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Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas

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Hier stockte mein Erzähler, ich schwieg, und nach einigen Minuten trüben Sinnes fuhr er in seiner Erzählung fort: »Auch ich nickte, und ohne ein Wort gesprochen oder beratschlagt zu haben, waren wir übereingekommen, dort unseren Wohnsitz zu gründen. Mit Hilfe zweier Nachbarn, der einzigen weißen Menschen im Umkreis von dreißig Meilen, war bald ein geeignetes Plätzchen an einer nie versiegenden Quelle gefunden, und es dauerte keine drei Wochen, bis dort ein Blockhäuschen stand; freilich war es nicht so groß wie dieses, doch immer groß genug für mich, um mit meiner Familie, die sich im Laufe der Zeit noch um einige Söhne vermehrte, so recht glücklich und zufrieden zu leben.

Mehrere Jahre gingen auf diese Weise dahin, nichts störte die Einigkeit zwischen mir und meinen Nachbarn, deren Zahl ebenfalls durch zwei neuangekommene Familien vermehrt wurde; mein Viehbestand nahm zu, und prächtig gediehen Weizen und Mais, bei deren Bestellung mich meine ältesten Söhne kräftig unterstützten. Alljährlich unternahm ich mehrere Male in Gesellschaft von Nachbarn eine Reise nach dem nächsten Städtchen, wo ich dann für eine Wagenladung Korn oder für einen jungen Stier Kleidungsstücke und sonstige zum Haushalt notwendige Gegenstände eintauschte.

Während meiner Abwesenheit auf einer solchen Reise traf mich sowie mehrere andere Mitglieder unserer Kolonie, das erste Unglück: es wurden uns nämlich von den Indianern während der Nacht einige der besten Pferde geraubt. Der Verlust an sich selbst war, wenn auch fühlbar genug, doch nicht unersetzlich, dagegen war das Vertrauen auf unsere Sicherheit und die aus demselben entspringende glückliche Sorglosigkeit aus unserer kleinen Kolonie gewichen; denn nur zu wohl wußte jeder, daß da, wo Indianer einmal mit Erfolg geplündert haben, man zu jeder Zeit auf eine Wiederholung ihres Besuchs gefaßt sein müsse. Wir trafen infolgedessen solche Vorkehrungen, daß bei erneuten Räubereien wir wenigstens imstande waren, den Wilden ihre Beute abzujagen. Jeder trieb nämlich des Abends seine Herde in den an das Wohnhaus stoßenden, fest eingefriedeten Hof und band die schnellsten und sichersten Pferde dicht an die Haustür, wo auch die Hunde angekettet wurden und einer der Hausbewohner schlafen mußte. Die Jagd ist hinlänglich Ursache, einen Knaben, sobald er die Büchse zu heben vermag, mit dieser Waffe vertraut zu machen; unter solchen Umständen sorgten wir indessen auch dafür, daß nicht nur unsere Jungen, sondern auch unsere Weiber gute Schützen wurden und zur Zeit der Not alle bewaffnet werden konnten, was viel dazu beitrug, daß sich wieder ein Gefühl größerer Sicherheit bei uns einstellte.

Ein Jahr verstrich, ohne daß sich ein Indianer blicken ließ, doch wurden keineswegs Vorsicht und Wachsamkeit, die uns schon zur Gewohnheit geworden waren, dadurch eingeschläfert. Doch was half es uns?

Einst am hellen Tag stürzten einige der auf den Feldern Beschäftigten in die Häuser mit dem Ruf: »Die Räuber!« Es dauerte nur wenige Minuten, und nach der Richtung hin, wo die Wilden bemerkt worden waren, liefen die mit ihren Büchsen bewaffneten Männer unserer Ansiedlung. Wir kamen zu spät, denn in weiter Ferne erblickten wir nur noch wie Punkte die Räuber, die in voller Jagd mit dem größten Teil unsere Pferde und Rinder davonjagten. Nur Kälber und schwerfällige Kühe waren zurückgeblieben, wo einige Stunden vorher noch unser irdischer Reichtum weidete.

