Volkswirtschaft, 4. Auflage

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

1.2.2 Das staatliche Produktionskonto

Staatliche Dienstleistungen als öffentliche Güter

Der staatliche Sektor zählt zu den inländischen Sektoren (vgl. Abschnitt 1.1.6). Bereits dem Produktionskonto eines Unternehmens (vgl. Abschnitt 1.2.1) ist zu entnehmen, dass Vorleistungen und Investitionsgüter auch an den Staat verkauft werden, wie z. B. der Strom für die Beleuchtung in Bürogebäuden oder der Bau dieser Bürogebäude selbst. Aufgrund des Begriffsinhaltes dieser Güter (vgl. Abschnitt 1.1.4) muss dann jedoch zwangsläufig die Frage auftauchen, was der Staat mit diesen Gütern produziert. Einigkeit besteht noch darüber, dass die staatliche Produktion in erster Linie eine Produktion von Dienstleistungen ist, wie z. B. die Ausbildung durch staatliche Lehrer, die Bereitstellung eines Transportweges (z. B. einer Autobahn), die Rechtsprechung durch einen staatlichen Richter, die innere und äußere Sicherheitsleistung durch die Polizei bzw. das Militär. Die weitergehende Frage allerdings, ob es sich bei diesen Dienstleistungen dem volkswirtschaftlichen Güterbegriff entsprechend um Vorleistungen oder um Konsumgüter handelt – Investitionsgüter (einschließlich Lagerinvestitionen) sind ausgeschlossen, da Dienstleistungen immer kurzlebig sind –, können wir meist nicht mehr entscheiden. Bei der Nutzung dieser Güter kann meist nicht zwischen einer nicht produktionsbedingten Nutzung durch private Haushalte (= Konsumgüter) oder einer produktionsbedingten Nutzung durch Unternehmen (= Vorleistungen) unterschieden werden. Es soll auch meist bewusst nicht unterschieden werden, denn diese Güter sollen als öffentliche Güter (vgl. Abschnitt 1.1.6) allen Gesellschaftsmitgliedern zur Verfügung gestellt werden, d. h., es soll kein Ausschlussprinzip gelten.

Staatliche Dienstleistungsproduktion als Staatskonsum

Wir stehen also vor dem Problem, dass eine vorhandene Güterproduktion sich nicht in das gängige volkswirtschaftliche Begriffsschema der Güter einordnen lässt. Man hat dieses Problem durch Übereinkunft (Konvention) (vgl. Abschnitt 1.1.3) dadurch gelöst, dass man die staatliche Produktion zum Eigenverbrauch des Staates, also aller Bürger, erklärt hat und ihn als Staatskonsum bezeichnet. Da auch meist keine Bewertung mit Marktpreisen (wegen des fehlenden Ausschlussprinzips) erfolgen soll oder kann, ist meist nur eine Bewertung mit Herstellungskosten möglich. Nur z. B. bei staatlichen Genehmigungen oder Entsorgungsleistungen mit entsprechenden Gebühren oder Beiträgen gilt das Ausschlussprinzip. Sie allein sind einer Marktproduktion mit Marktpreisen vergleichbar und können bzw. müssen dann als Vorleistungen oder private Konsumgüter zugeordnet werden. Produktions- und Importabgaben bzw. Subventionen fallen allerdings nicht an. Bis auf diese wenigen Ausnahmefälle kann sonst im staatlichen Sektor wegen des fehlenden Umsatzes auch kein Betriebsüberschuss bzw. -defizit auftreten. Daraus wiederum folgt, dass die staatliche Produktion auch nicht mit dem üblichen betriebswirtschaftlichen Maßstab der Wirtschaftlichkeit bewertet werden kann. Anders ausgedrückt: Das Gehalt des öffentlich Bediensteten (z. B. des Beamten als Eigentümer von Arbeitskraft im Rahmen des staatlichen Produktionsprozesses) ist mit seiner Produktion identisch, weil es Teil der Herstellungskosten dieser Produktion ist, unabhängig davon, ob der betreffende Beamte tatsächlich etwas „leistet“ oder im Dienst z. B. nur die Zeitung liest.

