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»Leben Sie wohl, Herr Doktor! Es hat mir wohlgetan, einmal mit einem Menschen zu reden, der wirklich ein Mensch ist. Und nicht wahr, es bleibt unter uns, Sie geben nichts davon in die Zeitung? Ich habe mich vielleicht von meinen Empfindungen hinreißen lassen und es wäre mir peinlich, wenn die Welt davon erführe. Die Welt braucht nichts zu wissen, als daß Meta Martens aufhört, Komödie zu spielen. Leben Sie wohl, Herr Doktor! Sie haben doch einen guten Platz für heute abend? Das Haus ist schon seit vorgestern ausverkauft. Also auf Wiedersehen heute abend! Wenn Sie mich heute auf der Bühne lachen und jubeln sehen, dann denken Sie ein wenig daran, wie unglücklich Meta Martens im Leben ist!«

Der Reporter ging.

Der Kopf war ihm benommen von der warmen parfümierten Luft, dem Blumenduft, den Worten und den Gesten der Martens. Während er auf die Redaktion eilte, um sein Interview gleich an Ort und Stelle zu verfassen, dachte er bei sich: »Was für ein Weib! Was für ein wundervolles Weib!«

II

Meta Martens blieb einige Augenblicke in derselben Stellung und in denselben Gedanken. Dann begann sie im langsamen Spiel mit den Händen durch den weißen Pelz zu gleiten. Es freute sie, die schwarzen Schwänzchen durch die Finger schlüpfen zu lassen und zu sehen, wie durchsichtig ihre Finger erschienen. Einmal nahm sie einen Zipfel des Mantels und trocknete die letzten Tränenspuren auf ihren Wangen. Sie ging zur Klingel, um ihre Kammerjungfer herbeizuläuten, – die goldbraune Strähne mußte ja wieder aufgesteckt, die ganze Frisur ein wenig in Ordnung gebracht werden. Sie war unangenehm überrascht, als der Kellner meldete, die Kammerjungfer sei ausgegangen. Sie sagte ziemlich barsch: »Ausgegangen? Das ist ja unglaublich! Sie hat doch nicht ohne meine Erlaubnis auszugehen!«

Das Stubenmädchen der Etage schlüpfte herbei und erläuterte, daß Fräulein Therese schon seit drei Stunden unterwegs sei.

»Sie hat gesagt: im Auftrag der gnädigen Frau! Ich glaube, sie holt Blumen für die gnädige Frau –«

Die Martens besann sich einen Augenblick. Ach ja, richtig, sie selbst hatte Therese weggeschickt. Sie wollte für heute abend einen Strauß weiße Rosen haben, sieben weiße Rosen mit dunkelroten Deckblättern . . . Sie hätte einfach nicht spielen können ohne die sieben weißen Rosen. Heute nacht erst war ihr die Idee gekommen, wie stimmungsvoll sieben weiße Rosen mit purpurnen Deckblättern zu der Dämmerung des dritten Aktes, zu ihrem malvenfarbenen Gewand und ihren schwermütigen Liebesworten wirken müßten. Solche Ideen kamen ganz plötzlich, ganz intuitiv über sie und mußten dann ausgeführt werden, gleichviel um welchen Preis. Es war dann, als ob die Gestalt, die sie darstellen sollte, mit solch einer Intuition verwachsen sei und nur mehr Schemen bliebe, wenn man sie davon losreißen wollte. So hätte sie heute abend eben einfach absagen, Bachmanns »Rodogune« nicht spielen können, wenn Therese nicht die sieben weißen Rosen mit purpurnen Deckblättern herschaffte. Meta Martens seufzte. Ach ja, man war eben immer und überall ein Sklave des Ruhmes. Sie ließ sich wieder in ihren Sessel fallen und bestellte bei dem Kellner das Mittagsmahl. Nicht viel, sie hatte wenig Appetit und hielt sich knapp, wenn sie abends spielte. Nur ein wenig Hühnerbrühe, eine Forelle, ein kleines Vol-au-vent und einen Löffel Eiscrême.

