Umweltbildung (E-Book)

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

1.4 Anwendung und Adressierte

Als Advance Organizer im Unterricht bietet das Brückenmodell den Studierenden eine mentale Landkarte, mit der sie sich das Fachgebiet »Umweltbildung« sektoriell erschließen können, ohne in der Fülle von Begriffen, Theorien und Betrachtungsdimensionen den Blick auf das Wesentliche zu verlieren, nämlich auf den handelnden Menschen und seine Alltagsrealität.

Bei der Planung und Evaluation von Umweltbildungsangeboten dient das Brückenmodell der Zielgruppen- und Umfeldanalyse. Es hilft mit, das Wirkungspotenzial eines Angebots realistisch einzuschätzen. Es erlaubt, eine Bildungsstrategie zu entwickeln, die alle wichtigen Verhaltensfaktoren berücksichtigt, und es weist den Weg zu passenden didaktischen Ansätzen für die Bildungsarbeit.

Das Brückenmodell dient der subjektiven Theoriebildung, denn Lernen ist mit dem Studium nicht abgeschlossen, es findet in der Praxis seine Fortsetzung und Vertiefung. Die Reflexion von Berufserfahrungen anhand der Heuristik soll Fragen aufwerfen, Zustimmung und Widersprüche erzeugen, bisherige Gewissheiten in einem neuen Licht erscheinen lassen. Gespiegelt an der eigenen Erfahrung, lassen sich die Implikationen des Brückenmodells immer wieder neu interpretieren. Die kritische Auseinandersetzung mit der Gültigkeit des Modells führt zu neuen Einsichten und Erkenntnissen.

Nicht zuletzt richtet sich das Brückenmodell an alle, die sich mit den Wirkungszusammenhängen in der verhaltensorientierten Bildung befassen. In der vorliegenden Publikation werden diese Zusammenhänge am Beispiel der Umweltbildung aufgezeigt. Das Brückenmodell gilt jedoch für jede Art von verhaltensorientierter Bildung, wie Gesundheitsbildung oder Bürgerbildung, indem es systemisch vernetzte Wirkungszusammenhänge grafisch vereinfacht und auf ein Grundmodell für menschliches Erleben und Verhalten zurückführt.

2 Theoretische Fundierung

♦ Jedes Verhalten resultiert aus einer Wechselwirkung

von Person und Umwelt. ♦

Kurt Lewin

2.1 Grundmodell der Verhaltenserklärung

Das Brückenmodell basiert auf dem »psychologischen Grundmodell zur Beschreibung und Erklärung von menschlichem Verhalten« von Hans-Peter Nolting und Peter Paulus (1999). Die Autoren ordnen die Verhaltensfaktoren in fünf Bereiche und stellen diese auf drei Ebenen dar (vgl. Abbildung 1). Sie wählen als Ausgangspunkt das von außen beobachtbare Verhalten einer Person in einer bestimmten Situation. Die erste Ebene des Grundmodells beschreibt das Verhalten und die dazugehörigen inneren Prozesse. Die zweite Ebene fragt nach den personalen Dispositionen und situativen Bedingungen, die diese aktuellen Prozesse im Zeitpunkt des Verhaltens beeinflussen. Die dritte Ebene schließlich umfasst die Entwicklungsbedingungen, unter denen sich die aktuellen personalen Verhaltensfaktoren entwickelt haben.


Abbildung 1: Grundmodell der Verhaltenserklärung (nach Nolting & Paulus, 1999, S. 38 ff.)

Ebene 1: aktuelle Prozesse

Die erste Ebene des Grundmodells beschreibt das Verhalten einer Person in einer konkreten Situation und bringt es mit ihrem Erleben in Verbindung. Die Fragestellung lautet: Welche inneren und äußeren Prozesse spielen sich bei der handelnden Person ab, und wie hängen diese zusammen? Während das Verhalten von Dritten beobachtet werden kann, sind die inneren Prozesse primär der handelnden Person selbst mehr oder weniger zugänglich. Es sind Wahrnehmungen, Gefühle, Motivationen und Gedanken. Ein Teil davon ist der handelnden Person bewusst, ein Teil bleibt unbewusst und entzieht sich einer Beschreibung weitgehend.

