Luca - Zwischen Nichts und Allem

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Luca - Zwischen Nichts und Allem
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Kadri Leander Wright, Billy Remie

Luca - Zwischen Nichts und Allem

Erotik- Gay- Roman

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

1 – desire me

2 – let me in

3 – call me Master

4 – love me

Nachwort

Impressum neobooks

Vorwort

Auch wenn es nervt, hier ein kleines Vorwort, damit es nicht zu Missverständnissen kommt.

„Luca“ ist ein etwas ausgefallenerer pikanter Erotik-Roman im Bereich Gay und spielt im Kopf eines unverblümten jungen Mannes.

Da ich aus Sicht eines Teenagers schreibe und es authentisch halten wollte, wirkt die Sprache manchmal vielleicht sehr modern und derb.

Es wird ausgeschmückte Erotikszenen geben, in denen teilweise softer BDSM vorkommt, allerdings handelt es sich hierbei keineswegs um ein ausgefallenes, intensives SM-Erlebnis (Ich muss das hier betonen, um Enttäuschungen vorzubeugen.) Den Leser erwarten ein paar pikante Spielchen – manche Szenen mögen hingegen recht ungewöhnlich erscheinen. Wie immer ist es reine Geschmackssache, wie die Szenen auf den Leser wirken.

Schlussendlich gibt es nur eines zu sagen: Nehmt es nicht zu ernst, habt einfach Spaß (hoffentlich).

Auch hier gilt: Alle Personen, Orte und Ereignisse sind rein fiktiv!

Altersempfehlung ab 18!

Und jetzt viel Spaß beim Lesen.

1 – desire me

»Hinsetzen!«, bellte es von der Tür her.

Nicht laut, nicht aggressiv, jedoch dunkel und auf eine Art selbstischer, wie es nur von einem Mann kommen konnte, dem die natürliche Fähigkeit angeboren war, Befehle zu erteilen.

Augenblicklich plätscherte mir ein dunkler Schauder über den Rücken, während ich dieses eine Wort geradezu in mir aufsaugte.

Um mich herum ging eine Welle durch meine Klassenkameraden, als sie sich augenblicklich zu ihren Plätzen begaben. Ich leckte mir derweil noch fahrig über die Lippen und versuchte, meine Fantasien unter Kontrolle zu halten.

»Klappe!«, gab Mr. Olsson noch hinterher, als vereinzelte Tratschtanten in den hinteren Reihen glaubten, ihr geflüstertes Geschnatter wäre nicht zu hören.

Und ja, ich weiß, dass wir im deutschsprachigen Raum unsere Lehrer mit einem formellen »Herr« ansprechen. Und nicht mit Mr.

Aber ich persönlich habe den Eindruck, dass sich das, wie vieles andere in unserer Sprache ebenfalls, gelinde gesagt ziemlich beschissen anhört.

Probieren wir es aus: Herr Olsson.

Seht ihr, klingt scheiße.

Also bin ich vor langem dazu übergegangen, meine Lehrer mit Mr, Mrs. und Miss anzusprechen. Die meisten von ihnen fanden es sogar ziemlich amüsant. Mrs. Müller sagte über mich, ich wäre ja so reizend, und kniff mir dabei stets großmütterlich in die schmalen Wangen.

Wenn ich es darauf anlegte, konnte ich meine Lehrer ganz gut um den Finger wickeln. Jedoch zu meinem Verdruss nicht gänzlich alle, und leider besserte meine manchmal charmante, selbstischere Art meine Noten auch nicht auf.

Mr. Olsson gehörte zu jenen Leuten, die für meine alberne Art immer nur einen etwas längeren eindringlichen aber stummen Blick übrig hatten, ehe er mich einfach ignorierte.

Der Mann konnte mich nicht ausstehen, seit wir uns das erste Mal draußen im Flur begegnet waren. Ich konnte mir nicht erklären, warum. Auch wenn ich ein typisch aufmüpfiger Teenager war, hatte ich doch bisher noch nicht das Vergnügen mit ihm gehabt, außerdem vermied ich ernsthafte Auseinandersetzungen mit den Lehrern, da meine schlechten Noten bereits genug Ärger bei mir zu Hause bedeuteten. Aber kaum, dass er in meine Richtung sah, spießten mich seine scharfen Blicke aus seinen Adleraugen auf, wenn ich es auch nur wagte, die Hand im Unterricht zu heben.