»Befehlen gnädige Frau sogleich zu speisen?«

»Nein, in einer halben Stunde,« sagte sie leise und begann wieder mit den schwarzen Schwänzchen des Hermelins zu spielen. Gerade aber, als der Kellner unhörbar davonhuschen wollte, rief sie ihn zurück: »Bitte, sagen Sie auch dem Herrn Direktor, daß ich auf der nächsten Rechnung keinen Irrtum zu finden wünsche. Vorgestern war wieder eine Eierspeise notiert, die ich nicht gehabt habe und auch die Zimmer sind mit fünfunddreißig Mark berechnet, trotzdem ich ausdrücklich gesagt habe, daß ich nicht über dreiunddreißig gehe. Wenn man fortfährt, mich in dieser Weise zu übervorteilen, steige ich das nächste Mal nicht mehr hier ab!«

Ihre weiche Stimme war immer härter und lauter geworden. Der Kellner verbeugte sich, versprach, dem Herrn Direktor die Wünsche und Beschwerden der gnädigen Frau zu übermitteln und verschwand.

Meta Martens machte sich daran, den Posteinlauf durchzusehen und allerlei, was sonst noch für sie abgegeben worden war. Ein ganzer Stoß Zeitungen lag da. Sie durchblätterte sie rasch, überschlug alles und las nur die Theaternachrichten, vor allem die Notizen, die sich mit ihr beschäftigten und dachte bei sich: »Seltsam! In einem halben Jahr wird dich das alles nicht mehr interessieren, wird dein Name hier nicht mehr stehen!«

Sie las eifrig, lächelte zufrieden, als sie sah, wie laut und einstimmig ihr Scheiden beklagt wurde. Die Briefe interessierten sie weniger, machten ihr Mißtrauen rege. Es waren immer zuviel Bettelbriefe dabei, zuviel Menschen, die Geld, Fürsprache oder Interesse von ihr verlangten. Meistens mußte Therese, die ein gebildetes Mädchen war, die Korrespondenz zuerst durchsehen, die Bettelbriefe in den Papierkorb werfen und nur die uneigennützigen Bewunderungsschreiben der Herrin übermitteln. Ja, Therese war ein Juwel! Ein Mädchen aus guter Bürgersfamilie, das sein Lehrerinnenexamen gemacht, hatte sie sich nur aus Begeisterung für die Kunst der Martens zum Zofendienst bei ihr gemeldet, ließ sich wie ein Dienstbote behandeln und ins Gesindezimmer schieben, nur um bei der vergötterten Künstlerin bleiben, ihr dienen zu können.

Die Martens ging ein paarmal im Zimmer auf und ab, sah hin und wieder nervös nach der Uhr. Wie lange Therese doch ausblieb. Seit drei Stunden war sie nun unterwegs, Zeit genug, um ein ganzes Treibhaus zu plündern! . . . Und sollte doch nichts heimbringen als eine Handvoll weißer Rosen.

Sie steckte die verklärende Strähne selbst zurecht, so gut es gehen wollte. Sie war nicht gewohnt, die kleinste Handleistung bei der Toilette selbst zu tun und darum drückte die Haarnadel zuerst und als sie nicht mehr drückte, saß die Strähne auch schon wieder ganz lose.

Meta Martens wurde immer nervöser, fast ärgerlich. Was war Therese doch für ein unerträglich langsames Mädchen. Gut, pflichtgetreu, ergeben, o ja; sie ließ sich auch ohne Grund schelten, anschreien, herumjagen, gehorchte jedem Befehl, jeder Laune der gefeierten Herrin wie einem höheren Gebot, war dankbar für jedes freundliche Wort, für jeden freundlichen Blick. Aber langsam, temperamentlos, durch nichts aus ihrer kleinbürgerlichen Ruhe zu bringen. Himmel noch einmal! sie wußte doch, daß Meta Martens Besuch, Zeitungsbesuch gehabt habe und daß dann fast immer die Strähne aufgesteckt, das Gesicht ein wenig nachgepudert, der Faltenwurf des weißen Seidengewandes aufs neue zu seiner wundervollen, berühmten Nachlässigkeit geordnet werden mußte. Das alles wußte sie und blieb doch stundenlang fort, um eine Handvoll weißer Rosen einzuholen. Unerträglich, einfach unerträglich!

