Ohne Freiheit ist Führung nur ein F-Wort

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DIE EINSAMKEIT DES ENTSCHEIDERS

Auch mit einer weiteren Überzeugung, die sich organisch in das Prinzip der geteilten Freiheit bei geteilter Verantwortung fügt, stand ich im Laufe meiner Engagements in großen Konzernen oft allein da. Ich glaube nämlich: Führung darf keine einsame Veranstaltung sein, aber:


Diese Erkenntnis ist aus dem Erleben vieler Entscheidungsrunden geboren, die alles Mögliche gezeitigt haben: Langeweile, Egotrips, erhöhter CO2-Ausstoß im Konferenzraum, nur keine brauchbaren Entscheidungen.

Wo viele mitreden, kommt meistens am wenigsten raus, oder? Am Ende vieler Meetings steht irgendeine halb gare Lösung, die obendrein auch noch ewig dauert. Je höher die Führungsebene, desto häufiger und ergebnisärmer die Versammlungen. Und je mehr Stufen eine Entscheidung durchlaufen hat, je mehr Arbeitszeit in Form von Meetings ihr geopfert wurde, desto weniger Sinn macht sie am Ende in aller Regel für den Kunden.

Denn je länger wir über Entscheidungen reden und je mehr „Entscheider“ wir einbeziehen, desto weniger geht es um den eigentlichen Sachverhalt. Stattdessen geht es um irgendwelche starren Richtlinien, Prozesse und Abläufe. Und was da nicht reinpasst, fällt durchs Raster. Außergewöhnliche Kundenwünsche zum Beispiel.

Für diese Form der sogenannten Entscheidungsfindung, für die wir mit steigender Führungsebene einen wachsenden Teil unserer Zeit verwenden, gibt es inzwischen ein schönes Wort: Schwarmdummheit.


Deshalb bin ich ein Verfechter einsamer Entscheidungen. Zuerst mag das paradox klingen von einem, der sich gerade für eine Umverteilung der Entscheidungsmacht ausgesprochen hat. Doch wenn die Entscheidungsbefugnisse jeder Führungskraft und jedes Mitarbeiters klar umrissen sind, dann teilen wir auch die Einsamkeit des Entscheiders miteinander. Und für diese Einsamkeit gibt es ebenfalls ein treffendes Wort, das uns im Folgenden noch häufiger begegnen wird: Verantwortung.

Verantwortung bringt ein gewisses Maß an Einsamkeit mit sich. Jede Führungskraft weiß das aus eigenem Erleben. André Lüthi, seines Zeichens Travel Ambassador und so etwas wie der Richard Branson der Schweiz, also ein echter Parade-Unternehmer, schrieb mir kürzlich: „Führen heißt oft allein sein. Darauf wird man nirgends vorbereitet. Leider.“ Mich hat das sehr berührt, weil ich André schon lange kenne und weiß, mit welcher Leidenschaft er für seine Ziele kämpft. Ein starker Leader, der ganz intensives Teamwork betreibt – und der fühlt sich allein?


Seiner Botschaft hängte er ein Bild von sich an. Es war bei seiner Expedition zum Nordpol entstanden. Auf dem Bild ist er allein inmitten der Eismassen zu sehen. So einsam, wie er sich bei dieser monströsen Herausforderung fühlte. Obwohl Freunde dabei waren. Ein Sinnbild für die Einsamkeit des Leaders.

Erst durch das Bild verstand ich wirklich, was André meinte: Je mächtiger, also befugter wir sind, desto einsamer werden wir. Und je einsamer wir eine Entscheidung treffen, desto verantwortungsvoller treffen wir sie. Das ist ein ambivalenter Aspekt von Führung, der nicht immer nur schön ist. Doch da sich Verantwortung nicht delegieren lässt, gehört er zu den unverrückbaren Seiten des Führungsalltags: Einsam sein heißt selbstverantwortlich handeln und entscheiden. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Einsamkeit, die ja keine soziale ist, sondern nur eine philosophische, den Entscheider sogar erdet. Sie macht ihn nicht etwa asozialer, sondern vielmehr zu einem besseren Leader.

