Die Anerkennung des Verletzbaren

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Der Mensch konnte dennoch als (Eben)Bild Gottes bezeichnet werden, ohne damit gegen das Bilderverbot zu verstoßen.28 Eine Begründung für diese Möglichkeit liegt wohl in der Feststellung, dass (Götzen)Bilder menschengemacht sind, wohin der Mensch als Ebenbild Gottes von Gott selber geschaffen wurde. Darüber hinaus wird man berücksichtigen müssen, dass außerhalb des jüdischen Denkens ein weiterer Bildbegriff vorlag. So sahen Platon und Philo beispielsweise den Kosmos als Ausdruck des göttlichen Schöpfungswerkes. Somit ist wohl von einem Kultbild- und nicht von einem Kunstbildverbot zu sprechen. Das Kultbildverbot betraf die Sorte von Bild, Statue oder Darstellung, die einen gottesdienstlichen Zweck gemäß verehrt werden sollte und somit idolisiert werden konnte.29

Außerdem wird die Bildhaftigkeit des Menschen in jüdischer Perspektive mehrdimensionaler begründet, als durch die Aussage, dass der Mensch Gottes Ebenbild ist, weil Gott ihn geschaffen hat. Wesentlich für das jüdische Verständnis des Menschen als Bild Gottes ist der ihm von Gott verliehene Lebensatem (Gen 2,7). Somit ist der Mensch „der Ort der Selbstvergegenwärtigung Gottes, der Gott nicht manifestiert, sondern frei ist, dass sich Gott an ihm manifestiert“30.

2. DER TEXTBEFUND DES ALTEN TESTAMENT

„Leider bleiben viele aktualisierende Rückverweise auf die Gottebenbildlichkeit hermeneutisch unterkomplex, da sie den sperrigen Bibeltext und dessen kulturellen Kontext kaum befragen […].“31 Aus genau diesem Grund bzw. aus den oben genannten Gründen soll der Textbefund des Alten Testaments zur Gottebenbildlichkeit nun gründlich untersucht bzw. der Forschungsstand dazu ausführlich dargestellt werden, damit die Ergebnisse der exegetischen Forschung einen eigenständigen und kritischen Bezugspunkt für die weiteren systematisch-theologischen Überlegungen und nicht bloß deren Projektionsfläche darstellen, oder die Schöpfungsthematik zur bloßen Rhetorik mit Lückenbüßerfunktion wird, die der reinen Selbstlegitimation dient.32 Dabei ist allerdings auch zu beachten, dass sich die Intention eines (biblischen) Textes weder in der feststellbaren Absicht des Verfassers, noch im Buchstaben der Schrift selbst erschöpft. „Das Sinnpotential eines Wortes und seines sprachlichen Zusammenhangs reicht über die einmalige geschichtliche Situation hinaus, auch wenn sich die Bindung daran als unaufgebbar erweist.“33

Die Spitzenaussage von der Gottebenbildlichkeit des Menschen findet sich in mehreren biblischen Textstellen (Gen 1,26ff.; Gen 5,1; Gen 9,6; Ez 28,12; Ps 8; Jes Sir 17,3; Röm 5,14.), wobei sie im Alten Testament erst spät, d. h. frühnachexilisch und dann auch nur in der Priesterschrift (P) (Gen 1,26.27; 5,1; 9,6; mit einem indirekten Reflex in Ps 8,5ff.)34 begegnet: „Und Elohim sagte: Lasst uns Menschen machen als (b=) unser Bild/unsere Statue (zaelaem), etwa als (k=) unsere Gestalt (demut).“ Dabei stellt sie ein isoliertes Theologumenon dar, das auf ein einziges Werk innerhalb der Schöpfung bezogen wird und dennoch an herausragender Stelle steht: verwandt wird es bei der Erschaffung des Menschen und bei der Einsetzung der nachsintflutlichen Lebensordnung. Es charakterisiert somit Konstitution, Würde, Aufgabe aller Menschen.35 Darüber hinaus wird diese Aussage von der Konstitution, Würde, Aufgabe aller Menschen in keiner Aussage über die Patriarchen oder über Israel weiterentwickelt oder auch nur aufgenommen.36

Für die Binnenstruktur von P ist beachtenswert, dass P in drei Epochen untergliedert ist, weil hieraus auf den intendierten Geltungsradius der Gottebenbildlichkeit des Menschen rückgeschlossen werden kann. P gliedert sich in drei Erzählteile: die Menschheits-, Patriarchen- und Volksgeschichte, die ein jeweils eigenes theologisches Profil aufweisen. Von der Gottebenbildlichkeit spricht P nur in der Epoche der Gesamtmenschheit, d. h. es wird eine Aussage für die Menschheit der Schöpfungsordnung (Gen 1-5) und für die nachsintflutliche Menschheit (Gen 9) getroffen.37

