Schwarze-Witwen-Mambo

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V I E R

Magda fuhr schnell wieder zurück zu Eddie, wo sie ein Stück mit Fränzchen den Hang hinauflief. Eifrig schnüffelnd, verrichtete der endlich seine Geschäfte und Magda betrachtete derweil sinnend die Umgebung. Eine Apfelbaumpflanzung mit kleinen Bäumchen fiel ihr ins Auge und sie bewunderte die Größe, oder vielmehr, der Mangel daran. Genau meine Pflückhöhe, dachte sie dabei lächelnd. Unter einem Unterstand links davon standen einige landwirtschaftliche Gerätschaften – unter anderem ein umgebauter Rasenmäher, mit dem man herumfahren und möglicherweise auch anders geartete Arbeiten, außer Rasenmähen, erledigen konnte. Oder einfach nur herumfahren? Das würde mir auch gefallen, schoss es ihr durch den Kopf. Fränzchen knurrte plötzlich leise und Magda kam mit einem Ruck in die Wirklichkeit zurück. Sie betrachtete interessiert, wie er das Nackenfell hochstellte. „Das hab ich ja noch nie gesehen, Fränzchen!“ Sie bückte sich und fuhr ihm über den Kamm. Doch der Hund sah starr zum Waldrand hin, wo Magda einen Moment lang dachte, etwas aufblitzen gesehen zu haben. Sie kniff die Augen zusammen, holte ihr Handy heraus und fotografierte den Waldrand einige Male sorgfältig. Vielleicht konnte man auf einer Vergrößerung mehr erkennen. „Was machst du denn da schon wieder - Waldbilder?“ Sie zuckte heftig zusammen, sah Ben neben sich stehen, der sie freundlich anlächelte und bemerkte, dass Fränzchen begeistert wedelte und keinerlei Interesse am Wald mehr zeigte.

„Hallo Ben, bevor du da warst, hat der Hund wild geknurrt, die Nackenhaare aufgestellt und dabei zum Waldrand hingeschaut. Da ich nichts erkennen konnte, außer einem kurzen Aufblitzen, habe ich vorsichtshalber ein paar Fotos davon gemacht!“ Ben nickte stirnrunzelnd. „Wäre ja nicht das erste Mal, dass uns ein Mörder bei der Arbeit beobachtet.“ „Oder ein sensationsgeiler Spanner!“, gab Magda düster zurück.

Ben nahm ihr das Handy aus der Hand und vergrößerte das Foto. „Hier könnte tatsächlich einer stehen, schau mal!“ Magda beugte sich über das Smartphone und kniff die Augen dabei zusammen. „Es hat keinen Sinn. Ich muss es im Büro anschauen, wenn ich meine Lesebrille aufhabe.“ „Stimmt, du bist ja jetzt schon im Lesebrillenalter.“ Ben grinste frech und wurde schlagartig ernst. „War es Mord?“ Magda nickte zögernd. „Ich denke schon. Eddie hat mich gleich weggeschickt, du weißt ja, wie er ist. Ich solle keine Spuren zertrampeln. Als ob ich das schon jemals getan hätte.“ Ben lachte leise. „Du doch nicht.“ „Genau!“ Magda stupste ihn leicht in die Seite. „Doch so wie der Mann da lag, als hätte er einen Herzanfall erlitten, daneben jedoch Erbrochenes, weckte es anscheinend Eddies Verdacht und er hat gleich die Kavallerie angefordert.“ „Gut so!“, meinte Ben kurz. „Lieber einmal zu viel, als zu wenig!“ Magda nickte düster. „Hast du auch wieder recht.“ „Wie gut, dass wir unsere Susi haben. In anderen Revieren wird gerade an den Gerichtsmedizinern gespart.“ Ben musste lachen. „Na, bei uns herrschte in den letzten Jahren kein Mangel an Morden und so war sie wirklich gut ausgelastet und konnte schlecht wegrationalisiert werden, wegen mangelnder Arbeit.“ „Wohl wahr“, flachste nun auch Magda. „Wenn ich auch für die Odenwälder Bevölkerung, speziell des Mümlingtales, hoffe, dass die Morderei nicht weiter so ausartet. Ab und zu ein Mördchen würde mir schon reichen. Nur so viel, dass wir nicht die Übung verlieren.“ Ben schüttelte den Kopf, in sich hineinlachend. Wenn das jemand hören würde, der seine Chefin nicht kannte, würde er wahrscheinlich denken, dass sie sich an Morden regelrecht erfreute, dabei war Magda nur auf Gerechtigkeit aus. Es störte sie so vieles, aber ganz besonders, dass Tötungsdelikte oft weniger hart bestraft wurden, als Raub. Für sie war jedes Menschen- (und Tier-) leben wichtig – wichtiger als jedes materielle Gut, sei es Geld, Schmuck oder was auch immer.

