Handbuch des Strafrechts

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa
D. Objektiver Tatbestand
I. Täuschung
1. Allgemeines

a) Verhaltensmodalitäten

66

Der Tatbestand umschreibt das betrügerische Täterverhalten als Vorspiegelung falscher bzw. Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen. Die heute h.M. fasst diese drei Tatmodaltäten unter dem Oberbegriff der Täuschung zusammen.[110] Eine mit Blick auf das strafrechtliche Garantieprinzip (Art. 103 Abs. 2 GG) bedenkliche Sinnerweiterung liegt hierin nicht, denn diese Tatmodalitäten bezeichnen weder spezifische noch präzise voneinander abgrenzbare Methoden der Beeinflussung des Vorstellungsbildes eines anderen: Während für ein „Vorspiegeln“ erforderlich ist, dass eine nicht bestehende Tatsache als existierend vermittelt wird, wird beim „Entstellen“ eine bestehende Tatsachenlage durch Hinzufügen oder Weglassen wesentlicher Umstände verzerrt. Durch „Unterdrücken“ wird die Kenntnisnahme einer Tatsache verhindert. Die ältere Rechtsprechung hatte noch versucht, diese einzelnen Verhaltensweisen auf bestimmte Sachverhalte zu beziehen (z.B. Manipulation eines Elektrizitätszählers zur Beseitigung von Spuren einer unerlaubten Stromentnahme als Unterdrücken einer wahren Tatsache)[111]. Bei näherer Betrachtung wird jedoch schnell klar, dass sich die tatbestandlichen Verhaltensweise in der Regel überschneiden dürften: So impliziert etwa die Vorspiegelung einer nicht bestehenden Tatsache zugleich das Unterdrücken der tatsächlichen Sachlage; das Entstellen durch Weglassen wichtiger Umstände kann nur durch Unterdrücken bestimmter Tatsachen geschehen usw.

67

Für ein zusammenfassendes Verständnis der Tatmodalitäten des § 263 StGB als „Täuschung“ spricht auch, dass der Wortlaut der Vorschrift insoweit missglückt ist, als er von falschen bzw. wahren Tatsachen spricht. „Wahr“ und „falsch“ sind keine Prädikate von Sachverhalten, sondern von Sachverhaltsdarstellungen, also von Tatsachenbehauptungen. Eine Unterscheidung der tatbestandlichen Verhaltensweisen nach ihren nur vermeintlich disparaten Gegenständen (wahre oder falsche Tatsachen) ist mithin überhaupt nicht möglich.

68

Die gesetzlichen Tatmodalitäten, die durch den Begriff der Täuschung zusammengefasst werden, umschreiben das Täterverhalten ohne Bezugnahme auf die Vorstellung des Täters. Das Bewusstsein des Täters von der Unrichtigkeit seiner Tatsachendarstellung gehört daher nicht zum objektiven Deliktstatbestand,[112] denn eine Sachverhaltsdarstellung kann unabhängig davon objektiv falsch sein, ob sie der Sprecher für wahr hält und umgekehrt. Zudem: Wäre die Vorstellung des Täters von der Unwahrheit seiner Behauptung konstitutiv für die objektive Tatseite der Täuschung, so läge in einer unbewusst unzutreffenden Behauptung einer Tatsache kein unerlaubtes Täuschungsrisiko, mit der Folge, dass der Täter den Fehler auch nicht nach Ingerenzkriterien korrigieren müsste, sobald er ihn bemerkt.