Das staatliche Produktionskonto hat demnach im Gegensatz zum Produktionskonto eines privaten Unternehmens folgendes Aussehen:


Die Positionen 1. – 3. auf der Ertragsseite sind die Einzigen, die – wie beim Produktionskonto eines Unternehmens – zu Herstellungspreisen, nämlich mit Gebühren und Beiträgen, bewertet werden. Sie sind dafür verantwortlich, dass es auch im staatlichen Sektor zu einem Betriebsüberschuss bzw. -defizit kommen kann. Sie sind jedoch im Vergleich zur 4. Ertragsposition von geringer Bedeutung. Die 4. Ertragsposition umfasst den Großteil der staatlichen Dienstleistungsproduktion, betrifft die öffentlichen Güter, kann – wegen des fehlenden Ausschlussprinzips – nur zu Herstellungskosten bewertet werden und macht den Staatskonsum aus.

Situationsbezogene Antwort 2

Die Installation einer Pelletheizung in einer Schule der Stadt München durch Installationsmeister Röhrl führt zu einer staatlichen Investition, gleichzeitig aber auch bereits zu einer anteilmäßigen Abschreibung dieser Heizung in dem betreffenden Jahr. Nur diese Abschreibung erscheint auf dem staatlichen Produktionskonto. Die Investition selbst ist eine Sachvermögensbildung und wird eigenständig auf dem Vermögensänderungskonto gebucht, das wir noch behandeln werden.

Investitionsgüter als langlebige Sachgüter müssen wieder der Produktion dienen, woraus sich bei einer staatlichen Investition die Frage stellt, was mit ihr produziert wird. Handelt es sich um eine Heizung in einer Schule, so wird mit der Heizung offensichtlich die Dienstleistung Ausbildung produziert. Wird diese Dienstleistung ohne Ausschlussprinzip, d. h., ohne Preiszahlung (z. B. in Gestalt eines Schulgeldes) abgegeben, so handelt es sich um die staatliche Produktion eines öffentlichen Gutes, die als Eigenverbrauch des Staates bzw. als Staatskonsum bezeichnet wird. Auch Installationsmeister Röhrl könnte Nutznießer bzw. Abnehmer dieses Staatskonsums sein, wenn z. B. seine Kinder die betreffende Schule besuchen. Wird dagegen für den Schulbesuch eine Gebühr (z. B. in Gestalt des schon genannten Schulgeldes) erhoben, so würde es sich bei den Kindern von Installationsmeister Röhrl um Konsumenten eines privaten Haushalts handeln, da Installationsmeister Röhrl das Schulgeld sicherlich nicht in seiner Betriebsbuchführung auf der Kostenseite absetzen kann. Könnte ein Schuldgeld dagegen in einer Betriebsbuchführung abgesetzt werden, so wäre damit die Produktionsnutzung gegeben und es hätte die staatliche Produktion einer Vorleistung vorgelegen.

Situationsbezogene Frage 3

Wie hat Installationsmeister Röhrl mit der Ausdehnung seiner Produktion zur volkswirtschaftlichen Produktionsleistung beigetragen?

1.2.3 Das gesamtwirtschaftliche Produktionskonto und die volkswirtschaftlichen Leistungsgrößen

Konsolidierung der Produktionskonten

Werden alle einzelwirtschaftlichen (privaten und staatlichen) Produktionskonten zusammengefasst (konsolidiert), so erhalten wir das gesamtwirtschaftliche Produktionskonto. Dabei lassen sich gleichartige Größen gegeneinander aufrechnen, wie

z. B. der Ex- und Import und die Vorleistungen, oder mit einem umgekehrten Vorzeichen auf die andere Seite des Kontos buchen, wie z. B. die Produktions- und Importabgaben bzw. indirekte Steuern (Tind) und die Subventionen (Z).

