Ich wollte nie Kaiserin werden

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Was für ein Schmäh!

Zudem bin ich die Kaiserin, weder Sophie noch die Esterházy haben mir irgendwas zu befehlen!

Und vom Kaiser kann ich keine Hilfe erwarten. Er hat Angst vor ihr, der jämmerliche Feigling, dabei müsste er mich vor ihr beschützen. Wahrscheinlich nimmt er immer noch an, dass die Sophie wie eine Mutter mir nur helfen will, weil ich so jung und unerfahren bin. Und, dass sie mich ermahnen muss, wenn ich Fehler mache, dabei war er genauso mit von der Partie wie ich und hat jetzt keine Anstalten gemacht, mir zu helfen.

Mehr Vertrauen als zur Esterházy habe ich zu meinem Oberhofmeister, dem Fürsten Lobowitz, und zu meinen jungen Hofdamen Bellegarde und Lemberg, gerade die Bellegarde ist mir recht sympathisch, hier hat mir die Tante aber zu vertrauliche Beziehzungen untersagt.

Komisches Volk hier!

PS: Die einzigen, die ich leiden kann, sind Franzls Bruder Maximilian, Baron Weckbecker und Graf Grünne, des Kaisers väterlichen Freund und Adjutant. Letzterer ist öffentlich sehr unbeliebt, gar der am meisten gehasste Mann der Monarchie, aber ich mag ihn gerne und vertraue ihm. Er strahlt eine gute Ruhe aus und hört mir zu, was wohltuend ist, weil er mich ernst nimmt. Noch viel besser: Er ist ein absoluter Pferdekenner und ein sehr guter Reiter, der jeden Tag auf dem Prater ausreitet. Mit mir reitet er natürlich auch aus, ein Highlight in der trüben Misere. Macht auch mehr Freude als mit meinen Hofdamen, die sehr ängstlich sind und nicht so gut reiten können wie ich.

„Wie man es macht, macht man es falsch“, sage ich zu Baron Weckbecker. „Ich war doch nur in Wien an meinem Platz an der Seite des Kaisers. Ist es denn so falsch, dass ich mich für die Agenden des Kaisers und die Politik in den Kronländern interessiere? Selbst der Kaiser meinte, ich hätte mich tadellos benommen.“

„Mir hat der Auftritt Ihrer kaiserlichen Majestät sehr imponiert. Ich bin der Meinung, dass die Kaiserin über die Politik in den Kronländern informiert sein sollte.“ Er zuckt entschuldigend mit den Schultern. „Leider sehen das die meisten Staatsmänner anders und sind der Meinung, dass der Platz der Kaiserin ein Waisenhaus oder ein Armenspital ist und nicht die Politik.“

„Aber wie soll ich eine gute Landesmutter sein, wenn ich nicht weiß, was in meinem Land vor sich geht“, sage ich stur und blicke den Baron trotzig an.

Kapitel 3 – die Erzherzogin

20. Mai 1854

Sophie hält sich immer noch für die wahre Kaiserin und mich hält sie an Ketten wie ein dressiertes Pferd. Am schlimmsten ist, dass der Kaiser nie da ist, um mich zu beschützen. Er steht schon um vier Uhr morgens auf und fährt nach Wien zu seinem Schreibtisch in der Hofburg. Ihm ist es egal, dass ich in Laxenburg nur die schreckliche Gräfin Esterházy und Tante Sophie zur Gesellschaft habe und mir Flitterwochen irgendwie anders vorgestellt habe.

Ich will heim zu meinen Eltern und zu meinen Geschwistern. Die haben mich lieb wie ich bin und ich muss kein dressiertes Pferd sein. Apropos Pferd, gut geht es mir, wenn ich ausreite, aber auch das sieht Tante Sophie nicht gerne. Ich habe Husten und bin krank, sollte mich schonen und im Bett bleiben und nicht ausreiten. Aber warum habe ich Husten? Doch nur, weil dieses verdammte Schloss so feucht ist.

26. Mai 1854

Wie eine Gefangene bin ich hier. Um mich herum eine Schwadron von Frauen, die mir dienen, mich in Wahrheit aber bewachen. Sie sind immer um mich herum, egal was ich tue. Nur, wenn ich schreibe, bin ich alleine und ich schreibe meistens nachts. Und wie gut tut mir das tut. Manchmal träume ich, dass die schreckliche Gräfin Esterházy und Tante Sophie mein Tagebuch finden und meine Gedichte lesen. Ich darf ja die Tür nie zu machen und alle Damen haben ständig Zutritt zu mir.