Anders als die Schöpfungserzählungen der Genesis, wird der Zweck der menschlichen Existenz in anderen Schöpfungserzählungen des Alten Orients38 darin gesehen, dass der Mensch die Götter entlasten bzw. ersetzen, den Ausbruch eines Klassenkampfes am Götterhimmel verhindern, zumindest aber deren Langeweile vertreiben soll. Arbeit wird in diesen Texten immer als eine Form des Frondienstes an den Göttern verstanden. Somit sind diese Schöpfungsgeschichten in ihrem Kern theozentrisch, da die geschaffenen Menschen in einer unverrückbaren Abhängigkeit und Unterordnung gegenüber den Göttern stehen. Sie sind nicht um ihrer selbst willen geschaffen. Andererseits geben die Götter einen Teil von sich, von ihrem Wesen an die Menschheit, indem sie beispielsweise einen der ihren schlachten. Damit ergibt sich die Gottebenbildlichkeit als „das nötige Korrelat zur Zweckbestimmung des Menschen, denn sie müssen von den Göttern angesprochen werden können“39. Die Schaffung eines Doppelgängers ist aber dennoch eine Weise der Selbstentäußerung und -hingabe. „Die Götter verzichten auf ihre Einmaligkeit.“40

Als weiteres, inhaltliches Element taucht in den altorientalischen Schöpfungserzählungen, die zum Vergleich herangezogen werden können, die Idee auf, dass der Menschenschöpfung von Beginn an ein Element des Bösen beigemischt war. Auch hier widerspricht der Schöpfungsbericht in Gen 2-3 diesen Auffassungen: die menschlichen Wesen sind eben nicht von Anfang an dem Bösen oder dem Tod unterworfen. Sünde und Sterblichkeit gehören erst zur korrumpierten Schöpfungsordnung. Sie sind von Gott weder geschaffen noch gewollt, sondern brechen als Mächte des vorweltlichen Chaos dort ein, wo ihnen keine lebensfreundliche Ordnung entgegengesetzt wird.41

Darüber hinaus bietet Gen 1,1-2,4a wie viele Texte in seiner Umwelt ein kosmologisch verortetes Bild der Schöpfung. „Sind Liebe, Krankheit, Tod, besonders aber die Geburt Gelegenheiten, darüber nachzudenken, was ein Mensch ist, so sind Sonnenaufgang, die Erfahrung der warmen Frühlingssonne oder der Sonne am Meer geeignet, die Welt als Ganzes, ihr Entstehen (Kosmogonie) und ihre wunderbare Erhaltung in den Blick zu bekommen.“42 Solche kosmozentrischen Schöpfungstexte finden sich mehrfach in altorientalischen Überlieferungen, so im sumerischen Dilmun-Mythos43, in ägyptische Hymnen auf den Sonnen- und Schöpfergott Amun-Re. Dabei handelt es sich vor allem bei den ägyptischen Texten nicht um Einzelbeispiele, sondern um eine reiche und vielfältige Tradition.44 Der priesterschriftliche Schöpfungsbericht in Gen 1,1-2,4a ist sicherlich der bekannteste biblische Text, der den Kosmos mit seinem ganzen Reichtum thematisiert und auf einen Gott bezieht. Diese zentrale Stellung verdankt er nicht nur seiner Position am Anfang des Alten Testaments, sondern auch der gelungenen Kompilation verschiedener biblischer Schöpfungstraditionen. Es ist den Autoren dabei gelungen, die verschiedenen Traditionen und Motive - u. a. auch die anthropozentrische Tradition - in ein kohärentes System einzubringen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Unterschrift „Dies sind die Zeugungen (toledot) des Himmels und der Erde, als sie geschaffen wurden.“ Sie zeigt an, dass P im Zeugen und Gebären das grundlegende Lebensprinzip erkannte, auf dem alles Leben basiert.45

Die Perikope beginnt mit einer Vorweltschilderung in Gen 1,1-2. Das ab dem 2. Jh. n. Chr. entstandene hochphilosophische Konstrukt der creatio ex nihilo ist aus der hebräischen Bibel allerdings nicht ableitbar.46 Es wurde aus der seit Aristoteles aufgekommenen Ontologisierung des Denkens heraus entwickelt und führt das Verständnis von Gen 1 in die Irre – insbesondere auch in Bezug auf die Gottebenbildlichkeit.

