Die Collide-Lovestory

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Völlig erstarrt blicke ich sie an. Mein Hals ist zugeschnürt und ich bekomme kaum Luft. Das ist schrecklich. Das ist schrecklich... Ich will etwas sagen, aber ich kann nicht. Meine Mutter hatte ein schreckliches und grausames Leben.

"Es tut mir leid", schnieft meine Mutter, die mittlerweile wieder angefangen hat zu weinen.

"Dad", presse ich hervor und erst jetzt merke ich, dass mir eine Träne über die Wange läuft. "Deswegen meinte er, dass alles seine Schuld sei."

Sie nickt.

"Weil er dir Derek vorgestellt hat."

"Nicht nur deswegen", schnieft meine Mutter.

"Noch mehr?", schniefe ich ebenfalls.

Aiden nimmt meine Hand.

"Jared weiß, dass ich diese Pille nicht genommen hätte, hätte er mich nicht... betrogen."

Ich reiße meine Augen auf. "Was?"

"In den ersten Monaten nach deiner Geburt hatte er was mit irgend so einer Frau aus seiner Firma", erzählt sie und wischt sich die Träne aus den Augen. "Ich konnte es verstehen. Ich konnte mich nicht mehr genug um ihn kümmern, weil du ja da warst. Ich habe mich ständig nur um dich gekümmert, da du der Mittelpunkt meines Lebens warst."

Ich stütze meinen Kopf in meine Hände. "Er hat dich betrogen..."

"Ja. Später stellte sich heraus, dass Derek das alles nur getan hat um ihm eins auszuwischen, weil Jared hat ihm, als sie noch jünger waren, seine Freundin ausgespannt. Und das führte zu all dem..."

Ungläubig halte ich mir die Hände vor den Mund. "O Gott..." Ich habe das Gefühl, dass ich jede Sekunde das Bewusstsein verliere.

"Ich will nur, dass du weißt, dass ich dich all die Jahre geliebt habe und du für mich das beste bist, was ich je erschaffen habe und es tut mir unheimlich leid, dass ich euch all diese schlimmen Dinge angetan habe."

"Dad, e-er", schluchze ich. "Er hat mich dich einfach all die Jahre hassen lassen."

"Sag so etwas nicht. Er wollte, dass du mit mir konfrontiert wirst, denn er wusste, dass es noch schlimmer gewesen wäre, wenn du mich so gesehen hättest, wie ich nun mal war, ein Monster."

"Er sagte, dass du eine Alkoholsucht hattest..."

Margret nickt. "Ich weiß. Er musste auf irgendeine Art und Weise mein Verhalten erklären, als du älter wurdest."

Völlig dehydriert stehe ich auf und knie mich auf den Boden neben sie. Ich fühle mich unheimlich schlecht. "Es tut mir leid... Es tut mir so leid, Mum."

Ich habe das Gefühl, dass meine Welt innerhalb von wenigen Augenblicken komplett in einen Scherbenhaufen zerschlagen wurde. Alles war eine riesig große Lüge und ich habe eine Frau gehasst, von der ich ein komplett falsches Bild hatte. Alles hat sich geändert. Mir wird auf einmal so vieles klar... Wieso Dad nie über Margr - ich meine, meine Mutter reden wollte. Er wusste ganz genau, was sie durchmachte und er konnte mir die Wahrheit nicht sagen, weil diese so viel schlimmer gewesen wäre, als das, was ich von ihr wusste. In meinen Lungen ist kein Atemzug mehr übrig und wenn ich jetzt in die Augen meiner Mutter sehe, sehe ich sie wirklich. Ich sehe, dass sie gebrochen ist und sie alles daran setzen würde, dass ich ihr verzeihe und sie lieben kann.

Ich weiß, dass ich die Zeit, in der ich sie gehasst und verabscheut habe, niemals vergessen werde und ich weiß, dass ich das Bild von ihr als Monster nicht aus meinem Kopf bekommen werde, aber ich weiß auch, dass ich sie jetzt sehe. Eine starke Frau, die schreckliche Dinge durchmachen musste. Und ich weiß, dass ich ihr verzeihen werde und ich so viele zweite Chancen geben werde, wie ich kann, denn mein Vater brach ihr schon das Herz, bevor sie meines und seines überhaupt brechen konnte.

