Tasuta

Tragödie aus der Sommerfrische

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Sie sahen sich jeden Morgen bei der Bank. Jetzt spähte er schon immer von ganz unten herauf, ob er den weißen Fleck auch leuchten sähe. Er gab sich Mühe, seine Blicke zu bezähmen. Aber Frau Marys kurzsichtige Augen sahen zuweilen scharf. Sie lächelte. Und je ungeduldiger er suchte, um so feindseliger blitzten die Augen des jungen Mädchens. Auch das sah Frau Mary. Und sie lächelte wieder. Meist schaute sie ganz fest in ihr Buch hinein. Sie merkte aber dennoch, wie der junge Mann unruhig wurde, sobald er an der Bank vorbei war, wie er einen Vorwand suchte, um noch einmal zurückzuschauen . . .

Eines Tages kam er allein. Die Kleine hatte nicht mitgehen wollen. Sie fühlte, daß er ihr entglitt. Da versuchte sie das armselige Mädchenkunststück des Trotzes.

Das Herz schlug ihm gewaltig, als er sich der Bank näherte. Er grüßte linkischer denn sonst. Er meinte, sie solle ihn auffordern, sich zu ihr zu setzen. Das fiel ihr natürlich nicht ein. Doch als er vorüber war, ließ sie ihr Buch sinken und sah ihm nach. Unwillkürlich wandte er den Kopf – da begegneten sich ihre Blicke. Er wurde feuerrot, wußte nicht recht, was tun  . . . sie aber hielt seinen Blick aus, ruhig, lächelnd, selbstverständlich – – Wie im Rausch setzte er seinen Weg fort.

Am nächsten Morgen kam er wieder allein. Heute war er's, der getrotzt hatte. Er kam ihm ja so gelegen, dieser Trotz! Dennoch bangte ihm. Würde sie ihn auch heute nicht ansprechen? Vielleicht niemals? Alles in ihm zitterte bei diesem Gedanken.

Wie er an die Bank kam, war sie leer. Ein gewaltiger Schreck erfaßte ihn. War sie am Ende krank? Oder abgereist? Er fühlte, daß es Nacht wurde um ihn her. . . . Aber nein, da auf der Bank lag ja ihr Buch! Und weiter oben, auf dem sanft ansteigenden Pfade, der sich im dichten Walde verlor, da schwebte es wie eine geliebte weiße Wolke . . .

Die Kniee wankten ihm. Er mußte sich setzen. Nun hielt er ihr Buch in Händen. Ihr, ihr Buch! Er blätterte darin herum, aber er war viel zu aufgeregt, um zu lesen. Nur einzelne Worte faßte er. Es war ein Buch, heiß und schwül, wie eine Julinacht und Leidenschaft wehte darüber hin – –

Ob er ihr nach sollte? Ihr das Buch geben? Ob er wartete bis morgen, bis sie wieder auf der Bank saß? Nein, nein . . .! Ganz im fernen Osten ballten sich schon wieder blaugraue Wolken. Bis morgen konnte es regnen, konnte sie abreisen – – Der Gedanke an die Abreise lähmte ihn völlig. Abreisen, gehen für immer, immer, ohne daß er es nur ahnte, ahnen konnte . . .!Fortfahren mit einem Zug, dessen Pfiff er hörte, den er gleichgültig davonbrausen sah, ohne zu wissen, wen er entführte . . .!

Er eilte ihr nach. Tief im Walde saß sie auf einer moosigen Bank, in einem Gewirr alter Buchen, die fußhoch in rotraschelndem Laub wurzelten. »Elfenhain« nannte der Volksmund den Platz, weil er spukhaft und dämmerig war, als schliefe hier das Mittagsgespenst . . .

Sie blickte nach der andern Seite hin, hatte ihn aber kommen sehen von weit her. . . . Dennoch fuhr sie schreckhaft zusammen, als er jetzt vor ihr stand. Ihm schlug das Herz bis zum Halse hinauf. Seine Stimme bebte. Er wußte kaum, was er sprach.

»Gnädige Frau – Verzeihung – Kühnheit – gnädige Frau haben das Buch vergessen –«

Sie war grenzenlos erstaunt.

»Vergessen? Wirklich! Ja, wie ist denn das nur möglich? Ich vermißte es noch gar nicht. O, ich danke Ihnen, danke Ihnen sehr.«

Sie hätte ihm ebensogut sagen können: »Betrachten Sie sich als geohrfeigt!« er hätte es nicht zu unterscheiden vermocht. Nicht ihre Worte hörte er – nur ihre Stimme. Eine ganz kleine, weiche, etwas müde Stimme  . . . dreier Jahre Arbeit und Selbstkritik hatte es bedurft, um dem von Natur aus spröden, hellen Organ jene verschleierte Weichheit zu geben. . . . Ohne daß einer es merkte, freute sich Frau Mary selbst über die wohllautenden Kadenzen, die sie endlich sprechen gelernt.

Er stand immer noch mit dem Buche da. Er wollte es auf die Bank legen. Sie streckte die Hand danach aus.

»Bitte, geben Sie!«

Dabei streiften ihre Finger ganz leise die seinen. Alles Blut schoß ihm ins Gesicht bei dieser Berührung.

Unschlüssig stand er da. Das Buch war abgeliefert. Eigentlich mußte er nun weitergehen. Er hatte ja gar keinen Vorwand, um zu bleiben . . . Freundlich sah sie ihn an. Seine Befangenheit amüsierte sie. Dann rückte sie ein wenig beiseite.

»Wollen Sie nicht einen Augenblick ausruhen? Es ist so schön und still hier.«

Etwa eine halbe Stunde saß er bei ihr. Was sie sprachen – er wußte es nicht. Er hörte nur immer ihre einschmeichelnd müde Stimme, sah ihr leidenschaftliches Gesicht, fühlte den köstlichen Duft, der von ihren Haaren, von ihren Kleidern, von ihrer weißen Haut aufzusteigen schien . . .

Kurz, ehe sie sich zum Gehen anschickte: »Wo ist das reizende Mädchen, mit dem Sie immer spazieren gingen? Ist sie schon abgereist?«

Er wurde rot, stotterte . . .