Sie wissen«, schaltete der alte Heart hier ein, »daß der Grenzbewohner sein Reitpferd immer in seiner Nähe oder doch wenigstens unter seinen Augen hat. Diese Gewohnheit gereichte uns damals zum Glück, denn wir wurden dadurch in die Lage versetzt, ein halbes Dutzend guter Schützen beritten zu machen und den Indianern nachzusenden. Ich war natürlich einer der ersten, die im Sattel saßen, doch sah ich zu meinem Leidwesen, daß mein ältester Sohn sich ebenfalls mit seiner Büchse aufs Pferd schwang. Mein Wunsch, er möge zurückbleiben, wurde unbeachtet gelassen; und wenn ich auch besorgt war um ihn, so konnte ich doch meine Freude über den ungestümen Mut des Jungen nicht ganz unterdrücken. Die Indianer mochten um diese Zeit einen Vorsprung von zehn Meilen haben; der Abend war nicht mehr fern, und wir konnten darauf rechnen, daß vor Mittag des folgenden Tages die Räuber nicht an ein Halten denken würden. Wir folgten daher langsam ihren Spuren; als aber die Kühle der Nacht sich einstellte, gebrauchten wir die Peitschen, und dahin ging es über die stille Ebene, als hätten wir ums Leben reiten sollen. Zweimal kamen wir an Rindern vorbei, die auf der wilden Flucht ermüdet waren und dafür von den boshaften Räubern einige Pfeile in den Leib erhalten hatten; wir ließen uns indessen dadurch nicht aufhalten, denn deutlicher schon vernahmen wir vor uns aus der Ferne den gellenden Ruf der Indianer, mit dem sie die geängstigte Herde vor sich her trieben.

Wir wußten jetzt, daß wir mit Tagesanbruch die Wilden einholen würden, doch kannten wir nicht ihre Stärke und durften uns ihnen deshalb nur vorsichtig nähern. Vielleicht um zu tränken, vielleicht aber auch, um weicheren Boden für die Hufe des Rindviehs zu gewinnen, waren die Indianer von der Ebene hinab in das niedriger gelegene Tal eines Baches gezogen, wo sie den Lauf desselben zu ihrer Richtung wählten. Um unbemerkt zu bleiben, was in jedem anderen Fall bei dem anbrechenden Morgen unmöglich gewesen wäre, brauchten wir uns also nur auf der Höhe zu halten.

Die Sonne war schon aufgegangen, als wir uns in gleicher Linie mit unseren Feinden befanden und sogleich bemerkten, daß sechzehn bis achtzehn Komantschen uns die Beute streitig machen würden. Ein Entschluß war schnell gefaßt; wir folgten einer vom Regen ausgespülten Schlucht, die hinab ins Tal führte, und in demselben angekommen, stürzten wir in vollem Lauf vor die Herde, die, erschreckt durch unser Dazwischenfahren und durch das Wutgeheul der Indianer, sich nach allen Richtungen zerstreute. Wenn auch die Indianer eine Verfolgung vorhergesehen hatten, so schienen sie diese doch nicht so früh erwartet zu haben, denn unschlüssig in ihrem Handeln und auch im Ungewissen über unsere Stärke, wendeten sich die meisten zur Flucht, während andere ihre Waffen ergriffen und den geängstigten Tieren Pfeile nachsandten.

Um nicht die Rache dieser Wilden herauszufordern, war unter uns ausgemacht worden, nur im nötigsten Fall Blut zu vergießen und deshalb nur einige Schüsse über ihre Köpfe hinwegzufeuern; das Geschick wollte es indessen anders.

Mein Sohn hatte einen Indianer erblickt, der vom Pferd herab mit Pfeilen nach einem Ochsen schoß und sich dann wie die übrigen aus dem Bereich unserer Büchsen über den Bach zurückzuziehen beabsichtigte. Entrüstet über das grausame und zugleich feige Benehmen, jagte der Junge sein Pferd dem Wilden nach, wobei er in drohender Weise sein Gewehr schwang. Ich wollte ihn zurückrufen, doch ein jäher Schrecken machte mich sprachlos, als ich aus dem Bett des Flüßchens, halb versteckt von Weiden, einen berittenen Indianer hervorragen sah, der, die Büchse an der Schulter, mit dem Auge den schnellen Bewegungen meines Sohnes folgte, der sich ihm mit jeder Sekunde näherte. Mir blieb keine Zeit mehr zum Rufen oder Denken, aber schneller als ein Gedanke sprang ich vom Pferd, und fast in demselben Augenblick krachte auch meine Büchse. Es war ein gewagter Schuß, doch das Glück hatte meine Kugel in ihrem Lauf gelenkt, denn die Waffe, welche das Leben meines Sohnes bedrohte, entglitt den Händen des Wilden und verschwand, sich im Fall entladend, in den Wellen des Baches. Der Indianer riß sein Pferd herum, und als dasselbe am jenseitigen Ufer hinaufsprang, wankte er im Sattel, griff mit den Händen in der Luft umher und stürzte dann lautlos auf die Erde.