b) Zuständigkeit für das Irrtumsrisiko

69

Unter den Begriff der Täuschung fallen mithin alle denkbaren Formen der irreführenden Einflussnahme auf das Vorstellungsbild eines anderen. Der damit grundsätzlich extrem weite Anwendungsbereich der Vorschrift macht es erforderlich, die Bedingungen zu bestimmen, unter denen dem Täter eine unzutreffende Äußerung über Tatsachen als betrugsrelevante Täuschung zugerechnet werden kann. Insbesondere ist zu klären, ob und – wenn ja – unter welchen Voraussetzungen auch ein pflichtwidriges Unterlassen aufklärender Information als tatbestandsmäßig anzusehen ist. Erkennt man – wie hier Rn. 31 ff. – im Betrug strukturell ein Delikt mit vertypter mittelbarer Täterschaft im Verhältnis von Täter und Opfer, können als Täuschungen nur solche Verhaltensweisen des Täters infrage kommen, die die täterschaftliche Zurechnung auch hinreichend begründen. Ein bloßes Wissensgefälle kann nicht ausreichen, den Täter für das Wissensdefizit des Verfügenden einstehen zu lassen. Vielmehr muss dem Täter die Fehlerhaftigkeit der Entscheidungsgrundlage nach Maßgabe des Schutzzwecks des Betrugsverbots zuzurechnen sein, um den Verfügenden als Werkzeug des Täters ansehen zu können. Mit anderen Worten: Die Täuschung muss als Schaffung eines tatbestandsspezifischen Risikos anzusehen sein, das sich in der irrtumsbedingten Verfügung des Getäuschten realisiert.[113]

70

Aus normativer Sicht bezieht sich demnach das Täuschungsmerkmal auf die Differenz zwischen dem, was eine Person von Rechts wegen als Information für ihre Vermögensdisposition vom Täter erwarten darf, und dem, was sie tatsächlich an Information vom Täter erhält. Entspricht die tatsächlich erhaltene Information nicht der berechtigterweise erwartbaren, hat der Täter für eine Entscheidung (nur) insoweit einzustehen, als diese im Vertrauen auf zutreffende Information getroffen wurde. Zur Bestimmung der zu leistenden Information ist auf die üblichen Auslegungsregeln für Erklärungen (entsprechend §§ 133, 157 BGB) zurückzugreifen. Es ist im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen, welche sachgemäßen Anforderungen in der konkreten Situation der Disponierende an den Täter als seinen Informationsgeber stellen darf. Inhalt, Umfang und Zeitpunkt der Täuschung hängen also von der sich aus der konkreten Kommunikationsbeziehung ergebenden Informationspflicht ab und können nicht aus dem erschlossen werden, was jemand (zufällig) sagt oder verschweigt. Unter welchen Bedingungen der Erklärende welche Informationen zu erteilen hat und welche Äußerungen zu welchen (weiteren) Auskünften verpflichten, ist ex ante festzustellen. Exemplarisch: Der Gast in einem Restaurant hat bei seiner Bestellung den Wirt über die mit dessen Vorleistung verbundenen Risiken zu informieren. Täuscht er (konkludent) über seine Zahlungsbereitschaft, so hat er diese Informationspflicht verletzt. Hat der Wirt als Vorleistender dagegen ein Missverständnis zu vertreten, kann dies die Informationspflicht einschränken. Wenn der Gast, der nur ein Getränk in Höhe von 30 Euro bezahlen kann und will, einen Wein, der auf der Karte versehentlich mit 22 Euro statt mit 72 Euro ausgezeichnet ist, bestellt, dann mag er zwar bei dem Wirt einen Irrtum über die Bereitschaft zur Zahlung des korrekten Preises hervorrufen, er täuscht aber nicht in betrugsrelevanter Weise, weil er aufgrund des vom Wirt zu vertretenden Fehlers bei der Preisangabe nicht verpflichtet war, auf seine fehlende Zahlungsbereitschaft hinsichtlich des überschießenden Betrages hinzuweisen.