Das gesamtwirtschaftliche Produktionskonto hat die folgende Gestalt:


Was die Vorleistungen betrifft, so müssen sie unter gesamtwirtschaftlichem Blickwinkel aufgrund ihres Begriffsinhaltes auf der Input- und Outputseite einander entsprechen. Der Grund dafür, sie im gesamtwirtschaftlichen Produktionskonto als eigenständige Größen wegzulassen, liegt jedoch darin, dass sie im Endwert der Konsum-, Investitions- und Exportgüter enthalten sind (z. B. die im Laufe eines Jahres von der Zulieferindustrie produzierten Reifen eines Pkws). Ihre nochmalige Auflistung würde demnach zu einer Mehrfachzählung führen, wenn wir an der volkswirtschaftlichen Gesamtleistung interessiert sind und nach entsprechenden Messgrößen suchen. Es reicht also aus, wenn wir den Wert der Endprodukte ermitteln, da in ihm die Vorleistungen bereits enthalten sind.

Aus dem gesamtwirtschaftlichen Produktionskonto lassen sich die folgenden volkswirtschaftlichen Leistungsgrößen ermitteln:

Inlands- und Sozialprodukt

Bruttoinlandsprodukt (BIP) = Summe der Endprodukte (Sachgüter und Dienstleistungen), die im Inland von Inländern und Ausländern während einer Periode (z. B. Kalenderjahr) produziert worden sind. Inland ist das Gebiet, das sich innerhalb der hoheitlichen Grenzen eines Landes befindet. Inländer sind diejenigen Personen, die ihren Hauptwohnsitz als „Lebensmittelpunkt“ im Inland haben. Nicht die Staatsangehörigkeit ist also entscheidend, sondern der Wohnsitz. Ausländer haben dementsprechend ihren Hauptwohnsitz im Ausland. Zum Inlandsprodukt zählen also auch die im Inland von Ausländern produzierten Güter bzw. die daraus entstandenen Faktoreinkommen (z. B. der Betriebsüberschuss von IBM-Deutschland oder das Selbstständigeneinkommen eines Ausländers in Gestalt der Zinsen auf seinem Konto bei einer deutschen Geschäftsbank). Nicht zum BIP zählen demnach die von Inländern im Ausland produzierten Güter bzw. die daraus entstandenen Faktoreinkommen (z. B. der Betriebsüberschuss von VW-Brasilien oder die Zinsen eines deutschen Inländers als Selbstständigeneinkommen auf seinem Bankkonto in Luxemburg). Sie wären Teil eines Bruttoinländerprodukts. Das Inländerprodukt wurde früher (vor 1995) Sozialprodukt (SP) genannt, wird aber heute als Nationaleinkommen (NE) bezeichnet.

In Symbolen ausgedrückt lautet die Definitionsgleichung für das BIP:

BIP = Cpr + Cst + Ibpr + Ibst + Ex − Im

 

Unter Berücksichtigung der Definition für die Nettoinvestitionen (In = Ib − D) gelten weiterhin folgende Definitionen:

Nettoinlandsprodukt (NIP) = Cpr + Cst + Inpr + Inst + Ex − Im = BIP − D

Bei den staatlichen Nettoinvestitionen (Inst) ist zu beachten, dass Abschreibungen (D) sie zwar negativ beeinflussen, aber größtenteils zu den Herstellungskosten bei der Produktion öffentlicher Güter zählen und damit zum Staatskonsum (Cst) werden (vgl. Abschnitt 1.2.2). Sie werden daher in ihrer Wirkung auf das Nettoinlandsprodukt (NIP) neutralisiert, denn der Cst wirkt sich positiv auf das NIP aus.

Nettowertschöpfung = Nettoinlandsprodukt zu Faktorkosten = NIP − (Tind − Z)

Die aktuellen Werte für die wichtigsten volkswirtschaftlichen Leistungsgrößen in Deutschland können der folgenden Übersicht entnommen werden:


Eine ständige Aktualisierung der Werte erfolgt in den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes (www.destatis.de) und dabei in der Fachserie 18, Reihe 1.4.