Der Tod eines der Ihrigen führte eine schnelle Entscheidung herbei; zwei Indianer ritten schleunigst zu ihrem gefallenen Gefährten, hoben ihn vor den einen aufs Pferd, der sich sogleich in größter Eile mit seiner Last entfernte, während der andere, ein alter, einäugiger Krieger, sich mir zuwandte und mit gräßlich verzerrten Gesichtszügen drohend die mit dem Tomahawk bewaffnete Faust zeigte. So weit es auch hin war, so vermochte ich doch den Rachedurst zu erkennen, der aus seinem einzigen Auge glühte; ja ich gestehe es, ich fürchtete mich vor dem Menschen, der mir auf seine Weise zu fluchen schien, und ich zweifle nicht, daß der erschossene Indianer der Sohn dieses alten Kriegers war. Vor meinem Gewissen fühlte ich mich vollständig gerechtfertigt über meine Tat, denn mein rasches Handeln hatte ja meinem Sohn das Leben gerettet; doch der Fluch des Wilden ist an mir in Erfüllung gegangen, und zwar in höherem Grade, als er es selbst jemals ahnen konnte.

Als dieser letzte wie seine Gefährten auf der weiten Ebene verschwunden war, begannen wir sogleich unsere Herde zu sammeln; mit dem Aufbruch zögerten wir indessen, um den ermatteten Tieren einige Ruhe zu gönnen, bis gegen Abend. Mit raschem Schritt begaben wir uns alsdann auf den Heimweg und kamen bald an den getöteten Rindern vorbei, welche von den Wölfen und Geiern in einen solchen Zustand versetzt worden waren, daß wir das Fleisch als unbrauchbar zurücklassen mußten. Gegen Morgen rasteten wir abermals einige Stunden und erreichten endlich gegen Abend unsere Kolonie, wo wir mit unbeschreiblichem Jubel von den Unsrigen empfangen wurden, die während unserer Abwesenheit in Verzweiflung und Besorgnis geschwebt hatten.

Von nun an wurde unsere Wachsamkeit womöglich noch verstärkt; Blut war vergossen worden, und mit Sicherheit konnten wir auf die Rache der Indianer rechnen. Der Winter verstrich indessen, ohne daß uns Grund zu größerer Besorgnis gegeben worden wäre; der Frühling kleidete Wiesen und Felder in neues Grün, und nur durch die Aufrechterhaltung der Vorsichtsmaßregeln wurden wir an die früheren Unfälle erinnert. Mit froher Zuversicht bestellten wir unsere Äcker, und mit Stolz beobachteten wir das Gedeihen unserer Herden. Außer einigen Feldmessern und Kettenträgern bekamen wir weder rote noch weiße Menschen zu Gesicht, und von diesen erfuhren wir, daß das Staatseigentum, auf dem wir uns angebaut hatten, nunmehr bald in die Hände der Spekulanten übergehen würde, wenn wir es nicht vorziehen sollten, als zuerst Berechtigte den Boden unserer Ansiedlung direkt vom Staat für den gewöhnlichen Preis von 1-1/4 Dollar für den Morgen käuflich an uns zu bringen. Geringe Sorgen entsprangen uns aus dieser Nachricht, denn soviel Geld oder Geldeswert hatte jeder von uns schon erübrigt, um sich einen gültigen Besitztitel über 80 oder 120 Morgen Land verschaffen zu können, und die Aussicht auf eine dichtere Bevölkerung in unserer Nachbarschaft konnte nur erfreulich und erwünscht sein. —

 

Ich komme jetzt zu dem traurigsten Teil meiner Geschichte und zugleich zu dem, was mich zur Auswanderung nach Kalifornien veranlaßte«, fuhr der Erzähler mit gedämpfter Stimme fort.

»Ein neuer Ansiedler war wieder bei uns angelangt, und es verstand sich von selbst, daß wir alle ihm bei der Errichtung eines Blockhauses hilfreiche Hand leisteten. Bei der Anzahl von kräftigen Armen, die wir schon zu stellen vermochten, kostete es uns nur die Arbeit von einigen Tagen, um der angekommenen Familie ein Obdach zu verschaffen. — Da jeder Zuziehende sich nur an der äußersten Grenze unserer Farmen anbauen konnte und dabei auch auf die Lage des Bodens und die Nähe des Wassers Rücksicht zu nehmen hatte, so befanden sich die letzten Häuser schon in ziemlicher Entfernung vom Mittelpunkt oder vielmehr von den ältesten Wohnungen unserer Kolonie. Um daher beim Bau eines neuen Hauses Zeit und einen weiten Weg zu sparen, übernachteten die meisten der Arbeiter im Freien zwischen den gefällten Baumstämmen, während ein anderer Teil abends dem heimatlichen Herd zueilte.