So knie ich jetzt hier vor ihr auf Aidens Küchenboden, halte ihre Hand auf meine Wange, weine und flehe sie an mich nochmal so lieben zu können, wie früher. Bevor ich sie gehasst habe und ihr schreckliche Dinge an den Kopf geworfen habe. Ich versuche die Scherben, die mein Vater und Derek verursacht haben aufzusammeln und wieder zu einem kleinen Kunstwerk zusammenzubasteln.

"Mum, es tut mir so leid", weine ich in ihre Hand und kralle mich in ihre Jacke. "Es tut mir so unendlich leid... Alles was ich zu dir gesagt habe, alles was ich dir in den letzten Tagen an den Kopf geworfen habe. Es tut mir so unendlich leid."

"Ravely", schluchzt meine Mutter und nimmt mein Gesicht in beide Hände. "Hör auf dich zu entschuldigen. Ich liebe dich."

Ich schluchze laut auf und presse mich wie ein kleines Kind an ihre Hüfte.

Sie streichelt mir über den Kopf. "Ich habe dich so vermisst, mein Schatz."

Ich würde ihr gerne sagen, dass ich sie auch vermisst habe, aber das wäre gelogen. Ich konnte sie nicht vermissen, ich hatte keinen Grund dazu. Ich habe zwar eine Mutter vermisst, aber nicht sie.

"Ich will, dass du meine Mutter bist", sage ich zu ihr und lasse sie los. "Eine ganz normale Mutter."

Sie lächelt leicht und muss sich wieder eine Träne unterdrücken.

"Und ich will das alles vergessen können. Ich will dich kennenlernen und dich als jemanden sehen, den ich lieben kann. Natürlich nur, wenn du das auch willst..."

Sie lacht leise auf und wischt sich eine Träne von der Wange. "Natürlich will ich das, Ravely. Darauf warte ich schon seit siebzehn Jahren."

Ich schmunzle und küsse ihre Hand. "Nenn mich Ely."

Mum presst ihre Lippen zusammen und küsst mich auf die Stirn. "Ich liebe dich so sehr, Ely."

Ich lächle und stehe auf. Ich kann immer noch nicht ganz realisieren, was sich in den letzten zehn Minuten hier in diesem Raum abgespielt hat. Aber ich bin froh, dass es vorbei ist.

Ich setze mich wieder neben Aiden, dieser lächelt mich stolz an und wischt mir eine Träne weg.

Aiden hatte Recht. Er hat von Anfang an versucht mich dazu zu bringen, meiner Mum zuzuhören, doch ich war viel zu stur.

"So", sagt meine Mutter und wischt sich endgültig die Tränen aus dem Gesicht. "Ich habe jetzt unheimlichen Hunger. Ich will mich nicht aus der Affäre ziehen, aber ich denke, dass ich jetzt irgendwo was Essen gehen werde."

Ich betrachte sie schmunzelnd.

"Müssen Sie doch nicht. Sie könnten mit uns zu Abend essen", schlägt Aiden vor und geht zum Kühlschrank. "Ich habe hier - hm - Brokkoli - Hühnchen - Und ah!", macht er und holt einen Glasbehälter heraus. "Den Nudelauflauf meiner Mutter."

Meine Mum und ich müssen lachen und es fühlt sich unheimlich gut an. Unsere Lachen sind identisch und auf einmal habe ich das Gefühl als würde ich sie eigentlich schon ewig kennen.

"Klingt gut", sage ich.

"Ich weiß nicht. Ich will euch beiden wirklich nicht auf die Pelle rücken."

"Tust du nicht", sagen Aiden und ich gleichzeitig.

"Ok", lacht Mum und steht auf. "Könnte ich vielleicht vorher nochmal auf die Toilette?"

"Natürlich", sagt Aiden und zieht die Folie von dem Auflauf. "Die Toilette ist die Treppen hoch die zweite Tür links."

Sie nickt und geht nach oben.

Als sie weg ist, seufze ich auf und lasse mich auf einen Stuhl fallen. "Ich kann nicht fassen, dass mein Dad mich jahrelang so belogen hat."

"Mach dir darüber erst mal keine Gedanken." Aiden schiebt den Auflauf in den Backofen. "Wenigstens ist jetzt alles geklärt und du kannst endlich die Tatsache genießen, dass du eine Mutter hast, die dich liebt", lächelt er.

"Du hast Recht", schmunzle ich und sehe ihn an. "Es fühlt sich an, als wäre mir eine riesige Last von den Schultern genommen. Soll ich dir helfen?" Ich beobachte, wie Aiden Teller und Besteck aus den Regalen holt.

