Die 50 besten Morde oder Frauen rächen anders

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6 - Drei Haselnüsse für Angelina

»Lass es dir schmecken, Angelina!« Mit diesen Worten stellte Vindicta einen Teller auf den schön gedeckten Tisch.

»Das sieht aber gut aus«, lobte die Frau, die am Tisch saß und darauf wartete, dass Vindicta ebenfalls Platz nahm.

Vindicta lächelte. »Es geht nichts über ein Schnitzel mit Jägersoße und Pommes, oder?«, überlegte sie laut. »Wie in alten Zeiten.«

»Weißt du noch, als wir zusammen gearbeitet haben? Da haben wir jeden Tag Schnitzel gegessen, bis du dann weg warst«, plauderte die Frau und schob ein großes Stück Schnitzel in den Mund.

Vindicta beobachtete sie gespannt, während sie ein kleines Stück von ihrem Schnitzel aß. Als sich die Augen ihres Gegenübers weiteten, nahm sie einen Schluck aus dem Champagnerglas, das neben dem Teller stand.

»Ist dir nicht gut?«, fragte Vindicta und der Klang ihrer Stimme ließ erahnen, dass sie sehr wohl wusste, dass es Angelina nicht gut ging. Hastig griff die Frau nach ihrem Champagnerglas. Die Verzierung am Glasrand, auf die Vindicta besonders stolz war, beachtete sie nicht. Sie trank den Champagner und ließ das Glas fallen. Ihre Hände fuhren an den Hals.

»Ich kriege keine Luft! Mein Spray!«, stammelte sie. Vindicta blieb ruhig sitzen und nahm einen Schluck aus ihrem Glas.

»Weißt du noch, wie du mich einmal gezwungen hat, eine Jägersoße zu essen und ich an den Pilzen fast erstickt wäre, weil ich eine Allergie gegen Pilze habe?«, fragte Vindicta und lächelte die Frau, die nach Luft schnappte, an. »Nun weißt du, wie ich mich gefühlt habe«, fügte sie hinzu. »Meinst du nicht auch, ich sollte das Rezept für die Panade aus Haselnussmehl veröffentlichen? Diese Deko am Glas aus gemahlenen Haselnüssen ist genial, oder?«

Vindicta nahm den letzten Schluck aus dem Glas, als die Frau vom Stuhl sackte. »Nun gut, für Haselnussallergiker wie dich vielleicht nicht!«

»Sie müssen auf jeden Fall Kündigungsschutzklage einreichen«, empfiehlt mir der Leistungsberechner im Arbeitsamt. Zu dem hat mich Frau Müslioutfit geschickt. Er passt wirklich gut zu ihr, ich frage mich, ob sie ein Paar sind. Beide in Dritte Welt-Laden-Mode. Er trägt Birkenstocks, die ich zu Gesicht bekomme, als er aufsteht, um für mich Arbeitslosengeld zu erkämpfen, denn: »Wenn Sie Kündigungsschutzklage einreichen, bekommen Sie Ihren Arbeitsplatz vielleicht zurück, solange sind Sie nicht arbeitslos, haben also keinen Anspruch auf Leistung des Arbeitsamtes.«

So einfach ist das. Aber nicht mit mir.

»Und wovon soll ich leben?«, will ich wissen und zeige ihm meine weiß blinkenden Zähne. Zusammen mit meinen funkelnden, braunen Augen, die durch die Kurzsichtigkeitsgläser riesig wirken, flößen sie ihm wohl Angst ein.

Er fängt jedenfalls an zu stottern, steht in seinen Birkenstocks auf und huscht ins Nachbarbüro. Er wirkt geradezu erleichtert, als er mir nach seiner Rückkehr mit einem zuversichtlichen Lächeln mitteilt, dass ich natürlich Geld bekäme, dieses allerdings von einer Abfindung eventuell abgezogen würde und wenn ich wieder eingestellt würde, müsste ich es selbstverständlich zurückzahlen.

Aha! Ich darf also den Anwalt zahlen und das Arbeitsamt kassiert.