Es war am Abend des zweiten Tages harter Arbeit, als ich, die Axt auf der Schulter, begleitet von meinem ältesten Sohn, den nächsten Weg durch die Wiesen nach unserer Hütte einschlug. Wie immer freute ich mich auch an diesem Abend auf den Empfang meiner Familie und beschleunigte deshalb meine Schritte. Ungefähr die Hälfte des Weges hatte ich zurückgelegt, als einer meiner jüngeren Söhne, der mit den anderen Knaben den Tag bei den Herden zugebracht hatte, mir atemlos entgegenkam und ausrief: »Die Mutter ist krank, und die beiden Pferde sind von den Indianern geraubt worden!«

Anfangs stand ich wie versteinert, ich fürchtete, dem Kind Fragen vorzulegen, sammelte mich aber gleich wieder und lief, so schnell mich meine Füße zu tragen vermochten, meiner Wohnung zu. In wenigen Minuten war ich dort, sprang an der Stelle vorbei, wo meine besten Pferde, die ich nie zur Herde ließ, zu stehen pflegten — sie waren verschwunden. Dies nicht beachtend, stürzte ich in die Stube, wo ich mich durch einen Blick überzeugte, daß keiner der Meinigen fehlte. Ohne ein Wort zu sprechen, aber innig beglückt, reichte ich meiner Frau, die den jüngsten, zweijährigen Sohn auf ihren Knien hielt, die Hand, und dann erst gewahrte ich die schreckliche Blässe, welche ihre sonst so lebensfrischen Gesichtszüge bedeckte. Ich war tiefbewegt und beobachtete sie traurig, als sie mir mit leidender Stimme die Erlebnisse des Tages erzählte.

Als nämlich nach Beendigung der Mittagsmahlzeit die größeren Knaben, jeder von ihnen ausgerüstet mit einem tüchtigen Stück Brot, der ältere auch noch mit einer Büchse bewaffnet, fröhlich lärmend wieder zu den Herden geeilt waren, hatte sich meine Frau in den ans Haus stoßenden Garten begeben, um dort Unkraut auszujäten. Unseren jüngsten Sohn hatte sie in den Schatten einiger junger Maisstauden gelegt, wo derselbe bald in Schlaf verfiel. Nach Verlauf einer kurzen Zeit ging die fleißige Hausfrau in die Hütte, um auch dort ihre Arbeiten nicht zu vernachlässigen, und da sie den fest schlummernden Kleinen nicht wecken wollte, die Stelle aber, wo er schlief, vom Haus aus vollständig übersehen konnte, so ließ sie ihn ungestört auf seinem schattigen Lager. Plötzlich rief ein leises Schnauben der Pferde sie ans Fenster, und einen Blick durch dasselbe werfend, gewahrte sie zu ihrem namenlosen Schrecken den Kopf eines Indianers, der kaum zehn Schritte von dem schlafenden Kind aus dem Maisfeld kroch. Was die arme Frau bei diesem Anblick empfand, brauche ich Ihnen wohl nicht zu beschreiben, sie blieb indessen vollkommen im Besitz ihrer Überlegung. Um das Versteck des Kindes dem Wilden, dessen Absicht sie nicht kannte, nicht zu verraten und es ihm dadurch preiszugeben, hütete sie sich wohl, ihre Wachsamkeit durch die geringste Bewegung kund werden zu lassen; ja noch mehr, sie schlich leise in den Winkel, wo unsere Hunde schnarchten, und fesselte diese an einen Block, worauf sie meine Büchse ergriff und sich hinter der Tür so aufstellte, daß sie das Kind überwachen konnte.

Der Indianer war unterdessen kriechend bis in die Mitte des Hofes gelangt, wo dichte Klettenbüsche ihn verbargen, als ein zweiter Kopf sich aus dem Maisfeld schob, der, nach dem Haus hinüberblickend, meiner Frau ein gräßlich bemaltes einäugiges Gesicht zeigte. — Da sie mein früheres Zusammentreffen mit einem auf diese Weise gezeichneten Indianer kannte, so wurde ihr Entsetzen jetzt noch gesteigert; doch mit Aufbietung ihrer ganzen Kraft vermochte es die treue Mutter, ihre Gefühle zu unterdrücken. Es war ihr nicht fremd, daß das Erwachen des Kindes dieses in die Hände der Räuber liefern mußte, die sich an diesem Tag freilich nur das Stehlen von Pferden zur Aufgabe gemacht zu haben schienen, aber auch gewiß nicht die Gelegenheit versäumt haben würden, ein weißes Kind mit zu ihrem Stamm zu bringen. In Todesangst also bewachte meine Frau mit der Büchse in der Hand den schlummernden Knaben, wobei sie durch den Türspalt die Bewegungen der Wilden beobachtete oder leise den Hunden drohte, die unruhig zu werden begannen.