"Nein, kein Problem, ist ja schon fertig", sagt er, stellt den letzten Teller auf den Tisch und stellt sich vor mich zwischen meine Beine. "Ich bin unheimlich stolz auf dich." Er küsst mich wieder auf meinen Haaransatz.

Ich lächle. "Jetzt erleben wir beide das erste gemeinsame Essen mit meiner Mutter."

"Stimmt. Und dann auch noch mit dem brillanten Auflauf meiner Mum. Zum Glück hat sie mich gezwungen die Reste mitzunehmen, als ich am Samstag bei ihr war."

"Zum Glück." Ich stütze mein Kinn in meine Hand und betrachte Aiden, während er am Herd steht und drei Gläser aus dem obersten Regal holt. Als mir auffällt, wie auffällig ich aus seine nackte Haut gestarrt habe, als sein Shirt ein wenig nach oben gerutscht ist, werde ich rot und sehe weg.

"Wundert euch nicht, wenn ich den ganzen Auflauf alleine essen werde", sagt meine Mum, die wieder in die Küche kommt. "Ich habe heute noch rein gar nichts gegessen und ich verhungere. Und außerdem riecht das wirklich gut."

"Raven und ich waren vorhin sowieso erst essen, deshalb ist das kein Problem", lacht Aiden und zieht mit einem Backhandschuh den Auflauf aus dem Ofen. Das sieht unheimlich süß aus, wie er so in der Küche hantiert.

"Also Ely, erzähl mal", sagt meine Mum, während sie genüsslich eine Gabel mit Nudeln in ihren Mund schiebt. "Wie ist das College?"

"Gut, denke ich", antworte ich. "Es war schon immer mein größter Traum auf die ZOS gehen zu können und zu schreiben."

"Stimmt. Jared hat mir erzählt, dass du Schriftstellerin werden möchtest."

Ich nicke. "So hatte ich es geplant."

"Und du Aiden? Arbeitest du schon?"

Er schüttelt den Kopf und schluckt schnell den Inhalt in seinem Mund runter. "Nein, ich gehe auch auf die ZOS."

"Aber er verdient trotzdem jede Menge Kohle mit seinem Buch", sage ich und rolle schmunzelnd mit den Augen.

"Oh", macht Mum erstaunt. "Du bist auch Schriftsteller?"

"Ja, Mam."

Sie lacht. "Nenn mich einfach Maggy, dann fühle ich mich nicht ganz so alt."

"Okay", lächelt Aiden.

"Und du hast schon ein Buch veröffentlich oder wie muss ich das verstehen?"

 

"Ja und jetzt ist er reich und kann in so einem Bonzenhaus wohnen", sage ich.

Aiden verdreht die Augen. "Ich bin nicht reich. Mein Buch hatte nur mehr Erfolg, als ich dachte."

Mum sieht grinsend zwischen uns hin und her. "Das ist beeindruckend", sagt Mum und schiebt sich die nächste Gabel in den Mund. Mit vollem Mund fragt sie: "Wie heißt es denn? Ich lese unheimlich gerne."

Daher habe ich also das Hobby. Ich habe mich schon immer gewundert, wieso ich so vernarrt in die Literatur bin, denn Dad hasst lesen.

"Tja, Mum, das wird er dir nicht verraten. Ich weiß es selbst nicht", sage ich und sehe ihn mit erhobener Braue an.

"O wirklich? Wieso das?"

Aiden schüttelt amüsiert mit dem Kopf. "Ich gebe dir eine Kopie mit, wenn du wieder fährst. Dann kannst du es lesen."

Verächtlich schnaube ich. "Du bist unglaublich, das ist wirklich gemein."

Mum grinst.

Aiden zuckt mit den Schultern. "Mir egal."

"Ihr seid wirklich ein süßes Paar", grinst Mum und sieht uns an.

Ich verschlucke mich an einer Nudel und muss husten.

Aiden lacht und klopft mir leicht auf den Rücken. "Wir sind kein Paar, Maggy."

Ich trinke einen Schluck Wasser und nicke zustimmend.

"O, das tut mir leid", sagt Mum. "Das hatte ich nur angenommen, weil ihr so vertraut miteinander umgeht."

"Ja", sage ich mit noch kratzender Stimme. "Sind wir aber nicht. Nur Freunde."

Mum muss noch nicht wissen, dass wir eigentlich mehr sind, als nur Freunde. Denke ich zumindest, dass wir es mittlerweile sind. Was genau weiß ich aber selbst noch nicht.

