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Die rote Schlange

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V

Der Kaiser lag einige Tage in heftigem Fieber. Der Leibarzt meinte, daß die Krankheit schon lange in ihm gesteckt, ehe sie zum Ausbruch kam. Der Kaiser glaubte ihm nur zu gerne. So hatte er die Schrecknisse in der Sophienkirche also gar nicht erlebt! Der Fieberwahn, der damals schon in ihm getobt, hatte sie ihm bloß vorgegaukelt – —

Mit keinem Menschen sprach er über jene wilden Phantasien Grauen überfiel ihn, wenn er nur daran dachte, ein Grauen, das keinem Vernunftgrund weichen wollte.

Er mied Arsinoe, mied sogar die Nähe ihres Kioskes. Scheu umschritt er ihn in weitem Kreis. Ihre Zärtlichkeiten saßen ihm aber noch tief im Blut. Eine Woche war verstrichen, seitdem er seine Geliebte nicht mehr umhalst. Eine zweite neigte sich ihrem Ende zu. Da konnt’ er’s vor Sehnsucht nicht mehr aushalten, lief hin zu ihr, warf sich stürmisch in ihre Arme. Mit einem jauchzenden Freudenruf umfing sie ihn. Sie hatte auf seine Rückkehr wohl nicht mehr gehofft – —

»Sei mir nicht böse, Arsinoe! . . . Ich war thöricht . . . krank —«

»Ich werde Dich gesund küssen, Du schwacher, unartiger, verwöhnter – ach, Du einzig geliebter Cäsar.« – —

Von jenem Kirchgang war nie mehr die Rede zwischen ihnen, doch die Erinnerung daran konnte der Kaiser nicht tilgen. Krankheitswahn und Wirklichkeit konnt’ er nicht mehr völlig auseinander halten. Die Geliebte war und blieb ihm unheimlich. Mitten in den heißesten Zärtlichkeiten packte es ihn. Er mußte an Christus denken, der sich vom Kreuze losgerissen . . . an die Blutstropfen, die auf die Altardecke gefallen waren . . . Wie er sich auch gegen sich selber wehrte, wie er sich einreden wollte, daß Fieberphantasien ihn damals genarrt, – das Grauen blieb.

Häufiger ruhte sein Blick jetzt auf der schwäbischen Herzogstochter. Wohl war sie hager und unanmutig wie ihr Bild, aber sie war fromm. Der ganze Hof rühmte ihre keusche Mädchenhaftigkeit, die niemals Nacken oder Arme fremden Blicken hüllenlos zeigen wollte. Sie war das Weib, das die Mutter ihm gewählt. Ein Weib, wie geschaffen zur sanften Gattin, zur frommen Fürstin. Sie konnte wohl kein berauschendes Glück geben, aber ein reines, schuldloses . . .

Wie der Kaiser sich einst gesehnt, einen geliebten Namen in den Meeressand zu kritzeln, so sehnte er sich jetzt nach jener kindlichen Seele. Bei ihr mußte Ruhe, Versöhnung sein. Die Kaiserin-Mutter würde nicht mehr mit verweinten Augen umhergehen, die Höflinge nicht mehr mit stummem Vorwurf oder mit ekelhaft-dienstbeflissener Kupplermiene. Frei, vor aller Welt, zur Freude aller Welt, würde er sein Weib lieben können. Frisch geprägt sollte sie des Lebens Wert aus seiner Hand empfangen. Den ersten lateinischen Hexameter wollt’ er ihr lehren, wie den ersten Kuß . . . Der Christus am Kreuz würde nicht zürnend, sondern wohlgefällig niederschauen auf diese milde Kaiserin – —

Arsinoe merkte wohl, wie es um ihn stand. Mit tausend neuen, erfinderischen Zärtlichkeiten versuchte sie den Fliehenden zu halten. Sie kämpfte einen harten, erbitterten Kampf mit Gewalten, die Macht über den Kaiser gehabt seit seinen Kindertagen. Er sprach nicht mit ihr über das, was in ihm vorging, gab ihr kein rauhes Wort. Sie fühlte dennoch, daß etwas Fremdes zwischen sie getreten war.

Zuweilen freilich schien’s, als ob der Kaiser versuchte, sich gegen dies Fremde aufzulehnen. In reuevoller Liebe kam er dann wieder zu Arsinoe zurück.

Sie streichelte seine Haare, küßte seine junge und doch so ernste Stirn.