Diese Einsamkeit zu spüren, ist ein Teil des Lernprozesses jeder Führungskraft und jedes Mitarbeiters, wenn er mit einem Mehr an Entscheidungsbefugnissen – und damit auch einem Mehr an Verantwortung – ausgestattet wird. Und das ist notwendig. Denn jetzt kommt der Knackpunkt, warum die Umverteilung der Entscheidungsmacht so wichtig ist: Sie können als Führungskraft nicht alles entscheiden. Genau die Situationen, in denen es auf eine schnelle, pragmatische Lösung ankommt, sind genau die, die beim Kunden zählen. Wer auch immer in diesem Moment am Drücker ist, muss die Verantwortung spüren, dass in diesem Moment der Wahrheit alles von seiner Entscheidung abhängt. Ein gefühlter Mitunternehmer wird in so einer Situation aufblühen. Ein Corporate Monkey wird unter der Last der Verantwortung zusammenbrechen. Denn wer einsam entscheiden darf, kann die Verantwortung nirgendwohin delegieren.

Wenn ich an der Hotelrezeption stehe und mein Ladegerät vergessen habe, was will ich dann? Ich will nicht, dass die Rezeptionistin ihren Vorgesetzten fragt, der seinen Vorgesetzten fragt. Und ganz besonders will ich nicht, dass die Rezeptionistin mich wissen lässt, dass sie mir leider nicht helfen kann. Weil sie nicht die Befugnis hat. Ich will mein Handy laden, verdammt noch mal. Keinen Grundkurs in schlechter Führung. Wenn Ihr Kunde anruft und eine schnelle Lösung braucht, dann steht alles auf dem Spiel. Wenn er mit jemandem spricht, der nichts entscheiden kann, verpassen Sie einen Moment der Wahrheit. Eine wichtige Chance. Und genau diese kleinen Momente entscheiden über die Kundenzufriedenheit.

Und dann ist der Punkt erreicht, an dem die Einsamkeit tatsächlich in Motivation umschlägt: Wenn der Mitarbeiter jetzt die richtige Entscheidung trifft – und das tut er, richtig geschult und vorbereitet, in 95 Prozent der Fälle –, dann ist die Kundenzufriedenheit in diesem Moment sein Erfolg und sein Erfolg der Erfolg des Unternehmens.

Das ist Motivation. Und erzeugt wurde sie durch Freiheit. Durch die Freiheit zu entscheiden. Wer einsam entscheidet – innerhalb eines durch die Führung klar gesetzten Verantwortungsbereichs –, darf auch den Erfolg für sich in Anspruch nehmen. Und das erzeugt eben keinen Ego-Trip. Der entsteht immer aus einem Mangel heraus, immer aus dem Bedürfnis der Bestandswahrung und einem Machtanspruch. Und dies hat nur, wer keine Macht hat, wer sich „ohn-mächtig“ fühlt. Wer den Erfolg der eigenen Entscheidung dagegen genießen darf, der empfindet kein Defizit, sondern Verbundenheit.

So entsteht Mitarbeiterzufriedenheit. Nicht indem wir einmal im Jahr vom Thron heruntersteigen und mit den Mitarbeitern zum Rafting fahren. Und so entsteht auch: Kundenbegeisterung. Nicht, indem wir versuchen, Prozesse für alle möglichen Entscheidungen in Meetings zu verabschieden, die in der Realität am Kunden dann doch nie zum Tragen kommen.

Deshalb bin ich überzeugt: Ein schlagkräftiges Unternehmen besteht nicht aus Entscheidern auf der einen und Mitarbeitern auf der anderen Seite. Ein schlagkräftiges Unternehmen besteht aus lauter Entscheidern, die alle auf eine gemeinsame Mission hinarbeiten. Nämlich auf begeisterte Kunden. Das kann ich sein, wenn ich mein Handy laden will. Oder Sie, wenn Sie Ihren Lieblings-Whisky wollen. Oder Ihr Kunde, der sich eine andere Lackierung wünscht. So eine Kleinigkeit, aber so eine große Chance.