Schließlich war er dann gezwungen, mich zu beachten. Wie konnte ich es auch nur wagen?

Mr. Olsson knallte die lederne Aktentasche auf den Tisch und stellte seinen Kaffee-to-go-Becher ab, dann begann er den Unterricht wie jede Stunde, indem er sich zur Tafel umdrehte und das Thema groß daran schrieb, als hielte er uns alle für zu dämlich, um uns an das zu erinnern, was wir gerade durchnahmen.

Und, zugegeben, neunzig Prozent meiner Mitschüler waren wirklich derart einfältig, wie er letztlich annahm. Mich inbegriffen. Weil ich, sobald er mit seinem herrischen »Hinsetzen« den Raum betrat, vollkommen außer Stande war, ihn mir nicht halbnackt mit einer Reitgerte in der Hand vorzustellen, die er gebieterisch in seine Hand schlägt, während er breitbeinig vor mir steht und mich mit seinem stechenden Blick aus seinen moosgrünen Augen durchbohrt.

»Hinsetzen!«

Ich hörte es immer wieder in meiner Fantasie, noch eine Spur betonter als in der Wirklichkeit.

»Auf Ihren Schoß, Mr. Lehrer?«, hörte ich mich bereits lüstern fragen, sperrte die Vorstellung aber schleunigst aus, bevor das Zelt in meiner Hose zu offensichtlich wurde.

Er war übrigens mein Geschichtslehrer, seit Anfang des Schuljahres, als ich mal wieder sitzen blieb und eine weitere Runde in der Neunten drehen durfte.

Was soll ich sagen, es ist nicht leicht für einen Siebzehnjährigen den extremen Hormonhaushalt mit dem Pflichtgefühl, etwas für meine Zukunft zu tun, zusammen zu bringen. Alles, woran ich denken konnte, war mein harter Schwanz. Und es brauchte nicht viel Anreiz, um meinen Kumpel zu wecken. Ihn dann wieder schlafen zu schicken, war um einiges schwieriger. Deshalb standen kostenlose Pornos aus dem Internet eindeutig vor dem Lernen. Und es machte es nicht besser, dass Mr. Olssons militärische Strenge meine Fantasie nur noch intensiver beflügelte. Jede Schulstunde aufs Neue.

Ein Lehrer der Geschichte stellte ich mir bisher wie folgt vor: Ein betagter Mann, nicht größer als ein abgebrochener Meter, kreisrunder Haarausfall, vielleicht ein silberner Bartschatten. Auf jeden Fall eine dicke Brille, die auf seinem krummen Nasenbein sitzt und die Knitterfalten unter seinen kleinen Augen betont. Und natürlich nicht zu vergessen sein Tweet-Jackett.

Jene klischeehafte Vorstellung – mögliche Abwandlungen vorbehalten – trafen bisher auch immer wieder zu. Aber nicht bei Mr. Olsson! Ähm … Nope!

Auch wenn ich bereits seit frühster Jugend eine geradezu bedenkliche Anziehungskraft gegenüber älteren Männern verspürte, überschritt meine Neigung doch nie die Altersgrenze von Fünfzig.

Mein Geschichtslehrer war absolut noch nicht in der Nähe eines halben Jahrhunderts. Ich schätzte ihn auf Mitte Dreißig. Und er war eine abgefuckte Sexbombe!

Na gut, ich übertreibe wohl etwas. Er war jetzt nicht dieser Muskelgott, wie sie mich von Covern diverser Hochglanzmagazine ansprangen, oder einer dieser Hollywood-Filmschauspieler-Traumtypen. Aber für meinen Geschmack war er purer Sex.

Seine Schultern waren breit, unter seinen immer locker sitzenden Hemden, die er nicht in seine Stoffhose stopfte, sondern flattern ließ, waren die Konturen zweier schöner Brustmuskelberge zu erkennen. Ob darunter ein malerisches Six-Pack verborgen lag, konnte ich nicht bestimmen, da sein Bauch unter dem weiten Stoff verborgen blieb. Ich war allerdings ohnehin noch nie der Typ gewesen, der nur auf Muskeln fixiert war.

