Tasuta

Lahme Flügel

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Märgi loetuks
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Ich habe diese Frau so oft im Traum besucht, zig extra Termine habe ich mir dafür aufgehalst, aber Madame Hauptmann mit Schönheits-OP-Sucht und Hang zum Dauerschwindeln ist noch sturer als die Kanzlerin selbst.



Und glauben Sie mir, die ist auch extrem harthörig geworden, in letzter Zeit.



Wie oft habe ich gesagt, Angela, Sie müssen drei Dinge überdenken: 1. Ihre Kommunikation mit dem deutschen Volk, 2. Ihre Abo-Termine bei Udo Walz – und 3. sollten Sie sich das mit dem Skilaufen noch einmal überlegen – ich hatte schon mehrfach darauf hingewiesen.



Aber, was soll ich sagen?



Nicht mal im Traum hat sie das Gesicht dazu verzogen – und das lag nicht daran, dass sie es nicht hätte tun können, ihre Gesichtsnerven waren sozusagen

botoxfrei intakt

. Einfach stur geradeaus hat sie geguckt und gesagt: „Verehrter Fried-Karl, ich weiß Ihre Vorschläge, sagen wir fast immer zu schätzen, aber momentan ist nicht die Zeit, sich mit diesen von Ihnen eingebrachten Ideen intensiver auseinanderzusetzen. Jedoch kann ich Ihnen verbindlich, wie es meine Art ist, zusagen, dass ich mir diese drei Punkte zur gegebenen Zeit näher betrachten werde.“



Aber nichts geschah, am Ende war das Volk weiterhin unzufrieden, die Frisur noch immer optimierungsfähig und wohin das mit dem Skifahren dieses Jahr geführt hat, haben ja alle mitgekriegt. So endet es, wenn man seinen Schutzengel komplett ignoriert… Da, sehen Sie’s!



Und dann ist sie mir wie immer davongedackelt. Zum Mäusemelken ist es. Das hält ein einzelner Engel wie ich doch nicht auf Dauer aus!



Apropos: Bei Mäusen fällt mir dann auch wieder dieser

Tebartz-van Elst

 ein, ein Bischof, der zuerst seine wahre Berufung verpasst und dann zu allem Übel noch eine Menge Geld verprasst… (gefüllte Bischofskassen!!!) Er hätte doch eigentlich Architekt werden sollen, Architektur war seine Bestimmung! Nur leider hat er alles ein bisschen übertrieben, obwohl ich mir in einigen nächtlichen Überstunden die Flügel fusselig geschlagen habe…



Noch ein Beispiel, was passieren kann, wenn man seinen persönlichen Schutzengel permanent ignoriert. Apropos Überstunden: Nur zum Verständnis, die von der Gewerkschaft ausgehandelte 35-Stunden-Woche hatte ich meist schon am Dienstagabend erreicht. Noch Fragen?



Aber den allergrößten Rest hat mir dann doch die über alle Grenzen hinaus bekannte Fußball-Legende

Uli


Hoeneß

gegeben. Einer der erfolgreichsten Fußballer und Fußballmanager aller Zeiten – leider mit übermäßigem Spieltrieb und fast unbändigem Hang zum Zocken – und dann ein mega-giga-übergroßes Eigentor wegen Steuerhinterziehung einkassiert!



Nun haben sie ihn verknackt und er muss dreieinhalb Jahre einsitzen – Dauerauswärtsspiel mit Übernachtung. Da ist er noch gut bei weggekommen, wie ich finde. Hier oben wäre das anders ausgegangen…



Da sind die von den

Obersten Finanzbehörden

 nicht gerade zimperlich. Und der Boss und der Junior verstehen bei Steuern auch überhaupt keinen Spaß, das Ganze muss ja auch irgendwie finanziert werden, gerade im Siebten Himmel soll alles nur vom Allerfeinsten sein, da gibt es fast nichts, was nicht aus teuerstem Marmor ist (und der Tebartz hat diesmal nix damit zu tun!). So eine Luxusausstattung bezahlt sich nicht von selbst, die Verstorbenen müssen ja auch von irgendetwas leben. Und Sie kennen bestimmt den passenden Passus aus der Bibel: „ So gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“ (Mk, 12, 13-17), falls Sie nochmal nachlesen möchten…



Aber das ganze Desaster wäre sowieso nicht nötig gewesen. Ich hab‘ ihm immer wieder und wieder gesagt: „Uli, du kannst doch eh nicht mehr als zwei panierte Schnitzel hintereinander verdrücken… Ihr habt doch sowieso so viel Fleisch, dass Ihr es schon verkaufen könnt!“ Aber da war der Uli wie die Kanzlerin, harthörig bis zum Anschlag.