Die Einsamkeit des Entscheiders ist eine unvermeidliche Nebenwirkung von Verantwortung. Ob sie sich produktiv oder destruktiv auswirkt, ist allein eine Frage des Ermächtigungsgrads.

Die Einsamkeit des Ermächtigten ist produktiv. Die Einsamkeit des Ohnmächtigen ist destruktiv.


ENTSCHEIDEN IN DER PRAXIS: FREIHEIT SCHLÄGT GELD

Ein häufiger Einwand gegen eine Kultur der unabhängigen Entscheidungen ist: Wer soll das bezahlen? Schließlich könnte der Mitarbeiter Kosten verursachen, weil er die Folgen seiner Entscheidung gar nicht überblickt.

Doch bei der Frage, ob wir unsere Führungskräfte durch größere Entscheidungs- und Handlungsfreiheit ermächtigen oder nicht, geht es gar nicht in erster Linie um Geld. Unternehmer, die nur in dieser Dimension denken, stehen sich selbst im Weg. Unternehmer, die den Mut zur Umverteilung der operativen Macht aufbringen, können dagegen flexibler auf Herausforderungen reagieren – und sparen dadurch in aller Regel noch Geld, weil sie ihre Inhouse-Ressourcen besser nutzen oder überhaupt erst freilegen.

Den Unterschied verdeutlicht folgende Geschichte über das typisch amerikanische Modell des Managements, die ich im Internet fand.

Das Bootsrennen

Eine japanische und eine amerikanische Firma treten in einem Bootsrennen gegeneinander an. Beide Teams trainieren wie besessen, um beim Rennen ihre Bestleistung zu zeigen.

Als es so weit ist, gewinnen die Japaner mit einer Meile Vorsprung. Die Amerikaner sind am Boden zerstört. Sie leiten sofort eine Untersuchung ein, um die Gründe für ihren Untergang zu analysieren. Ein Team von Senior-Managern wird gebildet, um die Untersuchung zu leiten und Maßnahmen vorzuschlagen. Sie kommen zu dem Schluss, dass die Japaner acht Ruderer und einen Steuermann hatten, während die Amerikaner acht Steuermänner und einen Ruderer hatten.

Also heuern die Amerikaner eine Unternehmensberatung an. Sie bezahlen viel Geld für eine zweite Meinung. Die Unternehmensberatung kommt zu dem Schluss, dass zu viele Leute das amerikanische Boot gesteuert und zu wenige gerudert haben.

 

Um eine weitere Niederlage gegen die Japaner zu verhindern, wird das amerikanische Ruderteam umgebaut: in vier Steuer-Supervisors, drei regionale Steuer-Superintendents und einen Assistant-Steuer-Manager. Außerdem wird ein leistungsorientiertes Vergütungssystem eingeführt. Es bietet dem einen Ruderer höhere Incentives, damit er härter arbeitet. Das Programm bekommt den Titel „1. Ruderteam-Qualitätsoffensive“. Meetings und Dinners werden veranstaltet, und der Ruderer bekommt Gratis-Kugelschreiber. Bei den Zusammenkünften wird über neue Paddel, Kanus, zusätzliche Urlaubstage fürs Training und Boni diskutiert.

Im nächsten Jahr gewinnen die Japaner mit zwei Meilen Vorsprung. Gedemütigt schmeißen die Amerikaner den Ruderer wegen schlechter Leistungen raus. Sie stoppen die Entwicklung eines neuen Kanus. Sie verkaufen die Paddel und frieren alle Kapitalinvestitionen in neues Equipment ein. Das eingesparte Geld wird als Boni an die Senior-Manager verteilt. Und das Ruderteam fürs nächste Jahr wird nach Indien outgesourct.

