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Die rote Schlange

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»Ich bin – Arsinoe. Genügt Dir das schon nicht mehr?«

»Doch, doch! Aber —«

Sie flog mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu.

»Was denn »aber«?! Du Pedant! Muß denn auf jedem Glück das Kreuzzeichen stehen?! Kannst Du denn nicht genießen ohne zu grübeln, zu beten?! Komm’ her, ich will Dir’s lehren! Deine blonde Jugend thut mir leid.«

Sie schloß ihm die Zweiflerlippen mit den süßesten Küssen.

Wenn er aber auch küßte, so dachte er doch mit der Beharrlichkeit des gläubigen Christen weiter. Mitunter stieg es ihm auf, daß seine Liebste am Ende doch ein Höllenspuk sein könnte. Wenn er dann der schönen Ruhe gedachte, mit der sie das Kreuzzeichen ertragen, wurde er wieder ruhig. Geflissentlich sprach er öfters mit ihr von kirchlichen Sachen. Sie antwortete klug, ein wenig skeptisch. Als er immer und immer wieder auf heilige Dinge kam, wurde sie schließlich ungeduldig:

»Kannst Du denn gar nicht davon loskommen Cäsar?«

»Loskommen? Wovon?!«

»Von all der Heiligkeit und all dem Christentum?!«

Er sah sie betroffen an. Des Apostaten Blut floß in seinen Adern; – darum fand er die Frage nicht gar so frevelhaft, wie sie ihm eigentlich hätte erscheinen müssen. Ihre Worte rührten an etwas, was lichtscheu auf dem Grund seiner Seele lag. Der Apostat hatte ihm nicht seine Kraft vererbt, aber seine Art.

»Arsinoe!« stammelte er, »weißt Du denn, was Du da sagst?!«

»Ich weiß es.« Ihn mit einem großen Blicke ansehend, sprach sie, wie schon einmal: »Ein Träumer bist Du, kein Woller! Deine Sehnsucht hat mich hergezogen – Dein Wille wird mich gehen heißen!«

»Nie, nie!« rief er leidenschaftlich »Nie werd’ ich Dich von mir lassen! Darum eben möcht’ ich ja wissen, wie es mit Deiner Seele steht. Ich möchte, daß gar nichts Fremdes mehr zwischen uns sei! Du mußt mir ein und alles sein, ich könnte nicht mehr leben ohne Dich!«

Was er ihr da beteuerte, war keine Lüge. Er war fest entschlossen, sie nie mehr von sich zu lassen. Er dachte sogar daran, sie zur Kaiserin zu machen. Wohl war die schwäbische Herzogstochter mit einem kleinen Hofstaat in Konstantinopel eingetroffen, aber sie sah so unentwickelt, ja kindlich aus, vertrug das fremde Klima so schlecht, daß die Kaiserinmutter selbst es für gut befunden hatte, die Hochzeit noch für ein Jahr zu verschieben. —

Der Arsinoe Namen nannte Keiner am Hofe laut. Alle aber flüsterten ihn mit dein gleichen Groll. Arsinoe war’s ja, die den zärtlichen Kaiser der Braut entfremdete, die dem frommen Kaiser Ketzerfragen, dem schwachen Kaiser Heidenträume eingab. Fürstliche Frauen, verbissene Pfaffen, kronenlüsterne Feldherren vergaßen der Streitigkeiten, die sie sonst wohl entzweit, fanden sich in angstvollem Haß gegen die Frau, welche es wagen wollte, aus der Kaiserpuppe einen Kaisermenschen zu machen. Bald tauchte, von gefälligen Höflingen ersonnen, das Gerücht auf, Arsinoe sei eine Zauberin. Am Hofe wie vom Volke wurde es leicht geglaubt, denn Keiner wußte, woher Arsinoe gekommen war. Man sah nur den Bann, in dem sie den Kaiser hielt. Er, er hörte aus Keinen, der Schlechtes von ihr reden wollte. Um ihren Kiosk stellte er seine eigene Leibwache; – so konnte Keiner ihr ein Leids thun. Sie selbst fürchtete nichts. Stundenlang ging sie allein in Gärten wie in winkligen Gassen umher, aß Obst, Leckereien, die sie auf der Straße kaufte, obgleich der Kaiser sie vor Verkleideten Mördern und Giftmischern warnte.

Sie lachte nur.

»Mir thut niemand etwas. Sie alle können mich nicht töten!«

Er verfärbte sich.

