Anschlag Auf Die Liebe

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Als sie die staubige Straße entlangging, die vom Pfarrhaus zum Friedhof führte, sah sie zwei Reiter auf sich zukommen. Ihr fiel auf, daß die Pferde besonders edel waren. Ihr Vater hatte sie gelehrt, die Vorzüge eines Pferdes richtig einzuschätzen. Und er hatte ihr auch das Reiten beigebracht.

Udela hatte niemals die Möglichkeit gehabt, so edle Pferde zu reiten, wie die des Herzogs.

Erst als sie auf gleicher Höhe mit ihnen war, bemerkte sie, daß einer der Reiter der junge Lord Eldridge war, den ihr Vater verachtet hatte.

Sie machte einen höflichen Knicks, und er hielt sein Pferd an und sagte: »Guten Morgen, Miss Hayward. Es tut mir leid, daß Ihr Vater gestorben ist.«

»Es geschah ganz plötzlich, Mylord.«

»Mein Verwalter sagt, daß ich einen Ersatz für ihn brauche«, fuhr Lord Eldridge fort, »aber Sie können sich ruhig Zeit lassen und vorläufig noch im Pfarrhaus wohnen bleiben.«

»Das ist sehr freundlich von Ihnen. Ich habe mir schon Gedanken gemacht, wo ich hingehen könnte.«

»Sie haben doch sicher Verwandte, nehme ich an?« fragte Lord Eldridge leichthin.

Er hatte ein unangenehmes rotes Gesicht.

Er hatte seinen Vater enttäuscht, denn man hatte ihn aus Oxford hinausgeworfen. Sein einziger Ehrgeiz schien es zu sein, Geld für ein ausschweifendes Leben auszugeben.

Sobald er den Titel geerbt hatte, hatten seine Vergnügungen im Eldridge Park das ganze Dorf schockiert. Und Udela war nicht überrascht gewesen, daß der Kirchenstuhl der Eldridges Sonntag um Sonntag leer blieb.

Aber jetzt war Lord Eldridge freundlich zu ihr, und sie sagte dankbar: »Nein, ich habe keine Verwandten, zu denen ich gehen könnte. Aber ich werde mir so rasch wie möglich eine Arbeit suchen, wenn ich das Pfarrhaus in Ordnung gebracht habe.«

»Dann ist ja alles in Ordnung«, sagte er.

Lord Eldridge wollte weiterreiten, aber sein Begleiter sagte: »Stelle mich der jungen, hübschen Dame vor, Edward. Vielleicht kann ich ihr helfen.«

Lord Eldridge sah ihn überrascht an und sagte dann: »Miss Hayward, darf ich Ihnen Lord Julius Westry vorstellen, der Ihre Bekanntschaft zu machen wünscht.«

Udela machte wieder einen Knicks, und Lord Julius stieg zur Überraschung seines Freundes vom Pferd und ging zu Udela hinüber.

»Ich habe Sie sagen hören, daß Sie eine Arbeit suchen, Miss Hayward. Haben Sie etwas Besonderes im Sinn?«

»Nein, Mylord«, erwiderte Udela. »Vielleicht könnte ich als Gouvernante tätig sein, ... ich habe Kinder sehr gern...«

»Sie sind für so einen Posten viel zu jung«, bemerkte Lord Julius. »Wie alt sind Sie?«

»Ich bin achtzehn Jahre alt, Mylord.«

Als sie sprach, sah sie ihn an und fand, daß er ihr nicht gefiel.

Er war groß und breitschultrig, aber seine Augen standen zu dicht beieinander und waren hart. Das gab seinem Gesicht einen furchterregenden Ausdruck.

»Ich glaube, ich kann Ihnen helfen«, sagte er. »Nehmen Sie keine feste Stellung an, bis Sie von mir hören.«

Er musterte sie kurz, und zwar nicht nur ihr Gesicht, sondern ihren ganzen Körper, was sie unbehaglich bemerkte.

Ihr wurde plötzlich bewußt, daß ihr Baumwollkleid, das sie schon seit einigen Jahren trug, ihre Figur abzeichnete, und während Lord Julius sie musterte, spürte sie, wie ihr die Farbe in die Wangen stieg.

»Vielen Dank, Mylord«, sagte sie.

»Warten Sie auf eine Nachricht von mir«, sagte er, und es klang wie ein Befehl.

Udela machte einen Knicks vor ihm, und dann noch einen vor Lord Eldridge.

Als sie mit ihren Blumen den Weg zum Friedhof entlangging, empfand sie plötzlich ein unerklärliches Bedürfnis zu laufen und immer weiter wegzulaufen, das sie sich nicht erklären konnte.

