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Zwei Erzählungen

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»Worin soll ich Ihnen helfen?« fragte er nach einer geraumen Weile, um sie an seine Anwesenheit zu erinnern.

Sie sah auf: »Ich werde es Ihnen zuerst erzählen,« und sie wies auf die Bank neben der Tür, ohne sich selbst zu setzen. »Wissen Sie, ich hätte ja einfach jemanden aus dem Dorf unten rufen können. Der Pope hätte mir’s auch getan. Aber ich muß einen Fremden dazu haben. Ich weiß nicht, ob Sie das verstehen werden. Ich würde es nicht ertragen, wenn es ein Freund oder überhaupt ein Bekannter von früher wäre. Nicht, daß ich fürchtete, sie könnten mich steinigen. Oder doch ja, ein wenig fürchte ich mich schon auch!« Sie lauschte nach dem Hause hin. Nichts rührte sich dort. »Er ist nicht fort,« begann sie geheimnisvoll, »nein, er war überhaupt nicht fort. Ach, Sie wissen ja noch gar nicht, daß ich verlobt war; doch? Nun, ich ließ ihn nicht. Der Krieg dauerte damals schon so lange. Er wurde irgendwo in der Ferne ausgekämpft. Niemand dachte, daß er uns hier angehen könnte. Er begann erst für mich, als mein Bräutigam einberufen wurde. Am letzten Abend nun war er bei uns bis spät in der Nacht. Und ich goß wieder und wieder sein Glas voll. Ich hätte es auch ohne Absicht getan. Er war so traurig! Ja, ja, das kann er nicht leugnen. Und ich, ach, was war ich an diesem Abend! Niemand freilich sah mir an, wie wahnsinnig ich war. Alle weinten sie mehr als ich. Nach dem Abschied dann, als er fortging, ging ich mit ihm vor die Tür hinaus, die Treppe hinab, auf die Gasse. Niemand wunderte sich, daß ich mich von ihm nicht trennen konnte. Er aber wußte nicht, wo er ging und fast nicht, wer mit ihm sprach. Er lachte und sang und mein Vorhaben war leichter auszuführen, als ich gedacht hatte. Ich führte ihn hinunter in unsern Kohlenkeller,« sie dämpfte ihre Stimme und faßte heftig seinen Arm. Spitz bohrten sich die umklammernden Finger ein, »nicht in den andern, wo alle unsere Vorräte lagen und jeden Augenblick jemand hineinkam! Das war wohl überlegt. Ich band ihm Hände und Füße, das können Sie mir glauben. Band auch ein dickes Tuch um seinen Mund. Ein unabsichtlicher Schrei oder Ausruf in der Überraschung des Erwachens, dachte ich, wenn gerade zufällig jemand am Keller vorbeikäme. Und die Vorsicht erwies sich weit notwendiger, als ich dachte, aber aus einem Grunde, den ich wahrhaftig nicht hatte voraussehen können. Ich dachte nur, wenn wir es vorher beraten und beschließen würden, würde er es nicht wagen. Deshalb hatte ich ihn dazu zwingen wollen. Doch er war mit dem Mittel zur Rettung unzufrieden, denken Sie nur! Als er am Morgen seinen Rausch ausgeschlafen hatte, begann ein richtiger Kampf zwischen uns. – Ich war früher als alle anderen im Hause aufgestanden. Nicht aus Vorsicht und Ängstlichkeit. Ich hatte die ganze Nacht nicht schlafen können vor Glück, vor Freude über den Einfall und die gelungene Ausführung. Behutsam schlich ich durchs schlafende Haus. Mir war so selig zumute, als schliche ich zu einem verbotenen Stelldichein. Wie dankbar würde er mir sein für diese Eingebung der Liebe, dachte ich. Wie zu unverhofftem neuem Leben erwacht, mußte er sich doch fühlen! Statt in den Krieg zu müssen, im Arm der Geliebten zu bleiben, in ihrem Hause, von ihr gepflegt! Und ich malte mir aus, wie ich ihm das Leben drunten in dem engen dumpfen Raum erleichtern und verschönern wollte, ohne selbst die Eltern einzuweihen, da es ja allzu gefährlich war. Aber er, – als ich ihn zärtlich mit Küssen weckte, als er erfuhr, was ich vorhatte, – er wurde tobsüchtig vor Zorn über meine Zumutung. Sofort solle ich ihn freilassen, damit er noch den Zug erreiche. Ich flehte schmeichelnd und kosend, ohne auf seine Worte zu hören, er möchte, wenn schon nicht anders, so aus Güte und Mitleid für mich dableiben, da es doch ging. Er wäre einfach verschollen. Kein Mensch würde ihn hier suchen. Ich kniete vor ihm und bat ihn weinend mit gerungenen Händen. Er aber stieß mich von sich und herrschte mich wütend an, ich solle mich schämen, in solcher ernsten Sache eine so lächerliche Komödie zu machen. Ich verstünde von diesen Angelegenheiten nichts. Was würden die Leute im Dorf und was seine Kameraden bei der Kompanie von ihm sagen? – An solche Dinge dachte er, wo es sich um sein Leben handelte! Wahrhaftig, die Männer wissen nicht, was das Leben ist! – Und als er nachher, da ich ihn um keinen Preis losbinden wollte, mit aller Kraft um Hilfe zu brüllen begann, da packte mich die Wut über seine Dummheit und die Verzweiflung, daß er nun doch fort sollte und ich stopfte ihm ein Tuch in den Mund und band es fest. Da mochte er beißen und sich werfen, soviel er wollte. Ich werde ihn eben zu seinem Glück zwingen, wenn er so dumm ist, dachte ich. Er wird mir schon einmal Dank wissen. Aber schrecklich war es, wie er so hilflos war und ganz in meiner Gewalt, er, vor dem ich immer demütig gezittert hatte.« Grauen verzerrte ihr Gesicht und verdunkelte ihre Augen voll Tränen, »hatte ich denn nicht recht? Gehörte er nicht auch mir? Durfte er überhaupt noch allein über sich bestimmen? Nun, – Sie verstehen jetzt, warum ich nicht fliehen wollte. Ich war ja glücklich, als sie alle fort waren. Es wurde mir nicht leicht, meinen Gefangenen mit allem Notwendigen zu versehen, ohne daß jemand etwas ahnte. Aber ich war schlau. Es gelang mir sogar, unauffällig, einen Teil der Kohle hinaufzuschaffen. Ich kochte ihm seine Lieblingsspeisen, brachte ihm täglich frische Tannenzweige und Blumen, weil die Luft unten so dick und häßlich war, aber ihn freute nichts von alledem. Eine Zeitlang berührte er die Speisen nicht und wollte verhungern. Zu schreien oder sonstwie aus dem Loch heraus zu wollen, wagte er nicht mehr. Er wollte nicht als Deserteur erschossen werden. Mich haßte er. Ja! Er drehte mir den Rücken, wenn ich eintrat; er stieß nach mir, wenn ich ihm nahe kam. Wenn ich mich schmeichelnd an ihn schmiegte, von süßen Hoffnungen sprach, vom baldigen Kriegsende und den schönen Tagen unserer Zukunft, da lachte er nur so eigentümlich, daß es einem kalt den Rücken hinablief oder er wurde wild und schlug mich.