Wenn man versucht, text- und kontextbezogen Kriterien für die Deutung und inhaltliche Füllung der Gottebenbildlichkeit aus Gen 1,26-31 zu gewinnen, sind folgende Aspekte zu berücksichtigen: innerhalb des priesterschriftlichen Schöpfungsberichtes schildern V 26-31 die Erschaffung des Menschen als Mann und Frau (V 26-28), sowie die Nahrungszuweisung an Mensch und Tier (V 29f., mit abschließender Billigungs- und Tageformel). Das gesamte Schöpfungswerk ist in eine Sieben-Tage-Struktur gefasst, wobei die Tage 1 bis 4 mit ihrem Bericht über die Schaffung der Lebensbereiche von den Tagen 5 bis 6 mit dem Bericht über die Erschaffung der Lebewesen abgesetzt sind. Dieser Kontext ist für das Verständnis der Ebenbildlichkeitsaussage von großer Bedeutung.47

Die Aussage von der Gottebenbildlichkeit des Menschen findet sich nur in Gen 1 und in zwei weiteren Referenzstellen innerhalb der Urgeschichte (Gen 5,1.3; 9,6). Mit Ausnahme von Ps 8 begegnet eine solche Aussage an keiner weiteren Stelle des alttestamentlichen Kanons. Weiterhin wird biblisch häufiger auf Ez 28,12 Bezug genommen, wo die Gottähnlichkeit gemein vorderasiatischer Tradition folgend auf die Person eines Königs, nicht aber auf die Gattung Mensch überhaupt bezogen ist.48 Trotzdem handelt es sich hierbei nicht um eine bloße Randnotiz, „sondern um die Grundproklamation des Menschen in einer für den Pentateuch gewichtigen theologischen Schicht“49. Um der Quellenlage gerecht zu werden empfiehlt es sich die (inhaltliche und funktionale) Bestimmung der Imago Dei zunächst auf den Kontext der Urgeschichte zu begrenzen und sie dann mit weiteren alttestamentlichen Aussagen über den Menschen in Beziehung zu setzen. Hier werden nun zunächst die Übersetzungen der entsprechenden Textstellen aufgeführt.50

Gen 1


26aUnd Elohim sagte:
bWir wollen/Lasst uns Menschen machen als unser Bild/Abbild, unsere Statue, (das/die) wie etwas Ähnliches zu uns (ist).
cDamit/sodass sie herrschen/ausüben über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über das Vieh und über alles wilde Getier der Erdeund über alle Kriechtiere, die auf der Erde kriechen


27aUnd Elohim schuf den Menschen als sein Bild,
bals Bild/Statue Elohims schuf er ihn.
cAls Mann und Frau schuf er sie.


28aUnd Elohim segnete sie,
bund Elohim sagte zu ihnen:
cSeid fruchtbar
dund werdet zahlreich
eund füllt die Erde
fund unterwerft sie/betretet sie/nehmt sie in Anspruch/tut an ihr
gund herrscht/übt aus über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über alles Getier, das auf der Erde kriecht.


29aUnd Elohim sagte:
bSiehe, hiermit gebe ich euch alles Samen spendende Kraut, das auf der Oberfläche der ganzen Erde ist,
cund alle Bäume, an denen Samen spendende Baumfrüchte sind:
deuch soll es zur Nahrung dienen.


30aUnd allem Getier der Erde
bund allen Vögeln des Himmels
cund allem, was auf der Erde kriecht, was Lebendigkeit in sich hat, (gebe ich) alles Blattwerk des Krautes zur Nahrung.
dUnd so geschah es.


31aUnd Elohim sah alles, was er gemacht hatte:
bund siehe: es war sehr gut.
cUnd es wurde Abend und es wurde Morgen: der sechste Tag.

Gen 2

 

4aDies sind die Zeugungen (Toledot) des Himmels und der Erde, als sie geschaffen wurden.

Gen 5


1Das ist die Liste der Geschlechterfolge nach Adam:Am Tag, als Elohim Menschen schuf, machte er ihn als Bild/Statue Elohims.


3aUnd Adam war 130 Jahre alt,
bda zeugte er einen Sohn als seine Gestalt, etwa als sein Bild/seine Statue,
cund rief seinen Namen Set.

Gen 9


6aWer das Blut des Menschen vergießt – durch den Menschen soll sein Blut vergossen werden,
bdenn als Bild/Statue Elohims hat er den Menschen gemacht.