Dabei wäre es so schön hier. Endlich kommt die Sonne raus und Laxenburg erscheint mir märchenhaft. Ich füttere so gerne die jungen Schwäne, die durch den Schlossteich schwimmen. Sie sind so reizend wie mein Papagei.

03. Juni 1854

Endlich eine Ablenkung. Franz und ich fahren nach Böhmen und Mähren. Ich lerne böhmisch, eine Sprache, mit der ich mich schwertue und die ich nicht besonders wohlklingend finde.

Viel lieber würde ich ungarisch lernen!

Franz freut sich natürlich auf Olmütz, da er dort Kaiser geworden ist, weil sein Onkel, Kaiser Ferdinand I., der kinderlos geblieben war, nach der Märzrevolution 1848 aus gesundheitlichen Gründen die Regierung zu Gunsten Franz Josephs niedergelegt hatte. Franz Josephs Vater, Franz Karl verzichtete insbesondere durch Einfluss seiner Gattin auf die Nachfolge. Franz Karl war nämlich sowohl körperlich als auch geistig von schwacher Konstitution und galt daher für eine Regentschaft als kaum geeignet. Aus diesem Grund wurde Franz bereits von frühester Kindheit an von seiner ehrgeizigen Mutter konsequent für die Nachfolge als Kaiser aufgebaut, weswegen er ihr ja immer noch dafür dankbar ist und nichts gegen sie sagt, wenn sie mich ungerecht behandelt. Franzens Familie fand damals in Olmütz Asyl und er schwärmt von der schönen, goldenen Stadt, die immer im Schatten Prags steht.

05. Juni 1854

Nicht einmal auf einer Reise habe ich meinen Franzl für mich alleine, sondern muss ihn mit dem gesamten Gefolge teilen. Selbst die Esterházy ist dabei. Eisenbahnfahren macht mir aber große Freude und Grünne erzählt recht lebhaft von den ungarischen Pferden.

07. Juni 1854

Gestern haben wir ein Waisenhaus und ein Armenspital besucht. Es hat mir viel Freude bereitet, mit den armen Kindern zu reden. Sie sind mir so viel lieber als diese Hofschranzen, sie sind ehrlich und offen und sie mögen mich. Die Armut der Menschen macht mich tief betroffen.

08. Juni 1854

Wir sind jetzt im Prag, eine sehr schöne alte Stadt, aber sie erinnert mich leider an Wien. Wir wohnen im Hradschin, dem alten Sitz der böhmischen Könige. Ich muss lange Audienzen über mich ergehen lassen, Franz ist dies von klein auf gewöhnt, mich ermüdet es jedoch furchtbar. Allerdings war das Ritterfest im Palais Waldstein mit den feurigen Reitern in ihren prächtigen Kostümen wirklich schön.

10. Juni 1854

Heute war eine Delegation aus dem Erzgebirge da. Mein Gott, sind das arme Menschen! Ich musste fast weinen, als ich von ihrer Armut hörte. Mir sind diese einfachen Menschen um vieles lieber als die Menschen bei Hofe, egal ob in Wien oder Prag, überall sind es die gleichen, falschen, bösartigen Menschen. Tante Sophie ist der böhmische Adel treu ergeben, mich aber verachten sie als kleines dummes Mädchen. Ich kann den böhmischen Adel nicht leiden, denn sie behandeln mich derart herablassend und ich war so aufgeregt, dass ich nicht mehr auf Französisch zu parlieren verstand.

Wir besuchten außerdem noch ein Taubstummenheim und ein Irrenhaus, letzteres war sehr spannend.

02. Juli 1854

„Ich bin schwanger?“

Fast entsetzt schaue ich Hofrat Dr. Seeburger an. Eigentlich müsste ich glücklich sein wie Schwangere es nun mal sind, aber ich bin es nicht. Nicht einmal ansatzweise. Ich bin so müde, schon an Fronleichnam fühlte ich mich zu Tode erschöpft, als ich mit dem Kaiser bei der Prozession mitgehen musste.