»Sprich nicht vom Sterben! Ich kann’s nicht denken, daß ich Deinen Tod sehen sollte!«

»Ich werde bei Dir leben, solange Du mich liebst!«

»Und ich werde Dich lieben, solange ein Atemzug in mir ist. Lieben werd’ ich Dich, – Allen zum Trotz!«

Sie sah ihn fest an.

»Allen zum Trotz?! Bist Du auch stark genug dazu? Ist da Keiner, dem sich Dein Wille beugen wird?«

Keiner, keiner!« rief er ungestüm. »Arsinoe, geliebte Seele, ich werde meine Worte bekräftigen, daß Du nie mehr daran zweifeln sollst. Auf unsre unwandelbare Liebe will ich morgen mit Dir in der Sophienkirche das heilige Abendmahl nehmen.«

Sie erwiderte nichts.

Er war etwas betreten.

»Du willst doch, Arsinoe?«

»Wenn Dir sehr viel daran liegt – gewiß! Aber bedenke wohl, was Du da eben gesagt: Dein Wille, Deine Liebe wird sich vor Keinem beugen!«

»Vor Keinem!« wiederholte er laut und fest.

Sein Herz atmete leichter an diesem Tage. Immer wieder waren ihm Zweifel gekommen, ob Arsinoe ihm den Kirchgang gewähren wollte . . konnte . . Ob sie nicht am Ende doch einer bösen Welt entstammte, welche die geweihte Schwelle nicht überschreiten durfte. Ihr Gewähren stimmte ihn froh. Wenn erst der Leib des Herrn sie miteinander verband, dann wollte er aus seiner schönen Geliebten seine schöne Kaiserin machen, – aller Welt zum Trotz! . . .

IV

Am anderen Tag schritten sie zur Kathedrale. Er im dunklen Mantel, sie im schlichtesten ihrer Gewänder, – er wollte nicht, daß sie erkannt würden. Es dunkelte leicht, als sie den mächtigen Bau betraten. Die Kirche war fast leer; vereinzelt kniete da und dort ein einsamer Beter. Vor zahlreichen Seitenaltaren brannten hohe Wachskerzen mit traurig-stillem Schein, als zieme sich’s nicht, hell und heiter zu flammen vor all den heiligen Bildern, die nur von Qual und Tod redeten – — Zwischen den Kerzen dufteten aus Kelchen und Schalen halbwelke Rosen.

Langsam schritt der Kaiser mit Arsinoe dahin, dem Hauptaltar zu. Dort wollte er zum Tisch des Herrn gehen:

»Mit Dir und unsrer Liebe!«

Sie hatte gelächelt und nichts erwidert.

Er ging häufig zur Kirche. Nie zuvor war ihm so seltsam zu Mute gewesen wie heute. Wie ein ewiges Raunen und Flüstern huschte es durch die Kirche. Und doch war sie leer, wechselten er und Arsinoe kein Wort Er sah sie an. Ihr Gesicht war ruhig. Ihre Augen sahen neugierig aus. Um ihre Lippen lag jener geringschätzige Zug, den er schon öfters an ihr bemerkt hatte.

Wenn ihr Kleid an einem der Beter mit leisem Rauschen vorüberglitt, hob jener wohl die Augen von den gefalteten Händen, sah ihr nach, konnte den Blick nicht mehr von ihr lassen. Das begriff der Kaiser wohl. Unbegreiflich, ja schauerlich aber dünkte ihm, daß das Leblose ringsum zu erwachen schien, seit Arsinoe die Kirche betreten hatte. Wo sie vorüberschritt, brannten die Lichter heller auf, streckten die Rosen sich aus ihren Kelchpokalen heraus. Die Augen der Heiligenbilder gingen ihr nach. Entsetzen rann durch all diese hageren, gefolterten Märtyrerleiber. Sie schienen aus ihren Rahmen heraus, nach dem Hauptaltar zu drängen, wo der gekreuzigte Christus hing. Zu zorniger Abwehr wollten sie sich um den sterbenden Gott versammeln. Der weiße Säulenwald begann zu klingen, zu ächzen. Wie von höchster Qual gepeitscht zitterten seine schlanken Schäfte, daß die weitbauchige Kuppel sich schwankend auf ihnen wiegte, jeden Augenblick krachend niederzustürzen drohte, in das marmorne Säulengewirr. Als der Kaiser mit Arsinoe vor den Hauptaltar trat, da gewahrte er, daß der Gekreuzigte aus verglasten Augen finster-drohend auf das blonde Weib von Cythere niedersah – —

Sie stand da, die Arme über der Brust gekreuzt. Kalten Auges betrachtete sie sein leidensvolles Gesicht. Nun legte sie ihre Hand aus des Kaisers Arm; – — wie eine Besitzergreifung. Mit stolzem Lächeln blickte sie zu dem zürnenden Christus empor. Sie maß ihre Macht mit der seinen – —

Den Kaiser packte ein Grauen.