Mr. Olsson besaß Tattoos, gelegentlich konnte ich schwarze Ränder unter dem Stoff hervorblitzen sehen, seine Arme, Brust und der Hals waren damit übersäht, doch er wusste sie zu verbergen, sodass es ein Geheimnis für mich blieb, ob es sich um Rocker-Tattoos oder filigrane Schnörkel handelte. Er war groß, aber nicht wie ein Hüne, einfach nur groß. Gut zwei, drei Köpfe dürfte er mich überragen, doch es hatte sich noch keine Gelegenheit geboten, meine These zu überprüfen. Außerdem gehörte ich zu der Sorte: Winzling. Also war dieser Vergleich nicht unbedingt aussagekräftig für seine Größe. Trotzdem, er war groß, zumindest für mich. Sein Haar hatte die Farbe von Milchkaffee, er trug es hinten und an den Seiten recht kurz, fast undercut-like, wie ich einen trug, und vorne ergoss es sich in schicklicher Manier über seiner glatten Stirn. Er besaß einen Kinn- und Oberlippenbart, der wesentlich dunkler, ja fast braun, wirkte. Seine Gesichtszüge waren mit Abstand die markantesten, männlichsten, grimmigsten und ausgeprägtesten die ich jemals erblicken durfte. Und, bei Gott, ich schwöre, er hatte den geilsten, knackigsten Arsch der Welt! Keine Riesenkiste, sondern klein, rund und zum Hineinbeißen.

Wenn er sich allerdingts umdrehte, wie in jenem Moment, als er der Tafel den Rücken zukehrte, war sein Paket vorne hinter seinem Hosenschlitz auch nicht zu verachten. Sofern er denn nicht mogelte und es mit einem verdammt dicken Sockenknäuel ausgestopft hatte.

Ich schüttelte den Kopf und riss mich zusammen, als Mr. Olsson zu sprechen begann. Genug fantasiert, sagte ich mir, wusste aber sofort, dass sich meine Libido nur für eine kurze Weile daran halten würde, denn es kostete mich bereits nach wenigen Sekunden einiges an Willenskraft, nicht auf den Schritt meines Lehrers zu starren, in dem eine weiche Beule hin und her gewogen wurde, während Mr. Olsson vor der Klasse auf und ab ging und über die Hitlerjugend berichtete.

 

Ich mochte die Geschichte über den zweiten Weltkrieg nicht sonderlich. Nicht, dass ich zimperlich gewesen wäre, eigentlich bezeichnete ich mich als ziemlich abgebrüht und kaltherzig, aber jenes Thema langweilte mich. Wir nahmen die Nazi-Zeit ohnehin nur durch, weil es zurzeit ein politisches, gesellschaftliches Thema war. Und als wäre das nicht genug, liefen darüber auch noch unzählige Dokumentationen im Fernseher. Mir kam es zu den Ohren raus.

Hat unser Land wirklich nicht mehr an Geschichte zu bieten?

Weshalb es mir schwerfiel, meine Konzentration auf Mr. Olssons Worte zu richten. Ich versuchte es, indem ich ihm auf den Mund starrte, aber das führte lediglich dazu, dass ich mir vorstellte, wie er den Kopf dreht, mich ansieht und sich lasziv für mich die Lippen leckt.

»Komm her«, will mir sein Blick sagen, »ich will dich schmecken.«

Meine Vernunft tippte mir auf die Schulter und fragte mich, ob es mir noch ganz gut ging.

Nein, konnte ich nur antworten, denn ich war vollkommen verschossen in meinen Geschichtslehrer.

Merkt man gar nicht, oder?

Ich bin nicht dumm, mir war sehr wohl bewusst, dass die Chance auf ein Lehrer-Schüler-Techtelmechtel gerade mal bei ernüchternden nullkommanullnullnulleinem Prozent lag.

Oder so ungefähr.

Jedenfalls waren meine Aussichten sehr gering, überdies mochte er mich auch nicht sonderlich. Ich glaubte, er hielt mich für faul und unterbemittelt. Wenn ich ihm eine Frage zu einem Thema stellte, seufzte er immer, als hätte ich etwas sagenhaft Dummes von mir gegeben.

Allerdingst war ich tatsächlich faul, jedoch hielt ich mich bisher eigentlich selbst für recht clever. Aber Mr. Olsson schien diesbezüglich nicht mit mir übereinzustimmen.

Ich schweife ab.