2.1 Gen 1,26.27

Der Schlüsselsatz zur Erschaffung des Menschen, beginnend mit einem reflexivpluralischen Kohortativ (Wir wollen / Lasst uns machen…), verwendet die beiden suffigierten Substantive zaelaem und demut und außerdem die beiden Präpositionalbestimmungen b= (als) und k= (wie), mit denen die Ebenbildlichkeitsaussage formuliert wird. Darüber hinaus enthält er eine finale Fortsetzung (damit sie herrschen…), die den Menschen mit der Herrschaft über die Tiere, dem dominium animalium beauftragt.51

2.1.1 Die beiden Substantive zaelaem (צלם) und demut (דמות)

Zum Ausdruck der Vorstellung der Gottebenbildlichkeit Gen 1,26 werden im Hebräischen zwei Substantive verwandt: zaelaem (צלם) und demut (דמות). Zaelaem bedeutet „Bild“, „Figur“ oder „Statue“, wobei exegetisch umstritten ist, ob man von der Grundbedeutung „Statue“ oder „Bild“ ausgehen soll.52 Eine nähere Erläuterung im Text wird nicht angegeben, weswegen einige Exegeten davon ausgehen, dass die Bedeutung offensichtlich bekannt war.53 Andererseits wird das hebräische zaelaem in einem weiten Bedeutungsspektrum verwandt. Es kann auf eine materielle, plastische oder reliefartige Abbildung von Gottheiten (2 Kön 11,18; Num 33,52; Ez 7,10), Gestirnen (Am 5,26) oder auch Menschen (Ez 16,17; 23,14) verweisen.54

2.1.1.1 zaelaem | צלם

Der Begriff zaelaem begegnet im AT 17-mal (Gen fünfmal, 1 Sam und Ez je dreimal, Ps zweimal, je einmal Num 33,52; 2 Kön 11,18 = 2 Chr 23, 17; Am 5,26). Dazu kommen 17 biblisch-aramäische Belege in Dan 2,31f.34f.; 3,1-19. Es ist auf eine im Hebräischen nicht belegte Wurzel ṣlm zurückzuführen, welche im Jüdisch-Aramäischen, im Palmyrischen und im Syrischen in der Bedeutung „mit Bildwerk versehen“ vorkommt, im Arabischen als ṣalama „abhauen, behauen, schneiden, schnitzen“. Mit dem hebräischen zaelaem verwandte Substantive finden sich im Ugaritischen, im Phönizischen und darüber hinaus im Mittelhebräischen in der Bedeutung „Ebenbild, Statue, Götzenbild“. Ein ähnliches Bedeutungsspektrum findet sich auch für das akkadische Wort ṣalmu („Statue, Relief, Zeichnung, Sternbild, Kultfigur, Körperbild“).55

Sprachgeschichtlich weist der Begriff also auf den mesopotamischen Kulturkreis hin, wo er Skulpturen, Statuen oder Reliefs, näherhin Götterstatuen, eine Königsstatue, Beterstatuetten, Statuen von Dämonen, Hexen, Kranken, ein Relief und Flachbild, im übertragenen Sinn ein Sternbild, die Gestalt, das Abbild und Inbild bezeichnet, vor allem aber auf eine Repräsentationsfunktion abhebt.56 Aus diesem Zusammenhang erklärt sich auch, dass eine Statue Gottes nicht nur Vertretung dieses Gottes, sondern der lebendige Gott selber ist, weswegen beim Herstellen und Konsekrieren der Statue besondere Riten wie z. B. die Mundöffnung beachtet wurden.57 Wie in Mesopotamien haben sich auch die ägyptischen Könige vom 9.-7. Jh. v. Chr. als Bild eines Gottes bezeichnet,58 wobei das gedankliche Konstrukt der Ebenbildlichkeit hier deutlich von der Vorstellung eines darstellenden Bildwerks her entwickelt und dann abstrahiert wurde. Die Kultstatue eines Pharaos oder Gottes galt nach der Durchführung des Rituals der Mundöffnung und des Anbringens des Namens als Aufenthaltsort einer verborgenen Kraft, des Ka.59

Die ältesten Belege für zaelaem finden sich im Alten Testament innerhalb der Ladeerzählung (1 Sam 6,5.11).60 Weiter taucht der Begriff häufig in Zusammenhang mit Bilderkritik auf, so in:61

- Num 33,52 mit der Forderung alle „gegossenen Bilder“ (zalme massekot) zu vernichten. Es handelt sich also um Gussbilder von Göttern. Die Grundbedeutung der Verbalwurzel slm ist also vermutlich nicht mehr empfunden worden.

- Ez 7,20: den Judäern wird vorgeworfen, dass sie „Bilder ihrer Scheusale“ (zalme to abotam) hergestellt haben.