Da Lord Julius ihr befohlen hatte, auf seine Nachricht zu warten, hatte sie nicht, wie sie es eigentlich vorgehabt hatte, an ein Arbeitsvermittlungsbüro geschrieben, das es ihres Wissens in Huntingdon gab.

Sie war sich nicht im Klaren darüber, was sie hätte schreiben sollen oder in welcher Eigenschaft sie sich hätte bewerben können.

Wie sie nur zu gut wußte, gab es für sie zwei Beschäftigungen, entweder als Gouvernante oder als Gesellschaftsdame tätig zu sein, und sie hatte das unbehagliche Gefühl, daß Lord Julius recht gehabt hatte, als er sagte, sie wäre für die Arbeit als Gouvernante viel zu jung.

Ich könnte ganz kleine Kinder betreuen, dachte Udela.

Als sie sich im Spiegel betrachtete, wünschte sie, sie würde älter aussehen.

Sie hatte Angst vor der Zukunft, aber sie hätte sich noch mehr gefürchtet, wenn sie das Gespräch zwischen Lord Julius und Lord Eldridge mitangehört hätte.

»Ich hätte nie gedacht, Edward, eine solche Schönheit hier in deinem Dorf zu finden«, sagte Lord Julius, als sie die staubige Straße entlangritten.

»Sie ist sehr hübsch«, gab Lord Eldridge zu.

»Hübsch!« rief Lord Julius. »Wenn sie gut gekleidet ist, und Mutter Crawley weiß, wie man die Mädchen anzieht, wird sie eine Sensation in London sein!«

»Das hast du also mit ihr vor!« rief Lord Eldridge.

»Natürlich!« erwiderte Lord Julius. »Ich bin immer auf der Suche nach geeignetem Material, aber ich ziehe nicht oft das große Los, wie ich es heute morgen getan habe.«

Sie ritten einige Minuten schweigend weiter.

Dann sagte Lord Eldridge: »Das arme kleine Ding! Sie tut mir leid. Aber ich glaube, es gibt keine andere Beschäftigung für sie.«

ZWEITES KAPITEL

Udela trank einen kleinen Schluck Limonade, und als sie das Glas vorsichtig wieder auf den Tisch zurückstellte, sagte der Herzog: »Und deshalb haben Sie auf einen Brief von Lord Julius gewartet. Aber es hätte Ihnen doch merkwürdig vorkommen müssen, daß ein Mann Ihnen eine Stellung anbot, nachdem er sie erst vor wenigen Minuten kennengelernt hatte.«

Udela erwiderte leise: »Um ehrlich zu sein, Sir, ich hoffte, er würde mich vergessen. Ich habe versucht, in der Gegend eine Stellung zu finden.«

»Was haben Sie unternommen?« fragte der Herzog.

»Im Nachbardorf gab es eine Dame, die eine Gouvernante für ihre zwei kleinen Söhne suchte. Ich habe mich bei ihr beworben.«

»Und was geschah?«

»Sie fand, daß ich für diese Stellung zu jung sei. Aber ich vermute, obwohl es vielleicht anmaßend klingt, daß ihr mein Aussehen mißfiel.«

Der Herzog gab ihr recht. Keine Frau würde eine Gouvernante anstellen, die so reizend aussah wie das Mädchen, das ihm gegenübersaß.

»Ich nehme an, Sie haben den Brief von Lord Julius erhalten?«

»Ja, Sir. Ich bekam ihn vor drei Tagen. Lord Julius schrieb mir, ich solle mit der Kutsche, die beim Two Headed Swan in Islington um halb sieben eintrifft, nach London kommen. Leider hatten wir unterwegs einen Unfall. Infolgedessen verspäteten wir uns sehr.«

»Aber die Kutsche wartete trotzdem auf Sie?«

»Lord Julius schrieb, sie würde da sein, und in dem Augenblick, als die Postkutsche eintraf, trat ein Diener zu mir und fragte mich, ob ich Miss Hayward sei.«

»Und Sie wußten immer noch nicht, wohin man Sie bringen wollte?«

»Nein. Lord Julius schrieb in seinem Brief, er habe eine geeignete Stellung für mich gefunden.«

Der Herzog schwieg, und Udela fuhr fort: »Ich fand es sehr freundlich von ihm. Weil er ein Freund unseres Landesherrn war, wußte er einiges über mich und wer meine Eltern waren...«

Ihre Stimme versagte. Mit sichtlicher Anstrengung hob Udela das Kinn und war entschlossen, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten.