Jedenfalls stand ich auf meinen Lehrer. Und zwar so richtig. Aber auf die rein sexuelle Art! Ich verhielt mich nämlich nicht wie ein verliebtes, kleines Mädchen und malte Herzchen um seinen Namen. Nein! Ich konnte mir lediglich jedes Mal auf der Stelle ordentlich einen von der Palme wedeln, wenn ich ihn auch nur sah. Und ich war mir ziemlich sicher, dass meine Hose bereits von innen leicht feucht wurde, da mein Schwanz dank meiner kleinen perversen Fantasien wie ein undichter Wasserhahn leckte. In weiser Voraussicht hatte ich deshalb immer eine schwarze Hose an, wenn Geschichte auf dem Plan stand, damit man keine Flecke erkennen konnte.

Mr. Olsson ging plötzlich dazu über, die Tische abzulaufen. Ich hatte gar nicht mitbekommen, welche Aufgabe er uns aufgetragen hatte, und wartete verwundert auf die Blätter, die er austeilte. Er war der einzige Lehrer, der das selbst in die Hand nahm, die meisten anderen beauftragten einen Schüler für das Austeilen diverser Unterlagen, andere wiederrum ließen einen Stapel einfach herumreichen. Aber nicht mein Mr. Olsson – und ja, ich betitele ihn im Geheimen gerne als den meinen – nein, er setzte sich selbst in Bewegung, legte jedem seiner Schützlinge ein Blatt sorgfältig umgedreht vor die Nase, erzählte dabei weiter über die großen geschichtlichen Ereignisse der Menschheit, beantwortete Fragen und hörte sich Thesen an.

Als er bei mir ankam und das Blatt auf den Tisch legte, konnte ich nur seine große Hand anstarren. Er drehte die aus einem Buch kopierte Seite herum, damit ich sie lesen konnte, doch seine langen Finger verharrten darauf, sodass ich an seinem gebräuntem Arm nach oben sehen musste.

Er blickte mich an.

Unergründlich trafen mich seine moosgrünen Augen und schienen mich aufspießen zu wollen. Ich starrte einfach nur zurück, konnte nicht einmal blinzeln, das Herz schlug mir bis zum Hals.

»Wollen Sie meinem Unterricht weiterhin beiwohnen, Mr. Vogt?«, fragte er mich und zog eine dunkle Augenbraue nach oben, die unter seinen leicht wehenden Haarspitzen verschwand.

Ich musste lachen, weil er mein übliches MR. nachgeahmt hatte. Er schien anzufangen, es zu mögen. »Ähm ... Ja?« Ich grinste breit und charmant mitten in sein Gesicht, doch er verlor seine eiserne Miene nicht.

Sein scharfer Blick wurde noch eine Spur strenger, sodass ich beinahe lustvoll darunter erzitterte. »Ähm?«, wiederholte er meinen dämlichen Laut, und seine Stimme klang, als wollte er mir die Gelegenheit bieten, mich zu korrigieren.

»Natürlich will ich das, Mr. Olsson«, verbesserte ich mich umgehend. Nicht, dass mir was an Geschichte oder Zeit im Unterricht überhaupt gelegen hätte, aber ich wollte nicht die wenigen Augenblicke, die mir mit ihm vergönnt waren, verschenken.

Er beugte sich zu mir hinab, der Geruch von Kaffee und altem Leder schlug mir entgegen. »Dann hängen Sie gefälligst nicht so schlaff wie ein nasser Sack auf ihrem Platz! Und heucheln sie wenigstens Interesse, Mr. Vogt!«

Ich richtete mich sofort gerade auf und rückte mit dem Stuhl an die Tischkante heran. »Ja, Mr. Olsson«, murmelte ich kleinlaut, mein Lächeln war verflogen.

Er ging weiter, einige meiner Klassenkameraden kicherten über mich, aber er wusste dies mit einem einzigen, stummen Blick zu unterbinden.

Herrgott, er ist so streng … Ich fand seine herrische Ader unglaublich anziehend. Und obwohl ich mich etwas gedemütigt fühlte, geilte mich seine ganze Art mal wieder derart auf, dass ich auf meinem Stuhl herumrutschte, um Platz in meiner Hose zu schaffen.

Kaffee und Leder. Ich schloss für einen flüchtigen Augenblick genüsslich die Augen. Er roch nach Kaffee und Leder. In jenem Moment war es mir noch nicht bewusst, aber ich würde diesen Geruch niemals wieder vergessen.