Die beiden Indianer hatten sich vorsichtig den Pferden genähert; diese schnaubten anfangs wild und ungefügig, ließen sich dann aber ruhig den Lasso um den Hals schnüren und folgten willig den Räubern, die geräuschlos in das Bett des nahen Baches glitten und samt ihrer Beute hinter dem dichten Buschwerk verschwanden. Um nicht durch voreiliges Geräusch die Gefahr zurückzurufen oder die Aufmerksamkeit von vielleicht noch in der Nähe weilenden Indianern zu erregen, veränderte meine Frau nicht eher ihre Stellung, als bis das Kind erwachte und nach ihr rief. Die Büchse fallen lassend, stürzte sie zu demselben hin, und schnell wie ein Gedanke war sie mit ihm ins Haus zurückgekehrt, hatte die Tür hinter sich verschlossen, und nun erst stellten sich die Folgen der Todesangst ein, der meine Frau so lange ausgesetzt gewesen war. Eine schmerzhafte Lähmung befiel ihren ganzen Körper, doch schleppte sie sich mit dem Kind und den Waffen noch auf den Hausboden, von wo aus sie durch die Öffnung im Dach die nächste Umgebung genau übersehen konnte. Erst gegen Abend, als das Vieh und hinter diesem unsere mutwilligen Söhne, um die sie ebenfalls in größter Sorge geschwebt hatte, heimkehrten, hielt sie die Gefahr für abgewendet; sie stieg hinab, öffnete das Haus und sandte mir sogleich den Knaben entgegen.

Trotz unserer großen Vorsicht waren mir und einigen meiner Nachbarn also wieder Pferde geraubt worden. Diesmal schloß ich mich den Nachsetzenden — und wie sich auswies, den vergeblich Nachsetzenden — nicht an; der Zustand meiner Frau bekümmerte mich zu sehr. Die Angst um ihr Kind hatte den Keim einer tödlichen Krankheit in ihre Brust gelegt, wodurch sie auf mehrere Wochen ans Bett gefesselt wurde; sie erholte sich zwar wieder etwas, doch nach vier Monaten ging der Fluch des Wilden an mir in Erfüllung, ich stand mit meinen fünf Söhnen am Sarg meiner braven, getreuen Lebensgefährtin. Ich begrub sie auf einer Schwellung der Prärie, die ich von meiner Haustür aus übersehen konnte. Um das Grab zog ich aus starken Pfosten eine Einfriedung, befestigte an derselben ein Brett, und da ich selbst nicht gut schreiben kann, so zeichnete ein Nachbar den Vor- und Zunamen meiner Frau auf dasselbe. Auch den Tag ihrer Geburt und ihres Todes ließ ich aufschreiben sowie einen schönen Spruch aus der Bibel. Ich bin kein Meister im Lesen, doch wenn ich jeden Morgen von meiner Hütte aus die Blicke nach der Ruhestätte meiner so braven Frau hinübersandte, dann las ich wie in einem Buch die Beschreibung der glücklichen Tage, die ich mit ihr verlebte, aber auch der Einsamkeit, in die ich durch ihren Tod versetzt war.«

Hier seufzte der alte Mann, rieb sich mit der Rückseite der gebräunten Hand die Augen und fuhr dann fort: »Nur noch einmal sah ich die Prärieblumen auf dem Grab blühen. Besorgt um meine Söhne, die schon anfingen, ihre Rachepläne zu schmieden, den Komantschen ewige Feindschaft gelobt hatten und dadurch sehr leicht hätten zugrunde gehen können, verkaufte ich eines Tages mein Eigentum an einen einwandernden Geistlichen. Die Sachen, von denen ich mich ungern trennen mochte, packte ich auf einen von vier tüchtigen Pferden gezogenen Wagen und trat dann auf der Gila-Straße die lange Landreise nach Kalifornien an. Seit Jahren bin ich nun schon hier, doch kann ich nicht verhehlen, daß ich vor meinem Ende noch gern einmal das Grab meiner Frau wiedersehen möchte; wahrscheinlich aber sind schon Häuser auf demselben und um dasselbe herum gebaut worden«, schloß mit rauher Stimme der alte Grenzbewohner seine Erzählung.