»Sie stiegen also in die andere Kutsche um?« sagte der Herzog. »Und was geschah dann? Was hat Sie so aufgeregt und was ließ Sie vermuten, daß die Stellung, die man Ihnen angeboten hatte, nicht das war, was Sie sich vorgestellt hatten?«

»Es... war... dies hier!«

Udela griff nach ihrem Handtäschchen. Es war jene Art Tasche, wie sie vor einigen Jahren in Mode gewesen war. Der Herzog vermutete, daß sie sie selbst angefertigt hatte.

Udela nahm zuerst ein Taschentuch heraus, mit dem sie sich verstohlen über die Augen wischte, ehe sie ein Blatt Papier entfaltete.

Sie stand auf und gab es dem Herzog.

Dann setzte sie sich wieder in den Sessel.

Der Herzog sah sofort, daß es ein billig gedrucktes Flugblatt war, von dem er vermutete, daß es an zahlreiche seiner Freunde und an diejenigen, die in den Clubs von St. James' verkehrten, ausgeteilt worden war.

Zweifellos war auch eines an ihn adressiert worden, aber sein Personal hatte sich nicht die Mühe gemacht, es ihm auszuhändigen.

Die Lippen des Herzogs verzogen sich verächtlich, als er las.

Mrs. Crawley sendet Ihren Kunden Ihre respektvollste Hochachtung und hat das Vergnügen, Ihnen mitzuteilen, daß sie soeben in Hay Hill 27 eine Lieferung unübertrefflicher Schönheiten aus Frankreich erhalten hat. Sie sind in jeder Neigung und jedem exotischen Reiz ausgebildet, wie jene es wünschen, die in den galanten Wissenschaften Experten sind.

Es stehen auch, zum Ergötzen der speziellen Kunden, mehrere taufrische junge Liebchen zur Verfügung, die direkt vom Land kommen und jung und frisch wie die Blumen sind, denen sie gleichen.

»Wo haben Sie diesen Schrieb gefunden?« fragte der Herzog.

»Auf dem Sitz in der Kutsche«, antwortete Udela. »Ich weiß nicht, weshalb ich ihn las. Aber ich war beunruhigt, weil ich keine Ahnung hatte, wohin ich gebracht wurde.«

»Aber Lord Julius' Brief trug doch sicherlich einen Absender?«

»Ja, er schrieb aus dem Club«, erwiderte Udela. »Ich glaube, der Club heißt White's.«

Die Lippen des Herzogs wurden schmal.

 

Zorn stieg in ihm auf, als ihm bewußt wurde, woher sein Bruder in letzter Zeit so ungewöhnlich viel Geld zu haben schien.

Er wußte jetzt auch, was Lady Marlene gemeint hatte, als er mit unangebrachter Loyalität seinem Bruder gegenüber sich geweigert hatte, anzuhören, was sie ihm hatte sagen wollen.

Seitdem der Herzog den Titel und das Vermögen seines Vaters geerbt hatte, war er seinem Bruder Julius ein ständiger Dorn im Auge gewesen, denn dieser beneidete ihn um seine Stellung als Familienoberhaupt und war entschlossen, sie zu seinem eigenen Vorteil auszunützen.

Der Herzog hatte ein Dutzend Mal die Schulden seines Bruders bezahlt, aber trotz aller Mahnungen, künftig sparsamer mit dem Geld umzugehen, kam Julius immer wieder und verlangte stets mehr.

Er war auch in zahllose unangenehme Situationen verwickelt gewesen, aus denen der Herzog ihn herausholte, nur um den Familiennamen zu retten.

Aber der Herzog hätte niemals gedacht, daß ein Mann, der den Namen Westry trägt, so tief sinken und sich als Zuhälter eines Bordells betätigen würde.

Was den Herzog dazu noch verstimmte, war das Bewußtsein, daß seine Freunde ihn nicht über Julius' Machenschaften informiert hatten.

Er vermutete, daß sie zu peinlich berührt gewesen waren, um ihm zu erzählen, was Julius trieb. Aber er erinnerte sich jetzt an die vielsagenden Blicke, die sie untereinander austauschten, wenn Mrs. Crawleys Name fiel.

Ihm wurde nun auch bewußt, daß die Gespräche oft abrupt abgebrochen wurden, wenn er sich seinen Bekannten näherte, oder daß sie das Thema rasch wechselten.

Die Mitglieder des Clubs debattierten immer ausführlich und eingehend über jedes neue Freudenhaus. Jetzt aber fiel ihm auf, daß sie in seiner Gegenwart über Mrs. Crawleys Etablissement, das erst vor drei oder vier Monaten eröffnet worden war, kaum gesprochen hatten.