„Anne hat sich gleich auf die Arbeit gestürzt und wahrscheinlich bereits ihr obligatorisches Taschentuch gefunden“, versuchte er Magda aus ihren Gedanken zu reißen, was ihm auch gelang, wie er erleichtert erkannte, denn ein zartes Lächeln verschönte ihr Gesicht. „Wollen wir mal nach den beiden schauen?“ „Gerne“, sagte Ben und nahm ihren Arm, als sie ins Rutschen kam.

Magda ging mit Fränzchen auf der rechten Seite und schaute sich interessiert nach allen Seiten um. „Schaust du mehr links und ich guck rechts, dass uns nichts entgeht?“ Ben nickte. „Mach ich!“ „Da!“ Triumphierend bückte sich Magda und hob ein Taschentuch mit behandschuhter Hand vom Wegrand auf. „Du machst Anne Konkurrenz. Sie wird nicht erfreut sein!“ Ben hielt lächelnd einen Plastikbeutel auf. „Vielleicht hat es ja gar nichts mit unserem Fall zu tun“, meinte Magda unsicher und ging vorsichtig weiter. Kurz darauf waren sie bei Anne und Eddie angekommen, die inzwischen Verstärkung von Susi und Freddy bekommen hatten. Susi war eben dabei, die Leiche mit Hilfe von Eddie umzudrehen, während Freddy eifrig fotografierte und Anne, unter dem Toten mit der Pinzette vorsichtig ein Taschentuch aufnahm, das sie, mit triumphierendem Lächeln, in einem Plastikbeutelchen versenkte. „Sie hat auch ein Taschentuch gefunden“, raunte Ben Magda ins Ohr und diese nickte lächelnd mit den Worten: „Dann ist sie glücklich. Ich gönne es ihr von Herzen!“ „Das hab ich gehört“, zischte Anne leise und lächelte Magda und Ben zufrieden an, während Susi und Eddie die Leiche wieder vorsichtig ablegten.

Magda hob ihren Beutel hoch und schwenkte ihn vor Anne hin und her. „Hier hast du etwas zum Vergleichen, vielleicht findest du identische DNA!“ „Möglicherweise!“, meinte Anne kurz und stand stöhnend auf. „War es Gift?“, wandte sich Magda an Susi. Die zuckte die Achseln und sah auf. „Wahrscheinlich schon. Ich tippe auf Pflanzengift und dabei käme am ehesten Helleborus niger infrage, weil die Christrose die einzige Pflanze ist, die jetzt noch blüht und Erbrechen dabei typisch ist.“ Sie deutete auf das Erbrochene neben der Leiche. „Wieso? Muss sie denn blühen?“ Magda sah sie verständnislos an. „Blühen nicht unbedingt, aber im Winter wachsen bei uns kaum Pflanzen draußen.“ „Also meinst du, es wäre eine Pflanze gewesen?“ Susi deutete auf das Erbrochene neben dem Toten. „Das Erbrochene hat mich darauf gebracht. Es ist typisch für Vergiftungen mit Hellebrin, das sich hauptsächlich in der Wurzel der Christrose, einem typischen Winterblüher, befindet. Die Nieswurz gehört zu den Hahnenfußgewächsen und alle Pflanzenteile sind giftig. Und es wäre für den Mörder am einfachsten zu beschaffen um diese Jahreszeit.“ Sie räusperte sich nachdenklich und sah Magda an. „Es ist bisher nur ein Verdacht. Genau kann ich es erst nach der Obduktion sagen, wie immer – weißt du ja.“ Magda nickte und schüttelte sich, wobei sie zu Eddie sah. „Pass bloß auf, dass dich deine Süße nicht vergiftet. Das nötige Wissen dafür hat sie ganz sicher.

