yuma entwendet oder durch Vernachlässigung unbrauchbar geworden. Kaffee- und Mehlsäcke waren in den dichten Mesquitewaldungen beim Hindurchdringen der Packtiere zerrissen und ihres Inhalts entledigt worden, kurzum, unser Train befand sich in jeder Beziehung in einer traurigen Verfassung. Am meisten berührte es uns, daß die Zahl der Lasttiere zur Aufnahme der ganzen Equipage nicht ausreichend gewesen war und infolgedessen eine Menge Gegenstände, die zwar für die Expedition von keiner Wichtigkeit, dem Betroffenen aber fast unentbehrlich waren, hatten zurückbleiben müssen. So fehlte zum Beispiel mein Koffer ganz; das Zeug, besonders aber die Stiefel begannen schon infolge des schweren Dienstes vom Körper zu fallen, und ich besaß also nichts, wodurch ich bei fortgesetzter Reise das Fehlende hätte ersetzen können. Dr. Newberry erging es nicht besser, denn auch er war Strumpf- und stiefellos geworden; daß aber unser Tabak nicht mitgekommen war, das war der härteste Schlag.



Nur wer viele Monate lang hintereinander in unwirtlichen Wüsten zubrachte und dort allmählich kennenlernte, daß Gewohnheiten, die im Alltagsleben nur als übel und der Gesundheit nachteilig bezeichnet werden, auch unter Umständen nutzbringend sein können, und wer je bei einer brennenden Pfeife den nagenden Hunger und den peinigenden Durst vergaß sowie beim Hinblick auf die zergehenden blauen Wölkchen des glimmenden, narkotischen Krautes die Sorgen der Gegenwart, die mitunter schwer selbst auf dem leichtherzigsten Reisenden lasten, dahinschwinden ließ, nur der vermag sich eine Vorstellung von unseren Gefühlen zu schaffen, als wir uns plötzlich so ganz verarmt wußten.



Der Unmut im Feld ist gewöhnlich von kurzer Dauer; auch bei mir währte er nur so lange, bis ein Übereinkommen zwischen uns allen getroffen war, gemäß dessen die vom Glück mehr Begünstigten uns von ihren Schätzen etwas abgeben sollten. Als die Nacht weiter vorrückte, übergab jeder von uns an Peacock eine Decke, um dem sorglichen Freund zu einem warmen Lager für die Nacht zu verhelfen.





Neunzehntes Kapitel



Ankunft des Trains — Beschwerliche Reise des Trains am Colorado hinauf — Nachrichten über den Landstrich zwischen dem Colorado und der Mormonenstraße — Aufbruch gegen Süden — Beunruhigendes Benehmen der Eingeborenen — Ankunft an Beale’s Crossing — Das letzte Konzert — Feindliches Auftreten der Mohaves — Erschießen von Maultieren — Peacocks Erzählung — Der Friedensschluß — Aufbruch der »Explorer« — Abschied von den Mohaves — Aufbruch der Landexpedition



In der Gesellschaft des Doktors begab ich mich in der Frühe des 18. März auf die Jagd, und zwar schlugen wir die Richtung ein, aus der wir den Train erwarteten. Es stand fest bei uns beiden, daß wir unsere letzte Entscheidung vom Zustand der Lasttiere abhängig machen wollten. Beharrte Lieutenant Ives darauf, in der unzugänglichen Wildnis am Black Cañon hinauf weiter vorzudringen, und die Tiere waren wirklich so stark aufgerieben, wie es uns von allen Seiten beschrieben wurde, so lautete unser Entschluß: »Heimkehr auf der »Explorer«.« Entschied unser Kommandeur sich indessen dafür, gegen Osten abzubiegen, egal, ob nun im Cottonwood-Tal, im Tal der Mohaves oder an der Mündung von Bill Williams Fork, so waren wir bereit, bis auf den letzten Mann bei der Expedition auszuharren.



So wanderten wir unseren Weg langsam weiter, ich erzählte dem Doktor von den Gebirgsketten, die wir fern im Osten erblickten und die ich vier Jahre früher durchreist hatte, ich sprach von den vulkanischen Wüsten der Regionen der San Francisco Mountains und von den Tieren, die diese beleben, und überhaupt von dem interessanten Feld, das sich dort für unsere Arbeiten eröffnen würde; wir schauten auch nach Wild aus, doch die zahlreichen Rebhühner zogen sich bei unserer Annäherung in das für uns unzugängliche Dickicht zurück, und die auffallend wenig ergiebige Jagd am Colorado wurde der Gegenstand weiterer Unterhaltung.