Er wußte sehr gut, daß für Frauen, die mit den aristokratischen Lebemännern verkehrten, exorbitante Beträge gezahlt wurden. Obwohl er selbst niemals Vergnügen daran gefunden hatte, solche Häuser aufzusuchen, war er doch gelegentlich dazu gedrängt worden, sich Bekannten anzuschließen, besonders wenn es sich um Häuser handelte, in denen es auch noch Spieltische gab.

Er wußte, daß es viel Geld kostete, ein solches Haus zu eröffnen. Man nannte es oft auch ,Palast des Vergnügens' und er stellte sich mit wachsendem Zorn vor, daß Julius, um eine solche Summe zusammenzubekommen, von Wucherern Geld geliehen haben mußte, in der Erwartung, das Herzogtum zu erben.

Sein Ärger zeigte sich in seinem Gesicht, und Udela fragte ängstlich: »Sie sind zornig... es tut mir leid, wenn ich etwas gesagt haben sollte, was Sie erzürnt hat...«

»Ich bin empört darüber, daß ein junges, unschuldiges Mädchen nach London gelockt wurde«, erwiderte der Herzog mit beherrschter Stimme.

»Ich vermute jetzt, daß ich in eines dieser verworfenen Häuser gebracht werden sollte, vor denen Papa die Dorfmädchen immer gewarnt hat.«

»Hatte Ihr Vater Veranlassung dazu, das zu tun?« fragte der Herzog.

»Ja, denn einige Mädchen wollten unbedingt in Londoner Häusern arbeiten, weil sie dort mehr Geld verdienten als auf dem Land.«

»Aha, und zog Ihr Vater Erkundigungen für sie ein?«

»Ja. Er tat es mit großer Sorgfalt. Er hatte erfahren, daß die Mädchen manchmal, wenn sie in London eintrafen, von boshaften Frauen empfangen wurden, die ihnen kostenlos eine Fahrt in einer bequemen Kutsche anboten. Danach wurden die Mädchen aber nie wieder gesehen.«

»Und deshalb fürchteten Sie, daß es Ihnen ähnlich ergehen könnte?« fragte der Herzog.

»Ich hätte mir nie vorgestellt... ich hätte mir nie träumen lassen, ... daß ein Freund von Lord Eldridge so etwas tun würde. Nachdem ich das Flugblatt in der Kutsche gelesen hatte, bekam ich Angst.«

»Und das mit Recht.«

Udela holte tief Luft.

»Und als dann die Kutsche hielt...«, begann sie, aber ihre Stimme starb ab.

»Das war vermutlich vor dem Haus in Hay Hill«, sagte der Herzog.

»Ja. Das Haus war hell erleuchtet, und die Haustür stand weit offen. Herren mit Zylinder und in Mänteln mit Samtkrägen gingen hinein, und man hörte Musik... «

»Und deshalb vermuteten Sie, daß es sich um das Haus handelte, von dem auf dem Flugblatt die Rede war.«

»Ich fragte mich, was ich tun sollte«, sagte Udela. »Dann kam ein Mann aus dem Haus und sagte dem Kutscher, der abgestiegen war: ,Bring sie sofort zur Rückseite des Hauses, du Narr!' Da war ich sicher, absolut sicher, daß dies kein Privathaus war, sondern ein Freudenhaus.«

»Und was haben Sie getan?«

»Ich öffnete die Tür auf der anderen Kutschenseite und sprang auf die Straße. Als ich sie entlanglief, hörte ich einen der Männer schreien. Ich wußte, daß sie mich verfolgen würden und rannte, bis ich Sie sah...« Ihre Stimme wurde nun sehr leise: »Ich danke Ihnen, ... daß Sie mich gerettet haben ... Gott muß mir im letzten Augenblick geholfen haben.«

Sie fuhr sich mit dem Taschentuch über die Augen.

Der Herzog fand, daß sie, nach einer Prüfung, die jedes Mädchen außer Fassung gebracht hätte, sehr tapfer war.

Er wußte, daß sie recht hatte, als sie sagte, die Zuhälter der Freudenhäuser, sowohl der teuren als auch der billigen, pflegten die jungen Mädchen an den Poststationen abzufangen.

Sie lockten sie in eine Kutsche und versprachen ihnen einen lukrativen Arbeitsplatz, und dann setzten sie sie unter Drogen und drangsalierten sie so lange, bis sie nicht mehr entrinnen konnte.