Situationsbezogene Antwort 3

Die Ausdehnung der Produktionsleistung von Installationsmeister Röhrl durch die vermehrte Installation von Pelletheizungen in einem bestimmten Jahr ist für sich betrachtet natürlich nur ein winziger Beitrag zur Steigerung der volkswirtschaftlichen Produktionsleistung. Für die Gesamtheit aller Installationsbetriebe oder gar berufs- und betriebsübergreifend für den gesamten Handwerksbereich ergeben sich volkswirtschaftlich aber durchaus relevante Beiträge. Unabhängig aber von der absoluten Höhe des volkswirtschaftlichen Leistungsbeitrages geht es um die volkswirtschaftliche und damit auch die gesellschaftliche „Ortsbestimmung“ des einzelnen Handwerksbetriebes, letztlich also um das Selbstverständnis seines Eigentümers, in diesem Fall von Installationsmeister Röhrl.

Konkret kann sich die Ausdehnung der Produktionsleistung von Installationsmeister Röhrl je nach Kundengruppe auf allen Ebenen der volkswirtschaftlichen Produktionsleistung, wie sie z. B. mit dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) gemessen wird, niedergeschlagen haben. Sie kann einen direkten oder indirekten Einfluss gehabt haben.

Ein direkter volkswirtschaftlicher Produktionseinfluss durch Installationsmeister Röhrl kann zunächst über die private Konsum- und Investitionsgüterproduktion erfolgt sein. Wurden Pelletheizungen vermehrt in privaten Haushalten z. B. zur Heizung der Wohnräume installiert, so wurde dadurch die volkswirtschaftliche Produktion privater Konsumgüter ausgedehnt. Die Installation von Heizungen in privaten Unternehmen hat dagegen die Produktion der privaten Investitionsgüter gesteigert. Auf alle Investitionsgüter bezogen sind dadurch die privaten Bruttoinvestitionen gestiegen, unter Abzug der bereits im Installationsjahr angefallenen Abschreibungen aber auch die Nettoinvestitionen, die zum Ende des betreffenden Jahres in der Bilanz der Unternehmenskunden den Sachkapitalbestand erhöht haben. Der Auftrag der Stadt München hat zu entsprechenden Veränderungen bei den staatlichen Investitionen geführt. Da annahmegemäß neben den Bruttoinvestitionen auch die Nettoinvestitionen gestiegen sind, erhöhte sich neben dem Bruttoinlandsprodukt (BIP) auch das Nettoinlandsprodukt (NIP). Und letztlich hat auch der Auftrag aus Österreich über einen gestiegenen Export das BIP wie auch das NIP positiv beeinflusst. Da der Betrieb von Installationsmeister Röhrl in München ansässig ist, gilt er als Inländer. Die von ihm ausgehende Steigerung der volkswirtschaftlichen Produktionsleistung hat demnach auch das Nettonationaleinkommen (NNE) (das alte „Nettosozialprodukt“) erhöht. Unterschiede im Beitrag zum NIP und NNE würden sich künftig erst dann ergeben, wenn Installationsmeister Röhrl einen Zweigbetrieb in Österreich errichten würde, um gestiegenen Aufträgen aus Österreich besser nachkommen zu können.

Ein indirekter volkswirtschaftlicher Produktionseinfluss durch Installationsmeister Röhrl kann grundsätzlich über die von ihm produzierten Investitionsgüter erfolgen. Im Unterschied zu Konsumgütern dienen sie nämlich wieder der Produktion, d. h., es kann ein weiterer positiver Beitrag zur volkswirtschaftlichen Produktionsleistung entstehen. Er könnte sich z. B. in einer höheren Produktionsleistung der Unternehmen äußern, in denen die Heizungen installiert wurden. Auch deren zwangsläufig gestiegener Bedarf an Pellets wirkt sich positiv auf die volkswirtschaftliche Produktionsleistung aus. Ähnliches gilt für die in einer Schule installierten Heizungen, deren Abschreibungen die Herstellungskosten der staatlichen Produktion (z. B. die Produktion von Bildungsleistungen) und damit – bei Nichtausschluss, also öffentlichen Gütern – den Staatskonsum erhöhen. Wir werden uns mit solchen Zusatzeffekten (Multiplikatoreffekten) im Abschnitt 5.2.5 beschäftigen.