71

Bei der betrugsrelevanten Täuschung geht es weder um die Verletzung eines allgemeinen Rechts auf Wahrheit, welches das heutige Strafrecht nicht (mehr) kennt,[114] noch um einen aus dem Vermögensschutz abgeleiteten Informationsanspruch des Berechtigten. Das generelle Verbot, fremdes Vermögen zu beeinträchtigen, impliziert ebenso wenig ein Recht auf zutreffende Information wie die Verbote der Körperverletzung oder der Tötung.[115] Die Zuständigkeit des Täters bezieht sich also beim Betrug weder auf Wahrheit schlechthin (wie etwa bei der mittelbaren Falschbeurkundung, § 271 StGB; → BT Bd. 5: Jens Puschke, Urkundenfälschung, § 42 Rn. 79 f.) noch auf Vermögensfürsorge (wie bei der Untreue, § 266 StGB; → BT Bd. 5: Saliger, § 35 Rn. 53 ff.), sondern auf einen bestimmten Irrtum, der eine bestimmte Vermögensverfügung zu einer unfreien qualifiziert.[116] Der Täter hat beim Betrug für einen Irrtum einzustehen, der aus einem von ihm zu verantwortenden Irrtumsrisiko resultiert. Es ist also zu begründen, warum nicht der Vermögensinhaber selbst, sondern der Täter das Risiko einer Vermögensverfügung auf unzutreffender Entscheidungsgrundlage zu tragen hat.

72

Die Zuständigkeit des Täters für das Irrtumsrisiko des Vermögensinhabers kann sich aus zwei Gründen ergeben. Zum einen kann der Täter ein unerlaubtes Risiko geschaffen haben, sei es durch eine (ausdrücklich oder konkludent aufgestellte) unzutreffende Tatsachenbehauptung, sei es durch die Verfälschung einer dem Vermögensinhaber zustehende Information. Diese Fälle der Risikoschaffung seien im Folgenden „Täuschung durch Irreführung“ genannt. Zum anderen kann der Täter für das Irrtumsrisiko zuständig sein, wenn er aus besonderen rechtlichen Gründen eine entsprechende Irrtumsfreiheit und damit den richtigen Wissensstand des Vermögensinhabers zu garantieren hat, sei es durch die Erteilung einer richtigen, sei es durch das Verhindern einer falschen Information. Fälle der Zuständigkeit auf dieser Grundlage seien im Folgenden als „Täuschung durch Verletzung einer Aufklärungspflicht“ bezeichnet.

73

Den unterschiedlichen Gründen für die Zuständigkeit des Täters korrespondieren unterschiedliche Ansprüche des Opfers auf wahrheitsgemäße Information. Bei der Täuschung durch Irreführung richtet sich der Anspruch auf das Unterlassen einer desorientierenden Veränderung des Wissensstandes. Dagegen hat der Anspruch auf Aufklärung eine Verbesserung der Informationslage zum Gegenstand. Während der Anspruch auf Unterlassen einer Fehlinformation durch jedermann verletzt werden kann, trifft die Pflicht zur Aufklärung nur den aufgrund einer (Beschützer-)Garantenstellung besonders Verpflichteten (siehe § 13 StGB; eine allgemeine strafrechtlich abgesicherte Pflicht, jeden beliebigen Dritten vor Desorientierung zu bewahren, ließe sich schon unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht legitimieren; eine entsprechend strenge Aufklärungspflicht ist nur dann sachgerecht, wenn der Täter gegenüber dem [potentiell] Verfügenden besonderes Vertrauen in Anspruch nimmt). In beiden Varianten kann beim Betrug nur diejenige Person einen Anspruch auf wahrheitsgemäße Information haben, die zum Tatzeitpunkt die Verfügungsgewalt über den in Frage stehenden Vermögensgegenstand besitzt, denn nur diese kommt als „verfügendes Werkzeug“ des Täters in Betracht (siehe auch zum sog. Dreiecksbetrug Rn. 152).