Udela hatte in der Tat großes Glück gehabt. Als der Herzog sie ansah, verstand er, weshalb sein schändlicher Bruder geglaubt hatte, sie wäre für Mrs. Crawleys Haus eine Bereicherung.

Sie war außergewöhnlich schön und hatte etwas Frisches und Unschuldiges an sich, das sie noch jünger als achtzehn Jahre aussehen ließ.

Sie besaß eine Anmut, wie man sie bei den Ballettänzerinnen von Covent Garden erwartet hätte. Ihre Gesichtszüge waren vollkommen, ihre Hände zierlich und graziös.

Als der Herzog in ihre unschuldigen großen Augen sah, konnte er sich kein Mädchen vorstellen, das ungeeigneter für die Art von Leben gewesen wäre, das sein Bruder ihr zugedacht hatte.

Ihre Schönheit mußte seinen Bruder in Versuchung geführt haben, sie auszunützen. Aber der Herzog fragte sich, wie sie ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen sollte, ohne jemanden zur Seite zu haben, der sie beschützte.

Als erriete sie, was er dachte, sagte Udela ängstlich: »Ich möchte Ihnen nicht länger zur Last fallen, Sir, ... ich muß irgendwo übernachten, ... aber mein ganzes Gepäck ist in der Kutsche zurückgeblieben...«

»Ich werde Sie für heute Nacht irgendwo unterbringen«, erwiderte der Herzog. »Aber was werden Sie morgen tun?«

Sie machte eine hilflose Geste und sagte: »Ich werde wieder nach Hause zurückkehren. Ich kann zwar nicht länger im Pfarrhaus wohnen, ... aber ich bin sicher, im Dorf gibt es jemanden, der mich bei sich aufnimmt, bis ich eine Arbeit gefunden habe.«

»Besitzen Sie Geld?« fragte der Herzog.

Sie blickte auf ihre Hände, und er bemerkte, daß sie errötete.

»Sie dürfen mir die Wahrheit nicht verschweigen, Miss Hayward«, sagte er. »Ich kann Ihnen nur helfen, wenn Sie aufrichtig sind.«

»Ich möchte einem Fremden nicht zur Last fallen«, sagte sie zögernd.

»Ich finde, es wäre besser, wenn Sie in mir Ihren Retter sehen und keinen Fremden«, erwiderte der Herzog mit einem schwachen Lächeln. »Und wenn ich Ihnen weiterhelfen soll, muß ich wissen, was Sie besitzen.«

»Ich erbte von meinem Vater etwas Geld, als er starb«, sagte Udela. »Und ich verkaufte die Möbel. Ich glaube, weil die Dorfbewohner ihn sehr gern gehabt haben, gaben sie mir mehr, als die Sachen eigentlich wert waren. Aber am Ende blieb doch nur wenig übrig.«

»Wieviel?« fragte der Herzog gerade heraus.

»Nur... neun Pfund.«

»Und davon haben Sie Ihre Fahrt nach London bezahlt? «

»Ja. Aber ich habe immer noch sechs Pfund.«

»Und das ist alles, was Sie besitzen?«

»Ja. Papa war mehrere Monate lang krank, ehe er starb. Die Medikamente und die Diät, die der Doktor ihm verschrieb, waren sehr teuer.«

Sie sah den Herzog an. Er glaubte, sie wollte ihm damit sagen, daß sie nicht verschwenderisch mit dem Geld umgegangen war, sondern nur das ausgegeben hatte, was absolut notwendig war.

»Dann gibt es also zwischen Ihnen und dem Verhungern lediglich sechs Pfund«, sagte er nach einer Weile.

»Ich bin sicher, ich werde eine Arbeit finden.«

Das klang nicht sehr zuversichtlich, und der Herzog sah, daß sie sich fürchtete.

Er stand wortlos auf und füllte sein Glas aus der Champagnerflasche, die in einem Eiskübel auf dem Tablett stand.

Er warf einen Blick auf Udelas Glas. Es war immer noch halb voll.

»Haben Sie Hunger? Hätten Sie gern etwas zu essen?« fragte er.

»Nein, danke. Ich habe Brot und Käse gegessen, als an der vorletzten Poststation die Pferde gewechselt wurden. Für die anderen Passagiere, die es sich leisten konnten, gab es eine volle Mahlzeit, aber ich brauchte nur Brot und Käse.«

»Es würde keine Mühe bereiten, Ihnen etwas vorzusetzen.«

»Nein, danke. Ich möchte Ihre Gastfreundschaft nicht weiter in Anspruch nehmen.«

Der Herzog sah, daß sie sich im Zimmer umblickte. Er nahm an, ihr wurde erst jetzt bewußt, daß sie sich allem mit einem fremden Mann in diesem Raum aufhielt.