Mann, Mann Mann!



Hier ist der gesunde Menschenverstand manchmal nicht nur angeschlagen, sondern echt schwer erkältet. Wenn ich nur an die vielen, vielen Sonderschichten denke, die ich seinetwegen alleine in der Schweiz geschoben habe. Sie können sich ja gar nicht vorstellen, was das für ein Verwaltungsaufwand war, jedes Mal mussten unzählige Anträge gestellt werden wegen der Flugeinsätze ins nicht-europäische Ausland. Die FlügelGesundheitsKasse hängt sich da in alles rein, wegen der Versicherung und so. Und unsere Gewerkschaft, die

Flügelvereinigung WingFit,

 sieht das genauso.



Naja, es muss eben auch im Himmel alles seine Ordnung haben. Und wer sollte für mich auch aufkommen, wenn ich nicht mehr fliegen kann, so wie jetzt? Die Gemeinschaft natürlich!



Und die sind auch nicht gerade begeistert, wenn bei Auslandseinsätzen außerhalb des vertraglich vereinbarten Fluggebietes, in meinem Fall also die Bundesrepublik Deutschland (Mallorca hat in der Bestimmung einen Sonderstatus erreichen können und gehört auch zu meinem Einsatzgebiet, ist ja praktisch schon deutsch) ein Unfall passiert und Kosten entstehen.




Langsam fragte ich mich, ob an dieser Sache mit dem angeblichen „Burn-Out“ vielleicht doch etwas dran war…



Frei nach dem Motto: Advent, Advent – ein Engel brennt? Nur dass er nicht wirklich brennt, sondern aus-brennt.



Ich fragte mich: War ich wirklich ausgebrannt? Am Ende meiner Kräfte? Hatten die Promis mich derart geschafft, dass man mich nun ins Sanatorium für sogenannte Härtefälle schaffen musste?



Wie konnte es nur so weit kommen? Dabei wollte ich meine Sache doch nur gut machen. Und jetzt war ich eine Art Psycho mit Flügeln… Ich korrigiere: Ein Psycho mit

lahmen

Flügeln!



Was hatte Dr. Flügelleicht noch gleich zum Abschluss gesagt?



Mein Lieber, Sie müssen sich das einfach nur mal klar machen: In einem gesunden Körper wohnt auch ein gesundes Karlchen…“







Simmel-Salabim!




Kaum hatte der Zug angehalten, wurden wir Neuankömmlinge kurz durchgezählt und mit einem kleinen Transferbus, auf dem in abgeblätterten Lettern „Klinikbus St. Angelius - Engelgenesungswerk seit A.D. 264“ stand, Richtung Sanatorium gefahren.



Nach einem zackigen Einchecken ging die von der Kasse organisierte (und finanzierte!) Rehabilitationsmaßnahme auch schon weiter: Zuerst stand der Bezug der Kammern (karg, keine Suite!) an, anschließend bereits der erste Termin im Schwesternzimmer.



Die legten ja hier ein Tempo vor!



Dabei war ich noch damit beschäftigt, mich von der Fahrt in diesem komischen Zweite-Klasse-Wagen zu erholen. Mittlerweile fühlte ich mich wirklich regelrecht erschöpft. Was für ein Stress!



Besonders einladend oder patientenfreundlich erschien mir das alles nicht. Irgendwie konnte ich nur eine einzige Farbe wahrnehmen, und die hieß Grau. Vollkommen neutrales Grau!



Die ganze Anlage war auf Neutralität angelegt. Sozusagen die Schweiz des Himmels, nur weniger Berge, vermutlich auch weniger guten Käse und noch viel weniger erstklassige Schokolade – vor allem aber viel, viel weniger Banken. Für die höheren Gefilde reichte ein einziges Bankhaus auch völlig aus. Und hier entdeckte ich gleich eine Filiale. Das war noch das Attraktivste, was ich bislang in Augenschein nehmen konnte. Ein Lichtblick, denn irgendwie erinnerte diese Location nicht gerade an das herrschaftliche „Downton Abbey“. Es sah eindeutig mehr nach „Downton Shabby“ aus. Vom Ersteindruck konnte ich nur sagen: alles schwerst optimierungsbedürftig…