„Jawohl Majestät, Ihre Kaiserliche Hoheit befinden sich, wie ich eben sagte, in der Erwartung. Kaiserliche Hoheit wird den Erben zur Welt bringen. Sie müssen sich nun ein bisserl umstellen. Keine Reiterei mehr.“

Das hatte ich schon befürchtet und sehe entsetzt meinen Franzl an, der meine Hand hält, mich liebevoll anlächelt und nickt. Kein Reiten mit Graf Grünne, meinem guten Freund, dem die kaiserlichen Stallungen unterstehen. Was hat der Mann für ein Wissen über Pferde, es gibt niemanden, der sich besser mit Pferden auskennt als er. Oft reite, nein, ich muss jetzt sagen, ritt ich mit ihm aus, wenn der Kaiser keine Zeit für mich hatte, also ziemlich oft.

Ich hatte schon befürchtet, schwanger zu sein. Als wir aus Prag zurückkamen, musste ich, obwohl mir unwohl war, ich sehr müde war, mich kaum auf den Beinen halten konnte und fürchtete, diesen öffentlichen Auftritt nicht mit der nötigen Grazie zu absolvieren, an der Fronleichnamsprozession teilnehmen, da die Kaiserin sich in der Öffentlichkeit präsentieren muss.

„Ich werde dick und unansehnlich, ich habe das doch bei meiner Mama gesehen, wenn sie schwanger war“, flüstere ich tonlos vor mich hin.

„Du darfst doch im Schönbrunner Park spazieren gehen, Sisi und du bist immer schön, vor allem, wenn du schwanger bist, ich freue mich ja so“, flüstert mir Franzl ins Ohr.

12. Juli 1854

Mir ist ständig schlecht und ich habe schon ein wenig zugenommen, was mir gar nicht gefällt. Der Doktor Seeburger behandelt mich, als ob ich ein kleines Kind wäre und ich muss allem folgen, was er, Tante Sophie und der Kaiser von mir erwarten.

Im Schönbrunner Park spazieren gehen. Normalerweise gehe ich gerne spazieren, aber die Menschen starren mich an, wenn ich im Schönbrunner Park flaniere. Und ich muss spazieren gehen, ich muss mich dem Volk zeigen. Sie sollen sehen, dass ich Mutter werde, dass ich wirklich ein Kind vom Kaiser in mir trage. Ich muss ihnen meinen dicken Bauch zeigen. Die Leute haben angeblich ein Recht darauf, zu sehen, dass es ihrer Kaiserin gut geht. Dass ich ein Kind bekomme, gibt ihnen Vertrauen in die Zukunft des Kaiserreiches. Sophie und auch mein Franzl wollen das so. Dabei kommen so viele Leute in den Schlosspark, seitdem alle Welt weiß, dass ich schwanger bin. Und sie gaffen mich an und rauben mir meine Seele. Tante Sophie behauptet, ich würde ein Theater machen und dem Franz mit meinen Launen schaden. Auch mein enges Schnüren findet sie doof, aber ich will nun mal nicht aufgehen wie ein Ballon.

 

Was ich will und wie ich mich fühle, das ist ihnen egal, auch meinem Franzl. Er sagt immer, er würde mich lieben, aber er lässt mich immerzu im Stich. Er hat so viel mit diesem dämlichen Krieg auf der Krim zu tun, mit den Hungersnöten, die überall in den Provinzen ausbrechen und mit der Cholera, die bei den Truppen in der Walachei seinen Ursprung nahm.

Und ich soll mich von meinen Tieren fernhalten, weil mein Kind dann wie ein Papagei aussehen würde, wenn ich meinen Papagei in seinem Käfig betrachte. Tante Sophie ist so blöd!

30. Juli 1854

Ich bin in Ischl, wo die Sophie uns die Villa Marstallier nach unserer Verlobung als Hochzeitsgeschenk gekauft hat, die zur Kaiservilla umgebaut wird. Mama, Karl Theodor und Mathilde sind da. Mein Gott, war das ein Spaß mit dem Telegramm, denn in dem war zu lesen: Kaiserin Elisabeth, Ischl, eintreffe mit Spatz und Gackel, Mimi.

So nahm jeder an, die reisende Mimi, die am Bahnhof abzuholen war, wäre eine exzentrische Reisende mit zwei Vogelkäfigen, dabei ist Mimi meine Mama, Gackel mein Bruder Karl Theodor und der Spatz meine jüngste Schwester Mathilde, die so klein und so zierlich wie ein Spatz ist.

Meiner Mama war die Angelegenheit vor Sophie peinlich, aber ich musste so lachen!

