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Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

»Ich danke Ihnen im Namen unsres Geschlechts. Ich hoffe übrigens, zu Ihrem Besten, daß nur die Phantasie der Schriftstellerin Sie zu solch bitteren Thesen verleitet und nicht persönliche Erfahrungen!«

Er hatte recht spitz gesprochen. Absichtlich tat er's, denn diese Frau verletzte sein männliches Selbstgefühl tief.

Sie zuckte die Achseln . . . lächelte . . .

Gekränkt erhob er sich.

»Ich will Ihre Zeit nicht länger in Anspruch nehmen –«

»Und ich darf Sie nicht länger aufhalten –« parodierte sie seinen steifen Ton. »Aber ehe Sie gehen, muß ich Ihnen eins sagen –«

»? ? ?«

»Mein Lieber, vor fünf Jahren flatterten Sie als Deutscher über den Rhein. Sie sind auch als Deutscher wieder heimgekommen.«

»Das heißt?!«

»Das heißt: wenn Sie sich in einer neuen Situation befinden, so versuchen Sie nicht, dieselbe zu begreifen, sondern – Sie werden unangenehm. Leben Sie wohl, Herr Doktor!«

Eine leichte Verneigung. Nun konnte er gehen.

Aber er ging nicht. Er trat auf sie zu, ergriff ihre Hand: »Verzeihen Sie einem Primaner,« sagte er einfach. Es klang so warm, daß sie ihn nun doch aufforderte, noch ein wenig zu bleiben. Sie steckten sich frische Zigaretten an. Als sie die ihrige mit einigen festen Zügen ordentlich in Brand gebracht hatte:

»Nun sagen Sie mir, Lieber, was haben Sie sich eigentlich gedacht? Wie haben Sie sich dies Wiedersehen vorgestellt? Sentimental? ›Geliebter, ewig dein!‹ Oder pathetisch? ›Elender – du hast mich betört!‹ . . .«

Sie lachte. Er lachte auch. Innerlich schämte er sich ein wenig.

»Bitte, sagen Sie mir, wie haben Sie sich's gedacht?«

Er schwieg. Könnt' er ihr erzählen, daß er sie für eine Heiratsjägerin gehalten hatte, Sie, die Tochter Martin Kempfs?! Sie, die, wenn sie wollte, ein Nadelgeld bezog, dreimal so hoch wie das Einkommen des gesamten Redaktionsstabes?!

Sie schien zu verstehen, was in ihm vorging. Mit ihrem spöttischen Lächeln fuhr sie fort: »Oder haben Sie gefürchtet, unversehens eine Liaison auf dem Halse zu haben? Eine Liaison mit Briefen, Rendezvous, roten Radlern, Skrupeln und Szenen? Mit einem Wort: eine turbulente Liaison! Hatten Sie davor etwa Angst?«

»Ooooooooo!«

»Sehr gut ›oooooo‹ gebrüllt, Löwe! Beruhigen Sie sich, mein Teurer, ich denke weder an eine turbulente Liaison, noch an eine friedliche.«

»Ah!« sagte er sehr verblüfft.

»Nein. Ich habe gelernt, sparsam zu sein, mit Zeit und Gefühlen! Mit der Zeit vor allem! Ach, wer gibt sie einem wieder, die Zeit, da man nur lebt von einer Post zur andern . . . Da man fiebernd herwartet, bis einem wieder einmal gnädig verkündet wird: ›Ich liebe dich noch immer!‹ . . . Die Zeit, da man sich die Augen aus dem Kopf weinen möchte, wenn dieses Gnadengeschenk endlich zurückgenommen wird . . . O, meine schönen, vergeudeten Jahre – wer gibt sie mir wieder?!«

Ihr Gejammer um die verlorene Zeit ärgerte ihn. Was hatte denn so ein alleinstehendes Frauenzimmer überhaupt zu tun?! Da er sich aber nicht nochmals als »Primaner« offenbaren wollte, fragte er höflich: »Sie wollen also die Liebe aus Ihrem Leben verbannen?«

Sie lachte.

»Momentan ja – ich muß arbeiten. Ich schreibe jetzt einen Roman. Da muß ich meine Gedanken fest zusammenhalten.«

Wieder eine Pause. Er hätte sie gar zu gern etwas gefragt. . . . Doch er fand das rechte Wort nicht gleich. Alles, was er sagen wollte, schien ihm so ungeschliffen, so roh, so direkt . . . Endlich nahm er doch einen Anlauf: »Wenn Sie aber die Liebe aus Ihrem Leben verbannen wollen (er wiederholte diese Wendung, weil sie ihm sehr gefiel!), wie verträgt sich damit . . .«

»Eine Laune, wie jener Abend, meinen Sie?«

»Eine Laune!« Er war schwer gekränkt.

»Aber, mein Lieber, das ist das Fieber des Augenblicks! Der Rausch einer Stunde . . . Du lieber Gott, jeder Künstler braucht ihn doch so nötig, diesen Rausch! Man arbeitet ja nachher dreimal so gut. Da, sehen Sie nur, was ich in den paar Tagen geschrieben habe.« Sie zeigte ihm den hochgehäuften Stoß beschriebener Blätter.