Nie kam ein Wort der Klage, des Vorwurfs über ihre Lippen, nie weinte sie vor ihm. Wenn der Kaiser sie ansah, that sie ihm leid. Das Sieghafte, Strahlende war von ihr gewichen, ihr Gesicht blaß und ernst geworden. Wenn er sie länger ansah, verdroß ihn die müde Geringschätzung, die stärker als je um ihren Mund lag. Sie litt nicht wie ein Weib, das den Geliebten verliert. Sie trauerte wie eine Königin, der man das Reich zerstört – —

Diese unfrauenhafte Art, ihr Gefühl zu äußern, machte sie dem Kaiser immer fremder, unheimlicher. Ob seine Arme auch den Hals der Geliebten umschlangen, – seine Gedanken waren nicht bei ihr. —

VI

Die schwäbische Herzogstochter war viel krank gelegen seit ihrer Ankunft in Konstantinopel. Ihre Genesung hatte nur langsam Fortschritte gemacht. Als ihr der Leibarzt zum ersten Mal wieder einen längeren Spaziergang gestattete, bat sie den Kaiser, ihr seine Gärten zu zeigen, die sie noch nicht kannte. Er zögerte, ihrem Wunsche zu willfahren; er fürchtete eine Begegnung mit Arsinoe. Sie ließ nicht ab von ihrer Bitte. Zum Dank für ihre Genesung hatte sie ihrer Schutzheiligen versprochen, mit allen Kräften auf die Vertreibung jener Zauberin hinzuarbeiten, die den frommen Kaiser behext hatte. Darum wollte sie ihn endlich allein und lange sprechen. Die Kaiserin-Mutter wußte um das Gelübde, freute sich dessen. Sie redete dem Sohne zu, der kaum Genesenen den billigen Wunsch nicht abzuschlagen. Mit ein paar geheimen Winken verständigte sie die geleitenden Frauen, daß sie zur rechten Zeit klug zurückbleiben sollten.

Bald schritt der Kaiser allein mit dem fürstlichen Mädchen dahin. Entzückt lauschte er ihrem kindlichen Geplauder; er begriff nicht mehr, daß er sie einst hager und unanmutig gefunden.

»Gefällt Dir Konstantinopel, Wiltrudis?'«

Sie nickte. »Aber ich fürchte mich ein wenig davor – —«

»Fürchten? Wie das?«

»Es ist alles so prächtig hier, so sinnverwirrend. Ich glaube, hier ist es schwerer, fromm zu bleiben, als bei mir daheim.«

Er blieb stehen, sah sie eine Sekunde scharf an.

»Weißt Du das auch schon?«

»Ich sehe es um mich her,« sagte sie leise, doch bestimmt. »Mir selbst hat der Herr noch jede Versuchung erspart.«

Sie schritten weiter. Der Kaiser mied die Wege, die zu Arsinoes Kiosk hinführten. Wiltrudis, die wohl merkte, wenn sein Fuß zögerte, lenkte wie unversehens gerade immer wieder zu jenen Pfaden hin, die er mied. Im Gehen pflückte sie allerhand seltene Blumen zu einem großen Strauß.

»Für das Jesuskind in der Andreaskirche! Das hab’ ich so lieb!«

Er lächelte. Es wurde ihm seltsam warm um’s Herz.

»Du kennst wohl schon alle Kirchen in Konstantinopel?

»Natürlich.«

»Sind sie schöner als Deine schwäbischen Kirchen?«

»Viel, viel schöner!«

»Dann betet’s sich hier also doch wohl besser?!«

Sie maß ihn mit einem kindlich-vorwurfsvollen Blicke, sagte bedächtig:

»Unser Herr ist überall. Zu ihm soll man beten, nicht zu der eitlen Pracht von Menschenhänden.«

Der Kaiser lächelte. Ihre altkluge Kinderart gefiel ihm.

»Da war’s also am Ende zu Hause schöner?« scherzte er.

»Ja. Hier überkommt mich zuweilen eine furchtbare Sehnsucht —«

»Sehnsucht?! Du?! Sehnsucht wonach??«

Er hielt inne, sah sie angstvoll-fragend an.

»Sehnsucht nach der Mutter! Nach meinen kleinen Geschwistern!«

Thränen zitterten in ihrer Stimme.

Er atmete erleichtert auf, schämte sich fast, daß er diesem Kinde Zweiflergedanken zugetraut hatte. Das kleine, zage Mädchen, das nach der fernen Mutter weinte, stahl sich ihm ins Herz . . .

Er ergriff ihre Hände.