Er ging mit dem Champagnerglas in der Hand zum Kamin und stellte sich mit dem Rücken davor, wie es seine Gewohnheit war.

Da es Sommer war, brannte darin kein Feuer. Der Kamin war mit Pflanzen, und Blumen gefüllt, die vom Oswestry House in Kent gebracht worden waren.

Der Herzog nahm ihren Duft nicht wahr, ja, er bemerkte die Blumen in diesem Augenblick nicht einmal.

Er war sich nur bewußt, daß Udela, die sehr aufrecht am Rand des Sessels saß, ihn mit ihren großen fragenden Augen ansah, und daß ihr ganzer Körper angespannt war.

»Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen«, sagte der Herzog nach einer Weile. »Aber zuerst möchte ich Ihnen sagen, daß Sie heute in meinem Haus übernachten können. Meine Haushälterin wird sich um Sie kümmern.«

»Hier übernachten?« fragte Udela fast unhörbar.

»Ja. Und Sie werden nicht nur von meinem Personal bedient werden, sondern Sie haben auch eine kompetente Anstandsdame«, sagte der Herzog. »Meine Großmutter, die Herzogin von Oswestry, traf heute Nachmittag in meinem Haus ein.«

Udela sagte zögernd: »Soll das heißen... daß Sie...«

»Ja, ich bin der Herzog von Oswestry.«

»Ich habe schon von Ihnen gehört, ... ich hätte es mir natürlich denken können...«

»Wieso?« fragte der Herzog.

»Sie sehen so... bedeutend aus, so... großartig. Sie konnten nur ein Herzog sein oder ein Prinz.«

Der Herzog lachte.

Er wußte, daß Udela arglos sprach und ihm nicht schmeicheln wollte, sondern wie ein Kind sagte, was ihr in den Sinn kam.

Er dachte, daß dies vielleicht das ehrlichste Kompliment war, das er je gehört hatte.

»Vielen Dank«, sagte er, »aber ich glaube, ich sage Ihnen am besten, daß Lord Julius Westry mein Bruder ist.«

Udela stieß einen entsetzten Schrei aus. Vor Furcht sprang sie auf und wäre am liebsten davongelaufen.

»Ich möchte mich für das abstoßende Verhalten meines Bruders entschuldigen«, sagte der Herzog ruhig. »Bitte glauben Sie mir, wenn ich sage, daß ich alles tun werde, um Ihnen zu helfen und das wieder gutzumachen, was Sie durch meinen Bruder gelitten haben.«

Sie sah ihn an und versuchte sich schlüssig zu werden, ob sie ihm glauben oder ob sie lieber fliehen sollte.

Ihre Blicke trafen sich. Und mit einem Feingefühl, über das er selbst überrascht war, wußte er, daß sie spürte, sie konnte ihm vertrauen, und daß es für sie keinen Grund gab, sich so zu ängstigen. Er konnte fast ihre Gedanken lesen, denn sie spiegelten sich in ihren seltsamen grauen Augen.

»Ist das Ihr Ernst?« fragte sie zaghaft.

»Ich versichere Ihnen, daß ich mich für das Verhalten meines Bruders schäme und mich durch ihn gedemütigt fühle. Es ist nicht das erste Mal.«

Udela setzte sich wieder hin.

Dann fragte sie ängstlich: »Sind Sie sicher, daß es Ihnen recht ist, wenn ich hierbleibe? Ich möchte Ihnen wirklich nicht zur Last fallen.«

»Sie fallen niemandem zur Last«, erwiderte der Herzog.

 

Er zog an der Klingelschnür. Wenige Sekunden später ging die Tür auf, und ein Diener trat ein.

»Richten Sie bitte Mrs. Field aus, daß Miss Hayward heute hier übernachtet«, sagte der Herzog. »Ihr Gepäck ist während der Reise nach London leider verlorengegangen. «

»Sehr wohl, Euer Gnaden.«

»Und sagen Sie Mrs. Field, ich werde sie in Kürze zu mir bitten, damit sie Miss Hayward in ihr Zimmer begleitet.«

Als der Diener die Tür hinter sich geschlossen hatte, sagte Udela: »Danke. Vielen Dank.«

»Ich würde Ihnen gern einen Vorschlag machen, wenn Sie damit einverstanden sind«, sagte der Herzog.