Meta Martens setzte sich mißvergnügt zu Tisch nieder und fand an allem zu mäkeln. Die Suppe war kalt, der geriebene Käse, den sie dazu servieren ließ, trocken, die Forelle –

Just als sie dem Kellner erklären wollte, daß die Forelle abscheulich schmecke, trat Therese ein. Ihr frisches Gesicht sah erhitzt und ängstlich aus, auf dem zerzausten lichten Haar saß der schwarze Hut etwas schief, die Herrenkrawatte unter dem weißen Leinenkragen verschoben. Das Mädchen machte den Eindruck eines abgehetzten Menschen, der sich sehnt, eine halbe Stunde niedersitzen und rasten zu dürfen.

Meta Martens sah der Eintretenden mit zusammengezogenen Brauen entgegen. »Endlich, Therese! Sie haben sich Zeit gelassen!«

»Gnädige Frau, es ist schrecklich . . . ich rase seit drei Stunden mit dem Auto von einem Blumenladen zum andern, aber –«

»Was aber?« Die Stimme der Tragödin klang so hart, daß Therese ihr bißchen Mut völlig schwinden fühlte.

»Aber . . . aber . . .«

»Also heraus endlich mit der Sprache!« schrie die Martens wütend. »Sie haben die Rosen natürlich nicht bekommen! Natürlich! Wann hätten Sie je etwas bekommen, was ich benötige! In meinem ganzen Leben hab' ich kein so tölpelhaftes Frauenzimmer gesehen, wie Sie!«

Theresens Gesicht wurde dunkelrot. Ihr Mund zuckte wie von verhaltenem Weinen. Sie nahm all ihre Courage zusammen, sagte jäh und klar, wie man mit plötzlichem Entschluß wohl Unvermeidliches ausspricht: »Gnädige Frau, es gibt in der ganzen Stadt keine weißen Rosen mit dunkelroten Deckblättern. Aber ich habe blaßgelbe mitgebracht, ganz blaßgelbe mit roten Blättern; sie sehen bei Beleuchtung weiß aus. Ich hab' es ausprobiert, hab' mir sie im verdunkelten Raum von unten und seitlich beleuchten lassen, ganz wie auf der Bühne. Sie sehen wirklich weiß aus. Wenn gnädige Frau sich überzeugen wollen –« Sie trat rasch zur Türe hinaus, um die Blumen zu holen, die sie einstweilen auf einer Konsole des Vorzimmers niedergelegt hatte. Unsicher, mit erschrockenen, geröteten Frageaugen reichte sie der Herrin die sorgfältig vernadelte Seidenpapierhülle hin.

Meta Martens riß das Papier entzwei, erblickte sieben große, schwermütige Maréchal-Niel-Rosen, um deren vollen Kelch sich dunkelrote Blätter wie eine heiße Liebkosung schmiegten und brach in höhnisches Lachen aus.

»Bravo, Therese, bravo! Hätten Sie nicht vielleicht gleich Sonnenblumen mitbringen können oder sonst etwas, was recht gemein und recht gelb aussieht?! Es ist wirklich ein Skandal, ein Skandal, daß man solch einem Kammermädchen überantwortet ist. So einer Nichtskönnerin! So einer Gans! So einer – so einer –«

Abscheuliche Schimpfworte fielen von ihren Lippen. Therese ließ regungslos alles über sich ergehen.

»Da haben Sie Ihre Rosen . . . da . . . da . . .«

Mit wutbebenden Fingern ergriff sie eine Blume nach der andern, riß jeder den schwermütigen Kelch ab und warf ihn dem Mädchen vor die Füße. Stengel, Blätter und das zusammengeknüllte Seidenpapier folgten nach.