So läuft das in unfreien Unternehmen, wo Entscheidungen ein Führungsprivileg sind. Wenn ein Unternehmen vor lauter Navigation nicht mehr zum Rudern kommt, dann wird der Kahn früher oder später auf Grund laufen. Weil er vor lauter Untätigkeit einfach von der Strömung mitgerissen wird.

Sie brauchen nicht acht Leute, um zu entscheiden, wo Norden ist. Sie brauchen acht Leute, die rudern können. Mit anderen Worten: Ihre Mitarbeiter müssen handlungsfähig sein. Und dafür brauchen sie Entscheidungsfreiheit. Unsere Aufgabe als Leader besteht nicht darin, Entscheidungen zu treffen, die andere besser treffen können, sondern darin, jedem Mitarbeiter einen klaren Rahmen für eigene Entscheidungen zur Verfügung zu stellen.

Im Rahmen einer Managementberatung haben wir für die Hotels von Kameha Grand, deren Gründer und Gesellschafter ich bin, überlegt, wie wir das anstellen könnten. Und dann haben wir die Entscheidungsfindung neu durchdacht, nachdem wir festgestellt haben: Die üblichen Entscheidungsprozesse gehören vom Kopf auf die Füße gestellt. Also bekommt jeder Mitarbeiter, und zwar vom Abteilungsleiter bis zum Auszubildenden, drei Dinge, um seinen Gast glücklich zu machen.

Drei Führungsgeschenke an unsere Mitarbeiter

•Entscheidungsfreiheit: Du entscheidest, was der Kunde in diesem Moment braucht – alles, um ihn glücklich zu machen!

•Sicherheit: Dir passiert nichts, wenn du deine Freiheit für den Kunden nutzt!

•Finanzieller Spielraum: Du hast die Mittel dazu – bis zu einer vierstelligen Summe pro Anlass – zur freien Verfügung.

Stellt sich natürlich die Frage: Schießen Mitarbeiter übers Ziel hinaus, wenn ihnen die Kundenbegeisterung als Orientierungspunkt gesetzt wird, oder denken sie auch ans Unternehmen? Wurde dieser Rahmen bei uns schon einmal ausgeschöpft? Noch nie vollständig, nein. Denn um die Kosten geht es gar nicht. Der Rahmen dient vor allem einem Zweck: den einzelnen Mitarbeiter von seinen Fesseln zu befreien und handlungsfähig zu machen. Und genau so versteht er den Auftrag auch: Er weiß, er hat die Freiheit zu tun, was er für richtig hält. Und er weiß auch, dass es dabei in den wenigsten Fällen um Geld geht, sondern darum, dass der Kunde sich aufgefangen fühlt.

Sie glauben gar nicht, wie motivierend das wirkt. Sehr viele Gäste haben wir allein dadurch glücklich gemacht, dass ihr Ansprechpartner auf der Stelle eine Lösung für sie hatte. Dass er von Angesicht zu Angesicht sagen konnte: „Ich kümmere mich darum. Ich erledige das für Sie. Ich bin für Sie da.“ Das ist es nämlich, was der Kunde in diesem Moment der Wahrheit will. Nur das. Braucht der HWC-Kunde mit dem Upgrade-Wunsch wirklich eine Suite? Nein, er würde auch im Deluxe-Zimmer gut schlafen. Er braucht die Sicherheit, dass wir uns gut um ihn kümmern und seine Wünsche ernst nehmen. Und genau die versagen wir ihm, wenn die Mitarbeiterin an der Rezeption ihn in der Luft hängen lassen muss. Das alles funktioniert natürlich nur, wenn wir als Leader frei sind. Wenn wir keine Schranken im Kopf haben. Das alles beruht nämlich auf Vertrauen. Vertrauen gibt Freiheit.

