In Hagen mordet es weiter

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In Hagen mordet es weiter
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Birgit Ebbert

In Hagen mordet es weiter

Kurzkrimis

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Ein Wort vorweg

In aller Stille

Urlaubsvertretung

Vom Himmel hoch

Bonus-Rätsel-Krimi »Blut in der Volme«

Leseprobe »Mord in der Volme«

Die Autorin

Impressum neobooks

Ein Wort vorweg

Als ich vor Jahren nach Hagen zog, hatte ich die Idee für einen Kriminalermittler. Ich glaube, der Gedanke kam mir, als ich frühmorgens durch den Volkspark ging und sah, wie sich auf den Bänken rechts und links Menschen in Schlafsäcken räkelten. Daraus hat sich die Figur Gerd Neubert entwickelt, ein Ex-Kommissar, der nach einem schweren Schicksalsschlag auf der Straße gelandet ist. Seinen kriminalistischen Instinkt kann er jedoch nicht abschalten und so stolpert er immer wieder über Leichen und hilft der Mordkommission die Täter zu ermitteln.

Die ersten drei Kurzkrimis über Gerd Neubert sind 2012 als E-Book bei Chichili-Satzweiss erschienen. In diesem E-Book habe ich die letzten Geschichten zusammengefasst, weil ich mich inzwischen einer neuen Ermittlerin in Hagen zugewandt habe. Gerd Neubert steht kurz davor, wieder in den Polizeidienst einzutreten. In dem Krimi "Mord an der Volme", den ich zusammen mit Mitgliedern einer Facebook-Gruppe geschrieben habe, merkt er, dass ihm die Tätigkeit fehlt, seit er auf der Straße lebt. Ob er sich zum Neustart durchringen kann oder nicht, wird sich zeigen. In jedem Fall sind dies die letzten Geschichten, in denen er von der Straße aus ermittelt.

In aller Stille

Gerd zögerte, als er den Buschey-Friedhof durch die Hauptpforte betrat. Er war lange nicht hier gewesen, früher hatte er sich hier oft einige Minuten Ruhe gegönnt, wenn es galt, besonders schwere Fälle zu lösen. Diese Ruhe, diese Mischung aus gestern und heute, die alten Gräber und die modernen Fassaden, die über die Friedhofsmauern lugen. Nirgendwo schien ihm der Kontrast zwischen Leben und Tod so greifbar. Sollte er wirklich nach so langer Zeit diesen Schritt tun?

»Nun komm endlich«, zischte Klaus einige Schritte vor ihm.

Gerd grinste, als er seinen Straßenkollegen ansah. Klaus fühlte sich sichtlich unwohl in dem sauberen Hemd, das Gerd ihm aufgedrängt hatte. Wenn sie am Tag der offenen Hinterhöfe an die Fleischtöpfe wollten, mussten sie wie Gartentouristen aussehen.

Gerd gab sich einen Ruck, machte drei große Schritte und fädelte sich mit Klaus in die Gruppe ein, die den Rundgang durch Wehringhausens Hinterhöfe mit einer Führung auf dem Buschey-Friedhof beginnen wollte.

Einige Gräber-Reihen weiter fiel Gerd ein Mann in einer roten Jacke auf, die zwischen den alten Steinen und den großen Rhododendron hervorstach. Wer zerrte am Sonntagvormittag derart lieblos Grünpflanzen aus einem Grab? Aus mehreren Gräbern, wie Gerd verwundert bemerkte.

»Passen Sie doch auf!«, schimpfte eine Frau vor ihm, weil er nicht bemerkt hatte, dass die Gruppe vor dem Grab der Familie Osthaus stehen geblieben war.

»Verzeihung«, nuschelte Gerd und wollte sich wieder nach dem Mann in der roten Jacke umsehen, als die Frau halblaut sagte: »Mensch, Gerd!«

Gerd wandte den Kopf und erkannte Rosina, die Freundin seiner verstorbenen Frau.

»Du hast dich nicht mehr gemeldet«, flüsterte Rosina und zog verärgerte Blicke einiger Teilnehmer der Führung auf sich. Sie beachtete sie nicht.

Typisch Rosina, dachte Gerd. Er hätte sich wirklich nach dem Vorfall beim letzten Tag der offenen Hinterhöfe bei ihr melden können. Aber wie sollte er als Straßenbewohner den Kontakt mit einer Künstlerin pflegen. Ohne Telefon, ohne Internet, nicht einmal eine richtige Postadresse hatte er. Einfach klingeln? Das konnte er nicht.

Ein Schrei riss ihn aus den Gedanken. Gerd suchte die Frau, die ihn ausgestoßen hatte.

Eine schlanke blonde Frau mittleren Alters stand mit einer Kamera in der entgegengesetzten Ecke des Friedhofs. Dort, wo sich die Container für Abfälle und alte Grabsteine befanden.

Die anderen Teilnehmer beachteten die Frau nicht.