»Natürlich.«

»Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll«, begann der Herzog, »aber ich möchte nicht nur Ihnen helfen, sondern auch mir selbst. Das mag seltsam für Sie klingen. «

»Es wäre wunderbar, wenn ich Ihnen helfen könnte, nachdem Sie so freundlich zu mir waren.«

»Ich glaube, durch das unerhörte Verhalten meines Bruders stehe ich mehr in Ihrer Schuld als Sie in der meinen«, erwiderte der Herzog. »Aber vergessen wir das im Augenblick und vergegenwärtigen wir uns, daß Sie, wenn Sie dieses Haus hier verlassen, kein Dach über dem Kopf haben, und wenn wir ehrlich sind, auch keine großen Aussichten haben, eine angemessene Stellung zu finden.«

»Ich habe mich immer und immer wieder geprüft«, sagte Udela. »Aber ich fürchte, meine Fähigkeiten sind nicht gut verkäuflich.«

»Ich glaube, die meisten Menschen würden ähnlich denken, wenn sie plötzlich ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen müßten.«

»Es ist sehr beschämend, vor allem weil Papa so sehr darauf bedacht war, daß ich eine gute Erziehung erhielt. Mama brachte mir das Klavierspielen bei, wenn auch nicht so gut, daß ich als Pianistin auftreten könnte.«

»Ich glaube nicht, daß das Konzertpodium oder die Bühne der richtige Platz für Sie wären«, sagte der Herzog trocken.

»Ich kann kochen«, fuhr Udela eifrig fort. »Ich habe für Papa immer ausgefallene Speisen zubereitet, die er gern aß, und die unsere alte Mrs. Gibbs überforderten. Aber ich glaube nicht, daß mich irgendjemand als Köchin anstellen würde.«

»Ich kann Sie mir, ehrlich gesagt, nicht in einer Küche vorstellen.«

»Es sieht so aus, als könnte ich weder als Gouvernante noch als Dienstmädchen arbeiten«, sagte Udela. »Was könnte ich sonst noch tun?«

Der Herzog spürte, daß sie an die Beschäftigung dachte, die Lord Julius für sie im Sinn gehabt hatte.

Er sah, wie die Furcht wieder in ihre Augen trat. Sie preßte die Hände aneinander, als wolle sie dadurch verhindern, vor Entsetzen aufzuschreien.

»Ich möchte Ihnen etwas ganz anderes vorschlagen«, sagte der Herzog ruhig.

Er hielt kurz inne und wählte seine Worte sehr sorgfältig, als er sagte: »Ich befinde mich in einer unangenehmen Lage, die ich Ihnen nicht näher erklären möchte. Es wäre eine große Hilfe für mich, wenn ich der Welt klarmachen könnte, und besonders einer bestimmten Person, weshalb es mir unmöglich ist, sie zu heiraten.«

Udela blickte ihn fragend an, schwieg aber und der Herzog fuhr fort: »Mein Vorschlag würde sowohl Ihr Problem als auch das meine lösen, vorausgesetzt Sie sind damit einverstanden, daß wir beide für kurze Zeit so tun, als wären wir miteinander verlobt.«

Udela sah ihn erstaunt an.

Der Herzog fuhr rasch fort: »Ich möchte es ganz deutlich machen, eine Ehe zwischen uns beiden kommt nicht in Frage. Ich habe überhaupt nicht vor, in den nächsten Jahren zu heiraten. Aber wenn ich jetzt einer bestimmten Person beweisen könnte, daß ich verlobt bin, und wenn ich meine Freunde glauben lassen könnte, daß es sich um eine ernste Verbindung zwischen uns handelt, dann würde mich dies, wie gesagt, aus einer schwierigen und unangenehmen Situation befreien.«

»Sie meinen, das würde Ihnen wirklich helfen?«

»Ja, sehr viel.«

»Dann tue ich natürlich, was Sie wünschen. Aber würden Ihre Freunde glauben, daß Sie sich überhaupt mit jemandem wie mir verloben könnten?«

Der Herzog lächelte.

»Sie können sich nicht im Spiegel betrachtet haben, Miss Hayward, oder sollte ich lieber Udela sagen, wenn Sie den Grund eines Mannes bezweifeln, weshalb er Sie heiraten möchte.«

»Aber ich bin völlig unbedeutend und unscheinbar neben den eleganten Damen, mit denen Sie zweifellos gewöhnlich verkehren.«

Während sie sprach, dachte sie an die Zeichnungen in den Modejournalen, die ihre Mutter manchmal gekauft hatte oder an die Gäste, die im Eldridge House verkehrt hatten, als die Mutter des jetzigen Besitzers noch lebte.

Wenn sie die Damen in der Kirche sah, im Winter mit Zobelpelzen bekleidet und im Sommer in Mänteln aus Samt oder Taft, dann hatte sie immer gefunden, daß sie wie Wesen aus einer anderen Welt aussahen.