Der kranke Knabe, der, den Worten seines Vaters lauschend, so lange ruhig gelegen hatte, begann nun wieder zu klagen; ich untersuchte ihn und fand, daß von starkem Rheumatismus Knie und Lende angeschwollen waren. Ich riet daher zu einem Hausmittel, nämlich heiße Steine an die schmerzenden Teile zu legen, was auch wirklich etwas Linderung zu bewirken schien.

Viertes Kapitel

Der Santa-Clara-Fluß — San-Francisquito-Cañon — San-Francisquito-Paß — Der erste Schnee — Der Elisabeth-See — Spuren von Erdbeben — Das große Becken (Great Basin) — »Irish John« — Der Castecasee — Cañada de las Uvas — Fort Tejon — Ausflug nach dem Tularetal — Kern Lake — Kern River

Die Wagen langten endlich an, und herein traten meine vom kalten Wind durchwehten Gefährten, denen sogleich Platz vor dem Kaminfeuer gemacht wurde. Unsere Leute schickten wir mit dem Gepäckwagen voraus, mit der Weisung, im San-Francisquito-Cañon am ersten Wasser das Nachtlager aufzuschlagen. Wir selbst brachten noch einige Stunden in dem Blockhaus zu, und erst kurz vor Abend verließen wir Hearts Farm, von wo wir zuerst in ein breites, sandiges von Gebirgsketten eingeschlossenes Tal gelangten. Massenhaftes Treibholz auf der Ebene sowie in trockenen, sandigen Betten von Bächen bezeichnete uns den oberen Santa-Clara-Fluß, der an dieser Stelle nur beim Schmelzen des Schnees in den Gebirgen oder nach heftigen Regengüssen Wasser führt, zu anderen Zeiten aber, auf das Wasser zahlreicher Gebirgsquellen beschränkt, dasselbe streckenweise auf unterirdischem Weg der Südsee zuträgt, während auf der Oberfläche, in dem wirklichen Flußbett und den einmündenden aufgewühlten Furchen, der Wind trockenen Sand und Staub umherwirbelt.

In raschem Trab eilten unsere Pferde mit dem leichten Wagen über die acht Meilen breite Fläche gegen Norden; die Gebirgsketten rückten uns zu beiden Seiten näher, und bald befanden wir uns in dem Schatten einer sich schnell verengenden Schlucht, umgeben von nächtlicher Dunkelheit. Fast bereuten wir es, so lange bei dem alten Ansiedler gesäumt zu haben, denn zu der schwarzen Finsternis gesellte sich noch ein heftiger Sturm, der uns feinen Sand in die Augen trieb und die Pferde unlenksam machte. Wir fuhren an einer verlassenen Hütte vorbei und dann an einer anderen, aus der uns Licht entgegenschimmerte; doch hielten wir uns nicht auf, indem wir wußten, daß wir den rechten Weg nicht verfehlt hatten und im San-Francisquito-Cañon unmöglich an unseren Leuten vorbeifahren konnten. Endlich bog das enge Tal gegen Osten ab, ein fließender Bach durchschnitt mehrfach die Straße, die unebener und steiniger wurde, und bald darauf erblickten wir in geringer Entfernung vor uns die Kronen der Bäume sowie die nahen Felswände rot erleuchtet, während dichtes Unterholz das Feuer selbst noch verbarg. Wir erkannten indessen die fröhlichen Stimmen der Mexikaner; einzelne Lichtstrahlen brachen verstohlen durch das Gebüsch, und plötzlich befanden wir uns vor einem mächtigen Scheiterhaufen, um den sich unsere Leute gelagert hatten. Es war dies die erste Nacht, die wir im Freien zubringen sollten, und es gab daher manches zu suchen und zu fragen; auch die ungewohnte Arbeit des Aufrichtens der Zelte nahm längere Zeit in Anspruch, und so wurde es denn ziemlich spät, ehe wir uns in unsere Decken wickelten und vielleicht noch ein Weilchen das Geräusch in unserer Umgebung vernahmen, bis der Schlaf uns endlich alles vergessen machte. — Das trockene Holz in den Lagerfeuern knisterte, die harten Maiskörner knackten und krachten zwischen den zermalmenden Zähnen der Pferde, der Ziegenmelker ließ seine melancholischen Ruf ertönen, hoch oben im Gebirge aber heulte der Sturm seine wilde Melodie, im heftigen Andrang schmetterte er morsche Baumstämme zu Boden und fegte niedrig hängende Wolken über diese hin, während unten in der Schlucht die belaubten Bäume sich leise wiegten und die vom Herbst getöteten Blätter zitternd und lispelnd zu Boden sanken.