- Ez 16,17: Vorwurf gegen Jerusalem, dass es „männliche Figuren“ (zalme zakar) gemacht habe. Manche Ausleger denken in diesem Zusammenhang an phallische Darstellungen.62

- Schwierigkeiten ergeben sich beim Verständnis von Ps 39,7; 73,20. Es wurde vorgeschlagen an beiden Stellen die Wurzel slm (schwarz werden, dunkel sein) anzunehmen und zaelaem als „Schattenbild, vergänglicher Schatten“ zu verstehen. Diese Deutung ist allerdings nicht gesichert.63

Im aramäischen AT begegnet das Nomen ṣelem in Dan 2,31.32.34.25, wo es die Statue in der Vision Nebukadnezars bezeichnet. In 1 Sam 6,5.11 sind ṣelāmı̄m Abbilder der Beulen und Mäuse, die das Philisterland verheeren und deren natürlichem Aussehen ähnlich. Man schickt Beulen und Mäuse mit der unheilbringenden Lade aus dem Land fort. Dabei ist ein magisches Bildverständnis sehr deutlich. zaelaem ist also mehr als ein Abbild nach unserem Verständnis, da in ihm das abgebildete selbst präsent ist. Wo also von einem zaelaem gesprochen wird muss mit einem Fortleben von Resten dieser magischen Vorstellung gerechnet werden.64 Die beiden Psalmstellen 39,7 und 73,20 stehen für sich. Hier dient zaelaem dazu die Nichtigkeit des Menschen zu beschreiben, eine Bedeutung die am Ende einer längeren Entwicklung vom Abbild zur Wesenlosigkeit einer Person wurde. Hier ist zaelaem weit von seiner ursprünglichen Bedeutung entfernt, was auf die beachtenswerte Flexibilität des Begriffs hinweist.65

Zaelaem ist also vor allem in der exilisch-nachexilischen Zeit belegt66, bezeichnet eine plastische Nachbildung und kann als terminus technicus für Kult- oder Götterbilder angesehen werden.67 Zaelaem bezeichnet darüber hinaus in einigen Fällen weniger das Moment der genauen Reproduktion einer dargestellten Wirklichkeit, als vielmehr die machtvolle Repräsentanz des Dargestellten.68 Betrachtet man diese Tatsache in Kombination mit der engen Verbindung der Ebenbildlichkeitsaussage mit dem Herrschaftsauftrag wird klar, dass der Fokus der Ebenbildlichkeit auf die Funktionalität und nicht auf die Behauptung einer äußeren/physischen oder gar inneren/metaphysischen Ähnlichkeit gelegt werden kann.69 Da in dem zaelaem genannten Kunst- oder Bildwerk das Abgebildete wirkmächtig präsent ist, lässt sich das Wort am besten mit „Repräsentative Darstellung“ oder „Repräsentationsbild“ wiedergeben, was somit auch für die Ebenbildlichkeitsaussagen in Gen 1,26.27 anzunehmen ist.70

In der Urgeschichte der Priesterschrift finden sich darüber hinaus die theologisch bedeutsamsten Belege von zaelaem. Nach den vorangegangenen Überlegungen wird deutlich, dass die Gottesbildlichkeit sprachlich weder einseitig auf eine Geistseele des Menschen, welche die alttestamentliche Anthropologie im Übrigen nicht kennt, noch auf eine leibliche Ähnlichkeit bezogen werden kann. Die Vorstellung kann vom semantischen Standpunkt aus nur den ganzen Menschen meinen, nicht einen Teil oder eine Eigenschaft an ihm.71 Berücksichtigt werden muss in diesem Zusammenhang, dass eine Deutung der Vorstellung von der Gottebenbildlichkeit des Menschen sowohl Gen 1,26f. als auch Gen 5,3; 9,6 gerecht werden muss, da das Lexem zaelaem auch hier vorkommt.