Der Leistungsberechner empfiehlt mir eine Anwältin gleich um die Ecke und vereinbart einen Termin für mich. Ob er dafür eine Provision erhält? Steuerfrei. Aber vermutlich geht es vielen wie mir. Sie sind einfach froh, dass sie nicht nach einem Anwalt suchen müssen.

Im Büro der Anwältin empfängt mich neben einer fülligen Mittfünfzigerin ein riesiger Hund, der sich sofort vor die Tür wirft, als ich Platz genommen habe. Ich werde den Verdacht nicht los, in einer Falle zu stecken.

Immerhin nimmt Frau Anwältin mir erst einmal die Grundlage für meine nächtlichen Alpträume seit dem Eisberg-Day.

Ich wache oft schweißgebadet auf, weil ich geträumt habe, dass ich vor dem Eisberg auf dem Boden kriechen muss, um ihm meine Arbeitskraft anzubieten.

Früher war das so. Da musste man im Betrieb erscheinen und erklären, dass man arbeiten will. Das wurde abgeschafft. Wenigstens etwas Positives in dem ganzen Schlamassel. Eine entsprechende Mitteilung eines Anwalts reicht.

Gleich stelle ich mir den Eisberg als Regenwurm vor, den ich genüsslich mit dem Fuß zermalme. Nicht barfuß natürlich, da müsste ich ihn berühren. Ich leihe mir so richtig schöne Springerstiefel. Bestimmt gibt es einen Springerstiefelverleih, in der man die leihen kann. Mit diesem Stiefel werde ich genüsslich auf den Eisbergwurm treten und nichts spüren, er dafür umso mehr.

Ein bisschen peinlich wird mir sein, wenn ich den Stiefel ungeputzt zurückgebe. Das gehört sich natürlich nicht. Aber schon die Vorstellung, dass ich seine Reste von der Sohle abkratzen müsste, sorgt für Unruhe in meinem Magen. Leider gelingt es mir nicht, die Mordfantasien ins nächtliche Traumland zu retten.

Stattdessen sehe ich mich in der Fußgängerzone auf der Kuscheldecke aus meiner Kindheit sitzen. Wie dieser Klarinettenspieler, der ständig völlig falsch das Loreley-Lied spielt. Neben mir in Ermangelung eines Hundes mein grüner Plüschfrosch, vor mir die Blechdose mit einer Katze auf dem Deckel, die ich von Johannes zum letzten Geburtstag bekommen habe. Wenn jemand Geld hineinwirft, klingt sie blechern. Aber es fällt kein einziger Cent in die Dose.

Die Menschen gehen vorbei und sehen mich verächtlich an; wenn mehrere gemeinsam an mir vorbeihasten, höre ich wie sie sagen: »Die soll es mit Arbeit versuchen«.

An der Stelle wache ich stets auf und grüble, was ich tue, wenn ich keinen Job finde.

Ich habe eine Liste gemacht mit positiven und negativen Eigenschaften, mit Stärken und Schwächen.

Das habe ich in dem Buch Kündigung – Ihre Chance gelesen. Na, den Autoren geht es gut. Sie haben an meinem Kauf ihres Buches schon etwas verdient.

Wenn ich über den Eisberg und die Möglichkeiten, ihn umzubringen, nachdenke, überlege ich mir manchmal, ob ich mich vielleicht freiberuflich als Profikillerin verdingen soll.

So ein Quatsch: freiberuflich. Es wird keine Killer-Agentur geben oder Töten als Franchisesystem. Eigentlich eine Marktlücke. Sicher gibt es viele Leute, die jemanden umbringen möchten und nicht wissen, wie sie das machen sollen.

Vielleicht sollte ich eine Mordberatungsstelle eröffnen. An der Idee werde ich weiterarbeiten.

Och nee, nicht schon wieder dieses elende Telefon.

»Ja«, knurre ich in das eingebaute Mikrofon des modernen Gerätes, von Sprechmuschel kann man da nicht reden.

Am liebsten hätte ich nicht abgenommen, aber vielleicht bietet mir jemand einen Job an oder verkündet, dass ich eine Million im Lotto gewonnen habe.

Nicht einmal das kann einem heute noch passieren.