Sie zieht mit erhobener Braue zwischen uns hin und her und grinst wissend. "Na dann."

"Wo wohnst du eigentlich?", versuche ich das Thema zu wechseln.

"Momentan wohne ich bei deinem Vater."

"O, wirklich? Ich dachte, du bist nur für das Wochenende dort gewesen."

"Nein, also na ja. Wir hatten ausgemacht, dass ich solange in Aldbury bleibe, bis ich dir alles erklären konnte."

"Und wo wirst du jetzt wohnen? Jetzt ist ja alles geklärt."

"Ich ziehe wieder in das Apartment, das ich in Edinburgh gemietet habe. Dort habe ich die ganzen Jahre gelebt."

"So weit weg?"

"Ja, ich wollte verhindern, dass wir uns treffen, bevor ich nicht clean bin", sagt sie mit schuldbewusstem Unterton.

Ich sehe auf meinen Teller. "O, okay. Aber zum Glück bist du es jetzt. Oder?" Ich sehe sie wieder eindringlich an.

Sie lächelt. "Seit zwei Jahren."

Ich atme erleichtert aus. "Sehr gut. Und was arbeitest du?"

"Ich bin Putzfrau in einem Hotel."

Mitleidig schlucke ich. "O..."

"Ja, ist nicht der beste Job", lacht sie traurig. "Aber ich komme damit um die Runden."

"Du könntest ja... wieder nach Aldbury ziehen", schlage ich unsicher vor. "Zu Dad. Ihr habt euch doch gut verstanden."

Sie zuckt mit den Schultern. "Darüber habe ich auch schon nachgedacht, aber ich weiß nicht, wie Jared reagieren würde. Es hat sich einfach vieles geändert, wir können nicht wieder von null auf jetzt so tun, als wäre nichts passiert. Er hat mich betrogen und ich habe ihn betrogen."

Bei dem Gedanken daran, was Dad ihr angetan hat, verziehe ich das Gesicht. Ich hätte ihm so etwas nie zugetraut. All die Sachen, die Mum mir erzählt hat, wirken so unwirklich auf mich. Es ist, als würde sie mir von einer komplett fremden Person erzählen. Von einer schlechten fremden Person.

"Ja", seufze ich. "Wahrscheinlich hast du Recht."

"Für den Anfang bin ich erst mal nur froh, dass wir uns endlich wiedergefunden haben", lächelt Mum. "Das ist für mich das Wichtigste."

Ich lächle zurück. "Ich auch, Mum."

Nachdem meine Mutter wieder gegangen ist, haben Aiden und ich den Abwasch gemacht und uns nur noch erschöpft auf seine Couch fallen lassen. Dieser Tag hatte so viele Höhen und Tiefen, Ecken und Kurven, dass ich einfach nur noch schlafen möchte. Aber es beruhigt mich ungemein, dass die Sache mit meiner Mutter endlich aus der Welt geschafft ist. Jetzt habe ich ein Problem weniger, warten nur noch ein paar andere auf mich.

Scar ist immer noch sauer auf mich und Dad werde ich auch zur Rede stellen müssen. Diese ganze Sache kann ich nicht einfach so stehen lassen und ihm kein Wort davon sagen, wie enttäuscht ich eigentlich von ihm bin.

"Jetzt sollte definitiv wirklich nichts mehr passieren", seufze ich und gähne, als Aiden seinen Arm um mich legt und er wieder konzentriert durch die Kanäle schaltet.

"Mehr vertrage ich, glaube ich, auch nicht mehr", lacht er leise.

Ich kuschle mich an seine Brust und ziehe seinen Duft in mich. Selbst nach so einem anstrengenden Tag riecht er einfach noch unglaublich. "Danke", sage ich leise, als ich die Augen schließe.

"Für was?"

"Für alles. Ohne dich hätte ich meiner Mutter niemals die Chance gegeben, alles erklären zu können."

Aiden streichelt mir über den Kopf. "Dafür sind Freunde da."

Autsch.

Autsch, autsch, autsch.

Er denkt wirklich noch, dass wir nur Freunde sind.

Sofort ist meine Laune auf dem Nullpunkt und ich hoffe, dass er nicht das Knacken meines Herzens gehört hat, während es angeschossen wurde.

"Ja", sage ich leise und versuche meine Enttäuschung hinter einem Lächeln zu verstecken.