Eddie nickte düster und Susi lachte leise. „Gift ist aus der Mode, denn es ist fast immer nachweisbar.“ „Echt?“ Magda war erstaunt. „Deswegen würde es mich wundern, wenn es hier verwendet worden wäre. Aber alles spricht merkwürdigerweise dafür!“ Susi zuckte die Achseln. „Wirklich seltsam, finde ich.“

Magda nickte nachdenklich. „Also kannst du es nachweisen?“ Susi antwortete bestätigend: „Das kann ich sehr wahrscheinlich, weil ich Proben von dem Erbrochenen genommen habe und bei der Obduktion werde ich auch noch Blut entnehmen. Zudem war noch ein kleiner Rest Tee in der Flasche. Das alles zusammen sollte reichen, für einen sicheren Nachweis der Giftart. Das Gift der Christrose ist übrigens sehr vielseitig.

Es enthält kardiotoxische Bufadienolide, aber auch Saponine, Ecdysone und Protoanemonin. Alles zusammen ein durchaus gefährlicher Cocktail, falls es das wirklich gewesen ist. Dennoch hätte er nicht unbedingt sofort tödlich wirken müssen.“ „Was heißt das?“, wollte Magda verunsichert wissen. „Das heißt, er könnte eventuell noch am Leben sein, wenn er rechtzeitig gefunden worden wäre.“ Sie runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. „Oder es ist die Kombination“, murmelte sie nachdenklich vor sich hin. „Ich brauche seinen Medikamentenplan!“ „Kriegst du“, beruhigte sie Eddie. „Wenn er sowieso schon Herzglykoside genommen hat, kann ein Tee aus der Christrose ihm den Rest gegeben haben und das möglicherweise ganz schnell.“ Ben und Magda sahen sich düster an und Freddy ließ die Kamera sinken. „Das klingt nach einem sehr kaltblütigen Mörder!“, erklärte Eddie laut. „Oder einer kaltblütigen Mörderin“, meinte Freddy bedeutsam. „Es heißt doch immer, dass Frauen mit Gift morden und nicht Männer!“

„Sei es wie es sei“, erklärte Magda und begab sich zurück in die stehende Position mit knackenden Knien. Anne kicherte respektlos. Magda warf ihr einen finsteren Blick zu. „Komm du erst mal in mein Alter!“ „Die paar Jahre machen den Kohl auch nicht fett“, besänftigte Ben und half Magda den Hang hinauf zum Baum, an dem Fränzchen angebunden war. „Ich laufe den Weg hier hinunter“, erklärte Magda. „Bitte sammelt mich unten wieder ein. Fränzchen hatte noch wenig Gelegenheit für seine körperlichen Bedürfnisse.“ Ben betrachtete den Hund, der wie zur Bestätigung das Bein am nächsten Gebüsch hob. „Der Weg läuft sicher parallel. Entweder stoße ich unterwegs auf euch, oder ganz unten, da, wo der Brunnen ist. Ben nickte zustimmend und schlug die Hacken zusammen. „Eye, eye, Chefin!“ Magda grinste und schüttelte den Kopf. Dann marschierte sie los.

F Ü N F

Eddie hatte Magda unten in einer Kurve wieder eingesammelt und wie erwartet, saß Susi neben ihm, so dass Magda brummend hinten einstieg, nachdem sie Fränzchen hineinverfrachtet hatte. „Seid ihr schon fertig mit der Leiche?“ Susi drehte sich zu ihr um. „Den Rest muss ich in der Gerichtsmedizin erledigen. Es sind ja bisher alles nur Mutmaßungen. Zudem ist es weit bequemer, im Stehen zu arbeiten, als auf dem Boden zu kauern.“ „Da sagst du was“, stöhnte Magda leise und rieb ihr linkes Knie.