Aber zumindest konnte ich mir Geld abheben, und irgendwo würde es bestimmt auch ein kleines Shopping-Zentrum geben. Denn auf meine geliebten Pralinen wollte ich ganz sicher nicht verzichten, auch wenn ich zur Kur war. Deshalb musste ich unbedingt liquide sein…



Die gute alte „BALDRIAN-BANK“, seit Längerem mit dem Slogan „

Wir sorgen für ein ruhiges Federkissen

“ bekannt, hatte im ganzen überirdischen Reich das Monopol, schon seit jeher. Hier oben sparten alle – jeder hortete das, was er von seinem Mindestgotteslohn nach Abzug der Steuern abzwacken konnte. Himmelreichsmark für Himmelreichsmark. Das Geld war – im Gegensatz zur Erde – auch noch richtig was wert. Insofern war Sparen eine sinnvolle Sache. Die Zinsentwicklung war praktisch nicht vorhanden, es galt seit ewigen Zeiten der Satz von 7%, worüber noch nie jemand gemeckert hatte. Zumindest war mir nichts Derartiges bekannt.



Und alle sind wir Sparbrötchen. Vom Protokollantenanwärter bis zum Chefreporter, das waren die Typen, die die Lebensprotokolle auf Herz und Nieren prüften, bevor die Unterlagen dem Boss vorgelegt wurden. Mit den Reportern war nicht zu spaßen, das waren echte Himmelhunde, die sich wahrscheinlich hin und wieder für den Boss persönlich hielten.



Zumindest spielten sie sich des Öfteren so auf.




Bislang hatte ich noch nicht viel mit ihnen zu tun, als ich mein Erdenleben damals 1757 nach einem Einbruch beim Schlittschuhlaufen auf dem zugefrorenen Main (mein Opa hatte ganz moderne Holzschlittschuhe aus Holland mitgebracht, aber wahrscheinlich waren sie mir zu groß und das Eis nicht dick genug!) bereits im zarten Alter von sieben Jahren beenden musste, da gab es noch nicht allzu viel zu diskutieren. Fehltritte meinerseits waren nicht vorzuweisen, von ein paar geklauten Äpfeln abzusehen und einer wirklich belanglosen Frechheit gegenüber meinem Vater – also musste ich nicht einmal beim Boss persönlich vorsprechen, sondern wurde gleich in den Kinderhimmel gebracht, wo ich mich eingewöhnen sollte und das Harfespiel erlernen durfte. Dann wurde ich relativ schnell für den Himmlischen Flugdienst einkassiert. Als Kinderseele hat man immer die besten Chancen, die begehrte Engelslaufbahn einzuschlagen. Hier werden zuerst neue Talente für die Schutzengellaufbahn gesucht.

 



Ansonsten steht nach dem irdischen Ableben erst einmal eine größere Diskussionsrunde an, je nachdem, wie die Vita so im Einzelnen aussieht.



Die Reporter, es gibt sie in drei Graden, arbeiten im Vorfeld alles akribisch auf, was die Protokollanten, die nie Urlaub haben und erst durchschnaufen können, wenn die Erdmenschenseele sich (vorerst endgültig) vom weltlichen Acker gemacht hat, so notiert haben. Das kann eine ganze Menge an Material sein und muss gründlichst gesichtet werden, was Aufgabe des Reporters ersten Grades ist, der lesetechnisch klar im Nachteil ist, weil er praktisch das ganze Erdendasein als Redeprotokollschrift durcharbeiten muss. Eine echte Fleißarbeit…



Da reißt sich keiner so wirklich drum.



Er hebt dabei schon einmal alle markanten Situationen hervor, die für den Reporter zweiten Grades interessant sein können, also Fehltritte, Verfehlungen, schwere Einschnitte und natürlich auch alle Sündenfälle – aber auch die Habenseite sollte nicht zu kurz kommen. Doch oft ist bei dieser Sichtung festzustellen, dass die alte Pfadfinderweisheit „Jeden Tag eine gute Tat“ immer mehr in Vergessenheit geraten ist. Entscheidend ist aber, was der Chefreporter, also der Mitarbeiter dritten Grades daraus macht. Er versieht alles mit seinen nicht gerade zimperlichen Kommentaren und gibt schon hier und da Empfehlungen ab – gerade so, als könne er in seiner Funktion dem Boss hier irgendeinen Ratschlag geben.



Aber ich sag’s ja immer, die Chefreporter sind die reinsten Himmelhunde und päpstlicher als der P