Sie waren fasziniert von den Erklärungen des Friedhofführers, der inzwischen über die Geschichte des Grabdenkmals der Familie Elbers sprach.

Die Blonde schrie noch einmal. »Ein Fuß!«

Gerd drehte sich um. Versehentlich stieß er Rosina an, die auf die Blonde aufmerksam wurde.

»Was hat Caroline denn?«, fragte sie und verließ die Gruppe.

Gerd versuchte, mit ihr Schritt zu halten.

Als sie sich dem Container näherten, erkannte Gerd die Pflanzen, die der Mann aus den Gräbern gerissen hatte. Schon von weitem konnte er den hellen Fleck sehen, der so gar nicht zu den Grünpflanzen und Schuttresten im Container passte.

»Rufen Sie die Polizei!«, befahl er der blonden Frau. Er wusste, ein scharfer Ton war das beste Mittel gegen Hysterie.

Die Frau zog auch sofort ihr Handy aus der Tasche, während Gerd die Grünpflanzen von dem Körper zerrte.

Um festzustellen, dass der Mann tot war, brauchte er keinen Gerichtsmediziner. Ein Lebender hätte sich die Decke aus frischen und halb verrotteten Pflanzen kaum gefallen lassen und die Blutlache unter dem Kopf, der schief auf einem Grabsteinrest lag, sprach Bände.

Ein Schauer lief über Gerds Rücken. Nicht wegen der Leiche, sondern wegen des zerbrochenen Grabsteins unter dem Mann. Er hatte sich noch nie Gedanken darüber gemacht, dass auch Grabsteine entsorgt werden mussten. In einem Müllcontainer wie diesem. Gut geeignet, um auch Leichen zu entsorgen. Aber diese Leiche konnte nicht lange dort liegen.

Gerd erkannte die Blumen, die der Rotjackige aus dem Beet gerissen hatte. Warum hat der den Toten eigentlich nicht bemerkt?, schoss ihm durch den Kopf.

»Verlassen Sie sofort den Friedhof!«, hörte er hinter sich eine strenge Stimme, die nur einem Streifenpolizisten gehören konnte.

Rasch warf er einen Blick auf den Toten. Er mochte ein Meter achtzig groß und um die vierzig Jahre alt sein. Die Kleidung wirkte altmodisch, fast so, als käme sie aus der Kleiderkammer, in der sich Gerd einkleidete. Ein Straßenkollege vielleicht? Auch nach vier Jahren kannte er noch nicht alle, die mit ihm Nacht für Nacht ein sicheres Plätzchen auf einer Parkbank suchten.

»Ist das nicht der fesche Sascha?«

Gerd hatte Rosina ganz vergessen, die sich um die Blonde mit der Kamera gekümmert hatte.

Ehe er nachfragen konnte, drängten seine uniformierten Ex-Kollegen ihn und Rosina: »Weg vom Tatort!«

Gerd kannte den jungen Polizisten nicht und ging er lieber. Er würde schon noch eine Gelegenheit bekommen, die Hintergründe zu erforschen.

Die Gelegenheit ließ nicht lange auf sich warten. Gerd stand mit Klaus am Erzählcafé, wo die Führungen durch die Hinterhöfe beginnen sollten. Es schien ihm besser zu sein, sich unter die Gartentouristen zu mischen, als allein mit Klaus von Hof zu Hof zu ziehen. Womöglich gab es doch einige, die sich an den Vorfall mit der Backstube aus dem letzten Jahr erinnerten.

Rosina hatte ihm erzählt, dass der fesche Sascha bis vor kurzem eine Karateschule besessen hatte. Als die Konkurrenz zu groß wurde, musste er sie schließen. Niemand wusste, was er heute tat, außer mit einem sehr teuren, sehr auffälligen Auto durch Wehringhausen zu fahren.

»Komm, Gerd, es geht los!« Klaus zerrte an seinem Ärmel. Tatsächlich bogen die ersten Teilnehmer der Führung schon in die Mauerstraße ein.

Gerd wollte sich gerade der Gruppe anschließen, da fuhr ein rotes Auto an ihm vorbei. Aus den Augenwinkeln bemerkte er eine schwarze Figur auf der Beifahrertür. Dasselbe Emblem hatte er auf der roten Jacke des Mannes auf dem Friedhof gesehen.

»Manchmal sind unaufmerksame Fußgänger doch nützlich«, murmelte Gerd.

Der rote Wagen musste anhalten, weil einige Nachzügler für die Führung auf die Straße liefen.

Gerd konnte die Adresse auf der Heckscheibe lesen. Er zuckte zusammen. Diese Adresse kannte er. Direkt daneben lag der Kindergarten seiner Kleinen. Daran wollte er nicht denken. Vielmehr interessierte ihn, ob der Mann mit der roten Jacke etwas mit dem Toten zu tun hatte.