Situationsbezogene Frage 4

Wie hat Installationsmeister Röhrl mit der Ausdehnung seiner Produktion zur volkswirtschaftlichen Einkommensentstehung und -verwendung beigetragen?

1.2.4 Das gesamtwirtschaftliche Einkommenskonto und die volkswirtschaftlichen Einkommensgrößen

Einkommen entsteht durch Produktion

Das gesamtwirtschaftliche Einkommenskonto ergibt sich durch Konsolidierung der Einkommenskonten des privaten und staatlichen Sektors. Es informiert darüber, wie das gesamtwirtschaftliche Einkommen entstanden ist und wie es verwendet wurde. Was die Einkommensentstehung betrifft, so dürfte schon nach dem bisher Gesagten klar sein, dass der Realwert des entstandenen Einkommens im Kern nichts anderes darstellt als die produzierte Gütermenge. Daraus wiederum folgt, dass die Entstehungsseite des Einkommens buchungstechnisch die rechte Seite des Einkommenskontos sein muss, da sie zum größten Teil die Gegenbuchung zum gesamtwirtschaftlichen Produktionskonto (vgl. Abschnitt 1.2.3) aufzunehmen hat. Dort war die produktionsbedingte Einkommensentstehung auf der linken Seite in Gestalt der Nettowertschöpfung als Summe der Faktoreinkommen, aber auch in Gestalt der indirekten Steuern abzüglich Subventionen als Netto- Staatseinnahmen sichtbar geworden. Die linke Seite des gesamtwirtschaftlichen Einkommenskontos informiert dann über die Verwendung des Einkommens, die wiederum güterbezogen und bei den Konsumausgaben die Gegenbuchung zum Produktionskonto ist.

Die Tatsache, dass es sich bei den Einkommensbeziehern um (natürliche und juristische) Personen und den Staat handelt, lässt außerdem den Schluss zu, dass das gesamtwirtschaftliche Einkommenskonto nach dem Inländerkonzept zu führen ist. Da das gesamtwirtschaftliche Produktionskonto andererseits auf dem Inlandskonzept basiert, wird nach der Gegenbuchung eine Korrektur erforderlich. Sie erfolgt über die von Inländern aus der übrigen Welt bezogenen Nettoprimäreinkommen (PEN←üW) (siehe unten).

Das gesamtwirtschaftliche Einkommenskonto nach dem Inländerkonzept hat folgende Gestalt:


Aus dem gesamtwirtschaftlichen Einkommenskonto lassen sich die folgenden volkswirtschaftlichen Einkommensgrößen gewinnen:

Nettonationaleinkommen

Nettonationaleinkommen (NNE) = Primäreinkommen (PE) = NIP plus Saldo der Primäreinkommen (Nettoprimäreinkommen) aus der übrigen Welt (Faktoreinkommen der Inländer im Ausland minus Faktoreinkommen der Ausländer im Inland (PEN←üW)). Im gesamtwirtschaftlichen Einkommenskonto setzt sich das NNE aus den Positionen 1., 2. und 3. auf der rechten Seite zusammen. In Symbolen: NNE = NIP + PEN←üW.

Das NNE wurde früher (vor 1995) auch als Nettosozialprodukt zu Marktpreisen bezeichnet.

Volkseinkommen

Volkseinkommen (VE) = NNE − (Tind – Z)= Arbeitnehmerentgelte für den Produktionsfaktor Arbeit plus Unternehmens- und Vermögenseinkommen für die Produktionsfaktoren Boden und Kapital. Die Unternehmens- und Vermögenseinkommen nach dem Inländerkonzept sind also das Gegenstück zu den Betriebsüberschüssen bzw. Selbstständigeneinkommen nach dem Inlandskonzept. Das Volkseinkommen wurde früher (vor 1995) auch als Nettosozialprodukt zu Faktorkosten bezeichnet, um deutlich zu machen, dass es um die Einkommen der Eigentümer der Produktionsfaktoren geht, die aus Sicht des volkswirtschaftlichen Einkommenszahlers als Kosten zu interpretieren sind.