»Arsinoe!«

»Cäsar!«

»Was thust Du da, Arsinoe?«

»Ich sehe das Bild an.«

»Hörst Du denn nichts, Arsinoe?«

»Nichts.«

»Siehst auch nichts?«

Sie war erstaunt. »Ich weiß nicht, was Du meinst?«

Seine Brust wogte.

»Arsinoe! Die Kirche ist in Aufruhr seit wir eintraten!«

Sie sah ihn an, ruhig, lange. Zuckte die Achseln:

»Du wolltest ja, daß ich mit Dir hierherkäme!«

»Also fühlst Du es auch —?«

»Was denn?«

»Daß alles ringsum lebt!«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich fühle nichts. Ich verstehe mich nicht auf die Welt, von der Du sprichst!«

Sie war so ruhig. daß er an sich selbst, an seiner Sinne Wahrnehmung zu zweifeln begann.

»Laß uns beten, Arsinoe, daß der Herr uns Unsere Irrtümer gnädig verzeihe!«

Er kniete nieder. Er sah ihr Lächeln nicht, mit dem sie aufrecht neben ihm stehen blieb, dem Hauptaltar ein wenig abgewandt. Kühl verwunderten Blickes betrachtete sie den Raum mit seinen flackernde Lichtern, seinen sterbenden Rosen, seinen erschrockenen Heiligen.

Der Kaiser herrschte sie an:

»Bete!«

Sie gehorchte, doch sie kniete nicht, flocht nicht die Finger ineinander. Aufrecht, mit erhobener Stirn, streckte sie die ausgebreiteten Hände wie beschwörend gegen den Christus hin. Ihre Lippen murmelten unverständliche Worte. Durch alle Kirchenfenster kamen Schwärme von Sperlingen und Tauben geflattert, scharten sich um sie, flogen ihr auf Arme und Schultern, daß sie dastand wie ein heidnisches Götterbild. Seiner kaum mächtig, starrte der Kaiser sie an. Jetzt verstand er auch, was ihre Lippen murmelten.

»Warum erschrickst Du vor mir? Bist Du nicht unser Besieger? Hast Du uns nicht gestürzt, verbannt?! Sieh’ mich an! Ich zittere nicht. Zur Flucht konntest Du uns zwingen, nicht zur Furcht. Ich trutze Dir, wie ich Deinem Zeichen von je getrotzt – —«

Die Augen des Gekreuzigten wurden immer drohender. Wutzittern schüttelte das Kreuzesholz. Mit einem jähen Ruck spannte er jetzt die festgenagelten Arme an; – Blut troff von den Wundmalen auf die Altardecke . . . Ein zweiter Ruck. Zur Faust geballt hob sich die durchlöcherte Hand gegen das blonde Weib – —

Der Kaiser schrie auf. Arsinoe neigte sich zu ihm.

»Cäsar, was ist Dir?«

»Rühr’ mich nicht an!«

Sie sah ihn erstaunt an.

»Willst Du nicht jetzt das Abendmahl nehmen?«

 

»Mit Dir?« Ungeheures Entsetzen sprach aus seiner Frage. »Mit Dir – nimmermehr! Du würdest die Hostie selbst verwandeln —«

Er stürzte aus der Kirche. Arsinoe folgte ihm langsamen Schrittes. Unter der Pforte blieb sie stehen, sah noch einmal zurück. Milder Abendsonnenglanz floß jetzt um die Heiligen her, verschönte die verzerrten Gliedmaßen, die wilden Blicke, welche auch noch der Scheidenden folgten. Sie machte eine nachlässig abwehrende Handbewegung; eine zornige Thräne blitzte in ihrem Auge.

»Laßt doch. Ihr habt ja recht behalten!«

Sie trat aus der Kirche, die alsbald in tiefes Dunkel versank.