22. August 1854

Franz Joseph hat nie Zeit für mich, immerfort beschäftigt er sich mit diesem blöden Krimkrieg, der schon seit letztem Jahr dauert. Mir geht es nach immer noch schlecht, ich muss oft brechen und weinen. Tante Sophie hält mich für unreif und behauptet, ich würde Theater machen, ich sei selber noch ein Kind. Ich sollte mich zusammenreißen. Immerfort würde ich jammern, statt ihren Unterweisungen, die sie nur gut meint, zu folgen. Mein Unwohlsein reicht nicht aus, Termine abzusagen und ich muss weiter spazieren gehen, damit jeder sehen kann, dass ich den Thronfolger oder zumindest eine kleine Erzherzogin, die man später gut verheiraten kann, erwarte. Als ob sie mir das nicht ohnehin schon klar gemacht haben.

Sie wird mir ohnehin das Baby wegnehmen. Lässt den Wickelraum des kleinen Prinzen schon in ihren Gemächern herrichten. Das Kind ist noch nicht mal geboren und schon will sie es mir wegnehmen, bis ich bewiesen habe, dass ich mich selber um das Kind kommen kann. Bis dahin wird sie das Kind großziehen. Ich werde erstmal nicht mehr schreiben. Auch Mama rät mir, mich nicht so in meinem Selbstmitleid zu vergraben. Das würde mir nicht bekommen. Und ich soll laut ihr nicht so viel lesen, weil dies meine Nerven strapaziert. Auch mein Papa liest viel, aber der darf das, weil er ein Mann ist. Männer dürfen lesen, Männer dürfen reisen.

Ach wäre ich doch nur als Mann geboren!

Ich will mich nun in der Handarbeit versuchen.

Ich lese immer noch.

Ich habe nämlich Heinrich Heine für mich entdeckt. Einen großen Dichter, der am Hofe nicht gut gelitten ist, da er angeblich ein Aufrührer und ein Atheist sei. Die Menschen an diesem Hof sind im Gegensatz zu meinem Vater erschreckend wenig belesen und üben sich lieber im Klatsch, vor allem die Esterházy. Und mich halten sie für geistlos, weil ich mit fremden Menschen keine Konversation betreiben kann. Aber die sprechen mit mir auch nicht über Bücher und ich weiß nicht, was ich mit denen sonst reden soll. Für den Hof gilt nur die richtige Abstammung und nicht wie klug oder gebildet jemand ist. Auch ein Shakespeare hätte es in ihrer Mitte schwer.

Selbst die Politik bespricht Franz hauptsächlich mit seiner Mutter. Was ich denke, interessiert niemanden.

15. Oktober 1854

Hofburg, prunkvoll eingerichtete Räume, aber schlecht durchlüftet, überall zieht es und es ist bitterkalt. Man kommt sich wie in einem Museum vor und nicht wie in einem behaglichen Heim.

Wenigstens konnte ich erreichen, dass mir ein Badekabinett eingerichtet wird. Dann ist endlich Schluss damit, dass mein Kammermädchen das Badewasser über endlose Gänge schleppen muss und es kalt und in einer nicht ausreichenden Menge vorhanden ist, wenn ich bade. Sophie war natürlich dagegen. Mitglieder des Kaiserhauses wären nicht schmutzig, es würde genügen, sich mehrfach am Tage umzuziehen und die armen Kammermädchen und die Lakaien könnten ruhig schleppen, es sei ja deren Arbeit. Außerdem trinke ich Bier statt Wein zum Essen und gehe alleine spazieren.

15. November 1854

Tee mit Sophie.

„Russland ist jetzt unser Feind“, bringe ich ihre etwas langatmigen Erklärungen auf einen Nenner.

„So kann man es sagen. Wir müssen seinen Einfluss zurückdrängen, damit es sich nicht auf Kosten des osmanischen Reiches noch weiter ausbreitet und noch mächtiger wird. Unser Heer besetzt nun auf Bitten des Sultans die osmanischen Reiche in Moldawien und der Walachei. Verstehst du jetzt, warum sich Franz so sorgt und so im Geschirr ist? Es ist kein böser Wille, dass er wenig Zeit für dich hat, wirklich nicht, Elise.“

02. März 1855

Bald habe ich es überstanden. Hoffentlich ist es ein gesunder Sohn, die Mühe hat sich dann wenigstens gelohnt und alle sind zufrieden mit mir.