Die Lottozentrale weiß nicht, wer genau gewonnen hat. Man ist nur ein anonymer, codierter Einzahler und jeder kann mit dem Einzahlungsbeleg den Gewinn abholen. Da ist der Kriminalität Tür und Tor geöffnet.

»Frau Junker, sind Sie das?«

Ist das nicht die gelegentlich sexy klingende Stimme meines zweiten zukünftigen Mordopfers?

»Karsten Denker, bitte legen Sie nicht auf!«

Was bildet der sich eigentlich ein? Wieso wagt er es, hier anzurufen? Weiß er nicht, dass er die Nummer Zwei auf meiner Tötungsliste ist?

»Ich wollte mich für meinen gestrigen Anruf entschuldigen.«

Was ist das jetzt für eine Masche? Wenn, müsste ich mich entschuldigen, weil ich das Gespräch abgebrochen habe.

»Selbstverständlich steht Ihnen unser Forum rund um die Uhr für beliebig lange Beiträge zur Verfügung. Ich dachte nur, eine eigene Website ist manchmal für Bewerbungen ganz nützlich.«

Ist das jetzt eine Falle? Er hat nicht Unrecht, das muss ich leider zugeben. Den Hinweis habe ich in einem der schlauen Bewerbungsratgeber gelesen.

»Störe ich Sie gerade?«

Nanu, plötzlich so fürsorglich? Was ist nur in den Mann gefahren? Interessiert er sich etwa für mich?

»Wissen Sie, Frau Junker, ich war selbst einige Monate arbeitslos.«

Oho, jetzt wird er persönlich. Diese jungen Verkäufer von heute schrecken vor nichts zurück. Ob das stimmt?

Mir ist bisher kein Mensch begegnet, der arbeitslos war und dann wieder einen Job gefunden hat.

»Echt?« Ein bisschen Neugier kann ich zeigen, das wird meinem Image nicht schaden. Und wer weiß, was daraus wird.

»Ja. Meine Firma hat damals pleite gemacht und ich hatte plötzlich keinen Job mehr. Das war schrecklich. Ich hatte mich bis dahin nur über die Arbeit definiert. Meine Frau hat sich deswegen scheiden lassen.«

Aha, er ist geschieden, also vermutlich nicht mehr ganz so jung. Gut zu wissen.

»So schlimm wie Sie Ihre Kündigung in dem Forum schildern, war es bei mir nicht, aber den ganzen Arbeitsamts- und Gerichtskram musste ich auch hinter mich bringen. Ich war in meiner früheren Firma für die Internetprojekte zuständig, deswegen lag die Idee einer eigenen Website natürlich nahe. Bei Bewerbungsgesprächen ist das immer gut angekommen. Daher wollte ich Sie auf unser Angebot aufmerksam machen.«

Ich sage erst einmal nichts. Gemeinsames Schweigen ist oftmals der Anfang einer wunderbaren Beziehung.

»Ich könnte Ihnen bei der Erstellung der Seite helfen.«

Hoppla, ganz schön zielstrebig der Herr. Vermutlich hat er nur Mitleid mit mir.

»Überlegen Sie es sich. Schauen Sie sich einfach meine Seite an: www.karsten-denker.de, dort finden Sie auch meine E-Mail-Adresse.« Schaden kann ein Blick auf die Seite nicht.

 

»Das ist aber nett, vielen Dank«, verabschiede ich mich. Vielleicht mit einem bisschen zu viel Überschwang in der Stimme, das ärgert mich. Deshalb lasse ich den Zettel mit seinem Namen an der Wand mit den Mordarten hängen. Sicher ist sicher!

7 - Gassi gehen

»Kommst du wohl!« Vindicta zerrte an der Leine, an der sie einen Mann hinter sich her zog.

»Still!«, fauchte sie den Mann an, der versuchte, durch seinen Maulkorb, etwas zu sagen. Dabei trat sie ihm in die Seite, wie sie es gesehen hatte, als er mit seinem Border-Collie unterwegs gewesen war.