Nachdem er mir so nahe gekommen war, konnte ich seinem Unterricht nur noch körperlich beiwohnen. Meine Gedanken waren weit fort, gemeinsam mit ihm. Oder nein, eigentlich waren wir immer noch im selben Raum, allerdings allein, und statt der ganzen Klasse etwas über die Nazi-Zeit zu erzählen, erzählte er mir, dass er meinen Leib ebenso begehrte, wie ich den seinen.

Ich seufzte gelegentlich leise, aber nur, wenn ich sicher war, dass er mich gerade nicht beachtete. Seltsamerweise kam es mir an jenem Tag zum ersten Mal so vor, als sähe er immer wieder in meine Richtung. Nicht streng, sondern grübelnd. Als hätte ich etwas gesagt oder getan, das ihn sehr zum Nachdenken brachte.

Und tatsächlich sprach er mich in jener Stunde häufiger als üblich an, als hätte er durchgehend ein waches Auge auf meine Haltung. »Gerade sitzen, Mr. Vogt!«, ermahnte er mich eins ums andere Mal. Ich bildete mir ein, ein amüsiertes Aufblitzen in seinem Gesicht zu erkennen, wenn ich daraufhin ertappt zusammen zuckte und mich gehorsam aufrichtete.

»Halten Sie den Kopf oben«, trug er mir auf, wenn ich mein Kinn auf meine Hand stützte, ganz beiläufig, während er unterrichtete, sodass kaum jemand Notiz davon nahm, wie sehr er sich an mir festgebissen hatte.

»Nicht Träumen«, warf er gelegentlich in meine Richtung, und ich blinzelte mich aus Tagträumen, in denen er die Hauptrolle spielte, zurück in die Gegenwart.

Ich hatte mich noch nie aggressiv gegen Regeln aufgelehnt, zumindest nicht gegenüber Lehrern, aber ich war doch noch nie derart bestrebt gewesen, zu tun, was sie von mir verlangten. Bei ihm war es anders. Einerseits wollte ich ihm imponieren, er sollte mich sehen, mich bemerken, er sollte erkennen, dass ich nicht so dumm war wie ich mich oftmals gab. Aber andererseits wollte ich Dinge tun, die ihm missfielen, damit er mich wieder zurechtweisen konnte, denn auch dadurch erlangte ich seine Aufmerksamkeit.

Als die Stunde zu Ende ging, fühlte ich mich emotional ausgepowert und auf eine wohlige Weise erschöpft, wie nach einem Onanier-Marathon an einem heißen Samstagnachmittag, wenn mir langweilig gewesen war. Dieses Spiel zwischen ihm und mir hatte etwas von einer Tischtennis-Partie, bei jener eindeutig er gewonnen hatte, denn ich war müde geworden, und er hatte mich ausgestochen.

In diesem Fall verlor ich jedoch gern, denn als ich nach der Stunde an seinem Pult vorbei ging, glaubte ich, ihn lächeln zu sehen, als er mir verstohlen nachblickte.

»Mr. Olsson?« Es brach aus mir heraus, bevor ich mich bewusst entschieden hatte, mich noch einmal zu ihm umzudrehen.

»Ja?« Er blickte von seinen Unterlagen auf, das Klassenbuch lag aufgeschlagen vor ihm auf dem Tisch. Er hielt einen Kugelschreiber bereit.

Wird er meine Träumerei etwa aufschreiben?

So pingelig kann doch nicht einmal er sein, glaubte ich.

Ich würde es wohl nie erfahren.

Ich warf einen flüchtigen Blick über die Schulter. Die Klasse leerte sich einem beständigen Strom gleich, wie ein reißender Fluss. Eine Kolonie Ameisen, die den Bau verließ, wenn er in Brand steckte. Keiner nahm Notiz davon, dass ich stehen blieb. Ich war nur ein Schüler, und er war nur ein Lehrer. Es war nicht ungewöhnlich, noch zu bleiben, und doch fühlte ich mich, als täte ich etwas Verbotenes.

»Ich wollte nur …«, begann ich und sah ihn wieder an. Aber er bedachte mich mit einem seiner berühmten Blicke, die sich in mich zu bohren und zu strafen schienen, für etwas, das ich mir nicht erklären konnte. Es sei denn, es galt bereits als verwerflich, dass ich es wagte, ihn auch nur anzusprechen.

»Ich finde Ihren Unterricht nicht langweilig«, versuchte ich, mein Verhalten zu erklären, denn ich wollte auf keinen Fall, dass er sich dadurch gekränkt fühlte.