 

74

Die hier dargestellte dogmatische Interpretation der Täuschung als Zuständigkeit für ein Irrtumsrisiko aufgrund der Verletzung des Anspruchs, keine unzutreffende Information zu erhalten (bzw. des Anspruchs, zutreffend informiert zu werden), deckt sich teilweise im Ergebnis mit einer verbreiteten Literaturansicht, die den Kreis betrugsrelevanter Täuschungen durch den Begriff der Sozialadäquanz einzuengen versucht.[117] Durchaus sachgemäß erscheint es auch, das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit zur Begrenzung betrugsspezifischer Täuschungshandlungen heranzuziehen.[118]

75

Noch einen Schritt weiter geht allerdings Pawlik, der generell für tatbestandsmäßige Täuschungen die Verletzung von Garantenpflichten verlangt.[119] Der Bereich potenziell betrügerischen Verhaltens soll durch eine Bestimmung dessen, was in der sozialen Kommunikation als wahre Information garantiert ist, festgelegt werden. In den Fällen der Irreführung durch Täuschung kann jedoch dem potenziellen Täuschungsopfer rechtlich nicht mehr garantiert sein als der zunächst unbestimmte Anspruch, hinsichtlich einer für die Vermögensverfügung relevanten Tatsache nicht belogen zu werden. Dieser Anspruch ist hypothetisch: Für den Fall, dass eine Information gegeben wird, muss diese wahrheitsgemäß sein. Eine weitergehende Rechtspflicht zur Information müsste dagegen die in § 13 StGB formulierte Voraussetzung der Modalitätenäquivalenz aufgrund eines besonderen Rechtsverhältnisses erfüllen. Pawlik leitet eine Garantenpflicht aus dem Prinzip der Autonomie nach Maßgabe konkreter gesellschaftlicher Verhältnisse ab,[120] verlässt aber in den Ergebnissen, was angesichts der Abstraktionshöhe der Prämissen kaum verwundert, nicht den Boden der vorherrschenden Meinung. Konkretisierend greift Pawlik insbesondere auf den Gedanken der Risikoübernahme durch Inanspruchnahme besonderen Vertrauens zurück.

2. Tatsachen

a) Begriff

76

Bezugspunkt einer betrugsrelevanten Täuschung muss stets (zumindest) eine Tatsache sein. Auf diese Weise wird der Schutzbereich des Betrugsverbotes eingegrenzt: Nur solche Verfügungen über Vermögenswerte werden vom Schutzzweck der Norm erfasst, die sich auf Tatsachen stützen und damit eine notwendige Voraussetzung rationaler Entscheidungen erfüllen. Tatsachen sind damit zunächst alle Sachverhalte, von denen im Sinne einer (falsifizierbaren) Existenzaussage behauptet werden kann, dass sie der Fall seien. Damit scheiden reklamehafte Anpreisungen einerseits wie prognostizierte Wertentwicklungen von Kunstwerken oder Vermögensanlagen andererseits aus dem Kreis betrugsrelevanter Tatsachenbehauptungen aus, da sie nicht mit dem Anspruch erhoben werden, empirischer Überprüfbarkeit zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung zugänglich zu sein. Diese Überlegungen führen zu einer Definition des Tatsachenbegriffes, der sich im Wesentlichen mit derjenigen der h.M. deckt: Hiernach sind unter Tatsachen alle vergangenen oder gegenwärtigen Sachverhalte (Geschehnisse, Zustände) einschließlich solchen der menschlichen Psyche zu verstehen, die objektiv bestimmt und dem Beweis zugänglich sind.[121] Tatsachen sind demnach u.a.: Das Alter, die Identität, der Personenstand, die Herkunft, die körperlichen und finanziellen Verhältnisse einer Person oder die (vertragsgemäße) Beschaffenheit einer Sache. Keine Tatsachenbehauptungen sind dagegen Werturteile.[122]