 

Therese bückte sich schweigend, um die Rosenblätter vom Teppich aufzuheben. Ein- oder zweimal stieß sie ein kleines Schluchzen aus, aber sie nahm sich zusammen, sammelte die zerfetzten Rosen in das Seidenpapier, das sie schnell geglättet hatte, rückte ihr Hütchen wieder zurecht, strich das zerzauste Haar aus dem Gesicht und sagte flehend: »Gnädige Frau . . .«

In diesem Augenblick trat der Kellner wieder ein und fragte, ob er jetzt auch das Essen für Fräulein Therese auftragen sollte.

»Natürlich,« sagte Meta Martens schneidend, »Fräulein Therese muß doch essen; das Essen ist doch für Fräulein Therese das Wichtigste. Alles andre hat Zeit, bis Fräulein Therese gegessen hat.«

Therese hörte die verletzenden Worte nicht mehr, denn sie war lautlos wieder zur Tür hinausgeschlüpft.

Meta Martens hatte nun allen Appetit verloren. Sie legte sich auf die Ottomane, um auszuruhen und Stimmung zu sammeln für den Abend. Am liebsten hätte sie die Vorstellung abgesagt, aber das ging doch nicht gut an. Schließlich konnte so eine plötzliche Absage sehr verstimmend auf das Publikum wirken und sie wollte in Frieden, in reiner Harmonie aus der Öffentlichkeit scheiden, die sie seit zwei Jahrzehnten unablässig mit ihrer Persönlichkeit erfüllt und beschäftigt hatte. Sie lag da, blinzelte ein wenig, wollte schlummern und war doch nicht müde genug, vielleicht auch noch zu erregt. Sie ließ die Augen im Zimmer umhergehen und bemerkte auf dem Schreibtisch neben den Zeitungen und Briefen einige schmale, sorgsam verschnürte Kartons, die ihr vorhin entgangen waren. Sie lächelte ein wenig. Sie wußte schon, was sie enthielten. Autographenalbums waren es, von begeisterten Backfischen beiderlei Geschlechts gesandt. – Sie kreuzte die Arme unter dem Kopf und besann sich, was sie einschreiben sollte. Drei Jahre lang hatte sie abgewechselt mit: »Ernst ist das Leben, heiter die Kunst!« und »Wenn's etwas gibt, gewaltiger als das Schicksal, so ist's der Mut, der's unerschüttert trägt«. Nun mußte sie endlich etwas andres finden, etwas Neues, Persönliches. Etwas, in dem ihr Wesen zitterte, ein Hauch von Abschiedsstimmung, Resignation und Abklärung. Während sie grübelte und sann, kam unversehens der Schlaf und drückte sie ans Herz, daß ihr die Sinne schwanden – – Als sie wieder erwachte, dämmerte es bereits. Sie fühlte sich prächtig ausgeruht, behaglich, fast froh. Sie blieb liegen und sah mit weit offenen Augen gerade vor sich hin in die Schatten hinein, die ins Gemach gekrochen kamen. Merkte aber doch, daß die Türe sich öffnete und eine weibliche Gestalt mit blonden Haaren vorsichtig ins Zimmer trat. Meta Martens tat, als ob sie nichts sähe und höre. Therese trat auf den Zehenspitzen näher, warf einen huschenden Blick auf die Herrin, legte vorsichtig einen Blumenstrauß auf das Taburett, das neben der Ottomane stand –

Sieben weiße Rosen mit purpurnen Deckblättern –

Meta Martens rührte sich nicht. Erst als Therese gegangen war, setzte sie sich auf, nahm die Blumen in die Hand und betrachtete sie entzückt. Ja, so, gerade so hatte sie den Rosenstrauß geträumt. Die große Szene im dritten Akt würde nun einen nie geahnten Stimmungszauber erhalten. Wie das Gemälde eines Primitiven mußte sie wirken, wenn sie in ihrem malvenfarbenen Gewand unter dem verdämmernden Himmel dahinglitt, sieben weiße Rosen mit purpurnen Blättern in der Hand. Siebenmal das Symbol ihrer durchsichtigen Rechten, an deren Mittelfinger der Rubin funkelte. – –

Eine köstlich prickelnde Ungeduld kam über sie, das süße, kleine Lampenfieber, das sie vor jeder Vorstellung befiel und das eigentlich kein Lampenfieber war, sondern mehr eine Sehnsucht, ein Drängen, draußen zu stehen vor der Menge, sich vor ihren Augen auszugeben, hinzugeben, an der eigenen Flamme zu verbrennen bis zur völligen Vernichtung.