Soeben ist ein Telegramm eingetroffen. Zar Nikolaus I. von Russland ist gestorben. Er hatte Franz verflucht, weil er ihm 1848 gegen die Ungarn geholfen hatte und Franz ihm nicht im Krimkrieg. Trotzdem müssen wir vier Wochen lang Staatstrauer tragen.

Zudem hat die Erzherzogin eine Baronin Welden zu meiner Kinderfrau bestimmt. Eine Frau, die selber keine Kinder hat und deren verstorbener Mann beim Aufstand 1848/49 in Ungarn sehr brutal zu Werke gegangen ist. Als ob sie für seine „Verdienste“ belohnt werden muss!

05. März 1855

Meine Kleine ist da!

Gottseidank war Franz Joseph nicht enttäuscht, dass es nur ein Mädchen ist. Ich war nämlich furchtbar enttäuscht, heißt es doch, noch einmal schwanger zu werden, noch einmal diese Tortour, solange bis ich einen Sohn bekomme. Qualvolle Aussichten.

Die Kleine wird nach Tante Sophie benannt, was mich traurig stimmt, denn ich mag den Namen nicht, genauso wenig wie ich Tante Sophie mag. Obwohl sie so sanft und liebevoll an meinem Bett saß, dass ich sie gar nicht in Einklang mit meiner strengen Schwiegermutter brachte und sie fassungslos anschaute. Fast war ich angefasst und sie war gerührt, dass die Kleine nach ihr benannt wird. Allerdings hatte sie mir noch eingeschärft, dass es nicht nur mein Kind, sondern das der Krone sei, da ich kurz vor der Niederkunft ungehorsam war und an die frische, kühle Märzenluft wollte.

Meine Mama war leider nicht da, da Sophie ihr, die sie immer noch Louise und nicht Ludovika nennt, die Reise nicht zumuten wollte.

08. März 1855

Tante Sophie hat die kleine Sophie zu sich geholt. Ich sei selber noch ein Kind und unreif, so wie ich mich in der Schwangerschaft betragen habe und könnte nicht auf ein weiteres Kind aufpassen.

Mit meinem Betragen in der Schwangerschaft mag sie recht haben, aber ich habe ja auch keine Erfahrung damit, schwanger zu sein. Der Rest ist aber Blödsinn. Daheim habe ich mich mit sehr viel Freude um meine jüngeren Geschwister gekümmert. Was haben sie mich geliebt und was haben wir alle geweint, als ich fortging nach Wien. Meine Eltern hatten nie Bedenken, wenn ich der Amme zur Hand ging. Und hier muss ich um Erlaub bitten, wenn ich mein Kleines sehen will.

20. März 1855

Ich möchte heulen oder schreien vor Wut! Vorhin wollte ich die kleine Sophie sehen. Der Weg zu ihrem Schlafzimmer ist weit und führt über eiskalte Treppen und endlose Gänge. Als ich dann endlich da war, haben sie mich behandelt wie einen ungebetenen Gast. Ich durfte meine Tochter nur streicheln, weil Tante Sophie dabei war. Wie sehr ich diesen Namen hasse. Warum muss man diesem unschuldigen Wesen nur die Aura einer bösen alten Fee überstreifen? Wie soll ich mein Kind lieben, wenn ich es nicht einmal richtig kennenlernen darf. Die Amme gibt ihr Milch und die Aja, die Kinderfrau, erzieht das Kind. Und ich, die Mama? Franz steht wie immer hinter seiner Mutter. Seit Menschengedenken wird dies am Hofe so gehandhabt, ich darf nicht daran rütteln, da es nicht meine Aufgabe ist, mein Kind zu pflegen und erziehen. Ich bin wahrscheinlich nur die Gebärmaschine. Mehr steht mir nicht zu.

Soll schön sein, Kinder bekommen und ansonsten den Mund halten!

Eine leere Hülle, ein Köper ohne Geist und Seele.

Mama meint, dass ich übertreibe, auch bei uns gab es Ammen fürs Stillen und Kinderfrauen fürs Erziehen der Kinder. Das ist halt so.

20. Mai 1855

Ich habe wieder angefangen zu reiten. Ich habe die Macht meiner Schönheit entdeckt und werde diese nutzen. Ich werde Gymnastik treiben, um schlank zu bleiben. Eine schlanke Taille ist mir das wichtigste.