Endlich erreichten uns die ersten Reiter, es waren Tipton, Taylor und Booker, ihnen nach folgten einige Soldaten, kalifornische Packknechte und ein altes Pferd, dessen einzige Arbeit darin bestand, mittels einer an seinem Hals befestigten Glocke die Zahl der Packtiere zusammenzuhalten und den etwa im Gebüsch verirrten Tieren das Auffinden der Herde zu erleichtern. Die Menschen sahen recht wohlgenährt aus, und die Reise schien sie nicht sonderlich angegriffen zu haben, dagegen boten das Pferd und die schwer bepackten Maultiere, die keuchend, eins hinter dem andern, in dem frisch gebrochenen Pfad nachfolgten, einen traurigen Anblick. Wir ließen den ganzen Train an uns vorüberziehen, und als zuletzt noch einige kranke, halbverhungerte und deshalb unbeschwerte Tiere von einem dunkelfarbigem Mexikaner vorbeigetrieben wurden, waren wir vollständig überzeugt, daß eine Reise am Cañon hinauf unmöglich für uns sein würde.



Wir kehrten ins Lager zurück und fanden dort alle damit beschäftigt, die angekommenen Gegenstände zu prüfen und zu ordnen. Vergeblich suchten wir unter den Säcken und Kisten nach unserem Privateigentum und schätzten uns überglücklich, als wir noch etwas Papier für das Herbarium und zwei Fäßchen Spiritus zu unseren Sammlungen fanden. Leichter verschmerzten wir nun den eigenen Verlust, um so mehr noch, als unter den gegebenen Verhältnissen wir selbst bald in Fort Yuma zurück zu sein rechneten. Nachdem der Bestand der Tiere und des Proviants ermittelt war und es sich herausgestellt hatte, daß sich für das ganze Personal auf keine zwei Monate mehr Lebensmittel vorfanden, beschloß Lieutenant Ives, durch die Notwendigkeit gezwungen, die Expedition zu teilen und nur mit der Hälfte derselben die Reise zu Lande fortzusetzen.



Infolgedessen sollte Kapitän Robinson, begleitet von Bielawski, Taylor, Booker, den Bootsleuten und einigen Soldaten — im ganzen mit 32 Mann —, sich auf der »Explorer« zurück nach Fort Yuma begeben und zu dieser Reise mit so vielen Lebensmitteln ausgerüstet werden, wie für die mutmaßliche Dauer derselben als notwendig erachtet wurde. Lieutenant Ives, Dr. Newberry, Peacock, Egloffstein, Tipton und ich sollten die Landexpedition bilden, die dazu bestimmt war, mit 25 Soldaten, einigen Dienern und den Packknechten — was unsere Gesellschaft auf 45 Mann brachte — und mit etwa 160 Maultieren den oberen Colorado zu erforschen. Dr. Newberry sowohl als ich gaben unseren Plan, nach Fort Yuma zurückzugehen, auf, als Lieutenant Ives uns mitteilte, daß er von Beale’s Crossing aus in nordöstlicher Richtung dem oberen Colorado sich zu nähern beabsichtigte. Auch für etwas Wäsche, Kleidungsstücke, Schuhzeug und Tabak vermochten wir jetzt zu sorgen, indem die stromabwärts reisenden Kameraden uns mit der größten Bereitwilligkeit das überließen, was sie auf der Stromfahrt entbehren und in Fort Yuma leicht ersetzen konnten.

 



Besser, als wir nach den zahlreichen Unfällen erwarten durften, hatten sich nunmehr die Aussichten für die Zukunft gestaltet, sogar mit unserem Proviant sah es nach Hinzufügen von einigen Säcken mit indianischen Bohnen und Mais wieder besser aus, und eine fröhliche Gesellschaft bildeten wir, als wir an jenem Abend um unser Lagerfeuer saßen und beim vollen Blechbecher mit den neuangekommenen Freunden die Erzählungen der verschiedenen Reiseerlebnisse austauschten. Auch Grizzly drängte sich in unsere Reihe und gab unverhohlen seine Freude über die Wiedervereinigung von uns allen zu erkennen.