 

„Ben, Anne und Freddy warten bei der Leiche, bis der Leichenwagen kommt, aber der müsste eigentlich jeden Moment da sein“, meinte Eddie stirnrunzelnd und fuhr los. In diesem Moment brauste das besagte Auto auch schon an ihnen vorbei. Er hatte gerade noch nach links ausweichen können. „Na ein Glück, dass hier ein wenig Platz ist zum Halten!“, rief Susi empört. „Ja, wegen der Bänke sicher.“ Magda deutete auf die beiden Sitzgelegenheiten, die sie beim Hochfahren schon gesehen hatten. „Eine Holzfigur, die ist ja schön!“, bewunderte Susi das Holzmännchen, das auf der linken Bank stand. Aber Magda hatte keine Zeit mehr, sie zu bewundern, außerdem hatte sie sie ja vorhin schon gesehen und ihr lautes Magenknurren ließ die anderen beiden hell auflachen. „Aha, deshalb müssen wir schnell zurück ins Revier“, meldete sich Eddie mit unterdrücktem Gelächter. „Macht nichts, wenn´s schnell geht“, erklärte Magda kurz. „Mord macht mich immer hungrig“ und deutete ungeduldig zum Weg. „Na gut, dann will ich mal nicht so sein“, rief Eddie großzügig und fuhr los.

„Fahr über Sandbach und halte kurz beim Bäcker an!“, ertönte Magdas Stimme bestimmend von hinten. Eddie zuckte die Achseln, wechselte mit Susi einen verständnisvollen Blick und wie auf Kommando stellte sich bei beiden ein leichtes Hungergefühl ein. Er machte also den Umweg über Rai-Breitenbach und bog am kleinen Hanflädchen in die Straße nach Neustadt ein. Magda schüttelte den Kopf. Ihr Eddie war hoffnungslos unpraktisch in solchen Dingen. Sie selbst wäre noch auf der breiten Straße nach Höchst geblieben und direkt am Pirelli-Werk nach Sandbach abgebogen. Aber so haben wir wenigstens einen schönen Anblick, dachte sie und seufzte leise.

Neustadt war wirklich ein schönes Dörfchen, das zu Breuberg gehörte und am liebsten wäre sie ausgestiegen, aber dafür hatten sie keine Zeit. Sie mussten einen Mord aufklären. „Meint ihr, es war die Ehefrau?“, fasste sie ihre Gedanken in Worte. „Wie vorhin schon gesagt, sind es meistens Frauen, die mit Gift morden“, sprang Eddie sofort darauf an. „Aber heutzutage nicht mehr“, wandte Susi ein. „Es sind fast genauso viele Männer, wie Frauen, aber wie gesagt, kaum ein Giftmord bleibt unentdeckt, weil es eben so lange nachweisbar ist.“ Aber nach dem Einäschern doch nicht mehr!“ Magda schüttelte sich empört. „Nun ja, in der Asche natürlich nicht, aber wenn die Angehörigen eine Haarlocke aufgehoben haben, oder auch nur ein einziges Haar noch in der Haarbürste des Opfers aufzufinden ist, können die meisten Gifte noch über Jahre nachgewiesen werden. Deswegen ist Giftmord aus der Mode gekommen.“ „Was auch gut ist“, meinte Eddie düster. „Wenn ich mir vorstelle, was du alles weißt. Wir dürfen nie Krach bekommen. Nicht, dass du mich dann so um die Ecke bringst, dass nichts nachzuweisen ist!“ „Keine Sorge, das könnte ich schon tun, aber ich mache es natürlich nicht!“ Sie zauste ihrem Freund die Haare. „Schließlich habe ich viel mehr von einem lebendigen Eddie, als einem Toten und ich liebe dich außerdem viel zu sehr.“ Geschmeichelt lächelte Eddie und Magda schüttelte schmunzelnd den Kopf über ihre beiden Turteltäubchen, die seit ihrem Brombachtalfall ein Paar waren.