Lohn- und Profitquote

Der Anteil der Faktoreinkommen aus Arbeitskraft am Volkseinkommen wird als Lohnquote, der Anteil der Faktoreinkommen aus Boden und Kapital am Volkseinkommen als Profitquote bezeichnet. Als grobe aktuelle Werte können 70 % bzw. 30 % gelten.

Da das Volkseinkommen (VE) noch nicht die staatliche Beeinflussung des Einkommens (z. B. durch die Steuerbelastung) berücksichtigt und demnach den Einkommensbeziehern noch nicht voll für ihre Kaufentscheidung zur Verfügung steht, lässt sich noch eine weitere Einkommensgröße bilden:

Verfügbares Einkommen als Großteil der Produktion

Verfügbares Einkommen (Yv) = VE minus an den staatlichen Sektor geleistete direkte Steuerzahlungen (Tdir) (Einkommen- und Vermögenssteuern, einschl. Sozialversicherungsbeiträge) der nicht staatlichen Sektoren als Inländer plus von Inländern empfangene Tdir des staatlichen Sektors plus von Inländern empfangene indirekte Steuern (Tind) des staatlichen Sektors minus an Inländer geleistete Subventionen (Z) des staatlichen Sektors minus an Inländer geleistete Transferzahlungen (z. B. Kindergeld, Wohngeld etc.) (Tr) des staatlichen Sektors plus vom staatlichen Sektor empfangene Tr der Inländer minus Saldo der Transferzahlungen (Nettotransferzahlungen) an die übrige Welt (TrN→üW) (z. B. Entwicklungshilfe). In Symbolen zusammengefasst:

Yv = VE − Tdir + Tdir + Tind − Z − Tr + Tr − TrN→üW = VE + Tind − Z − TrN→üW

Yv = NNE − TrN→üW

Da sich einige Größen – nämlich Tdir und Tr – gegenseitig als gesamtwirtschaftliche Einnahmen bzw. Ausgaben aufheben, wird deutlich, dass die gesamte volkswirtschaftliche Produktion (mit Ausnahme der Güter, die in Höhe der Abschreibungen die verschlissenen Investitionsgüter ersetzen sollen, und der Nettotransferzahlungen an die übrige Welt (TrN→üW)) bzw. ihr Gegenstück in Gestalt des Nettonationaleinkommens dem gesamten verfügbaren Einkommen entsprechen muss. Anders ausgedrückt:

Wo produziert wird, entsteht gleichzeitig auch Einkommen. Produktion und Einkommen sind zwei Seiten der gleichen „Medaille“.

Warum wird der Boden nicht abgeschrieben?

Außerdem wird deutlich, dass nur das als Einkommen und damit maximal nutzbare Gütermenge bezeichnet wird, was über den Erhalt des Sachkapitals hinausgeht. Es soll also sichergestellt werden, dass auch im nächsten Jahr wieder ein entsprechendes Einkommen erzielt werden kann. Man könnte demnach in Anlehnung an das traditionelle Produktionsverfahren in der Forstwirtschaft von einem „Nachhaltigkeitskonzept“ sprechen, das auch der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zugrunde liegt. Allerdings ist kritisch zu fragen, warum nur das Sachkapital als künstlicher, von Menschen geschaffener Produktionsfaktor erhalten werden soll, die Abnutzung des natürlichen Kapitals aber unberücksichtigt bleibt. Abschreibungen des Produktionsfaktors Boden sind jedenfalls – wie schon im Abschnitt 1. 2. 1 erwähnt – nicht vorgesehen. Es wird anscheinend angenommen, dass er unbeschränkt und damit kostenlos zur Verfügung steht. Die kritische Frage lautet daher: Sollte ein ernst zu nehmendes „Nachhaltigkeitskonzept“ nicht auch der Bodennutzung Rechnung tragen? Darüber hinaus: Wird und – wenn ja – wie wird die Abnutzung der menschlichen Arbeitskraft berücksichtigt?