»Ich muss was prüfen«, sagte er laut zu Klaus, der ihn verwirrt und unsicher ansah. »Tu einfach so, als kämst du aus dem Pott und wolltest dir die Gärten ansehen«, empfahl Gerd seinem Straßenkollegen. Er verstand ihn gut. Obwohl er darauf achtete, dass man ihm nicht ansah, dass er weder Bett noch Bad besaß, fühlte er sich oft unwohl unter denen, die ein Dach über dem Kopf hatten. »Ich bin gleich wieder da!«, ermunterte Gerd Klaus, dann ging er mit großen Schritten die Lange Straße hinunter.

Er kam nicht weit, da hielt ein dunkelblauer Wagen neben ihm.

»Hey, Gerd!«, rief ein Mann durch das geöffnete Beifahrerfenster. »Wieso hast du denn nicht auf uns gewartet?«

»Hey, Andy!«, gab Gerd zurück und fragte sich, wieso sein ehemaliger Kollege wusste, dass er auf dem Friedhof gewesen war. Hagen war kleiner, als viele es wahr haben wollten.

 

»Hast du keine Lust, uns bei den Ermittlungen zu helfen?« Der Mann öffnete einladend die Beifahrertür. »Wir haben schon die erste heiße Spur. Der Tote ist den Kollegen nämlich gestern aufgefallen. Da hat er vor einem Haus randaliert. Seine Frau hat ihn vor die Tür gesetzt, weil sie einen neuen hat. Das hat ihm wohl den Rest gegeben.«

Das konnte Gerd gut nachvollziehen. Betrieb weg, Frau weg, nicht gerade das, wovon ein Mann träumte. Ein Porsche konnte eben nicht alles aufwiegen.

»Und jetzt denkt ihr, seine Frau war's?« Gerd dachte an den Mann in der roten Jacke.

»Sicher sind wir uns noch nicht. Aber es spricht vieles dafür, dass sie ihm eins übergebraten hat, um ihre Ruhe und seinen Porsche zu kriegen.«

»Und dann hat sie ihn auf den Friedhof geschleppt?« Das konnte Gerd nicht glauben. Der Kopf und der Grabsteinrest hatten zu gut zusammengepasst. Wie zwei Puzzleteile.

»Die wohnt in der Grünstraße, das ist ja nicht weit.« Andys Antwort klang fast ein wenig trotzig.

Gerd verkniff sich ein Schmunzeln, er kannte das zur Genüge. Man hatte einen Verdacht, es gab deutliche Hinweise und dann kam jemand und stellte nervige Fragen.

»Du lass mal«, beendete Gerd das Gespräch. »Ich schlage mir heute den Bauch so richtig voll. In der Bismarckstraße soll es sogar Gegrilltes geben. Kulinarische Genüsse, stand in der Zeitung.« Er schlug die Beifahrertür zu. »Bis dann!«, verabschiedete er sich und ging weiter.

In seinem Kopf ratterte es. Andy hatte nichts von dem Mann in der roten Jacke gesagt. War er der einzige, dem der Mann aufgefallen war? An der Führung nahmen mindestens dreißig Leute teil.

Die Menschen achten einfach nicht darauf, was um sie herum geschieht, dachte Gerd.

Aus dem Hinterhof, den er passierte, erklang Musik. Gerd kämpfte mit sich, ob er einkehren sollte, im Programm hatte er gelesen, dass Stefan Otto live singen und spielen würde. Doch dann siegte seine Neugier auf diesen Mann mit der roten Jacke. Warum hatte er an einem Sonntagmittag Pflanzen aus den Gräbern gerissen? Um den Toten zu verstecken? Alles andere ergab keinen Sinn.

Wenige Minuten später entdeckte Gerd ein rotes Schild mit einem Pfeil und dem stilisierten Karatekämpfer, den er von der Jacke und vom Auto kannte. Er folgte dem Pfeil und fand sich in einem Hinterhof wieder.

Links stand eines dieser Gartenhäuser, die man in jedem Baumarkt kaufen konnte. An einer Stelle sah es schwarz aus, als hätte jemand mit Feuer daran herumgespielt.

Der Mann mit der roten Jacke hantierte an der Tür und wandte Gerd den Rücken zu.

Rechts entdeckte Gerd einen ziemlich verwahrlosten Plastiksandkasten, in dem ein Junge saß. Beide Hände verbunden. Vor ihm lag ein Skateboard oder das, was von einem Skateboard übrig geblieben war. Eher war es ein schwarzes Etwas mit vier Klumpen an den Stellen, an denen Skateboards Rollen haben.

»Hallo!«, sagte Gerd aufs Geratewohl und hoffte, dass der Junge nicht weglaufen oder schreien würde. Er hatte keine Ahnung mehr von Kindern.

»Hallo!«, antwortete der Junge. Er legte den Kopf schief und sah Gerd neugierig an. »Willst du Karate lernen?«, fragte er.

Gerd lachte. »Um Himmels Willen, nein!«, entgegnete er. »Ich wollte mir nur euren Hinterhof anschauen.«

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