Eddie parkte am Marktplatz in Sandbach und Magda und Susi stiegen aus. Da sie sich nicht entscheiden konnten, zu welchem Bäcker sie gehen sollten, teilten sie sich auf und jede holte ein paar Teilchen von den beiden Cafe´s dort. „Nächstes Mal holen wir aber in Höchst etwas Süßes“, nörgelte Eddie leise. „In Höchst können wir immer holen!“, erklärte ihm Magda bestimmt. Dann fuhren sie zum Revier, wo Eddie, Magdas Meriva schwungvoll zum Stehen brachte. Sie drückte ihm ihre Tüte in die Hand und hob Fränzchen heraus, der ihr schon wieder schwerer vorkam, als vor ihrem Krankenhausaufenthalt. „Wer weiß, was meine Mutter ihm alles gefüttert hat“, murmelte sie dabei stirnrunzelnd vor sich hin und der Hund, der spürte, dass sie ihn meinte, drehte sich zu ihr um und warf ihr einen unschuldigen Blick zu, dem sie, wie immer, nicht widerstehen konnte und ihm liebevoll über das Köpfchen streichelte. „Na also, geht doch, hat er gerade gedacht“, raunte Susi Eddie zu und beide brachen in wildes Gelächter aus.

Magda machte sich nichts daraus, ging durch die Tür, die Eddie für sie aufhielt und trat ihm dabei versehentlich, wer´s glaubt, auf die Zehen. „Au!“, rief der empört und Magda ging, zufrieden lächelnd, schnell an ihm vorbei.

„Schaut ihr mal, ob Helmut Kaffee gemacht hat?“, bat sie dabei beiläufig und Susi öffnete die Tür zum Besprechungszimmer. „Hat er“, bestätigte sie, den Kopf hineinstreckend und gab gleich darauf den Blick frei auf mehrere Kannen Kaffee, die der mitdenkende Helmut auf den drei Tischen deponiert hatte, die in U-Form zur Tafel ausgerichtet waren, frei. „Das lob ich mir“, brummte Magda zufrieden und machte Fränzchen los, der unverzüglich sein Lager in der Ecke aufsuchte. Eddie hatte die Zuckerweck bereits auf die von Helmut aufgestellten Teller gelegt und Magda und Susi warfen begehrliche Blicke darauf. „Nix da“, klopfte Eddie seiner Süßen auf die Hand. „Erst, wenn alle da sind!“ Da stürmte schon Anne herein. Ben folgte in gesetzterem Tempo. „Da habt ihr aber Glück gehabt! Ich dachte schon, ihr hättet uns wieder alles weggefuttert!“ „Das würden wir doch nie tun“, meinte Eddie mit unschuldigem Augenaufschlag, was Anne mit mürrischem Gemurmel kommentierte.