 

Am folgenden Morgen, dem 13. November, in aller Frühe rüsteten wir uns zur Weiterreise. Der Wind hatte sich gelegt, das Wetter war so schön, so klar, die Kuppen der Berge schwammen in Sonnenschein, und im Schatten der Felsen und Bäume führte die Straße dahin, die der San Francisquito Creek mit seinen Schlangenwindungen immer von neuem durchschnitt. Verlockt durch den schönen Morgen, eilte ich dem Wagen voraus und ergötzte mich bald an der malerischen Umgebung, bald an dem Treiben der kleinen Tierwelt, welche die Schlucht vielfach belebte. Es war dies das erstemal, daß ich mich seit dem Antritt meiner Reise wieder von Herzen glücklich fühlte, zum erstenmal, daß ich mich wieder ungestört einem Genuß hingeben konnte, den allein die Natur liebreich ihren warmen Verehrern zu gewähren vermag. Mit inniger Freude denke ich an jenen Morgen zurück, wo ich in der Krone jedes Baumes, in jedem hervorragenden Felsen, in jedem Spiegel und jedem kleinen Fall des klaren Baches einen Gruß für mich zu finden meinte. Ich horchte auf den lauten Flügelschlag der auffliegenden Tauben, auf das ernste Schnarren der zänkischen Häher und auf das tausendfache Locken der reizenden Rebhühner, die eben ihren Frühtrunk genommen hatten und spielend ins Gebirge eilten. Ich sah flinke Wiesel und neugierige Eichhörnchen, die bei meiner Annäherung scheu flohen und sich hinter Steinen oder in Höhlen verbargen; ich beobachtete sie, wie sie aus ihrem Versteck mit gerecktem Hals und klugen Augen zu mir herüberschauten und dann, sobald ich an ihnen vorbei war, schnell hervor- und auf einen erhöhten Gegenstand sprangen, sich aufrecht hinsetzten, mir gleichsam verwundert nachguckten und endlich in drolligen Sprüngen sich wechselseitig jagten. Ich sah alles, und von allem nahm ich eine freundliche Erinnerung mit; ich sah auch einen Wolf, aber nur in weiter Ferne; er schien dort nicht hinzugehören.

Meile auf Meile legte ich zurück auf dem vielbefahrenen Weg. Es war dies nämlich die Emigrantenstraße, die von Pueblo de los Angeles durch den Tejonpaß nach den Tularetälern und den Goldminen am San-Joaquin-Fluß führt. Zu beiden Seiten erblickte ich Sandstein und Granitfelsen, doch schien höher hinauf letzterer vorherrschend zu sein. — An den Basen der Berge und auf den Ufern des Baches erkannte ich außer Cottonwood-Bäumen auch Platanen und Eichen, während an den Abhängen der Berge sich in Gruppen der bekannt schöne Manzanitastrauch und der Sägebusch zusammendrängten, zu denen nahe den Gipfeln noch verkrüppelte Zedern kamen.

Als ich tiefer ins Gebirge gelangte, wurde die Straße unwegsamer, denn wie die Zähne einer Säge faßten die Basen der Berge ineinander, und in diesem Zickzack tobte der kleine Bach über losgerissene Felsblöcke mir entgegen. Nur langsam folgten die Wagen, die an den abschüssigen Ufern kaum im Gleichgewicht zu halten waren. Schon in einer Höhe von 1500 Fuß lag Schnee, doch herrschte in der Schlucht die angenehmste Temperatur, hervorgerufen durch die Sonnenstrahlen, welche die Felsen erwärmten, sowie durch den Schutz, den die Gebirgszüge gegen den rauhen Wind gewährten.

Vier Meilen von dem höchsten Punkt des San-Francisquito-Passes erweiterte sich die Schlucht zu beiden Seiten und bildete ein malerisches kleines Tal. Zahlreiche Quellen entrieselten dort fruchtbarem Boden, was einige vorüberreisende Familien wahrscheinlich angelockt hatte, sich dort anzusiedeln; ich erblickte nämlich zwei Gehöfte, die von eingefriedeten und wohlbestellten Feldern umgeben waren, auf denen stattliches Vieh träge umherschritt.