»Du bist eine gute Tochter! Du wirst auch eine gute Frau sein; eine gute Kaiserin —«

Sie stand purpurübergossen, blickte verwirrt zu Boden. Mit einer eckig-hilflosen Bewegung streckte sie die Arme ein wenig vom Körper weg, die Handflächen nach außen gekehrt. Das Sonnenlicht funkelte auf ihrem blauen Kleid, auf ihren schlichten, nußbraunen Haaren: Der Kaiser mußte an Maria denken, zu der der Engel tritt. Er hätte niederknieen und den blauen Kleidersaum küssen mögen. Ja, auch von dieser Frau ging ein Zauber aus . . . aber ein reiner, heiliger . . .

Schweigend wandelten sie weiter. Der Kaiser, in allerlei Gedanken versunken, merkte nicht mehr, wohin seine Schritte gingen. Erst als sie sich der Magnolie in Julians Gärten näherten, hielt er erschrocken inne. Arsinoe saß auf der Steinbank.

Rasch wollte er umkehren. Zu spät! Die beiden Frauen hatten sich bereits erblickt.

Wiltrudis trat näher zum Kaiser hin. Sie wußte wohl, wen sie vor sich hatte; fragte dennoch mit angstzitternder Kinderstimme:

»Wer ist diese Frau?«

Der Kaiser blickte zu Boden. Schwieg.

»Wer ist diese Frau?« fragte sie noch einmal. In ihrem Ton bebte jetzt eine Schärfe, die er ihr nicht zugetraut hätte.

Er schwieg.

Arsinoe hatte sich erhoben, trat auf die Beiden zu.

»Ich bin Arsinoe!««

Die Herzogstochter starrte die schöne Frau mit weitoffenen Augen an. Hilfesuchend flüchtete sie an des Kaisers Schulter.

»Das also ist das schlechte Weib, das Dich umgarnt hat?! Jage sie fort! Jage sie fort!«

Der Kaiser wußt’ nicht, was beginnen. Ihm zur Seite die angstvolle Braut, ihm gegenüber die schöne Geliebte. Er machte Arsinoe verstohlene Zeichen, daß sie sich entfernen sollte. Sie that, als sähe sie die Zeichen nicht.

Wiltrudis brach in Thränen aus. Sie hob die gefalteten Hände zum Kaiser empor.

»Höre auf mich, Cäsar! Sage Dich los von diesem Weibe! Sie hat Dich behext! Mit höllischen Künsten hält sie Dich fest! Sie wird Dich um Dein Seelenheil betrügen! In Ewigkeit wirst Du verdammt sein, wenn Du nicht von ihr lässest!«

Sie zog ein unscheinbares Goldkreuzchen aus dem Busen, hielt es, der bösen Macht zur Abwehr, gegen Arsinoe hin.

Des Mädchens kindlicher Kummer schmeichelte dem Kaiser. Die Scene in der Kirche stand wieder lebendig vor seinen Augen. Das überlegene Lächeln, mit dem Arsinoe auf das Kreuzchen blickte, erbitterte ihn. Erbitterte ihn doppelt, weil er selbst Wiltrudis in diesem Augenblick etwas lächerlich fand. Er ergriff ihre Hand, zog sie näher zu sich hin.

»Du Liebe, Du! Von allem Bösen wirst Du mich erlösen!««

»Jage sie fort! Jage sie fort! Ihr Anblick tötet mich —«

Sie zitterte an allen Gliedern. Ihre Zähne schlugen wie im Fieberfrost aneinander.

 

Der Kaiser wandte sich zu Arsinoe. Er wagte nicht, sie anzusehen. Er fühlte, wie schwach und schlecht er sein wollte Er fand daher um so leichter einen rohen Ton. Er herrschte Arsinoe an:

»Hörst Du nicht, was die Fürstin befiehlt?«

»Die Fürstin hat mir nicht zu befehlen! Einen einzigen nur erkenn’ ich über mir, – Dich, Dich allein! Wenn Du befiehlst . . .«

Die Stimme versagte ihr. In namenloser Angst hingen ihre Augen an Cäsars Lippen. Eine schwüle Pause – —

Schwer atmend steht der Kaiser mit zusammengepreßten Lippen, eine Zornesfalte zwischen den Brauen. Sein Blick haftet am Boden, wo die Spitze seines goldnen Schuh’s eine Grube scharrt in den weichen Sand. Vor ihm Arsinoe, weiß wie ihr Gewand, den Kopf in den Nacken gelegt, den angstflatternden Blick zu ruhiger Würde zwingend. Nicht die weinende Jungfrau im blauen Kleide, sie scheint die Fürstin zu sein. Ach, sie scheint es nur – —

Immer aufs neue Wiltrudis Schluchzen.