Beispiel: Adrian M. steigt am Morgen ins Auto und fährt zur Arbeit (beobachtbares Verhalten). Die folgenden inneren Prozesse könnten sich bei ihm abspielen: Adrian trifft eine rationale Entscheidung, heute nicht den öffentlichen Verkehr zu benutzen, dabei meldet sich bei ihm zwar ein schlechtes Gewissen, aber er bleibt bei seiner Entscheidung (innere Prozesse). Während das Resultat der rationalen Entscheidung im Verhalten sichtbar wird, bleibt das schlechte Gewissen vorerst verborgen. ♦

Ebene 2: Disposition und Situation

Die zweite Ebene des Modells untersucht, welche personalen Dispositionen und welche situativen Bedingungen die inneren Prozesse und das Verhalten im Moment des Handelns beeinflussen (vgl. Abbildung 1). Zu den Dispositionen gehören sämtliche Persönlichkeitsmerkmale wie Wahrnehmungs-, Deutungs- und Handlungsmuster, Wissen, Einstellungen, Absichten, die momentane körperliche und psychische Verfassung und die momentan verfügbaren Fähigkeiten und Fertigkeiten. Die situativen Bedingungen setzen sich aus den materiellen, räumlichen, zeitlichen und weiteren äußeren Gegebenheiten zusammen. Auch momentane Einflüsse von Mitmenschen gehören zu den situativen Faktoren, kurz: sämtliche Bedingungen und Ereignisse, die außerhalb der handelnden Person liegen und einen Einfluss auf das beobachtete Verhalten haben.

Um das Verhalten einer Person zu erklären, müssen wir somit neben den aktuellen inneren Prozessen auch ihre zum Zeitpunkt des Verhaltens vorhandenen Dispositionen und die sie beeinflussenden äußeren Bedingungen kennen.

Beispiel: Adrian M. steht unter Zeitdruck: Ein wichtiger Geschäftstermin steht kurz bevor. Ein Wagen steht in der Tiefgarage zur Verfügung (situative Bedingungen). Adrian M. ist pflichtbewusst, kann Auto fahren, findet es wichtig, einen persönlichen Beitrag gegen die Luftverschmutzung zu leisten, und benutzt normalerweise aus Überzeugung den öffentlichen Verkehr (Dispositionen). An diesem Morgen überwiegen bei Adrian M. offenbar die situativen Bedingungen, und er entschließt sich dazu, das Auto zu benutzen. Die Dispositionen erklären jedoch zusätzlich zum beobachtbaren Verhalten sein schlechtes Gewissen. ♦

Ebene 3: Biografie und Situationsentwicklung

Die dritte Ebene erklärt die personalen Dispositionen aus der Biografie einer Person. Dispositionen entwickeln sich durch biologische Reifung und Lernprozesse, in der steten Auseinandersetzung mit der Umwelt. Sie enthalten die Essenz aus allen erfahrenen Situationen bis zum aktuellen Lebenszeitpunkt. Damit sind Dispositionen das Resultat der genetischen Voraussetzungen und der Erfahrungsmöglichkeiten, die sich einer Person im Lauf ihres bisherigen Lebens geboten haben, beziehungsweise der Erfahrungsmöglichkeiten, die sie sich selbst gesucht hat. Auf der Situationsseite des Modells (vgl. Abbildung 1, rechts) ist auf der dritten Ebene entsprechend die außerhalb der Person liegende Vorgeschichte der Verhaltenssituation angesiedelt. Dazu gehören sowohl die aktuelle Entwicklung der materiellen, räumlichen, zeitlichen und sozialen Bedingungen als auch die Geschichte und Kultur, in die das gezeigte Verhalten eingebettet ist.

Beispiel: Adrian M. ist in einer Familie aufgewachsen, die individuelle Verantwortung hoch bewertet. Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit am Arbeitsplatz sind ihm heute wichtig. Als langjähriger Mieter in einer verkehrsbelasteten Straße kennt er die Auswirkungen von Lärm und Luftverschmutzung aus persönlicher Erfahrung und möchte etwas zur Verbesserung der Lebensbedingungen in seinem Umfeld beitragen. Diese biografischen Entwicklungsbedingungen erklären die Dispositionen, aus denen sich sein Dilemma im Verlauf der rationalen Entscheidung zu Beginn des Beispiels ergeben hat. ♦

2.2 Eignung des Modells als Heuristik und Aussagekraft

Für die Planung von verhaltenswirksamen Bildungsangeboten benötigen wir Annahmen darüber, welche Faktoren für ein bestimmtes Verhalten relevant sind. Darauf aufbauend, können wir Lernprozesse bestimmen, die zur Veränderung dieser Faktoren beitragen, sowie Lernziele und Lernarrangements wählen, die geeignet sind, die Lernprozesse in Gang zu setzen. Auf Annahmen sind wir angewiesen, da weder die Bildungswissenschaft noch die Psychologie ein übergreifendes Theoriegebäude bereitstellt, aus dem sich menschliches Verhalten mit relativer Sicherheit vorhersagen lässt. Vielmehr existieren zahlreiche Theorien und Ansätze nebeneinander. Alle erklären Teilaspekte und haben sich in der Praxis für die Lösung bestimmter Probleme in einem bestimmten Kontext bewährt. In dieser theoretischen Vielfalt bietet das Grundmodell von Nolting und Paulus (1999) eine willkommene Orientierung. Es hat für die Planung und Beurteilung von verhaltensorientierter Bildung mehrere Vorteile.