Dort nun, unter einer knorrigen, weitverzweigten Eiche, hielten wir an, um die Nacht hier zuzubringen. Es war zwar noch früh, doch kannten wir nicht genau die Entfernung bis zum nächsten Wasser; und auch der Widerwille gegen ein Nachtlager im Schnee hielt uns ab, eine so bequeme Stelle zu verlassen und an diesem Tag noch weiter hinaufzureisen. Gleich Herrn von Egloffstein benutzte ich daher die Zeit, um die nächsten Höhen zu ersteigen und von dort aus einen Blick auf die vor uns liegende Schneelandschaft zu werfen, durch die am folgenden Tag unser Weg führen sollte.

Am 14. November, nach Zurücklegung der ersten zwei Meilen, befanden wir uns schon in winterlichen Regionen; zwar anfangs nur in geringem Maße, doch als wir den höchsten Punkt des Passes (3437 Fuß ü. d. M.) erreichten, wurde das Geräusch der nun wieder abwärts rollenden Wagen durch zwei Zoll tiefen Schnee gedämpft. Die Baum- und Strauchvegetation schien hier ihr Ende erreicht zu haben; kahle Hügel drängten sich dicht aneinander und bildeten die östliche Grenze des vor uns liegenden Elisabethtals, während es die von uns überschrittene Gebirgskette (San Bernardino Range) im Süden sowie eine unbedeutendere gegen Norden einfaßten. Westlich, in weiter Ferne, schienen diese beiden Bergketten zusammenzustoßen und ein langes, schmales Becken zu bilden. Wir gelangten bald ins Tal hinab, wo wir in einem roh gezimmerten Haus von den mexikanischen Bewohnern desselben frisches Fleisch erstanden und dann unsere Reise ohne weiteren Zeitverlust in nordwestlicher Richtung fortsetzten. Hier fanden wir die ersten Spuren des Erdbebens, das im Jahre 1856 diesen Teil Kaliforniens so sehr erschütterte und im ganzen Staat bis hinunter nach Fort Yuma gefühlt wurde. Es war eine ungefähr sechzehn Fuß breite Furche, die sich, soweit das Auge reichte, von Osten nach Westen erstreckte und die anscheinend dadurch entstanden, daß der Boden sich weit geöffnet und dann wieder mit unwiderstehlicher Gewalt geschlossen hatte. Nach den Aussagen der Bewohner der Hütte erstreckte sich diese Furche viele Meilen weit. Einige Tage später hatte ich Gelegenheit, in der Nähe des Tularetals, also noch fünfzig Meilen weiter, über die Wirkungen dieser furchtbaren Erderschütterung zu staunen.

Als wir die östliche Spitze des Elisabethsees erreichten, teilte sich unsere Straße, indem ein Weg geradeaus zwischen dem See und der nördlichen Bergkette hinführte, der andere dagegen in einen nördlich gelegenen Paß einbog. Wir wählten den letzteren und waren bald von Höhen umgeben, deren Felsen, wo sie der Schnee nicht bedeckte, hauptsächlich Sandsteinformation zeigten. Die Zurücklegung der nächsten zwei Meilen, auf welcher Strecke die Straße sich stark senkte, brachte uns an das Ende des Passes und zugleich wieder aus dem Schnee. Nach einer kurzen Fahrt zwischen runden, kahlen Hügeln gewannen wir endlich eine weite Aussicht über den westlichen Winkel des Großen Beckens (Great Basin),Das Utah-Territorium oder Great Basin, von Col. Frémont zuerst so benannt (im Jahre 1845; »Frémont’s report of the exploring expedition to the Rocky mountains, and to Oregon and to North California, House Doc. No. 166«, 1845), weil die Wasser in demselben keinen Abfluß nach außen haben, umfaßt die ungeheuren Länderstrecken zwischen der Sierra Nevada im Westen und den Wahsatch-Gebirgen im Osten sowie zwischen den San-Bernardino-Gebirgen im Süden und dem Snake River im Norden mit einer durchschnittlichen Breite nach allen Richtungen hin von 500 bis 700 Meilen. Die Erscheinung dieses vollständig abgeschlossenen Beckens ist um so auffallender, als seine Oberfläche sich zu der bedeutenden Höhe von 4000 bis 6000 Fuß über dem Meeresspiegel erhebt (nach Frémont). Die Oberfläche ist indessen nicht, wie man vielleicht vermuten sollte, eine ununterbrochene Ebene, sondern Gebirgszüge erheben sich mauerartig auf derselben und fassen kesselförmig umfangreiche Täler ein, in deren Mitte langgestreckte Gebirgsabhänge, schiefe Ebenen bildend, auslaufen. Ähnliche Täler und schiefe Ebenen hatte ich Gelegenheit im Stromgebiet des Colorado zu beobachten.