Ich dachte, dass Aiden mindestens genauso denkt wie ich. Vielleicht, dass wir... Ich weiß nicht. Zusammen sein könnten? Wahrscheinlich war das der naivste Gedanke, den ich je hatte. Aiden könnte jedes Mädchen zu seiner Freundin haben, wenn er wollte. Immerhin ist er Aiden, der lustige, charmante Aiden. Wieso also sollte er auch nur einen Gedanken daran verschwenden, mich als seine Freundin zu wollen?

Traurig versuche ich diesen Wunsch beiseite zu schieben, Aiden könnte mehr für mich empfinden und richte mich auf. "Ich bin müde, ich denke, ich werde gehen."

Aiden runzelt verwirrt die Stirn. "Wieso willst du gehen? Ich dachte, du wolltest über Nacht bleiben."

Ich schüttle den Kopf und stehe auf. "Nein, ich habe Aby versprochen, dass ich ihr ihr Auto heute noch bringe. Außerdem habe ich keine Klamotten, geschweige denn eine Zahnbürste dabei. Ich will dir nicht auf die Pelle rücken."

"Du rückst mir doch nicht auf die Pelle", sagt Aiden, als er mir irritiert zur Tür folgt. "Ich habe eine Ersatzzahnbürste für dich und Klamotten zum Schlafen kann ich dir auch wieder geben. Was ist denn auf einmal los?"

Ich ziehe mir meine Schuhe an und greife die Jacke von der Garderobe neben der Tür. "Ist schon in Ordnung, Aiden. Danke für das Essen und ... den Rest. Aber ich muss jetzt wirklich gehen, sonst baue ich vor lauter Müdigkeit noch einen Unfall, immerhin ist es schon halb zwölf."

Aiden scheint total durcheinander zu sein und weiß gar nicht, was gerade vor sich geht. "Ich, ehm, bist du dir sicher? Ich denke nicht, dass es gut wäre, so spät noch Auto zu fahren."

Ich nicke nur und öffne die Tür. Ich versuche noch ein letztes Mal zu lächeln. "Das bekomme ich schon hin. Ich schreibe dir morgen. Oder du schreibst mir. Oder wie auch immer, auf jeden Fall... Gute Nacht." Ohne seine Antwort abzuwarten, gehe ich aus der Tür und schließe sie schnell hinter mir zu. Mit schnellen Schritten gehe ich den Flur entlang und halte den Atem an, um nicht sofort weinen zu müssen. Wenigstens bis zum Auto muss ich es ohne Tränen schaffen.

"In welchen Stock, Miss?", fragt die Mitarbeiterin vom letzten mal, die mit mir im Aufzug steht.

"In den ersten", sage ich und kann mir ein Schniefen nicht unterdrücken.

"Natürlich", sagt sie freundlich, drückt die 1 und sieht mich mitleidig an.

Schnell wende ich meinen Blick von ihr ab. Allerdings ist das auch nicht viel besser, denn jetzt sehe ich mein Spiegelbild in der Wand des Aufzugs. Das bin ich also... Ein Mädchen, das aus einem Apartment eines Jungens flüchtet, weil sie sich so sehr in ihn verloren hat. Ein schwaches, naives, dummes Mädchen, das mehr vom Leben erwartet hat, als es eigentlich für sie bereithält.

Ich denke, dass ich einfach nicht dafür geschaffen bin um... um zu lieben. Nein, ich könnte niemals so eine Liebe erleben wie August und seine Frau. Es war absolut naiv so etwas auch nur zu denken. Ich dachte ernsthaft, dass ich meinen August gefunden habe. Ja, ich gestehe es mir verdammt nochmal ein. Ich habe gehofft, dass Aiden mein August ist. So oft habe ich daran gedacht und mir vorgestellt, wie stark unsere Liebe sein könnte, wie wir gegen den Rest kämpfen können.

Aber wir werden immer nur Freunde bleiben. Freunde, die sich mögen und mehr nicht. Vielleicht war ich ja für Aiden nur so ein Mädchen, das naiv genug war sich auf seine Küsse und liebevollen Gesten einzulassen. Nein, Aiden ist so nicht. Wenn ich Aiden nichts bedeuten würde, dann würde er mir nicht so sehr vertrauen. Allein die Nacht, als er mich angerufen hat und das erste Mal Schwäche gezeigt hat.

Dennoch ist es nicht genug, wenn er sagt, dass wir... Freunde sind. Ich beobachte mich selbst, wie mir die erste Träne die Wange herunterläuft und ich laut schluchze. So ein schwaches Mädchen.

"Miss, geht es Ihnen gut?"