Er zog eine Augenbraue nach oben, als wäre es ihm gleich. Mir doch egal, schien er sagen zu wollen. »In Ordnung«, tat er die Sache ab und senkte wieder den Kopf über dem Klassenbuch.

»Ich meine«, hielt ich ihn auf und machte einen Schritt auf ihn zu, damit er mich nicht einfach so abspeisen konnte, »ich finde jeden Unterricht langweilig. Aber das liegt nicht an Ihnen, ich wollte nicht …«

»Sagst du das zu jedem Lehrer?« Er blickte nicht auf, als sei es ihm egal, ob wir dieses Gespräch weiter führten.

Ich schüttelte irritiert den Kopf. »Ähm … Nein!?«

»Ähm«, wiederholte er mich, dieses Mal glaubte ich, ein wenig Belustigung aus seiner Stimme heraus zu hören. Er schielte zu mir auf, ein leichtes Schmunzeln auf den Lippen.

Ich grinste und zuckte mit den Schultern. »Ich meine: Nein.«

Das schien ihn zufriedenzustellen. Er seufzte, legte den Kugelschreiber in die Falte zwischen den Seiten des Klassenbuchs und lehnte sich zurück. Die Art und Weise wie er den Fuß über das Knie legte und die Hände über seinem Bauch faltete, wirkte derart lässig und selbstsicher, dass ich ihn noch anziehender fand.

Ebenso signalisierte mir seine gesamte Körpersprache: Ich höre dir zu.

Von jetzt auf gleich, als hätte ich die Zauberformel entschlüsselt, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Als hätte ich eine Prüfung bestanden, die mich in den Rang der zu beachtenden Personen erhob. Dies war so völlig neu für mich, dass ich stockte. Denn ich war es absolut nicht gewohnt, dass Erwachsene mir derart ihre Aufmerksamkeit schenkten. Die meiste Zeit fühlte ich mich in der Welt ziemlich unsichtbar. Ich war weder Kind genug, um beachtet zu werden, noch gehörte ich bereits zu den Erwachsenen, um von jenen ernst genommen zu werden. Und dieses einsame Gefühle wurde mir in dem Moment bewusst, als er mich aufmerksam betrachtete und mich ansah, als wäre ich wie er. Ein Mann.

Ich bin mir nicht sicher, ob er mir meine Gefühle anhand meiner Angespanntheit ansehen konnte, jedenfalls erleichterte er mir dieses Gespräch, indem er anfing: »Deine Noten sind nicht gerade gut.«

Das war noch nett ausgedrückt. Sie waren unter aller Sau.

»Ich kann mich nicht so gut konzentrieren.« Ich senkte verlegen den Blick. Er hält mich für dumm, dachte ich ernüchtert.

»Du hast nie deine Hausaufgaben und träumst im Unterricht«, es klang nach einem strengen Tadel. Nach einem ernsten Tadel, nicht nach den lauten Schimpftriaden meiner Mutter und meines Vaters, die ich genervt über mich ergehen ließ, aber niemals ernst nahm. »Ich würde es schlicht Disziplinlosigkeit nennen. Und nicht auf eine fehlende Konzentrationsstärke schieben, Luca.«

 

Ich musste mir ein unpassendes Lächeln verkneifen. Er nannte mich vertraut beim Vornamen, das tat er selten. Vermutlich aus Respekt, er behandelte all seine Schüler wie vollwertige Erwachsene, blickte uns auf einer Stufe mit sich in die Augen, wenn er mit uns sprach. Nahm unsere Thesen und Fragen ernst.

Es sei denn, wir verhielten uns ihm gegenüber wie Kinder, dann wurde er streng und bellte »Hinsetzen« und »Klappe«.

Beides hätte ich zu gerne einmal in einem anderen Kontext gehört.

Ich sagte dazu nichts, starrte nur hinab auf den Boden. Seine Schuhspitze stand in meinem Blickfeld. Wildleder. Schick und wild zugleich.

Sollte ich jetzt gehen? Aber ich konnte mich nicht vom Fleck bewegen. Er betrachtete mich dafür deutlich zu eingehend. Ich glaubte, das Aufkommen eines Knisterns in der Luft zu erspüren, doch es konnte auch allein von meiner Seite aus kommen.

Sei es drum, es war absolut spannend, weil es ebenso durchweg verboten wäre, gäbe es da wirklich eine aufgeladene Stimmung zwischen uns, ganz gleich, ob er es auch fühlte.