Nicht genug wußte Mr. Peacock von der schrecklichen Wüste zu erzählen, in der er sich während der letzten zwei Monate ununterbrochen bewegt hatte. Er war ein alter Reisender, der von seiner frühesten Jugend an zwischen dem Missouri und den Rocky Mountains gelebt hatte, doch solche trostlose Umgebung und solche Felsenpfade waren ihm noch nicht vorgekommen. Über hohe Bergrücken hatte er oft mit seinen Leuten mühevoll einen schmalen Weg bauen müssen; täglich waren einzelne Tiere vollständig ermattet und durch Hunger oder Sturz auf längere Zeit unbrauchbar geworden, und der Mangel an Wasser hatte Menschen und Tiere hart betroffen.



Von dem Dampfboot aus war es uns freilich nicht entgangen, daß die Beschaffenheit des Bodens und der gänzliche Mangel an Gras und Kräutern einer Landexpedition unzählige Hindernisse bieten würden, doch in so hohem Grade, als Peacock es beschrieb, hatten wir es nicht erwartet.



Im Tal der Mohaves nun, wo sich nahrhafteres Futter für die Herde fand, war die Expedition wieder durch einen kleinen Trupp Eingeborener, den der verräterische »Captain Jack« anführte, auf alle mögliche Weise belästigt worden, so daß der Sicherheit wegen die grasenden Tiere sich nicht nach Willkür zerstreuen durften. »Captain Jack« war nämlich augenscheinlich von den Mormonen zu Störungen aufgefordert worden, um dadurch einen feindlichen Zusammenstoß herbeizuführen; und daß dieser nicht erfolgte, kann nur der ruhigen Überlegung des braven Trainmeisters zugeschrieben werden. »Captain Jack« und seine Genossen hatten zum Beispiel einst, um die Herde zu erschrecken und zu zerstreuen, beim Einbruch der Nacht ringsum Feuer an das dürre Gras gelegt; Peacock, der das Unglück, das daraus entstehen konnte, vorhersah, vertrieb die bösen Gesellen durch Drohungen, während Lieutenant Tipton sich von seinem Eifer zu weit führen ließ und mit seinem Revolver auf die fliehenden Räuber schoß, ohne daran zu denken, daß eine einzige Verwundung, die nicht durch einen vorhergegangenen wirklichen Angriff der Eingeborenen herbeigeführt wurde, uns Tausende von unerschrockenen Kriegern auf den Hals bringen konnte.



Der nach dem Rio Virgin entsandte Bote war zusammen mit Navarupe wieder zu uns gestoßen, und deshalb wurde der allgemeine Aufbruch auf den folgenden Tag festgelegt. Die Nachrichten, die uns über eine Verbindung des Colorado mit der Mormonenstraße zugingen, lauteten: »Die Anlage einer Wagenstraße von der südlichen Mündung des Black Cañon nach dem nächsten Punkt der Emigrantenstraße, die ins Utah-Gebiet führt, ist möglich. Auf der Strecke von sechzehn Meilen, zwischen Kieshügeln und Schluchten hindurch, welche die östlichen Abhänge des Gebirgszuges bilden, ist das Terrain schwierig, und es bedarf zum Zweck der Eröffnung einer Kommunikation mit Wagen einiger Arbeit; vom Gipfel der Wasserscheide des Gebirgszuges eben ist es leicht, Wagen an den westlichen Abhängen hinunter- und hinaufzuschaffen. Die Entfernung eben beschriebener Strecke beträgt annähernd vierzig Meilen.«



Der Morgen des 19. März war trüb und kalt; Schnee war auf den westlichen Gebirgszügen gefallen und bedeckte bis zu einer gewissen Höhe sogar einen Teil der grauen Kiesebenen. Einen eigentümlichen Anblick gewährte dadurch diese ansteigende Fläche, auf der in der Entfernung weniger Meilen vom Fluß die horizontale Schneelinie so scharf kontrastierte.



In alter Ordnung begaben wir uns an Bord der »Explorer«; was von dem mitgebrachten Gepäck nur irgend hatte untergebracht werden können, befand sich ebenfalls auf dieser, und auf einige Tage von den berittenen Gefährten Abschied nehmend, glitten wir langsam in die Strömung. Als wir der langen Windung des Stroms folgten und um den nächsten Vorsprung bogen, ge