Die konkrete Verfügung über das verfügbare Einkommen (Yv) wird volkswirtschaftlich so interpretiert, dass aus dem Einkommen zunächst der Kauf von Konsumgütern (C) finanziert wird. Der Rest wird als Sparen (S) bezeichnet. In Symbolen ausgedrückt: S = Yv − C

Sparen als Konsumverzicht

Sparen ist also entgegen dem täglichen Sprachgebrauch keine Bestandsgröße (z. B. das Guthaben auf dem Sparbuch zu einem bestimmten Zeitpunkt), sondern gibt als Strömungsgröße an, welcher Teil des verfügbaren Einkommens im Zeitablauf (z. B. im Laufe eines Kalenderjahres) nicht konsumiert wurde.

 

Die aktuellen Werte für die wichtigsten volkswirtschaftlichen Einkommensgrößen in Deutschland können der Übersicht im Abschnitt 1.2.3 entnommen werden.

Situationsbezogene Antwort 4

Das von Installationsmeister Röhrl im Rahmen seiner Güterproduktion geschaffenen Faktoreinkommen bei den Eigentümern der Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital ist seine Nettowertschöpfung. Sie setzt sich aus seinen Personalkosten als Arbeitnehmerentgelte und aus seinem betriebswirtschaftlichen Gewinn als Selbständigeneinkommen zusammen. Beide Einkommen aber sind Teil des Volkseinkommens als Inländereinkommen. Seinen Gewinn kann Installationsmeister Röhrl in seinem privaten Unternehmen als Finanzierungsmittel für Investitionsgüterkäufe (z. B. Anschaffung eines neuen Lieferwagens) belassen (unverteilter Gewinn) oder er kann ihn als Finanzierungsmittel zum Konsumgüterkauf (z. B. Anschaffung einer neuen Wohnzimmereinrichtung) in seinem privaten Haushalt entnehmen (verteilter Gewinn). In beiden Fällen aber hat er eine Einkommensteuer als direkte Steuer zu entrichten, bevor er weiter über das Einkommen verfügen kann.

Der von Installationsmeister Röhrl nicht entnommene und besteuerte Gewinn stellt ein Einkommen seines Unternehmens dar und wird vollständig zum Sparen (z. B. in Gestalt von Bankguthaben oder einer Beteiligung an einem anderen Unternehmen) verwendet, da Unternehmen definitionsgemäß nicht konsumieren. Dagegen erhöht der entnommene Gewinn das Einkommen seines privaten Haushalts, wird nochmals besteuert und steht dann für den Kauf von Konsumgütern zur Verfügung. Verbleibt danach noch ein Einkommensrest, so dient er ebenfalls dem Sparen (z. B. in Gestalt von Bankguthaben oder einer Alterssicherung).

Es darf nicht übersehen werden, dass auch die Personalkosten von Installationsmeister Röhrl aus volkswirtschaftlicher Sicht ein Einkommen entstehen lassen und damit zum Volkseinkommen beitragen, nämlich bei seinen Beschäftigten, über das diese dann nach Entrichtung der Lohn- und Einkommensteuer entsprechend ihren Wünschen verfügen. Auch bei ihnen gilt, dass die nicht zum Konsumgüterkauf verwendeten Einkommen dem Sparen dienen. Und letztlich entstehen auch durch die Steuerzahlungen (direkte und indirekte Steuern) der privaten Haushalte und Unternehmen Einkommen, nämlich im staatlichen Sektor. Sie zählen zwar nicht zum Volkseinkommen, da sie kein Faktoreinkommen sind, werden vom Staat nach Zahlung von Transfers (z. B. in Gestalt von Kindergeld an die Beschäftigten von Installationsmeister Röhrl) aber dann ebenfalls zum Kauf bzw. Eigenverbrauch von Konsumgütern (z. B. in Gestalt der produzierten Bildungsleistungen = Staatskonsum) verwendet. Der Rest stellt wiederum Sparen dar, das auch negativ sein kann, wenn die Konsumausgaben das verfügbare Einkommen überschreiten, eine im staatlichen Sektor keineswegs unrealistische Situation und mit einer Erhöhung der Staatsverschuldung verbunden.

Situationsbezogene Frage 5

Wie hat Installationsmeister Röhrl mit der Ausdehnung seiner Produktion zur volkswirtschaftlichen Vermögensbildung beigetragen?