Schnelle wische ich mir die Träne von meiner Wange, schniefe und sage mit einem Lächeln: "Ja. Ja, alles in Ordnung."

Fünfter Stock.

"Tut mir leid, wenn ich Ihnen zu Nahe trete, aber Sie sehen nicht so aus...", sagt sie vorsichtig.

Ich nicke und schürze die Lippen. "Ich fühle mich auch nicht so."

"Heiße Schokolade und Sahne."

"Was?"

"Heiße Schokolade mit Sahne ist der beste Trostschenker für Herzschmerz", lächelt die Frau.

Zweiter Stock.

Ich muss schmunzeln. "Danke, ich werde daran denken."

Erster Stock.

"Ich wünsche Ihnen noch eine angenehme Nacht", ruft die nette Frau mir hinterher, als ich gerade aussteige.

"Ihnen auch", rufe ich zurück und winke ihr dankbar.

Meine Laune ist zwar nicht wirklich gestiegen, aber ich musste kurz an etwas anderes denken. Ich sollte mich einfach ins Bett legen und die Augen schließen.

Wie erwartet, ist Aby nicht im Zimmer.

Gott sei Dank, sonst könnte ich mir wahrscheinlich unendlich viele Fragen anhören. Warum ich weine und warum ich denke, dass der Satz "Aiden hat gesagt, dass wir nur Freunde sind" mehr Fragen aufwirft- als eine klare Aussage. Aber das ist doch eigentlich eine klare Aussage, oder? Immerhin hat Aiden mir ständig Hoffnung gemacht, mich geküsst... Vollkommen egal. Ich werde jetzt einfach schlafen gehen und abwarten, was morgen geschieht.

-

Als ich aufwache, sehe ich als erstes auf mein Handy, um nachzusehen, ob Aiden eventuell geschrieben oder angerufen hat - hat er nicht. Daraufhin wasche ich mit den gestrigen Tag von der Haut und bin fest entschlossen auf andere Gedanken zu kommen. Ich werde in die Bibliothek in der Stadt gehen. Nichts lenkt einen besser ab, als ein gutes Buch. Am besten leihe ich mir gleich einen der schnulzigsten Romane der Welt aus, um auch in Ruhe trauern zu können. So etwas wie Sturmhöhe oder Für immer vielleicht könnte hilfreich sein.

Zum Glück muss ich nicht mit der U-Bahn fahren, denn ich nehme an, dass Aby vor heute Abend nicht zurück kommt und daher erlaube ich mir einfach, ihr Auto zu benutzen.

Nachdem ich mir einen, wie erwartet, schnulzigen Roman ausgeliehen habe, laufe ich vorbei an den verschiedenen Schaufenstern zurück zu dem Parkplatz auf dem ich stehe. Eigentlich wundert es mich, dass das Wetter sich heute mal erlaubt, meine Stimmung nicht widerzuspiegeln. Die Sonne strahlt auf die Straßen Londons und es könnte unpassender nicht sein. Es wäre mir definitiv rechter gewesen, wenn es aus Strömen regnen würde, denn dann würde ich mich bestätigt in meiner Annahme fühlen, dass ich nicht umsonst trauere.

Ich will gerade in Aby's Auto steigen, da springt mir etwas ins Auge. Besser gesagt etwas rosafarbenes mit blauen Schmetterlingen. Ich lasse den Türgriff los und gehe auf das Schaufenster gegenüber von mir zu. Ich habe mich wohl doch nicht verguckt. Eine Schaufensterpuppe trägt ein rosa Halstuch mit hellblauen Schmetterlingen darauf. Ich wette, das würde Tammy gefallen. Rosa passt zu ihrer Ausstrahlung, das blau zu ihren Augen und die Schmetterlinge... Na ja, egal. Es passt auf jeden Fall wie die Faust aufs Auge.

Kurzerhand halte ich das samtweiche Tuch auch schon in den Händen und kaufe es. Ich überlege auch nicht lange und mache mich schon auf den Weg zum Krankenhaus, um es ihr sofort zu überreichen.

 

"Ich würde gerne zu Tamara Bryan", sage ich der Schwester hinter dem Tresen. Diesmal ist es eine andere Schwester, eine jüngere und deutlich arrogantere Schwester. Platinblonde Haare und kaugummikauend. Nett.

Sie sieht auf ihren Computer, tippt etwas ein und sieht mich an. "Sie liegt auf der... sind Sie überhaupt befugt, sie zu besuchen?"