Viele Jahre nach meinem Engagement in Dresden ist mir klar geworden, warum ich mich damals so eingeschränkt gefühlt habe. Warum auch ich damals so mittelmäßig geführt habe. Und warum ich als Führungskraft so gelitten habe. Nicht, weil ich so ein stolzes Alphatier gewesen wäre und alles selbst hätte entscheiden wollen, sondern weil ich nicht handlungsfähig war. Nicht, weil ich nicht allein entscheiden durfte. Sondern weil beim Konsensieren zu wenig rumkam. Weil die Entscheidungsmacht falsch verteilt war und das Potenzial des Unternehmens an allen Ecken und Enden von hausgemachten Barrieren ausgebremst wurde, die letztlich nur eines bedienten: Eitelkeiten.

Ich war gefangen im Monkey Business. Ein COMO eben.

Heute glaube ich, dass Entscheidungen nicht den Alphatieren und auch nicht den Betatieren vorbehalten sein dürfen. Egal, wo jemand im griechischen Alphabet verortet ist: Jeder muss in seinem Verantwortungsbereich entscheiden können. Auch die Gamma- und die Omega-Tiere. Die sind in der Regel nämlich an den Touchpoints beim Kunden. In Ihrem Unternehmen bestimmt auch. Denken Sie mal darüber nach. Es geht eben nicht nur in den Meetings der Vorstände um alles. Nicht nur in Zielsetzungsgesprächen. Nicht nur beim Rafting einmal im Jahr. Sondern jedes Mal, wenn Ihr Kunde anruft. Jedes Mal, wenn eine Führungskraft vor ihrem Team steht, oder vielmehr: sich vor ihr Team stellt. Und jedes Mal, wenn einer Ihrer Mitarbeiter Kontakt mit einem Kunden hat oder einem potenziellen Kunden oder auch nur mit einem anderen Mitarbeiter.



MOTIVATION: DER WILLE ZU ENTSCHEIDEN

Natürlich stoßen wir bei der Ermächtigung der Führungskräfte und Mitarbeiter zu Entscheidern unweigerlich auf eine Herausforderung. Oder vielmehr auf zwei. Die eine sind die Corporate Monkeys aus Überzeugung, die gar nicht entscheiden wollen, sondern sich schadlos halten. Sie werden das Spiel des Unternehmers, das jenes Maß an Einsamkeit und eine gewisse Risikobereitschaft als Einsatz fordert, nicht mitspielen wollen. Ein Problem, das sich leicht lösen lässt, oder? Wer nicht das Zeug zum Entscheider hat, sollte auch nicht entscheiden dürfen. Wer die Verantwortung nicht will, darf auch keine Macht bekommen. Und schon gar keinen Kundenkontakt.

Die andere Herausforderung dagegen ist einmal mehr eine Frage der Motivation: Viele Führungskräfte und Mitarbeiter wollen durchaus Mitgestalter sein und haben das Zeug dazu, aber sie trauen sich nicht. Auch die Monkeys, die durch ihre Führungskräfte zu dem gemacht wurden, was sie sind. Das Monkey Business hat ihnen die Eigeninitiative abgewöhnt. Menschen, denen ihr Arbeitsleben lang – oder auch nur einige Monate – die Leidenschaft und der Teamgeist abtrainiert worden sind, müssen erst wieder angezündet werden. Denn solange sie nicht wissen, wozu sie entscheiden sollen, können sie keine adäquaten Entscheidungen treffen.

Was aber macht den Unterschied zwischen einem COMO und einem begeisterten Mitunternehmer? Was ist nötig, damit aus dem einen der andere wird?

Die Geschichte von Sean Fitzpatrick hat mir diesen Unterschied vor Augen geführt. Vermutlich kennen Sie ihn nicht, es sei denn, Sie stehen auf Rugby. Sean Fitzpatrick ist ein begnadeter Sportler. Er war einmal Kapitän bei den All Blacks. Das ist die neuseeländische Rugby-Nationalmannschaft, der Stolz der Nation. Aber nicht nur das. Die All Blacks gelten als die beste Sportmannschaft der Welt. Das beste Team überhaupt!

Diese Mannschaft gewinnt 84 Prozent aller Spiele. Damit liegen sie statistisch noch vor der brasilianischen Fußball-Nationalmannschaft mit 72 Prozent. Die All Blacks haben gegen jeden bisherigen Gegner eine positive Bilanz und führen quasi dauerhaft die Weltrangliste an.