77

Dass betrugsrelevante Tatsachen nach h.M. dem Grunde nach beweisfähig sein müssen, verdient vor allem aus der Überlegung Zustimmung, dass nur auf solche Umstände eine Entscheidung über Vermögensverfügungen ökonomisch rational gestützt werden kann. Die Möglichkeit empirischer Beweisbarkeit ist zwar noch nicht hinreichend für Rationalität, wohl aber notwendig, da sie ein maßgeblicher Indikator für die Verlässlichkeit einer Behauptung ist. Wer dagegen eine Vermögensverfügung aufgrund von Auskünften aus dem Bereich der Magie oder sonst Übersinnlichem trifft, geht das Risiko ein, über sein Vermögen „tatsachenblind“ zu entscheiden.[123] Ein solches Risiko lässt sich auch nicht durch die rechtliche Gewährleistung eines Informationsanspruchs kompensieren, da das Strafrecht nur rationale Garantien geben kann.[124] Da es nur um die Falsifizierbarkeit der jeweiligen Sachverhaltsdarstellung geht, können empirisch plausible Tatsachenbehauptungen auch dann betrugsrelevant sein, wenn sie in der Sache völlig aus der Luft gegriffen sind, wie dies etwa bei der Behauptung, ein (tatsächlich unwirksames) Medikament sei bestens für eine Therapie geeignet, der Fall wäre.

78

Künftige Sachverhalte, die sich erst noch realisieren müssen, sind nach h.M. keine Tatsachen.[125] Dieser prinzipielle Ausschluss künftiger Ereignisse aus der Definition des Tatsachenbegriffes ist jedoch fragwürdig. Da es auch künftige Ereignisse geben kann, an deren Eintritt nicht zu zweifeln ist, kann der bloße Zeitpunkt nicht maßgeblich sein. Entscheidend muss vielmehr der Zeitpunkt der Überprüfbarkeit sein. Sofern ein künftiges Geschehen schon gegenwärtig beweisbar ist (bzw. falsifiziert werden kann), kommt dieses Geschehen auch als betrugsrelevante Tatsache in Betracht. Ein in naher Zukunft liegender Geburtstag kann Gegenstand einer Täuschung sein, wenn dieses Ereignis Anlass zum Kauf verderblicher Ware bietet. Demgegenüber kann die Behauptung, eine bestimmte Aktie werde in drei Jahren zu einem bestimmten Börsenkurs gehandelt, zu dem Zeitpunkt, zu dem sie aufgestellt wird, nicht als beweisfähige und damit rationale Grundlage einer Vermögensentscheidung angesehen werden.

79

Psychische Vorgänge und Zustände – wie z.B. Motive, Überzeugungen, Kenntnisse, Vorstellungen oder Gefühle – kommen als betrugsrelevante Tatsachen in Betracht,[126] da sie auch forensisch als dem Beweis zugänglich behandelt werden. So ist es i.d.R. etwa bei der Übernahme von Vorleistungspflichten (bei Bewirtungen oder Taxifahrten) von Entscheidungsrelevanz, ob der Vertragspartner gegenwärtig auch „tatsächlich“ die Absicht hat, die Gegenleistung zu erbringen.[127] Entsprechendes gilt für vertragsrelevante Absichten wie der Verwendung eines Darlehens zu bestimmten Investitionszwecken.[128] Ferner haben Auskünfte über bestimmte geistige Fähigkeiten oder besondere Sachkunde den Charakter von Tatsachenbehauptungen.

80

Die h.M. revidiert indes die zunächst durch den Ausschluss künftiger Ereignisse aus dem Tatsachenbegriff vorgenommene Begrenzung wieder, indem sie die Möglichkeit der Täuschung über innere Tatsachen, die sich auf künftige Ereignisse beziehen, zulässt: So ist dann zwar die künftige Einlösbarkeit eines Schecks keine Tatsache, wohl aber die gegenwärtige Einschätzung der Einlösbarkeit.[129] In der Konsequenz ließen sich auf diese Weise auch Werturteile (siehe dazu sogleich unten Rn. 81) in Tatsachenbehauptungen umwandeln. Denn ein Werturteil kann als Täuschung über die innere Tatsache der Einstellung des Sprechers, z.B. seiner Aufrichtigkeit bei der Qualitätsbeurteilung, verstanden werden.[130] Entsprechendes gilt für abstruse und unbeweisbare Behauptungen sonstiger Art. Solche unplausiblen Folgerungen lassen sich vermeiden, wenn als maßgebliches Kriterium zur Beurteilung einer Tatsache als betrugsrelevant darauf abgestellt wird, ob das betreffende Geschehen als entscheidungserheblich für eine rationale Vermögensverfügung anzusehen ist und damit Gegenstand einer Informationspflicht sein kann.