"Ich, ehm, ja, denke schon", sage ich nervös. Um ehrlich zu sein habe ich keine Ahnung, ob ich es darf. Ich bin nicht mit ihr verwandt.

"In welcher Beziehung stehen sie denn zu ihr?"

"Ich bin eine Freundin von ihr."

"Tut mir leid, das reicht nicht aus", sagt sie und tippt wieder etwas in ihren Computer.

"Kennen sie Aiden Bender?", frage ich sie schnell.

"Natürlich", sagt sie mit rollenden Augen. Natürlich, du Bitch. Ups, sorry.

"Ich, ehm, ich bin seine Freundin und wir passen gemeinsam auf sie auf", lüge ich. Ist ja immerhin nur fast eine Lüge.

Sie mustert mich abwertend von oben bis unten und hebt eine Braue. "Na schön, gehen sie. Sie sollten ja wissen, welches Zimmer sie hat, nicht wahr?"

Ich nicke und grinse provokant. "Natürlich."

Mit der kleinen rosa Tüte in der Hand laufe ich schnellen Schrittes durch die Gänge der Intensivstation. Ich mag es hier einfach nicht. Schnell komme ich dann auch schon an dem Vorhang an, zu dem ich wollte. Tammys.

Ruckartig ziehe ich ihn zur Seite und rufe: "Überraschung!"

Tammy liegt gelangweilt im Bett und eine Schwester zieht ihr gerade eine Spritze aus dem Arm. Autsch.

"Raven!", freut sie sich und fängt an zu wackeln.

"Tamara, du musst still halten, sonst kann ich das Pflaster nicht darüber kleben", sagt die dunkelhäutige Krankenschwester streng und zieht sie zurück auf die Bettkante.

"Manno", schimpft Tammy.

"Tammy, nicht quengeln, sonst weißt du doch was passiert", lache ich und setze mich neben sie.

Ich sehe die Krankenschwester grinsen und sie verabschiedet sich dann auch schon, nachdem sie fertig ist.

"Wo ist denn Aiden?", fragt Tammy und sieht sich um.

Ich ignoriere die Nadelstiche in meiner Brust und lächle. "Ich weiß es nicht, aber ich habe ein Geschenk für dich." Ich halte die rosa Tüte hoch.

"Echt?", quietscht Tammy und nimmt mir aufgeregt die Tüte aus der Hand und scheint schon sofort vergessen zu haben, dass Aiden nicht dabei ist. Sie greift in die Tüte und zieht das rosa Tuch heraus. "Das ist ja schön!" Breit grinsend springt sie mir um den Hals und drückt sich danach das Tuch ins Gesicht. "Und voll weich!"

Ich schmunzle. "Ich hatte mir schon gedacht, dass du es magst. Soll ich es dir anziehen?"

"Ja." Sie hält mir das Tuch entgegen und zieht sich ihr hellblaues vom Kopf.

Der Anblick ihres kahlen Kopfes versetzt mir ein Stich ins Herz. Das sind diese Momente, in denen einem bewusst wird wie krank Tammy wirklich ist.

Vorsichtig wickle ich ihr das Tuch um den Kopf und mache einen Knoten hinein. "Ist es fest genug?"

Sie nickt. "Ja, danke. Wie findest du es?", fragt sie und präsentiert mir ihr schönstes Grinsen.

"Wunderschön", lächle ich und streichle ihr über den Kopf. "Was sagst du, wollen wir mal eine Runde durch das Krankenhaus gehen? Vielleicht zur Spielecke?"

"O ja. Ich langweile mich schon den ganzen Morgen und die Schwestern wollen nicht mit mir spielen."

Ich lache. "Dann wird es aber langsam Zeit." Ich stehe auf und klappe den Rollstuhl auf, der in der Ecke steht. "Hüpf drauf."

Tammy geht vom Bett und seufzt genervt. "Ich find dieses Ding doof."

"Bitte tu mir den Gefallen und setz dich rein, Tammy", bettle ich. Ich will nicht wieder Zeuge eines Zusammenbruchs sein.

Mürrisch nickt sie und setzt sich in den Rollstuhl. "Hat Hazza das Tuch ausgesucht?", fragt sie, als wir im Aufzug nach unten sind und sie sich das erste Mal im Spiegel betrachtet.

Ich runzle die Stirn. "Wieso glaubst du das?"

Sie zuckt mit den Schultern. "Weil Hazza Schmetterlinge mag. Und er sagt immer, dass blau zu meinen Augen passt."