Freddy hörten sie nebenan werkeln, untermalt von den brummenden Druckergeräuschen. Dann betrat er das Zimmer, einen Packen Fotos in der Hand, von denen er einige an die Tafel heftete. Die Ermittler betrachteten den Toten, den Freddy von allen Seiten abgelichtet hatte. Die beiden Tafeln mit den Gedichten, hatte er auch aufgehängt und Anne las sie laut vor. „Also ich kenne nur das andere Gedicht“, erklärte Eddie. Die anderen sahen ihn verständnislos an. „Na das hier“, erklärte er verschmitzt grinsend und legte los: „Rimmern am Rå, Plaschder ohne Stå, Käischhouf ohne Mauän – was is Rimmern zu bedauän.“ Auf hochdeutsch: „Rimhorn am Berghang, Pflaster ohne Steine, Friedhof ohne Mauern – was ist Rimhorn zu bedauern.“ „Das andere ist schöner“, rief Anne mit blitzenden Augen, „aber dieses passt besser zu dir!“ Alle lachten. „Weiß jemand, woher der Ortsname kommt?“ „Es heißt, es wäre einmal ein Bauer mit einem Rindvieh durchs Ort gelaufen, welches ihm davon galoppieren wollte, woraufhin er gerufen habe: „Rim, du Horn!“ „Hihi, das klingt lustig“, kicherte Susi. „Ja, fast so lustig wie der Uzname – Berghinkel“, ergänzte Ben. „Berghinkel?“ Magda sah ihn verständnislos an. „Na, ja, der Ort klebt regelrecht am Berg und so kamen sie zu dem Ortsnamen Rimhorner Berghühner.“ Anne lachte laut auf. „Da bekommt man direkt Lust, dort zu leben, oder?“ Die anderen nickten, doch Magda rief sie zur Ordnung. „Genug gelacht, wir müssen uns auf den Fall konzentrieren!“ Alle sahen zur Tafel hin. „Kannst du uns eine kurze Zusammenfassung geben, Susi?“ Susi ging an die Tafel. „Herr Lang wurde heute von Magda und Eddie am Vormittag leblos aufgefunden. Meine erste Untersuchung hat ergeben, dass er bereits gestern Abend verstorben sein muss. Und zwar, wie ich vermute, an einer giftigen Substanz.“ Sie deutete auf die Vergrößerung des Erbrochenen, worauf Eddie, der gerade in einen Zuckerweck biss, angewidert die Augen schloss. „Hier seht ihr das Erbrochene des Toten, das ganz typisch für Tod durch Gift ist. Die Thermosflasche ist, bis auf einen kleinen Rest, ausgelaufen, aber da sich zudem die Kleidung vollgesogen hat und durch die feuchte Nachtluft nicht vollständig getrocknet ist, konnte ich durchaus noch ausreichend Proben gewinnen, die wir dann untersuchen können.“ „Sehr gut, Susi!“, lobte Magda die kleine Gerichtsmedizinerin und Eddie ließ stolz seinen Blick auf ihr ruhen. „Außerdem habe ich ein Taschentuch unter dem Opfer sicherstellen können!“, ergänzte Anne mit leuchtenden Augen, woraufhin alle lachten. „Ich habe auch eins gefunden, ein Stück den Weg hoch“, steuerte Magda bei und Anne zuckte die Achseln. „Ich werde beide nachher untersuchen, dann wissen wir hoffentlich mehr.“ „Gut!“, sah Magda in die Runde. „Hat noch jemand etwas Auffälliges entdeckt?“ „Na, Fränzchen hat doch vorhin geknurrt“, sagte Ben lächelnd. „Stimmt“, meinte Magda stirnrunzelnd. „Er sah zum Waldrand, hinter der Apfelbaumanpflanzung und hat wild geknurrt und die Nackenhaare gesträubt, woraufhin ich etwas aufblitzen sah und sicherheitshalber ein Foto gemacht habe. Kannst du es ausdrucken?“ Sie zog ihr Handy aus der Tasche und hielt es Freddy hin, der es mit spitzen Fingern entgegennahm. In Magdas Taschen tummelten sich (ungebrauchte) Kacktüten, Taschentücher, Bonbons, die manchmal schon klebten und noch einiges mehr, was er gar nicht so genau wissen wollte. „Ich komme gleich“, brummte er missmutig, verließ den Raum und Magda setzte sich lächelnd wieder hin. „Ein tierischer Zeuge, sozusagen“, meinte Anne verschmitzt und warf einen Blick zu Fränzchens Lager, woraufhin der aufsah, weil er ihre Blicke auf sich spürte und gelangweilt gähnte. Alle lachten und Freddy kam mit schnellen Schritten wieder herein. „Also eins vorweg, Magdas Handy ist nicht das Beste, um Fotos zu machen, aber ich habe einen halbwegs akzeptablen Abzug hinbekommen.“ Er schwenkte das Blatt in der Hand hin und her. Magda stand auf und riss es ihm aus der Hand. „Da steht wirklich einer!“ „Wo?“ Anne drängte sich vor und kniff die Augen zusammen. „Jetzt hängt es doch einfach auf, dann sehen wir anderen vielleicht auch etwas!“, rief Eddie aufgebracht. Freddy nahm es Magda aus der Hand und brummte dabei: „Immer diese ungeduldigen Weibsbilder!“ Dann hängte er es an die Tafel, woraufhin alle Augen wie gebannt daran klebten. „Da ist wirklich einer!“, entfuhr es Ben, der eigentlich nicht recht daran geglaubt hatte. „Mein Fränzchen ist halt ein guter Ermittler und unverzichtbar bei der Tatortbesichtigung!“ „Wenn er nicht gerade alles vollpinkelt und dabei wichtige Spuren vernichtet“, ergänzte Anne mit düsterem Gesichtsausdruck und alle grinsten.