Karoline Lemberg war natürlich alles andere als begeistert, als ich den guten Forrester satteln ließ und einfach davonritt, ohne mich nach ihr umzudrehen. Es war herrlich, die pure Leichtigkeit!

Dem Kaiser und der Erzherzogin gefällt das natürlich nicht, da ich mit der Reiterei noch warten soll und mich überanstrengen würde. Aber was soll ich sonst tun? So wie eine Mama an der Wiege meines Kindes stehen? Es in meinen Armen wiegen? Ihm vorsingen? Darf ich alles nicht!

Außerdem fahre ich jeden Tag im offenen Wagen über den Graben, was Tante Sophie natürlich unanständig und anstößig findet. Schon seltsam, vor wenigen Monaten hat sie mich gezwungen, mit meinem dicken Bauch spazieren zu gehen, damit alle Welt sieht, dass ich schwanger bin. Ich habe mich aufgedunsen und hässlich gefühlt. Jetzt dagegen bin ich schön.

Im Sommer werde ich viele Bälle geben und mich ordentlich amüsieren. Und ich werde in mein geliebtes Possi reisen, so sehr freut es mich, alle wiederzusehen.

10. November 1855

Ein Sommer voller Bälle, voller Rastlosigkeit geht in einen tristen Herbst über. Das Gefängnis schließt seine Toren und ich komme mir wie eine Gefangene im eigenen Heim vor. Die kleine Sophie erkennt mich fast nicht mehr, so sehr erstickt sie unter der übertriebenen Fürsorge der Erzherzogin.

15. Dezember 1855

Gestern wäre ich fast gestorben, leider nur fast.

Ich bin mit der Gräfin Bellegarde nach Schönbrunn gefahren, als ein Pferd gescheut hat. Der Kutscher wurde vom Bock geschleudert und das herrenlose Gespann ist davon gestürmt. Die Bellegarde ist in Panik geraten und wollte sich aus dem Wagen stürzen. Ich habe sie zurückgehalten, ich war ganz ruhig, vielleicht, weil ich ähnliches daheim in Possenhofen auch schon erlebt habe.

Ein Fuhrmann hat dann seinen Wagen quer gestellt und den unseren zum Stehen gebracht. Die Bellegarde war vielleicht blass. Wir sind dann mit dem Fiaker zur Hofburg zurückgebracht worden und ich habe jetzt nur einen Wunsch: Tot zu sein.

Mir geht es schauerdhaft schlecht, aber das liegt wahrscheinlich daran, dass ich wieder schwanger bin.

24. Dezember 1855

Ich bin jetzt 18 Jahre alt. Das nächste Jahr muss einfach besser werden. Ich brauch dazu ganz dringend einen Sohn, den Thronfolger.

27. Februar 1856

Das neue Jahr ist nicht besser als das alte. Die Friedensverhandlungen in Sachen Krimkrieg haben begonnen. In Paris beraten die Kriegsgegner und Franz Joseph ist natürlich sehr angespannt. Er hat Angst vor Russland, das nicht vergessen kann, dass er es im Stich gelassen hat. Außerdem hofft Franz, mit der Hilfe Napoleons III., seine italienischen Besitztümer zu retten. Ich glaube nicht, dass das gut geht, ich traue Napoleon III. nämlich irgendwie nicht.

29. März 1856

 

Ich hatte recht, Napoleon denkt gar nicht daran, Franz Joseph zu helfen und mein Franzl ist ganz niedergeschlagen. Moldawien und die Walachei bleiben unter osmanischer Herrschaft. Der Zar ließ wutentbrannt Franzens Portrait in seinem Arbeitszimmer entfernen, weil er so wütend war, dass der Kaiser ihm nicht zu Hilfe gekommen war wie er ihm damals bei den Ungarn. Kann ich irgendwie sogar verstehen. Napoleon, dem Kaiser Frankreichs, war unsere Unterstützung zu wenig. Er stellt nun unsere Herrschaft in Norditalien in Frage. Misserfolg auf ganzer Linie, würde ich sagen. Das alles weiß ich von Grünne.

Ich muss zusehen, dass ich diesmal einen Sohn bekomme.

15. Mai 1856

Franz ist so in Gedanken, dass er gar keine Zeit für mich hat. Ich bin wohl wirklich nur dazu da, einen Thronfolger zu bekommen. Dabei will ich so viel mehr im Leben, ich will, dass er mir erzählt, was ihn belastet, mit mir über seine Politik diskutiert, mich um Rat fragt, hören will, was ich denke. Ich muss diesmal wirklich einen Sohn bekommen.