Keine Überraschung, dass eine solche Mannschaft ein starkes Motivationsritual hat. Vor jedem ihrer Spiele tanzen sie den Haka, einen traditionellen Ritualtanz der Maori. Eine martialische Veranstaltung begleitet von angsteinflößenden Lauten und einer Mimik, die Albträume verursachen kann. Damit machen die All Blacks klar: Wenn wir spielen, dann um zu gewinnen. Wir sind die beste Mannschaft der Welt. Bei uns geht es immer um alles.

Sean Fitzpatrick ist sogar in diesem Team, das als lauter Rugby-Helden besteht, eine Legende. Er verkörpert die All Blacks wie kein Zweiter. Und es gibt eine schöne Geschichte darüber, wie es dazu gekommen ist, dass ihm dieser Spirit des „Es geht immer um alles“ eingepflanzt wurde. Als er sie mir in Zürich beim Laureus Award 2015 erzählt hat, habe ich eine Gänsehaut bekommen.

Vor seinem ersten Spiel für die All Blacks ist Sean in der Kabine gerade dabei, sich sein Trikot zum allerersten Mal überzuziehen. Da kommt der Trainer in die Kabine gestürmt und brüllt: „Stopp!!!“ Sean bekommt es mit der Angst zu tun. Er denkt: „Ach du Schande, was ist denn jetzt los? Der wird es sich doch nicht anders überlegt haben? Darf ich nicht spielen? Bin ich draußen?“

Und dann sagt der Trainer zu ihm: „Sean, das ist das Trikot der All Blacks. Du ziehst es gerade zum ersten Mal an. Schau es dir an. Schau es dir ganz genau an. Schau mal, hier ist das Logo der All Blacks. Hier ist die neuseeländische Flagge. Und dieses Trikot ist jetzt dein Trikot. Du bist jetzt ein Teil der All Blacks. Du spielst für Neuseeland. Für die beste Mannschaft der Welt. Ich will, dass du diesen besonderen Moment, in dem du dieses Trikot zum ersten Mal überstreifst, für immer in deinem Herzen behältst. Ich will, dass du dich jedes Mal an dieses Gefühl erinnerst, wenn du trainierst, wenn du mit uns isst, wenn du zum Spiel auf den Platz gehst. Wie es ist und was es bedeutet, dieses Trikot zu tragen. Bei! Jedem! Einzelnen! Spiel!“

Sie können sich vorstellen, mit welchem Gefühl Sean danach auf den Platz gegangen ist. Das ist der Spirit von „Es geht immer um alles“, den ich meine. Wenn Ihre Mitarbeiter morgens ihre Uniform überstreifen oder ihr Namensschild anlegen oder sich an ihren Schreibtisch setzen, dann ziehen sie sich diesen Spirit an. Das ist das Ziel. Dass sie sich immer wieder an diesen Moment erinnern, an dieses allererste Mal. Dass dieser Moment des Stolzes, der Zugehörigkeit zu Ihrem Unternehmen, des absoluten Willens zum Erfolg, zur bedingungslosen Kundenbegeisterung immer wieder abrufbar ist.

Und was können Sie als Teamleiter, Abteilungsleiter, Unternehmer dafür tun? Nachdem klar ist, wozu Mitarbeiter imstande sind, wenn sie nur ermächtigt werden – wie können wir sie durch Leadership dabei unterstützen? Wie können sie auch ohne unmittelbare Anweisung und Kontrolle das Richtige tun? Ich bin davon überzeugt:


Die Antwort erwächst aus der Betrachtung, was theoretisch schiefgehen kann: Schlechte Kundenerfahrungen sind das Ergebnis eines Teufelskreises. Und der geht so: Wer nicht entscheiden darf, kann keine Verantwortung übernehmen. Wer keine Verantwortung übernimmt, kann keine Fehler machen. Wer keine Fehler macht, kann nicht besser werden.