Tasuta

Tragödie aus der Sommerfrische

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»Lassen Sie mich gehen!« sagte sie kalt.

Er hörte sie gar nicht. Er packte ihre Hände und riß sie an sich. Der Traum, den seine zwanzig Jahre seit Wochen träumten, wurde Wahrheit: er wühlte in ihren Haaren, er bedeckte ihr blasses Gesicht mit Küssen, in seiner Umschlingung entblätterten die Rosen, die an ihrer Brust schwankten – –

Einen Augenblick lag sie ihm wie besinnungslos in den Armen. Dann riß sie sich los. Ohne den Kopf auch nur noch einmal zu wenden, eilte sie ihrer Wohnung zu. Sie sah erhitzt aus, die Haare in Unordnung, die Spitze des einen Ärmels zerrissen, der linke Handschuh verloren. . . . Sie atmete rasch und tief. Sie war sehr ärgerlich. Ganz ärgerlich klang auch der Glockenton, der die Jungfer herbeirief.

»Gnädige Frau befehlen?«

»Dunkel machen im Schlafzimmer – ich muß Ruhe haben! Ich komme nicht zur Table d'hote.«

Die Jungfer streifte ihre Herrin mit einem einzigen Blick und verstand. Sie hatte immer in vornehmen Häusern gedient. Sie wußte also ganz gut, was es bedeutete, wenn die Damen das Schlafzimmer verdunkelt haben wollten und nicht zur Table d'hote gingen . . .

»Sonst befehlen gnädige Frau nichts?«

»Ich bin für niemand zu Hause! Hören Sie, für gar niemand!«

»Jawohl, gnädige Frau!« Das Mädchen wartete immer noch. Frau Mary zögerte.

»Und hier . . . hier ist die Spitze los!«

»Ich werde sofort den Schlafrock bringen.«

Als das Mädchen schon auf der Schwelle stand: »Packen Sie die Koffer! Wir reisen heute abend!«

Die Jungfer lächelte schier unmerklich.

»Welches Kleid soll ich für gnädige Frau zu Mittag bringen? Gnädige Frau gehen doch wohl in den ›Waldhof‹? Die Kellnerin sagte mir vorhin, als ich dort war, sie hätten heute Paprikahühner und wahrscheinlich auch Schnürkrapfen.«

»Es ist gut! Packen Sie nur gleich!«

Sie war außer sich. Dies tölpelhafte Ungestüm, mit dem er das zarte Idyll zerstört . . .! Roh, wie nur ein Mann, wie nur ein Zwanzigjähriger zerstören kann. . . . Ah, es geschah ihr gerade recht! Wer hieß sie, sich der Gefahr nähern?! Sie kannte die Liebe doch genügend, – wozu sie noch einmal in der Nähe besehen? Diese dumme, altmodische Liebe, die immer nur Opfer fordert, heute ein Herz, morgen eine Existenz, übermorgen Paprikahühner und Schnürkrapfen!

Sie war wütend. Jetzt konnte sie doch nicht zum Essen in den ›Waldhof‹ gehen! Und abreisen mußte – nein, wollte sie auch. Noch mehr Liebesszenen? Gräßlich! Oder ein Toggenburg? Noch gräßlicher! Oder ein wutschnaubender Verschmähter? Am allergräßlichsten! Nein, nein, nur fort . . .! Sie war ja aufs Land gegangen, um ihre Ruhe zu haben, sich zu erholen . . . nicht aber um geliebt zu werden!

Sie weinte, als wäre ihr das bitterste Unrecht widerfahren. Als sie genug geweint hatte, ließ sie sich auskleiden, zu Bett bringen und nahm ein Brausepulver. Fest und traumlos schlief sie mehrere Stunden lang. Dann stand sie auf und schrieb zwei Briefe, die ganz gleich lauteten:

»Mein Freund!

Ich kehre morgen zurück. Das Pech, das mich überall verfolgt, hat mich auch hier nicht zur Ruhe kommen lassen. Ich muß heim zu meinen Freunden . . . fragen Sie nicht – aber erwarten Sie mich! Ich brenne auch vor Neugier, Ihr letztes Werk kennen zu lernen; Sie versprachen mir, es während meiner Abwesenheit zu vollenden.

Die Ihre.

Mary.«

Sie adressierte. Der erste Brief ging zu dem Manne, der ihr bis ans Ende seiner Tage ergeben bleiben mußte. Der zweite an jenen, in dessen Herzen sie auf hundert Saiten zugleich spielte. . . .

Sie war ernst gestimmt. Sie gedachte der entschwundenen Paprikahühner ohne Groll. Resigniert ging sie in den Speisesaal hinunter und ließ sich ein Beefsteak braten. Sie konnte es aber nicht einmal ganz aufessen. Als sie wieder auf ihr Zimmer kam, lag ein Brief da, ein wirrer, aufgeregter Brief voll wahnsinniger Beteuerungen und Abbitten . . . . Außerdem enthielt er noch zwei Orthographiefehler . . .

Die kleine Ida hätte um solchen Brief Jahre ihres jungen Lebens hergegeben. Frau Mary wog ihn zerstreut in der Hand. Schade, daß er nicht früher gekommen war! Man hätte ihn so gut »zufällig« mit einem der beiden andern dort vertauschen können! Zwar das ging immer noch . . . aber die hübschen Lilakuverts taten ihr leid und die Briefmarken. . . . Ach, und vielleicht hätte es dann zu Hause auch gleich wieder Aufregungen gegeben! Nein, nein, sie bedurfte der Ruhe, der absolutesten Ruhe – –!

. . . Viktor war unterdessen ein paar Stunden lang wie ein Irrsinniger im Walde umhergeirrt. Dann hatte er den Brief geschrieben. Als er ihn fortgeschickt hatte, fand er sich zu jener eisernen Entschlossenheit zurück, die dem Manne zukommt und den Jüngling ziert. – Schauer wahnsinnigen Glücks jagten ihm durch die Adern, wenn er des Moments gedachte, da er sie umfangen . . . Nun wollte er sich aber auch als Mann erproben. Er wollte arbeiten, fieberhaft arbeiten, um sie für immer zu besitzen. In zwei Jahren konnte er Leutnant sein. Ein Leutnant kann sehr gut heiraten, wenn er einen reichen Vater hat. . . . Weigerte der Vater seine Einwilligung, so warteten sie eben bis zum Hauptmann. Aber so weit würde es gar nicht kommen. Vielleicht ging er in die Türkei, wo die deutschen Offiziere gesucht sind und Karriere machen, vielleicht zur Schutztruppe, vielleicht schloß er sich einer Expedition an . . . jedenfalls würde er etwas Großes, etwas Niedagewesenes tun für sie – durch sie. –