2.1.1.2 demut | דמות

Die Bedeutung der explikativen Apposition demut ist ebenfalls umstritten, wird aber meistens als vollsemantisches Lexem aufgefasst. Demut stellt ein Verbalabstraktum von dmh (דמה) dar72, dessen Bedeutung von „Abbildung“ und „Nachbildung“ über „Gestalt“ bis hin zur abschwächenden „Ähnlichkeit“ reicht. Die Schwierigkeit der Interpretation beginnt schon damit, dass der Verbalstamm dmh nicht klar von demut abgrenzbar ist. So ist die Zuordnung der Textstellen 2 Sam 21,5; Jer 6,2; Ez 32,2; Ps 49,13.21 umstritten. Lediglich 2 Sam 21,5 kann dmh zugerechnet werden, weswegen die insgesamt 27 hebräischen und zwei aramäischen Belegstellen einzeln zu untersuchen sind. In 13 Fällen kommt dmh im Qal vor und ist intransitiv als „gleichen, aussehen wie“73 zu übersetzen (Jes 1,9; 46,5; Ez 31,2.8 (2mal).18; Ps 89,7; 102,7; 144,4; HL 2,9.17; 7,8; 8,14; weiter zwei aramäische Belege aus aramäischen Stücken von Dan: 3,25; 7,5). Die LXX gibt das Qal als homoioun (ὁμοιοῦν, gleich machen, ähnlich machen) (9mal) und seltener als homoios (ὅμοιος, gleich, ähnlich) bzw. homoios einai (ὅμοιος εἶναι, gleich sein, ähnlich sein) wieder. 14 Belege finden sich im Pi’el (Num 33,56; Ri 20,5; 2 Sam 21,5; Jes 10,7; 14,24; 40,18.25; 46,5; Ps 48,10; 50,21; HL 1,9; Kl 2,13; Esth 4,13; Hos 12,11), deren Bedeutung als „deklarativ-ästimativ“74 anzusehen ist, d. h. sie erklären etwas als in einem Zustand befindlich bzw. halten etwas für in einem Zustand befindlich und sind somit als „gleichstellen, für angemessen halten“, „planen“ und „sich einbilden“ wiederzugeben.75 Hierfür, d. h. für die Pi’el-Formen setzt die LXX vorwiegend homoioun (5mal), aber auch eipein (εἰπεῖν) (Esth 4,13; Jes 14,24), hypolambanein (ὑπολαμβάνειν) (Ps 48,10; 50,21), diaginoskein (διαγινὡσκειν), enthymeisthai (ἐνθυμεῖσθαι), ethelein (ἐθέλειν), paralogizesthai (παραλογίζεσθαι), exolethreusai (ἐξολεθρεῦσαι). Ein Beleg im Hitpa’el (Jes 14,14) hat die Bedeutung „sich gleich machen, sich gleich stellen“76 und wird in der LXX als homoios einai (ὅμοιος εἶναι) übersetzt. Die Belege im Nif’al (Ez 32,2; Ps 49,13.21) gehören zum Verbstamm dmh und können mit „gleichwerden“ übersetzt werden.77 Das Verb findet sich darüber hinaus in den Sprachen alttestamentlicher Umwelt nur im Aramäischen (Qal / Dan 3,25; 7,5). Deswegen hat die These, dass es sich bei demut um ein aramäisches Lehnwort handelt, einiges für sich, da sich das Wort ebenfalls in aramäischen Dialekten findet, ebenso im Mittelhebräischen, innerhalb des AT jedoch überwiegend in exilisch-nachexilischen Texten, insbesondere priesterlicher Prägung, vorkommt.78

 

Zu seinem Wortfeld gehören im AT die Verben msl (משל, herrschen), ˈmm (עמם, verbinden, gleichkommen), ˈrk (ערך, ordnen, hineinkneten), swh (, gleich) und die Vergleichsformulierung mit der Präposition k=.79 dmh liegt darüber hinaus in verschiedenen profanen Gebrauchsformen vor, so z. B. in Textstellen wie Hl 1,9-11; 7,7-11 die auch als Bewunderungs- bzw. Beschreibungslieder bezeichnet werden und sich darüber hinaus ebenfalls in der Lyrik anderer antiker Völker wie Ägypten finden. In diesen Liedern finden sich Vergleiche außerdem häufig mit der Präposition k=.80

Seinen inhaltlichen Höhepunkt findet der Gebrauch von dmh in den Unvergleichlichkeitsaussagen über JHWH im AT, so in Ps 89. In Aussagen über die Unvergleichlichkeit JHWHs verwendet auch DtJes das Verb dmh (4mal) sowie das Nomen demut. Es geht also darum die Einzigartigkeit JHWHs positiv abgrenzend gegenüber den Götzen zu entfalten. „So macht das Verbum damah (wie auch das Nomen demût) gut die Polarität des Gottesverhältnisses Israels deutlich, indem es den Abstand wie die Verbundenheit zwischen JHWH und seiner Welt wie seinen Menschen, seine Unvergleichlichkeit wie seine Solidarität bezeugt. Seine schwerpunktmäßige Verwendung in exilischen Texten lässt vermuten, dass die Frage, ob JHWH jemand oder etwas gleich sein könne, ein Spezifikum des Exils war.“81

Das vom Verb dmh abgeleitete Verbalabstraktum demut findet sich im AT 25mal (Gen 1,26; 5,1.3; 2 Kön 16,10; Jes 40,18, Ez 1,5 [2mal].10.16.22.26 [3mal].28; 8,2; 10,1.10.21.22; 23,15; Ps 58,5; Dan 10,16; 2 Chr 4,3). Die LXX gibt es meits (14mal) durch homoioma (ὁμοίωμα, Bild, Gestalt) wieder, 5mal durch homoiosis (ὁμοίωσις), je einmal durch eikon (εἰκών) (Gen 5,1), idea (ἰδέα) (Gen 5,3), homoios (öµoιoç) (Jes13,4), während in der Vulgata similitudo (19mal) überwiegt. Demut findet sich mit der Präposition b= in Gen 5,1.3, mit k= in Gen 1,26; Ps 58,5 und Dan 10,16.82