Als sie daran dachte, empfand sie kraß den Unterschied zwischen dem schlichten, alten Kleid, das sie sich selbst genäht hatte und dem Luxus und der Schönheit des Raumes, in dem sie und der Herzog jetzt saßen.

Als erriete der Herzog ihre Gedanken, sagte er: »Wenn Sie mit meinem Vorschlag einverstanden sind, daß ich Sie der Welt als meine künftige Frau vorstelle, verspreche ich Ihnen, auch für Ihre passende Garderobe zu sorgen.«

»Sie meinen, Sie wollen mir Kleider kaufen?« fragte Udela überrascht.

»Ich kann schwerlich erwarten, daß Sie sich von den sechs Pfund, aus denen Ihr ganzes Vermögen besteht, voll einkleiden können.«

Udela antwortete nicht. Sie sah sich im Zimmer um und ihr Profil mit der kleinen geraden Nase und dem energischen Kinn hob sich vor dem Bücherregal hinter ihr ab.

Sie ist reizend, dachte der Herzog, so reizend, daß niemand auch nur einen Augenblick lang an meinen Heiratsabsichten zweifeln wird.

Er spürte, daß sie sich unwohl fühlte und sagte: »Was bekümmert Sie?«

»Ich habe eben daran gedacht, daß es nicht richtig ist, wenn Sie meine Garderobe bezahlen«, sagte Udela. »Vielleicht könnten Sie mir ein wenig Geld leihen. Ich bin nicht anspruchsvoll, und wenn ich später eine Arbeit finde, werde ich alle meine Schulden zurückzahlen.«

Der Herzog glaubte einen Augenblick lang, sie scherze.

Er hatte bisher noch keine Frau kennengelernt, gleichgültig aus welcher Gesellschaftsschicht, die nicht bereit gewesen wäre, von ihm die teuersten Geschenke anzunehmen. Und diese Geschenke bestanden, soweit es seine Geliebten betraf, vorwiegend aus Pelzen, Juwelen und den teuersten Kleidern.

»Ich sehe, daß ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt habe«, sagte er. »Wenn Sie die von mir vorgeschlagene Rolle spielen wollen, werden Sie für Ihre Dienste genauso entlohnt, wie wenn Sie irgendeine andere Arbeit verrichten würden. Ich weiß nicht genau, wie lange ich Sie in Anspruch nehmen werde. Aber ich kann Ihnen versichern, daß Sie in Anbetracht Ihrer Dienste, nicht nur mit allem versehen werden, was Sie brauchen, sondern daß ich Ihnen tausend Pfund bezahlen werde, wenn wir uns wieder trennen.«

»Eintausend Pfund!«

Udela brachte die Worte kaum heraus. Aber dann sagte sie: »Nein, natürlich nicht! Ich kann eine solche Summe unmöglich annehmen.«

»Über diesen Punkt werde ich nicht mit Ihnen streiten«, sagte der Herzog. »Aber ich prophezeie Ihnen, wenn Sie einige Monate lang meine Verlobte gespielt haben oder selbst nur wenige Wochen, wird Ihnen dieser Betrag sehr gering vorkommen, und Sie werden mehr von mir fordern.«

»Wie können Sie auch nur einen Augenblick lang denken, daß ich so undankbar sein könnte«, sagte Udela schockiert. »Bitte... Euer Gnaden... Wenn Sie mir so viel Geld geben wollen, dann kann ich meine Garderobe davon leicht selbst bezahlen.«

»Wieder müssen Sie mir gestatten, daß ich meinen Willen durchsetze«, erwiderte der Herzog. »Ich werde auch diesen Punkt in unseren Vertrag aufnehmen.«

Während er sprach, dachte er daran, daß er bisher oft übervorteilt, getäuscht und erpreßt worden war, und jetzt wollte er Vorsorge treffen, um dies für künftige Fälle zu verhindern.

»Ich werde alles notieren, was ich von Ihnen verlange, und Sie werden es unterschreiben. Dann sind wir sicher, daß jeder von uns sein eigenes Leben weiterführen kann, wenn Sie mich schließlich verlassen, und es wird keine Einwände und Klagen geben.«

»Wie können Sie auch nur einen Augenblick denken, daß ich mich später mit Ihnen auseinandersetzen könnte?« fragte Udela. »Aber sind Sie sicher, daß Sie dies alles auch wirklich von mir wünschen, Euer Gnaden?«

Olete lõpetanud tasuta lõigu lugemise. Kas soovite edasi lugeda?