15. Juli 1856

Vorgestern, am 12. Juli, habe ich mein zweites Kind zur Welt gebracht.

Wieder nur ein Mädchen!

Ich bin so furchtbar enttäuscht. Mein Franzl war richtig lieb. Er hat versucht, mich aufzuheitern und gemeint, es sei nur deswegen kein Sohn geworden, weil wir den Rat des Rabbiners Alexandersohn aus Pest, während der Entbindung ein hebräisches Gebet an die Tür zu heften, nicht befolgt haben. Da musste sogar ich lachen und mir Tante Sophies Gesicht vorstellen. Der Rat eines Ungarn in Schloss Laxenburg.

Wenigstens ist der alte Drachen diesmal nicht die Patin des Kindes, sondern meine Mama, die aber wieder nicht da ist. Meine Tochter heißt Gisela nach einer bayerischen Prinzessin aus dem 10. Jahrhundert, die ihren ungarischen Ehemann König Stephan I. so erfolgreich zum Christentum bekehrt hat, dass dieser sogar heiliggesprochen wurde. Dass mir der Name nicht besonders gefällt, interessiert niemanden. Mich, die Mutter, haben sie gar nicht einmal gefragt. 4

20. Juli 1856

Gisela hat natürlich ihr Zimmer neben der kleinen Sophie bekommen und ist damit natürlich auch in der Obhut meiner „lieben“ Schwiegermutter. Meine seelische Verfassung und meine „Ausbildung“ zur Kaiserin reichen anscheinend immer noch nicht aus, um eine Erzherzogin zu erziehen. Ich bin also wieder die Bittstellerin, die eine Audienz braucht, um ihre eigenen Kinder zu sehen. Dr. Seeburger ist natürlich Tante Sophie treu ergeben. Ich verstehe ja, dass der Nachwuchs des Kaisers nicht aufwachsen darf wie Bauernkinder und wahrscheinlich nicht einmal wie wir daheim in Possenhofen. Natürlich verpflichtet die Krone und die Kinder brauchen eine gute und strenge Erziehung, aber, wenn sie so klein sind, brauchen sie vor allem ihre Mama und die bin ich.

Sophie sagt unermüdlich, dass sie es nur gut mit mir meint und ich erst mal wieder auf die Füße kommen muss was die Entbindung angeht. Ich glaube ihr nicht. Für die bin ich doch nur ein kleines Dummchen, das als Kaiserin nicht taugt.

Mag sie nur immer wieder sagen. „Elise, trink eine kräftige Hühnerbrühe, damit du Kraft sammeln kannst nach der Entbindung, das hat mir sehr wohl getan. Ich meine es doch nur gut mit dir, Liebes. Du kannst dich schonen und wieder zu Kräften kommst, während ich in der Kinderkammer nach dem Rechten sehe. Ich habe dies in deiner Situation als wohltuend empfunden, da ich mich nach meiner Niederkunft ganz auf mich besinnen konnte.“

Ich glaube ihr nicht, ich hasse sie.

15. August 1856

Franz Joseph muss sich endlich entscheiden und Stellung beziehen. Das kann doch nicht so schwer sein, dieses ewige neutrale Hin und Her hat ihm schon in der Politik sehr geschadet, jetzt droht es, seine Familie zu zerstören.

30. August 1856

Ich habe gewonnen!

Mein Franzl hat sich für mich entschieden und meine Partei ergriffen. Schließlich will ja auch er mehr Zeit alleine mit den Kindern verbringen und dass sie nicht so vor fremden Menschen produziert werden.

Die Kinder werden ab jetzt in der Radetzky – Wohnung untergebracht. Die Räume sind groß, hell und ganz in meiner Nähe. Sophie hat die Kinder nämlich nach Seeburgers Anweisung verzärtelt. Kein Tageslicht, keine frische Luft, keine Temperaturwechsel. Das sind doch Ansichten von vorgestern. Ich habe Franz Joseph natürlich ein wenig erpresst. In drei Tagen fahren wir nach Kärnten und in die Steiermark. Ich habe ihm gesagt, dass er auf mich verzichten muss, wenn er sich gegen mich entscheidet.

Nun ja, er wird nun nicht auf meine Gesellschaft verzichten müssen. Jetzt werde ich meine neue Heimat so richtig kennenlernen, nicht nur Wien und Bad Ischl.