Der vermutlich älteste Beleg für demut findet sich in 2 Kön 16,10 und zeigt sich hier noch in relativ konkreter Verwendung für „Abbildung“ oder „Nachbildung“, während er sich im exilisch-nachexilischen Gebrauch immer mehr zu einer Bedeutung wie „Gestalt, Aussehen, etwas (Ähnliches) wie“ wandelt.83 Von besonderem Interesse für die Interpretation von demut ist neben der Häufung der Belege in Ez und in den Ez in Nacharbeit zugefügten Texten das Vorkommen in der priesterschriftlichen Urgeschichte. Dabei bezieht sich die Strittigkeit in der Übersetzung und Interpretation von demut vor allem auf das Verhältnis von zaelaem und demut. Demut steht hier zusammen mit zaelaem, in Gen 1,26 diesem nach-, und in Gen 5,3 vorangestellt. „Schon diese Verschränkung und Substitution legt eine zu starke Differenzierung zwischen beiden Begriffen nicht sehr nahe.“84 In Gen 1,26 stehen die Begriffe darüber hinaus mit den Präpositionen b= (mit zaelaem) und k= (mit demut), in Gen 5,1 und 5,3 dagegen steht demut mit b= (in 5,3 zaelaem mit k=). Auch diese Kreuzverbindung spricht gegen eine starke Differenzierung zwischen den beiden Begriffen. „Das Nacheinander beider Wörter in Gen 1,26 legt es zunächst vielmehr nahe, an eine durch Kumulierung analoger Begriffe gesteigerte Würdeaussage über den Menschen zu denken.“85 In theologischen Zusammenhängen stehen dmh / demut im Dienste hymnischer Aussagen über JHWHs Unvergleichlichkeit (Ps 89,7; Jes 40,18; 40,25; 46,5). „Der Kontext zeigt jeweils, dass Jahwes Unvergleichlichkeit gegenüber den depotenzierten Göttern gemeint ist, sein Anspruch auf Einzigartigkeit […].“86

2.1.1.3 Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass bezalmenu die Leitformulierung der beiden asyndetisch aufeinander folgenden Bildaussagen in Gen 1,26a darstellt, zu der kidemutenu als desemantisiertes Präpositionalattribut oder als vollsemantisches Lexem hinzutritt. Bemerkenswert ist, dass zaelaem und demut nur hier nebeneinanderstehen. Die Frage ist, wenn man keine Synonymie annimmt, ob kidemutenu verstärkend „als unsere Statue, und sogar etwa als unsere Gestalt“, oder abschwächend „als unsere Statue, aber nur etwa als unsere Gestalt“ zu verstehen ist.87 Groß ist diesbezüglich der Auffassung, dass, da das Hebräische keine Abstufung der Gleichheit ausdrücken kann, kidemutenu weder eine Abschwächung noch eine Verstärkung bezeichnet, sondern dass beide Begriffe als Synonyma fungieren.88 Auch Wildberger geht davon aus, dass bezalmenu durch kidemutenu bis zu einem gewissen Grad interpretiert wird, die Bedeutungen der beiden Vokabeln aber nicht weit auseinander liegen. Auf keinen Fall sind zaelaem und demut inhaltlich so verschiedene Aussagen, dass sie eine so unterschiedliche Übersetzung wie imago und similitudo zuließen. Ebenso darf man in demut kaum eine Abschwächung „der als allzu kühn empfundenen Aussage, dass der Mensch Gottes Bild sei, sehen“89. Schellenberg geht zwar nicht von einer Synonymität der beiden Begriffe aus, aber davon, dass ihre Verwendung nicht zwei verschiedene Bildrelationen des Menschen voneinander unterscheiden, sondern eine einzige, möglichst präzise umrissene Bildrelation beschreiben soll.90

Dohmen schlägt in diesem Zusammenhang außerdem vor, zaelaem als einen relationalen, auf Gott verweisenden Aspekt (der Mensch vertritt Gott in einem bestimmten Rahmen in der Welt) und demut als einen qualifizierenden, Gott wiedergebenden Aspekt (der Mensch erhält zur Ausübung dieser Funktion quasi göttliche Qualitäten) zu interpretieren.91 Darüber hinaus interpretieren einige Autoren das Vorkommen von zwei Begriffen für ein und dieselbe Aussage in der Weise, dass demut eine Ergänzung darstellt, die eine innere Wesensähnlichkeit zwischen Menschheit und Gottheit behauptet, die nicht nur auf die Fähigkeit zur stellvertretenden Ausübung von Herrschaft über andere Geschöpfe zielt, sondern auch den Gedanken an eine kommunikative Relation zum abgebildeten Gott einschließt.92 Gegen beide Ansätze spricht aber die Tatsache, dass sowohl die verwandten Präpositionen, als auch die Begriffe selber austauschbar sind (Gen 1,26.27 und Gen 5,3a), was auf semantisch synonyme Verwendung und Austauschbarkeit schließen lässt.93