Er sah kaum hin. Er hörte kaum, was sie sagte. Nur ein Wort blieb ihm im Ohr: »eine Laune!« Eine Laune hatte sie es genannt. Klipp und klar eine Laune. . . . Und er, Esel, hatte sich darüber Stunden, Tage verbittert. Hatte nicht ohne Scheu an sie denken können. Hatte Herzklopfen bekommen, als er draußen auf der Treppe stand. Um einer Laune willen! . . . Er wußte nicht, sollt' er lachen oder sich ärgern. Da er aber doch ziemlich gekränkt war, entschloß er sich zum Ärger. Recht spitz sagte er: »Ei, gnädige Frau, ich sehe mit Staunen, daß Sie die Partei der ›alten Frau‹ verlassen haben!«

»Wieso?«

»Nun, wenn man sich den Luxus solcher Launen, solcher Räusche gestattet, ist man doch unbedingt eine ›neue Frau‹!«

»So, meinen Sie?! Ich denke, die Sache ist gerade umgekehrt. Solange man den Mann nicht entbehren kann, ist man eine ›alte Frau‹. Die Neuen fassen ihn ja nur als veraltete Institution auf. . . . Ich kann das leider nicht. In meinem Leben wurzelt er zu tief –«

»Als Belebungsmittel für schwache Romankapitel?«

»O, es ist nicht das allein! Der Mann gibt meinen Leben erst Schönheit, Kraft, Poesie, alles.«

»Das heißt – wenn Sie gerade in Laune sind!«

Ihre durchsichtigen Augen wurden sehr spöttisch.

»Natürlich muß ich in Laune sein! Oder lieben Sie etwa ohne Laune?! So immerfort ins Blaue hinein?«

»Ich? Bei einem Manne ist das doch etwas andres!«

»Was hat denn das mit Ihrer edlen Männlichkeit zu tun? Wie sagten Sie doch neulich so schön? Sie gestehen jedem Menschen, auch der Frau, das Recht der Persönlichkeit zu, vorausgesetzt, daß sie dies Recht kräftig vertritt. Ich vertrete mein Recht, das dürfen Sie mir glauben!«

»Ihr Recht auf Laune?«

»Mein Recht auf Laune, wenn Sie wollen! Darum hab' ich mich doch mit meinem Vater entzweit. Mit all seinen Millionen hab' ich mir's nicht abkaufen lassen. . . . Wissen Sie, was Sie neulich noch sagten?«

»Großer Gott! Buchen Sie denn alle Dummheiten, die man sagt?«

»Dummheiten?! Es war gar nicht dumm; sehr reizend war es. . . . Sie sagten: ›Und wenn eine Frau der Kraft auch noch Anmut und Grazie beigibt, will ich sie sogar bewundern‹.«

»Hab' ich das wirklich gesagt?«

»Wirklich und wahrhaftig!«

»Dann bleibt mir, wenn ich logisch sein will, nichts, als Sie auch noch zu bewundern.«

Seine Schnurrbartspitzen zitterten vor Wut. Dennoch ergriff er ihre Hand und küßte sie – sehr kühl allerdings.

»Darf ich noch etwas fragen, Gnädigste?«

»Soviel Sie wollen.«

»Wie verhält sich die Gesellschaft zu Ihrem Recht auf – Laune?«

»Gar nicht. Sie weiß doch nichts davon.«

»Ist das möglich?! Die Gesellschaft spürt doch alles aus . . .«

»Kann man Seifenblasen ausspüren?! Unbildlich gesprochen, mein Lieber, nur in der Ehe kompromittiert die Untreue. Beim Flirt kompromittiert gerade die Treue.«

»Ahnt man auch nichts?«

Sie zuckte die Achseln. »Gute Gesellschaft und gute Ehemänner haben gern schlechte Augen.«

»Und –«

Er zögerte.

Sie erriet sofort, was er meinte.

»Nein. So etwas erzählt keiner!«

Dabei tänzelte das kleine spöttische Lachen um ihren Mund.

Der herausfordernde Hohn in ihren Worten reizte ihn auf. Seine Augen wurden dunkel. Ein abscheulicher Gedanke schoß ihm durch den Kopf.

Und sie, als ob's ihm auf der Stirn geschrieben stünde: »Sie sehen – wenn Ihnen daran liegt, besitzen Sie die Primeur der Indiskretion. Wenn es Ihnen Spaß macht, lassen Sie sich ja nicht davon abhalten. Erzählen Sie ruhig, was Sie wollen! Was Sie wollen!« setzte sie noch einmal nachdrücklich hinzu.

Nachdem er sich natürlich entrüstet gegen solchen Verdacht verwahrt hatte, empfahl er sich. Ein freundliches »Auf Wiedersehen!« geleitete ihn zur Türe hinaus.

* * *

Später traf er sie wieder in einer Gesellschaft bei demselben Rechtsanwalt, in dessen Haus er sie kennen gelernt hatte. Sie trug immer noch ihr braunes Samtkleid und den Smaragdskarabäus auf der Brust. Auch die übrige Gesellschaft war ziemlich die gleiche; die beiden Schönheiten, die drei Geistreichen, die junge, tanzende Welt, »die Neuen« . . .

Zu dem Tisch der letzteren trat der Pariser Berichterstatter mit Miene und Gefühlen eines bußfertigen Sünders. Bescheiden ließ er sich bei ihnen nieder, hörte aufmerksam zu, wie sie über Eherecht, Gütertrennung und verstaatlichte Prostitution hin und her schrieen. Er sah sie mit andern Augen an als damals. . . . Hübsch fand er sie freilich noch immer nicht; aber er begriff nicht mehr, daß diese klugen Frauen ihm einst wie Feinde erschienen waren. Diese edlen Geschöpfe, die den Mann, den herrlichen Mann, immerhin noch in seiner Würde achteten, die nichts Höheres erstrebten, als seine Gefährtin zu werden . . .