Magda räusperte sich. „Gut, dann essen wir jetzt endlich unsere Zuckerweck und trinken den Kaffee aus, damit wir an die Arbeit kommen, zack, zack!“ Alle lachten und als Magda die leeren Teller sah, wusste sie auch, warum. „Na, ein Glück, dass ich mir ein Stückchen auf meinen Teller gelegt habe, sonst hätte ich glatt nichts mehr erwischt“, meinte sie gespielt streng und machte sich über ihren Zuckerweck her. Was hatte ihr das Geplänkel mit ihren Kollegen gefehlt, als sie so lange krank war! Kurz darauf gingen alle an die Arbeit. Eddie und Anne in ihrem Spusi-Labor-Zimmer, Susi fuhr in die Rechtsmedizin, Freddy bearbeitete die Fotos und Ben und Magda begannen mit ihrem Bericht und planten ihr weiteres Vorgehen. „Die Witwe muss unbedingt einbestellt werden“, ließ Magda ihre Gedanken laut werden. „Das finde ich auch. Ich ruf sie gleich an!“ Ben zog das Telefon, das in der Mitte zwischen ihren Schreibtischen stand, zu sich herüber. „Ich glaube immer noch, dass es meist Frauen sind, die mit Gift morden“, murmelte er dabei. „Besonders die, die sich nicht gern die Hände schmutzig machen, die so etepetete sind, wie eben diese Frau Lang.“ Magda grinste. „Bei mir ist da weniger Gefahr. Ein bisschen Blut zum Beispiel, stört mich gar-nie-nicht.“ Ben lachte und rief: „Wer´s glaubt!“ Er wusste genau, dass seine Chefin ein herzensguter Mensch war und keiner Menschenseele etwas zuleide tun konnte. Er räusperte sich, wählte die Nummer der Witwe und lauschte dem Klingelton. „Guten Tag“, sagte er kurz darauf höflich. „Hier ist Ben Lieb, vom Polizeirevier Höchst. Wir möchten sie gerne zu einer kurzen Befragung vorladen, für morgen früh, um neun Uhr!“ Erschrocken hielt er den Hörer ein Stück vom Ohr weg. Magda hörte die keifende Stimme der Dame bis zu sich herüber und schüttelte missbilligend den Kopf.

„Nein, selbstverständlich sind sie nicht verdächtig, es ist eine reine Routinebefragung“, rechtfertigte sich Ben mit seiner sanften Beruhigungsstimme. „Würden sie bitte auch den aktuellen Medikamentenplan ihres Mannes mitbringen? Das wäre sehr lieb und hilft uns sicher weiter – danke Frau Lang!“ Aufatmend legte er auf. „Puh!“ Magda sah ihn mitfühlend an. Diese Seite ihres Berufes war nicht so schön, aber ohne, manchmal peinliche, Befragungen ging es nun einmal nicht. Irgendwo mussten sie anfangen und das war leider meist bei der Familie. Apropos Familie - „Hat Herr Lang eigentlich gar keine anderen Verwandten mehr?“ Sie hob den Kopf und betrachtete Ben, dessen rotes Gesicht jetzt wieder langsam erblasste und seine normale Farbe annahm. „Soweit ich weiß, nicht, aber ich werde gleich noch einmal recherchieren und auf der Gemeinde Lützelbach anrufen.“ „Tu das, mein Lieber“, antwortete Magda und ließ ihre Gedanken zum baldigen Feierabend abschweifen.

 
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