»Überprüft bei dir zu Hause niemand, ob du lernst und deine Aufgaben erledigst?«, wollte er schließlich wissen.

Mir entkam ein Schnauben. »Klar«, erwiderte ich gelogen. In diesem Moment hatte ich das dumme Bedürfnis, Zuhause und Familie in Schutz zu nehmen. Dabei stimmte das gar nicht.

Meine Eltern waren beide vollberufstätig und kamen erst gegen Abend nach Hause. Seit ich dreizehn bin koche ich mittags selbst für mich. Und bereits in Grundschulzeiten hatte niemand nachgeprüft, ob meine bejahte Antwort auf die Frage, ob ich meine Hausaufgaben erledigt und gelernt habe, auch der Wahrheit entsprach. Ich bin das jüngste von zwei Kindern, und irgendwie war ich immer ein wenig mir selbst überlassen. Hinzu kam, wie bereits erwähnt, die Tatsache, dass mich ohnehin niemand für voll nahm, vor allem nicht meine Eltern. Ich war siebzehn und unsichtbar.

Mr. Olsson nickte, aber ich konnte ihm ansehen, dass er mir nicht glaubte.

»Gut«, sagte er.

»Gut«, wiederholte ich.

Er lachte, weil ich ihn nachplapperte. Und dann war es vorbei. Er stellte beide Füße auf den Boden und wandte sich wieder ab, signalisierte mir, dass ich gehen konnte.

Ich drehte mich um und schlurfte zur Tür. Nun fühlte ich mich noch ermatteter, außerdem biss sich das unangenehme Gefühl einer Abfuhr an mir fest.

»Eine Nachhilfe täte Ihnen vielleicht gut«, rief er mir plötzlich nach. Ein Beweis dafür, dass er wusste, dass ich gelogen hatte.

Ich drehte mich noch einmal zu ihm um, doch er schrieb bereits fleißig weiter, mit einer tiefen Falte zwischen den Augenbrauen, als sähe er schlecht und trüge eigentlich eine Brille.

»Zu teuer«, tat ich die Sache ab. Immerhin hatte ich gewiss keine Lust auf eine langweilige Alte, die mir mehrmals die Woche meine Nachmittage stahl, jene ich fest für fernsehen, Videospiele zocken und wichsen eingeplant hatte.

»Vielleicht tut es ja jemand aus Nächstenliebe«, gab er spöttisch zurück und schielte mir mit einem leichten Schmunzeln entgegen.

Die Vorstellung auf Nachhilfe war so abturnend, dass mir jegliche Freude, mich mit ihm zu unterhalten, verging. Ich verzog missgelaunt mein Gesicht und zuckte mit den Schultern. »Vielleicht.«

»Sie brauchen nur etwas, dass Sie motiviert, Mr. Vogt«, er sah mich altklug an, »und Sie sollten danach suchen. Sie sind siebzehn. Das Leben hat bereits begonnen, machen Sie was draus.«

Ich ruckte erneut mit den Schultern. Mir doch egal. Diese Art von Gespräch war derart langweilig und nervig, dass ich zumindest kurzweilig von meiner Geilheit geheilt wurde.

Als ich danach in die Pause schlurfte, kam ich jedoch nicht umhin festzustellen, dass sich ein eiserner Wille in mir auftat.

Ich hatte absolut keine Lust, irgendetwas in meinem trägen Leben anders zu machen, mich aufzuraffen und an meine angebliche Zukunft zu denken, die für mich noch so weit entfernt lag, und doch war ich angespornt, weil er mich offensichtlich nicht, wie befürchtet, für dämlich hielt. Aus unerfindlichen Gründen wollte ich ihn nicht enttäuschen.

Hinzu kam meine Faszination für seine Strenge. Wobei ich es vielleicht etwas ehrlicher ausdrücken sollte: ich lechzte sabbernd danach, dass er mich zurechtwies. Egal wie, egal wann, egal weshalb. Hauptsache sein scharfer Blick und seine eiserne Miene trafen mich – und sein schneidender Tonfall ließ mich zusammenzucken, und dann erzittern.

Bitte, sei nett zu mir, mag mich, wollte ich ihm zurufen, aber bitte, lass mir nichts durchgehen.

Und vielleicht lag mein ganzes Verhalten, meine ganze Lustlosigkeit einfach nur daran, dass ich mich nach Disziplin sehnte.

Ich brauche das!