»Dir werde ich zeigen, was es heißt, einen Hund zu misshandeln«, schimpfte Vindicta und zog an der Leine, die sich um die Kehle des Mannes schlang. Erneut trat sie ihm mit den Springerstiefeln, die sie sich von einem Bekannten geliehen hatte, in die Seite.

Der Mann röchelte wie ein Hund, dem das Halsband die Kehle zuschnürt.

»Auf das Halsband habe ich verzichtet«, erklärte Vindicta dem Mann, der sie fassungslos anstarrte. Wann immer er mit der Hand nach der Leine griff, trat Vindicta gegen die Hand, den Arm, das Ellbogengelenk. Der Mann schaffte es nicht mehr, sich auf allen Vieren zu halten, einer der Arme knickte immer ein und die Beine konnte er nicht bewegen. Vindicta hatte sie mit Packband zusammengeschnürt.

Vindicta zog an der Leine, fester und immer fester, bis der Mann zusammenbrach. Sie wickelte die Leine um seinen Hals und wartete, bis er nicht mehr atmete. Erst dann holte sie die kleine Champagnerflasche, die sie sich kartonweise schicken ließ, zusammen mit einer Sektschale aus der Tasche, goss das Glas voll und trank es genüsslich mit einem Blick auf den Mann in einem Schluck leer.

Ich wache schweißgebadet auf und wundere mich, dass ich nicht wie in meinem Traum quer im Sessel sitze, dass meine Beine nicht über eine Seitenlehne hängen.

Wieder war es der Eisberg mit seinen Mannen, meinen ehemaligen Kollegen, diesen feigen Würmern, die sich nicht einmal bei mir gemeldet haben, der durch meinen Traum spukte.

Ich befand mich allein in einem dunklen Raum. Die Gesellschaft, zu der ich gehörte, hatte sich in einen Speisesaal begeben. Vorher hatte man auf den Einstieg des Eisbergs angestoßen. Mit 68 – so alt ist er nicht! – sei er sehr rüstig und man freue sich über seinen Eintritt in das Unternehmen. Das sagte eine etwa 40 Jahre jüngere Frau in einem Cocktailkleid, die als erste mit ihm anstieß.

Ich wurde nach vorn geschubst, um ebenfalls mein Glas auf ihn zu erheben. Als ich vor ihm stand, traten alle zurück, sodass ich seinen Frostaugen ganz allein ausgesetzt war. Er sah mich an, als ob er mich versteinern wollte.

Wenig später löste sich die Dornröschenstarre, in die alle bei dem Blickwechsel verfallen waren. Die anderen gingen in den Speisesaal. Ich blieb zurück und betrachtete die Bücher, die wie aus dem Nichts in hohen Wandregalen auftauchten.

Eines erinnerte mich an ein Notizbuch aus meiner Kindheit. Ich nahm es und schlug es auf. Es war mein Heft. Ich hatte darin als Kind aus Zeitschriften und Büchern Sprüche und Gedichte gesammelt. Ich blätterte es durch. Meine Augen blieben an einem Gedicht hängen. Als ich die Überschrift las, brach ich schluchzend in dem Holzsessel zusammen. »Zerstöre nicht für einen Traum den Regenbogen.« Es läutete grell, obwohl alle anderen schon im Speisesaal waren.

Erst nach einigen Sekunden wird mir klar, dass das Läuten nicht in den Traum gehört, sondern in die Wirklichkeit. Die Türklingel.

Ich rolle mich aus dem Bett und blicke durch den Spion in der Wohnungstür. Ein Mann! Soll ich aufmachen?

Noch habe ich keinen Ersatz für Johannes, ob das mit Karsten Denker je etwas wird, ist fraglich.

Ich greife das nächstbeste T-Shirt. Erst vor dem Spiegel bemerke ich, dass es das viel zu kurze Hemdchen ist, das ich nur zu Hause anhabe und nur, wenn ich allein bin.

»Ich komme«, rufe ich über den Flur, während ich versuche, mein traumverheultes Gesicht mit Puder herzurichten.

Der Mann vor der Tür wird ungeduldig, er klingelt Sturm.

»Guten Tag.« Ich öffne die Tür und begrüße ihn so freundlich wie möglich.