Mit eins wußte sie auch, was sie in die Autographenalbums einschreiben wollte. Sie nahm das erste zur Hand, tunkte die Kielfeder (Harro Brachmann hatte sie gelehrt, daß Stahlfedern gemein seien) in violette Tinte und schrieb in ihrer lapidaren Steilschrift: »Gut sein!«

Sie betrachtete einen Augenblick, was sie geschrieben. Es waren die Schlußworte des zweiten Aktes der »Rodogune«, die sie so seelenvoll, so hingebend sprach, daß ihr Publikum jedesmal ein paar Sekunden in erschüttertem Schweigen saß, ehe es begann, sie hervorzujubeln.

Ach ja! Harro Brachmann verstand sich auf Aktschlüsse und Bühnenwirkungen, er hatte die Psychologie bei den Skandinaviern studiert und die Technik bei den Franzosen, war männlich und zugleich effiminiert genug, um ein großer Künstler zu sein – – Harro Brachmann – ohne daß sie's wollte, mußte sie ihm nachsinnen, ihm und den Jahren, die sie zusammen gewandelt. Jahre voll Rausch zuerst, da sie ihm wie eine Offenbarung, wie eine Erlöserin erschienen war und dann die andern, in denen er sie gekränkt, ausgebeutet, betrogen und in denen er doch immer der tiefste Inhalt ihres Lebens geblieben war. Kein andrer verstand sie ja so wie er, wußte so wie er sie vor ihren eigenen Augen zu beleuchten, zu erklären, zu vergeistigen. »Immer bist du mir eine Metapher für ewige Dinge –« hatte er ihr einmal geschrieben. Eine Metapher für ewige Dinge – wer auf der Welt wußte wohl einer geliebten Frau königlichere Huldigungen darzubringen?!

Sie starrte immer noch auf die lapidare, violette Steilschrift, bis ihr der Blick in Tränen brach. Sie legte das Gesicht in die Hände und weinte, weinte nicht wie die göttliche Martens, sondern wie eine ganz alltägliche verblühte Frau. Jetzt löste sich die Strähne nicht, keine Leidenschaft peitschte ihren Körper zu unerhörten Ekstasen. Sie weinte das leise, rührende Weinen, bei dem die Menschen klein und armselig aussehen, gleichsam eingeäschert. Sie weinte, wie nur eine Frau in trotziger Sehnsucht dem Mann nachweinen kann, der sie gepeinigt und verlassen hat.

* * *

Der Abend gestaltete sich selbstverständlich zu einem Triumph für Meta Martens, besonders die Szene mit den sieben weißen Rosen wirkte genau so ergreifend, wie sie sich's gedacht. Wie immer stand Therese in der Kulisse und sah mit glänzenden Augen auf die Herrin, der die Menge zujubelte. Das Mädchen hatte alles vergessen, was es an diesem Tage ertragen, vergessen, daß es sieben Stunden im Auto gefahren, um schließlich in dem entlegenen Wintergarten eines reichen Sonderlings die sieben weißen Rosen mit purpurnen Deckblättern fast kniefällig zu erbetteln. Vergessen, daß es heute nicht einen Augenblick der Rast, kein Mittagessen gehabt hatte und obendrein noch angeschrieen und geschimpft worden war. Alles war vergessen, wenn Meta Martens spielte und Therese von der Kulisse aus zusehen durfte.

In der Pause nach dem dritten Akt trat Meta Martens auf das Mädchen zu. Sie trug noch das malvenfarbene Gewand, die bereits verblühten Rosen hatte sie achtlos auf einem Tisch liegen lassen. Von den Schultern floß ihr ein schlichter, blaßgelber Mantel, weit, faltig und am Hals mit einer mattbunten Stickerei besetzt, wie die Königsmäntel in alten Inkunabeln. Sie ging zu Therese, umarmte sie, zog wie liebkosend den Mantel auch um des Mädchens Schultern, so daß er sie beide einhüllte.