Das Grundmodell sieht das beobachtbare Verhalten als einigermaßen eindeutigen Fixpunkt, von dem aus die komplexen inneren Prozesse erschlossen werden. Gleichzeitig dient das Verhalten als einigermaßen messbares Ziel der Bildungswirkung. Die Relativierungen »einigermaßen« sind dabei wichtig, da verhaltensorientierte Bildung praktisch nie mit Gewissheiten operiert, sondern mit Annahmen und Wahrscheinlichkeiten. Die Orientierung am Fixpunkt »beobachtbares Verhalten« ermöglicht eine wissenschaftsbasierte Überprüfung von Bildungsplanung und Bildungsergebnissen trotz dieser Unschärfe.

Ein weiterer Vorteil liegt in der relativen Theorieunabhängigkeit des Grundmodells. Es strukturiert das psychische System unabhängig von den Deutungsansätzen der unterschiedlichen psychologischen Richtungen. Über die Grundstruktur mit den fünf Aspekten und drei Erklärungsebenen herrscht in der Fachwelt weitgehend Konsens. Nolting und Paulus (1999, S. 40) bemerken dazu: »Der eigentliche Gegenstand der [psychologischen] Forschung und der wissenschaftlichen Kontroversen sind nicht die vorgestellten Aspekte als solche, sondern ihre inhaltliche Ausfüllung und Gewichtung.«

 

Die Unterscheidungen, die das Grundmodell trifft, zwischen inneren und äußeren sowie aktuellen und historischen Verhaltensfaktoren, ermöglicht unter anderem die Differenzierung von Lernprozessen. Je nach Bildungsanliegen und Zielgruppe stehen uns für die Planung geeigneter Lernarrangements Ansätze aus sehr unterschiedlichen Theoriegebäuden zur Verfügung, um diese Prozesse anzustoßen. Wollen wir ein problematisches Einkaufsverhalten beeinflussen, können wir uns sowohl bei der behavioristischen als auch bei der ökologischen Psychologie bedienen, ohne uns um die theoretische Vereinbarkeit der Ansätze vertieft zu kümmern. Die Orientierung am beobachtbaren Verhalten stellt sicher, dass wir trotz Lücken im Theoriegebäude letztlich unser Bildungsziel erreichen. Zu diesem aus Sicht der empirischen Wissenschaft problematischen Vorgehen schreibt der emeritierte Berner Psychologieprofessor August Flammer (2003, S. 268): »Da viele Theorien spezifische starke Seiten haben, sollte man alle diese nutzen können. Eklektizismus und Kombinationismus liegen den modernen Sozialwissenschaften sehr. Vor allem Praktiker […] berichten oft, mit einer geeigneten Kombination von Schulen […] gute Erfahrungen zu machen.«

Gegenüber älteren, aber immer noch gängigen Erklärungsmodellen für Umwelthandeln, wie die »theory of planned behavior« von Martin Fishbein und Izec Ajzen (2010), erweitert das Grundmodell von Nolting und Paulus den Blick auf die äußeren, die Situations-Aspekte von Verhalten und auf die zumeist unbewusste Handlungssteuerung. Beide werden in älteren Modellen entweder ausgeblendet oder fließen nur indirekt in die Verhaltenserklärung ein.

Die situativen Faktoren werden den personalen Faktoren oft zu Unrecht untergeordnet. Zur Bedeutung der Situation schreiben Nolting und Paulus (1999, S. 41): »Menschen neigen dazu, das aktuelle Verhalten anderer Menschen vornehmlich aus deren ›Person‹, aus ihren ›Eigenschaften‹ zu erklären, und Situationseinflüsse zu übersehen oder wenig zu beachten. Das heißt: Sie bevorzugen subjektive Erklärungen (Attributionen) wie ›X ist egoistisch‹ [...] selbst dort, wo Zeitdruck, Anweisungen, finanzielle Anreize und andere situative Faktoren eigentlich offensichtlich sind und, wie Experimente [...] zeigen, das Verhalten tatsächlich weit stärker steuern als die individuellen Dispositionen.«