»GEZ!« Der Typ hält mir einen Ausweis hin, der auf den ersten Blick offiziell aussieht.

Ob ich ihn mir genauer ansehen soll? Aber ich habe mir nichts vorzuwerfen. Seit meinem Streit mit der GEZ nach dem Studium, als man mir Fernsehgebühren für einen nicht funktionierenden Anschluss abknöpfen wollte, habe ich meine Gebühren immer brav bezahlt. Ich genieße oft das Gefühl, beim Fernsehspot für die GEZ einfach abzuschalten.

»Wir prüfen, ob Sie Ihre Rundfunk- und Fernsehgeräte angemeldet haben«, erklärt der Mann und bewegt sich keinen Millimeter von meiner Fußmatte weg.

Ein bisschen Abstand könnte er wahren. Ob ich den Ausweis doch kontrollieren soll?

»Sie stehen nämlich auf unserer Liste derjenigen Bewohner dieses Hauses, die keine Geräte angemeldet haben!« Sein Lächeln verzieht sich für mich zu einer Fratze.

Wie bitte? Seit Jahren drücke ich vierteljährlich zig Euro ab, nur damit davon ein solch unverschämter Knilch bezahlt wird.

»Das muss ein Irrtum sein«, knirsche ich zwischen den zusammengebissenen Zähnen hervor. »Ich kann Ihnen gerne den letzten Kontoauszug zeigen und die GEZ-Nummer habe ich natürlich auch griffbereit.«

Ohne auf seine Antwort zu warten, knalle ich ihm die Tür vor der Nase zu. Pech für ihn, dass meine Fußmatte so dicht an der Tür liegt.

Zum Glück habe ich eine Liste aller Kundennummern. Für den Notfall, falls mir etwas zustößt.

Umgehend halte ich dem Spürhund die Liste unter die Nase.

»Bitte sehr!« Ich lege alle Arroganz, zu der ich fähig bin, in Worte und Geste und wedele nebenbei mit dem Kontoauszug.

»Ich rufe gleich mal an, wie ist die Teilnehmernummer«, sagt er und klingt weniger selbstbewusst als zuvor.

Teilnehmernummer heißt das bei der GEZ. Weil ich damit teilnehmen darf am großen Wiederholungsspektakel der öffentlich-rechtlichen Sender.

Der Wicht wiederholt Zahl um Zahl für seinen Gesprächspartner am anderen Ende der Mobiltelefonleitung.

Bei jeder Ziffer scheint er um einen Zentimeter zu schrumpfen.

»Tja«, sagt er dann, während er sein Hightech-Handy zusammenklappt, »das scheint wohl ein Missverständnis zu sein.«

So! Missverständnis? Mein Blick durchbohrt ihn und er schrumpft auf die Größe eines Gartenzwergs zusammen.

»Wir hatten Sie mit Hausnummer 15i in unserer Datenbank statt mit 151. Auf Wiedersehen.«

Den Abschiedsgruß nehme ich kaum wahr, weil er von weit unten kommt, als er sich zum Aufzug trollt.

Bei der Vorstellung, wie der Winzling versucht, an den Aufforderungsknopf für den Aufzug zu kommen, überfällt mich Heiterkeit.

Kichernd ziehe ich mich zurück in die Wohnung, nicht ohne vorher einen Blick auf das GEZ-Wesen zu erhaschen, das hüpfend versucht, den Knopf zu erreichen.

Ich vertreibe den Wicht aus meinen Gedanken und springe unter die Dusche. Nach der zweiten Tasse Kaffee mache ich mich an meine selbst gewählten Pflichten. Heutige Aufgabe: Schubladen aufräumen.

Jeden Tag ein Erfolgserlebnis, das habe ich mir vorgenommen.

Das Verwandeln eines GEZ-Spions in einen winselnden Zwerg zählt allerdings nicht dazu.

Vielleicht sollte ich den Eisberg verhexen. In eine Laus, die jemand zerquetscht, oder einen Marienkäfer, den einer zertritt. Besser in eine Maus, mit der eine Katze spielt, ehe sie sie mit Genuss verspeist.