b) Werturteile, Meinungsäußerungen und Rechtsansichten

81

Werturteile beziehen sich zwar nicht hinsichtlich der Stellungnahme des Sprechers, wohl aber ggf. hinsichtlich des Gegenstandes der Wertung auf Tatsachen. So ist die Auskunft des Reiseveranstalters, direkt vor dem Hotel befinde sich ein „wunderbar feiner Sandstrand“, zwar nicht hinsichtlich der Wertung „wunderbar“, wohl aber bezüglich der Existenz eines feinkörnigen Sandstrandes eine Tatsachenbehauptung. Entsprechendes gilt für Äußerungen, mit denen der Sprecher einen Sachverhalt aus ästhetischer, moralischer oder religiöser Perspektive darstellt. Zu beachten ist freilich, dass solche subjektiven Einschätzungen des Sprechers als „innere Tatsachen“ betrachtet werden können. Erklärt etwa ein Kunstexperte in einer Gemäldeausstellung ein bestimmtes Bild für künstlerisch besonders wertvoll und wegweisend, so kann die Äußerung als Behauptung über die eigene Wertschätzung als Information über ein psychisches Faktum gedeutet werden. Sofern in einer solchen Situation ein Informationsanspruch besteht, der durch die Einstufung des Experten über den künstlerischen Wert des Bildes einzulösen ist, kann es sich bei der Erklärung um eine täuschungsrelevante Tatsachendarstellung handeln.[131] Eine Expertenäußerung kann zudem konkludent die Tatsachenbehauptung implizieren, die Einschätzung beruhe auf nachprüfbaren Fakten wie etwa durchgeführten Laborversuchen.[132]

82

Bei der Äußerung von Rechtsansichten ist zuvorderst zu unterscheiden, ob mit ihnen ein Anspruch geltend gemacht (etwa: „Mir steht ein bestimmter Zahlungsanspruch aus Kaufvertrag zu“) oder das Bestehen anspruchsbegründender faktischer Voraussetzungen behauptet wird (etwa: „Es wurden übereinstimmende Willenserklärungen abgegeben“). Die Geltendmachung eines Anspruchs kann für sich alleine keine Täuschung sein, da lediglich „gefordert“ oder die eigene juristische Ansicht dargelegt wird. Das (bloße) Geltendmachen eines Anspruchs kann damit ebenso wie ein Werturteil behandelt werden.[133] Sobald aber die Forderung mit einer objektiven Begründung versehen wird („Mir steht das Geld aus unserem Kaufvertrag zu!“), wird mit der Anspruchserhebung zugleich der dahinterstehende Sachverhalt (zumindest konkludent) behauptet.[134]

83

In diesem Zusammenhang interessant ist die Beurteilung von Sachverhalten, in denen unvertretbare Rechtsansichten aufgrund zutreffender Sachverhaltsdarstellung täuschungsrelevant sein können (exemplarisch: „Wenn Ihr minderjähriger Sohn für Sie unterschrieben hat, ist das natürlich bindend, denn das Geschäft geht ja zu Ihren Lasten!“). Auch solche Äußerungen können grundsätzlich nicht anders beurteilt werden als Werturteile, denn die Äußerung einer Rechtsauffassung bleibt die Äußerung einer Bewertung, sei sie juristisch nachvollziehbar oder nicht. Etwas Anderes kann aber gelten, wenn zugleich ein Informationsanspruch über die Rechtslage besteht: Der Rechtsanwalt, der seinen Mandanten bewusst aufgrund unvertretbarer Rechtsansichten in einen kostspieligen (und vor allem gebührenträchtigen) Prozess drängt, täuscht betrugsrelevant.

84

Dagegen erläutern im zivilprozessualen Streit die Parteien nur argumentativ ihren Standpunkt und sind nicht verpflichtet, das Gericht oder die Gegenseite zutreffend über die Rechtslage zu informieren.[135]