»Denk’ an Dein Seelenheil! Jage sie fort!«

Der Kaiser macht eine Armbewegung Arsinoe schrickt zusammen. Ihre Augen werden unnatürlich groß.

Befielst Du, daß ich gehe, Cäsar?«

»Ja, er befiehlt es!« ruft Wiltrudis frohlockend.

Arsinoe sieht sie mit einem Blick an, der ihr das Wort auf den Lippen ersterben läßt.

»Cäsar, zu Dir spreche ich! Befiehlst Du, daß ich gehe?«

Noch eine Sekunde der Atemlosigkeit – — dann er, hastig, scheu, das Gesicht rot vor Unbehagen und Scham:

»Geh! Geh!«

»Cäsar!!«

Jede von ihnen schrie es. Die Eine in jauchzendem Glück – die Andere in tödlichem Weh.

Arsinoes Stimme ging ihm durch und durch. Sein Seelenheil geriet wieder ins Schwanken. Rasch schnitt er sich selbst den Rückzug ab.

»Geh! Geh! Und lasse Dich nie wieder blicken!«

Seine Stimme klang zornig. Er war auch zornig. Zornig über sich und die eigene Schwäche – —

Arsinoe wankte, streckte die Hände zu ihm hin.

»Cäsar! Bedenke, was Du mir anthust!«

»Geh, Gauklerin, geh! Ich will Dich nie wieder sehen!«

In Verwirrung und Wut hatte er von einem nahen Strauch eine Gerte gerissen und hob sie gegen Arsinoe auf – —

Gelähmt vor Entsetzen fiel ihm der Arm alsbald herunter. Arsinoes Finger hatten abwehrend die Gerte berührt, – nun wand sich eine kleine korallenrote Schlange züngelnd in des Kaisers Hand, ringelte sich aus den schreckensstarren Fingern am grünseidenen Gewande herunter und verschwand zischend im Gebüsch – —

Schier bewußtlos sahen der Kaiser und Wiltrudis Arsinoe an. Ihre Gestalt, ihr Gesicht erschienen unbeweglich wie Stein. In unheimlicher Stärke trat jetzt wieder die Ähnlichkeit zwischen ihr und dem Marmorbildnis des verborgenen Gemachs hervor. Mit einer seltsam tönenden Stimme sprach sie:

»Die Höchste hast Du mißhandelt Cäsar! Die Niedrigste wird mich an Dir rächen!«

Sie schritt an den Beiden vorbei, ihrem Kiosk zu. Der Kaiser blieb wie angewurzelt an der Stelle, wo er stand. Er hörte nicht, daß Wiltrudis ihn anflehte, mit ihr heimzukehren. Er fühlte nicht, wie sie sich an seinen Arm klammerte. Er merkte nicht, wie sie, vor Angst laut weinend, allein zurückeilte zum Blachernenpalast – — Stundenlang stand er so, ohne daß er selbst es wußte. Er sah, wie Arsinoe den Kiosk, die Gärten verließ. Sie hatte einen weißen Mantel um Stirn und Schulter geschlagen Wie ein Lichtbild schritt sie unter dem sinkenden Tag dahin. Weit, weit war sie schon weg. Immer noch konnte der Kaiser sie erkennen. Er sah, daß die Vorübergehenden den Kopf nach ihr wandten. Auf allen Gesichtern lag es wie Abglanz eines großen Glückes.

Bedrückten Herzens schlug er endlich den Weg zum Palaste ein. Ging nicht durch die Gärten, sondern durch die Straßen. Er wollte nicht allein sein. Ein festlicher Aufzug kam ihm entgegen. – Priester, die zu einer heiligen Handlung gingen. Goldstarrend, psalmodierend zogen sie einher. Einer von ihnen trug ein großes Kruzifix. Das Volk neigte sich vor ihnen, küßte den Saum ihrer Gewänder, murmelte hastig ein Gebet, zwang die leichtfertig-frohe Miene zu ernster Andacht.

Dem Kaiser war’s, als ob vor ihnen her ein Unsichtbarer schritte, der die schöne, lachende Welt mit schwarzem Flor verhängte. Er wandte den Kopf nach der Seite hin, wo Arsinoe gegangen war. Konnte nirgends mehr ihren weißen Mantel erspähen. —