Zur unbewussten Handlungssteuerung schreibt Izec Ajzen auf seiner Website (Ajzen, 2016): »Relation between Intentions and Actions: Being hypothetical, intentions tend to overestimate readiness to perform desirable behaviors and underestimate readiness to perform undesirable behaviors.« Das Vorhandensein von Verhaltensabsichten allein genügt offensichtlich nicht, um ein Verhalten zu erklären. Wir handeln oft auch gegen unsere erklärten Absichten, ein bestimmtes Verhalten zu ändern. Ein möglicher Faktor für diese Handlungsweise sind eingeschliffene Gewohnheiten (Habitualisierungen). Dazu schreibt Ajzen weiter: »Automatic/Habitual versus Reasoned Behavior: Although incorporating automatic processes, the theory of planned behavior generally assumes reasoned processes underlying attitudes and actions. In contrast, strong and unmediated links between prior and later behavior imply habituation in a process that bypasses intentions« (ebd.). Verhalten in einer aktuellen Situation ist offensichtlich nicht allein durch bewusste Entscheide und begründete Absichten gesteuert, sondern ebenso durch unbewusste, eingeschliffene Verhaltensmuster.

3 Das Brückenmodell
3.1 Vom Grundmodell zum Brückenmodell

Die Entwicklung des Brückenmodells ging von der Frage aus: Wie kann Handeln durch Bildungsangebote beeinflusst werden? Die Antwort liegt offenbar weit tiefer als im bloßen Vermitteln von Wissen und im Versuch, bewusste Entscheidungen zu beeinflussen. Wenn das Verhalten von Menschen durch die Wechselwirkung von situativen und personalen Faktoren gesteuert wird, müssen bei der Bildungsplanung Disposition und Situation gleichermaßen berücksichtigt werden. Und wenn Handeln häufig durch unbewusste Prozesse geleitet wird, müssen präkognitive Dispositionen ebenso einbezogen werden wie Wissen und bewusstes Denken. Das Brückenmodell für verhaltenswirksame Umweltbildung beschreibt, aufbauend auf dem Grundmodell von Nolting und Paulus (vgl. Abbildung 1), in welchen Bereichen sich didaktische Handlungsfelder für eine verhaltensorientierte Bildungsplanung öffnen.

Handeln enthält mindestens einen Gegenwartsaspekt, an dem innere Prozesse und das beobachtbare Verhalten beteiligt sind, einen Dispositionsaspekt, der die Voraussetzungen und die momentane Verfassung der handelnden Person betrifft, sowie einen Situationsaspekt, in dem die Umwelt die handelnde Person und ihr Verhalten beeinflusst. Das Brückenmodell übernimmt diese Struktur und gruppiert für die beiden Seiten »Person« und »Situation« die wichtigsten Verhaltensfaktoren zu didaktischen Handlungsfeldern. Die Gruppierung folgt zwei Fragen: Sind die Faktoren durch Bildungsangebote beeinflussbar? Und: Welche Faktoren müssen angesprochen werden, damit sich eine Wirkung im Verhalten einer Person zeigen kann? Die Metapher der Brücke greift die Erkenntnis auf, dass Bildung in einem fortwährenden Austauschprozess zwischen Ich und Umwelt entsteht. Ziel von Bildungsangeboten ist es, diesen Austausch anzuregen und auf eine didaktische Intention hin zu organisieren.

Die Brückenelemente, das heißt die didaktischen Handlungsfelder, unterscheiden sich in den Rahmenbedingungen für Lehren und Lernen, denn Wissensaufbau folgt beispielsweise anderen Regeln als das Einüben von Fertigkeiten. Zusätzlich gruppieren die Brückenelemente die Verhaltensfaktoren so, dass sichtbar wird, welchen Beitrag eine einzelne Bildungsmaßnahme auf dem Weg zu umweltgerechtem, nachhaltigem Verhalten leisten kann. Die verfolgten Bildungsansätze können in jedem didaktischen Handlungsfeld aus einem unterschiedlichen Theoriegebäude stammen, solange sie einen erkennbaren Beitrag zum gewünschten Verhalten leisten.