Einigkeit besteht in der exegetischen Forschung insoweit, als man beide Ausdrücke weder speziell auf die geistige Natur noch auf die körperliche Gestalt des Menschen beziehen kann, da sich beides nach alttestamentlichem Verständnis nicht trennen lässt. Es ist der ganze Mensch gemeint.94 Jenni findet eine gute Lösung, die alle Aspekte vereint: er schließt aus der Tatsache, dass demut „ein abstraktes Begriffswort für Gleichheit/Ähnlichkeit/Entsprechung ist, das genau die Relation zwischen zwei Größen meint, die sonst mit der Präposition k= ausgedrückt wird“, die Wortgruppe kidemutenu sei ein Pleonasmus für „etwa wie“ oder „Ähnlichkeit zu“. Er bestimmt sie nicht als Satzteil, sondern als Präpositionalattribut, d. h. als Teil einer Wortgruppe und übersetzt „als unser Abbild, (das) wie etwas Ähnliches zu uns (ist).“95 Damit werden alle Probleme gelöst und speziell die asyndetische Folge beider Präpositionalgruppen motiviert.96

Dies bedeutet, dass während zaelaem den funktionalen Aspekt der Gottebenbildlichkeit im Sinn des Repräsentationsgedankens betont, die um k= erweiterte demut-Aussage – um eine Identität von Bild (Mensch) und Abgebildetem (Gott) zu vermeiden – diesen „im Sinn einer Entsprechung des Menschen zu Gott, nicht aber im Sinn einer theomorphen Qualität des gottebenbildlichen Menschen präzisiert. Beide Bestimmungen, diejenige der Repräsentanz und diejenige der Entsprechung, bringen das exklusive Verhältnis des Geschöpfs zu seinem Schöpfer (Gottbezug) zum Ausdruck, das dann durch den doppelten Herrschaftsauftrag (Weltbezug) expliziert und konkretisiert wird.“97

2.1.2 Die Präpositionen: beth normae oder beth essentiae?

Als weitere Schwierigkeit erweist sich die Übersetzung der mit den Substantiven verbundenen Präpositionen b= und k=, da sich hieraus eine gravierende Bedeutungsverschiebung ergeben kann. Sollte Gen 1,26 übersetzt werden als „Wir wollen Menschen machen als unser Abbild […]“ oder „Wir wollen Menschen machen nach unserem Abbild […]“? Ist der Mensch nach alttestamentlichem Verständnis also selbst dieses Bild, oder war das Bild Vorlage bzw. Norm bei der Erschaffung des Menschen?

2.1.2.1 Die Präposition b= | ב

Zum Textbefund bzgl. der Präposition b= kann festgehalten werden, dass P sie vorherrschend alleine setzt (Gen 1,27ab; 9,6b).98 Zweimal stellt P eine Wortgruppe mit der Präposition k= (etwa als) in explikativer Asyndese an ergänzender Stelle hinzu (Gen 1,26b; 5,3b). Außerdem ist die Präposition b= vorwiegend mit zaelaem (Bild) verbunden, steht aber auch beim zweiten Lexem demut (Gestalt; vgl. Gen 5,1).

Darüber hinaus muss eingewandt werden, dass sich der sprachliche Befund bzgl. der Übersetzung der Präposition b= vielschichtig darstellt und sich mit dem jetzigen Erhebungsstand keine eindeutige Aussage zum Bedeutungsspektrum der Präposition getroffen werden kann.99 Für die Übersetzung „als unser Bild“ sprechen aber traditionsgeschichtliche, sprachliche und sachliche Gründe. Traditionsgeschichtlich kann festgehalten werden, dass in allen ägyptischen und neuassyrischen Wendungen, die den Menschen Bild eines Gottes nennen, dieser Mensch nicht nach dem Bild dieses Gottes gemacht, sondern das Bild dieses Gottes selbst ist. Aus sprachlicher Perspektive lässt sich feststellen, dass Präpositionalverbindungen mit b= die Formen und Eigenschaften ausdrückt, in welcher eine Person oder Sache in Erscheinung tritt und somit das Subjekt oder Objekt eines Satzes näher expliziert, weswegen es als beth essentiae bezeichnet wird. „Gen 1,26.27 besagen dann, dass Gott den Menschen mit der Eigenschaft, sein Bild zu sein, machen will bzw. erschaffen hat.“100 Ein weiterer, sachlicher Grund findet sich in Gen 5,3: Set ist hier als Sohn das Bild Adams.

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