Manchmal weinte er, wenn ich kam. ‚Ach, wie schön auf Wiesen in freier Luft zu schlafen,‘ sagte er, ‚zwischen den Kameraden durch Wälder marschieren oder über Felder hinstürmen!‘

Er war nicht krank, gar nicht! Nur ein wenig schwach natürlich. Ewig in dem Loch voll Kohlenstaub zu sein bei dem elenden Licht des Öllämpchens! Wer konnte aber auch wissen, daß der Krieg so lange dauern würde?

Ich sehnte mich nach ihm, so wie er ehedem gewesen, nach einem guten Wort, nach seinem sanften Streicheln. Aber er war stumpf und leblos geworden wie ausgedörrt und wurde immer stumpfer und lebloser.

Das ging so Monate.

Als die deutschen Granaten um uns hier in die Häuser schlugen, kam ich lachend und weinend vor Freude zu ihm hinunter, tanzte und sprang: Jetzt, jetzt war die schreckliche Gefangenschaft für ihn zu Ende, jetzt konnte er heraus und die Rettung war besiegelt. ‚Siehst du, siehst du, wo wärst du jetzt, wenn ich dich gelassen hätte?‘ Und ich umschlang ihn jauchzend und wollte mit ihm umhertanzen, soweit es der Raum zuließ. Da aber kam das Entsetzliche!« Ein Zittern lief über ihren Körper und sie neigte sich vor, als sähe sie das, was sie erzählte: »Er schleuderte mich von sich; bis zur Tür flog ich. ‚Wie kannst du dich freuen, wenn die Feinde kommen? Du Ehrlose, Hirnlose, du Tier aus dem Stall!‘ Der Schaum stand ihm vor dem Mund. Mit geschwungenen Fäusten stürzte er auf mich los. Ich war zuerst wie gelähmt vor Angst und Schrecken und Verblüffung. Dann floh ich, warf hinter mir die Tür zu und versperrte sie. Ich überlegte nicht warum, aber nicht aus Furcht meinetwegen, wahrhaftig! Droben rast der Kampf, dachte ich, er weiß jetzt nicht, was er tut und rennt in die Kugeln. Mußte ich nicht so denken? Wo, wo ist meine Schuld?« Sie schlug die Hände vors Gesicht, geballte Fäuste bohrte sie in die Wangen. Keuchend, schwer schleppte die Brust ihren Atem. »Vor der geschlossenen Tür,« fuhr sie nach einer langen Pause sehr leise fort, »auf den Stufen kniete ich atemlos, als wenn ich wer weiß wie gelaufen wäre, und lauschte. Ich weiß nicht, ob er mit dem Kopf gegen die Mauer rannte oder ob er in der Raserei so unglücklich zu Boden stürzte. Es war nicht zu unterscheiden! Ich war sogleich drin, als ich ihn hinschlagen hörte. Ich untersuchte ihn und dachte: Gottlob, es ist ihm nichts geschehen. Es floß kein Tropfen Blut, es war keine Wunde.« Sie richtete sich mit matter Willenskraft langsam auf: »Also kommen Sie!« Und sie wandte sich ins Haus.