Abbildung 2: Brückenmodell der didaktischen Handlungsfelder für verhaltenswirksame Umweltbildung

3.2 Gewohnheiten als Bildungsziel

Das übergeordnete Wirkungsziel von Umweltbildung ist eine nachhaltige Gesellschaft, die sich innerhalb der ökologischen Tragfähigkeit des Planeten Erde entwickelt. Nachhaltigkeit bedingt, dass Menschen in ihrem Alltag so handeln, dass sich weltweit ein zukunftsfähiges ökologisch-sozial-ökonomisches Gleichgewicht einstellen kann. Nachhaltigkeit basiert, auf der Ebene des Individuums, auf Verhaltensmustern. Entsprechend heißt das oberste Element des Brückenmodells – die belastbare Fahrbahn der Brücke – »Gewohnheiten«. Es benennt somit das übergeordnete Bildungsziel von Umweltbildung auf individueller Ebene. Nachhaltige Entwicklung kann nicht dem Individuum allein übertragen werden. Sie ist nur möglich, wenn sich Kommunen, Staaten, Wirtschaftsunternehmen so organisieren, dass nachhaltiges Verhalten für das Individuum Sinn ergibt. Trotzdem ist es letztlich der handelnde Mensch, der die Gegenwart und die Zukunft gestaltet. Bildungsziel ist daher nicht ein einmaliges Verhalten, Bildungsziele sind vielmehr alltägliche Handlungsgewohnheiten. Das Alltagsverhalten wird mehrheitlich von eingeschliffenen und weitgehend unbewussten Handlungsroutinen geprägt. In Situationen, die eine erhöhte Aufmerksamkeit erfordern, kommen bewusste Entscheidungen dazu. Diese folgen jedoch selbst wiederum typischen individuellen Mustern. Gewohnheiten haben sich im Lebenskontext einer Person als viabel, im Sinne von brauchbar und akzeptiert, erwiesen. Sie sind daher sehr stabil und gelten in der Psychologie als zuverlässigstes Vorhersagekriterium für das Verhalten in einer bestimmten Situation, zuverlässiger als beispielsweise das Umweltbewusstsein einer Person.

3.3 Handlungsfelder der Dispositionsseite

Die Dispositionsseite umfasst die fünf didaktischen Handlungsfelder »subjektive Realität«, »Wissen«, »Einstellungen«, »Handlungsschemata« und »Training«. Die »subjektive Realität« bildet das Fundament auf der Dispositionsseite der Brücke und ist damit direkt der »objektiven Realität« – als Fundament auf der Situationsseite – gegenübergestellt. Das Handlungsfeld »subjektive Realität« enthält sämtliche personalen Verhaltensfaktoren, die sich nicht den restlichen Handlungsfeldern der Dispositionsseite zuordnen lassen, insbesondere aber die individuelle Art einer Person, die Welt zu erkennen, zu erleben und erklären (Wie-Dispositionen). Zum Feld »Einstellungen« gehören die Warum-Dispositionen, die für das Wollen verantwortlich sind, während das Element »Handlungsschemata« die Womit-Dispositionen als Voraussetzung für das Können einschließt. Die »Handlungsschemata« werden durch das Element »Training« gestützt. Als eigenes didaktisches Handlungsfeld erinnert es daran, dass Handlungsschemata erst durch Wiederholung automatisiert und ins Alltagshandeln übernommen werden.

Obwohl im Brückenmodell auf der Dispositionsseite ein scheinbarer Aufbau vom Wissen über das Wollen und Können zum Handeln angelegt ist, darf daraus keinesfalls auf eine vorgegebene Reihenfolge von Lernschritten geschlossen werden. Die Existenz einer solch linearen Verknüpfung ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht haltbar. Vielmehr sind alle Elemente in systemischer Weise miteinander verknüpft und beeinflussen sich gegenseitig. So wirkt beispielsweise Lernen im Bereich »Handlungsschemata« automatisch auch auf Einstellungen. Es festigt oder verändert sie. Gleichzeitig können sich Wahrnehmungsmuster im Handlungsfeld »subjektive Realität« und Wissensbestände im Handlungsfeld »Wissen« verändern. Dies lässt sich an folgendem Beispiel veranschaulichen: Im Jugendsolar-Projekt von Greenpeace erstellen Jugendliche Solaranlagen für ihr Schulhaus. Sie lernen durch aktives Tun, wie man eine solche Anlage erstellt (Handlungsschemata), und erwerben gleichzeitig Wissen zum Thema Solarenergie. Die Tätigkeit wird ihre Einstellung zur solaren Energieproduktion beeinflussen, und es ist zu erwarten, dass sie aufmerksamer dafür werden, wo schon überall Solaranlagen in Betrieb sind (Wahrnehmungsmuster). Didaktische Planung kann folglich in jedem Handlungsfeld beginnen. Bildungsarbeit im einen Bereich berührt immer auch personale Faktoren in den anderen Handlungsfeldern, beeinflusst sie oder bedient sich ihrer als Referenz.

Olete lõpetanud tasuta lõigu lugemise. Kas soovite edasi lugeda?