Voodoo, das ist es überhaupt. Ich bastele eine Voodoo-Puppe und steche täglich einmal in einen Körperteil.

Eine Freundin hat mir erzählt, dass man in der Karibik solche Puppen von der Stange kaufen kann. Man muss sie nur mit einem Haar der Person, die man verhexen will, bestücken und schon kann der böse Zauber beginnen.

Aber ich habe nichts von der Eisberglaus. Nicht einmal ein Foto.

Halt! Gut, dass keiner mein teuflisches Grinsen sehen kann.

Der Eisberg hat selbst darauf bestanden, im Internet von Youth Paradise mit einem Foto zu erscheinen. Mit Engelszungen habe ich versucht, ihm das auszureden, weil ich fand, ein alter Mann auf der Startseite könnte die Kids abschrecken.

Wenn ich einen Wunsch äußere, dürfen Sie ihn als Befehl ansehen, war seine Antwort. Merken Sie sich das, hat er hinzugefügt, vermutlich als Drohung, die ich nicht erkannt habe.

Ich glaube, dass diese Fotostory nur ein winziger Vorgeschmack auf das war, was mir bevor gestanden hätte, wenn ich noch dort wäre.

Gut, dass er sich auf diese charmante Art durchgesetzt hat. Ich werde einige Fotos ausdrucken und dann in die Stadt fahren, um mir ein Dartspiel und ein Buch über Voodoo zu beschaffen.

Dabei kann ich aus der Videothek den Horrorfilm mitbringen, den ich im Rahmen eines Seminars gesehen habe. Darin wurden unzählige ekelige Todesarten gezeigt. Bestimmt finde ich dort schöne Anregungen.

Das Telefon klingelt, nachdem es für einige Stunden erstaunlich ruhig war.

»Hey, Kerstin«, meldet sich meine Freundin Ulrike. Die hatte ich ganz vergessen, sie wollte doch gestern zurückrufen.

»Sorry, dass ich gestern nicht telefonieren konnte, aber du hast Sven und mich in einem wirklich heiklen Moment erwischt«, säuselt sie.

Sven? Leide ich unter Gedächtnisverlust. Ulrikes Freund heißt Peter.

»Ach, Häschen«, zu den liebenswürdigen Eigenschaften meiner Freundin gehört, dass sie sich die tollsten Kosenamen für ihre Umgebung ausdenkt. »Ich habe mich von Peter getrennt. Am Montag, das habe ich dir erzählt.«

Hallo, Ulrike! Am Montag hat mich der Eisberg rausgeworfen, da habe ich mich für deine Lovestorys nun wirklich nicht interessiert, denke ich, sage aber nichts, um nach dem Job nicht noch die beste Freundin zu verlieren.

»Na, jedenfalls sind Sven und ich anschließend Essen gegangen und dann Tanzen, ehe wir weiter gemacht haben.«

Ich verzichte darauf zu fragen, womit sie weitergemacht hatten.

»Aber weshalb hast du denn angerufen?«

Ach, Madame hat auch schon gemerkt, dass es außer Männern mit ihren besonderen Körperteilen andere Menschen gibt.

»Das weiß ich nicht mehr«, gebe ich genervt zurück.

Ich finde, in einer solchen Krisensituation wie meiner, könnte sich die beste Freundin etwas intensiver um mich kümmern.

»Soll ich vorbeikommen?«

Wieso? Muss Sven arbeiten?, hätte ich am liebsten gefragt.

»Ich bin auf dem Weg in die Stadt«, erkläre ich ihr, aber sie lässt nicht locker. »Dann lade ich dich zu einem Cappuccino ins Café Village ein«, bedrängt sie mich.

Eine tolle Idee, wenn sie mir nicht einen kleinen Vorgeschmack auf zukünftige Zeiten gegeben hätte, in denen ich mir nicht einmal einen Cafébesuch werde leisten können.

Aber vielleicht fällt mir mit ihr zusammen ein, wie ich an einen neuen Job kommen kann. Dank ihrer wechselnden Männergeschichten kennt sie ein paar Leute mit Einfluss.