Ich schlucke den Kloß in meinem Hals herunter nachdem sie das gesagt hat. Wieso nur muss Aiden so etwas sagen? Das ist gemein.

"Dass er Schmetterlinge mag habe ich auch schon mitbekommen", sage ich und rolle die Augen. "Bei so einem grausamen Tattoo", murmle ich noch in mich hinein.

Ich schiebe Tammy aus dem Fahrstuhl heraus und fahre fast gegen einen Arzt, der gerade in den Aufzug steigen will. "O, tut mir leid", sage ich lachend und sehe ihn an.

Ich muss sagen, dass er durchaus attraktiv ist. Ich schätze ihn auf ungefähr dreiundzwanzig. Kurzes schwarzes Haar, blaue Augen, markantes Kinn und Drei-Tage-Bart. Der Drei-Tage-Bart ist dann wohl eher ein Zeichen für zu wenig Schlaf, denn ich kann mir vorstellen, das Arzt sein ziemlich schlaflos macht.

Er sieht mich erst total überrumpelt an, setzt dann aber sofort ein sympathisches Lächeln auf und seine weißen Zähne strahlen mir entgegen. "Überhaupt kein Problem. Ist doch niemand zu Schaden gekommen. Oder du etwa?", fragt er Tammy und piekst sie in die Wange.

Tammy kichert und schüttelt mit dem Kopf.

"Na Gott sei Dank. Tam willst du mir nicht deine Begleitung vorstellen?"

"Klar", grinst sie und dreht sich zu mir. "Raven, das ist Doktor 'O Dylan." Sie dreht sich wieder zu Doktor O'Dylan. "Doktor O', das ist Raven - meine Freundin."

Er steckt mir freundlich lächelnd die Hand entgegen und ich schüttle sie. "Sehr erfreut. Ich habe sie hier noch nie gesehen."

Ich lächle. "Ja, das liegt daran, dass heute gerade mal der zweite Tag ist, an dem ich hier bin. Ich habe Tammy vorletzte Woche erst kennengelernt."

"Aber wir sind trotzdem die besten Freunde", wirft Tammy ein und hüpft auf ihrem Rollstuhl umher. "Sie kommt auch immer mit zu Hazzas Lesestunden."

Kurz zieht der Doktor die Brauen hoch, lächelt dann aber wieder. "Na dann. Ich muss jetzt weiter Tam." Er nickt Tammy zu und tut so, als würde er sich einen Hut absetzen. "Raven", sagt er lächelnd zu mir und nickt ebenfalls.

"Doktor O'Dylan", schmunzle ich und nicke.

"Nenn mich einfach Ben. Scheint so, als würden wir uns demnächst öfters sehen."

Ich nicke. "Okay Ben."

Er geht zum Aufzug und verschwindet hinter den Türen.

"Ich mag Doktor O'", sagt Tammy und ich schiebe sie weiter durch den Gang.

"Er scheint wirklich sehr nett zu sein. Wo ist denn die Spielecke?"

"Ganz hinten", stöhnt Tammy und lehnt sich zurück.

Ich schiebe sie weiter durch den Gang, an vielen Krankenzimmern vorbei. Als wir fast ganz hinten angekommen sind bleibe ich an einem Zimmer stehen.

Elizabeth sitzt in einem der Zimmer in einem Rollstuhl und sieht aus dem Fenster. Sie sieht so extrem traurig und verlassen aus, dass sie mir leid tut.

"Tammy, was hältst du davon, wenn du schon mal vor gehst und ich komme gleich nach? Ich muss nur kurz etwas erledigen, okay?"

Tammy nickt. "Okay, aber beeil dich. Ich hoffe, dass nicht wieder dieser blöde Shawn in der Spielecke ist."

Ich runzle die Stirn. "Was ist denn mit Shawn?"

"Er ist doof und gemein. Er nimmt mir immer meine Spielsachen weg."

"Wenn er dich ärgert, dann sagst du mir einfach Bescheid und ich sage ihm mal richtig die Meinung."

Sie grinst. "Abgemacht!"

Nachdem ich Tammy in der Spielecke entlassen habe und wir sicherstellen konnten, dass Shawn nicht anwesend ist, mache ich mich auf den Weg zu Elizabeths Zimmer.

Als ich ihr Zimmer betrete, kommt mir sofort ein gewisser Charme entgegen, den ich nicht ganz definieren kann. Etwas Trauer mit Einsamkeit und... Tod. Ich schließe leise die Tür hinter mir, weil ich sie nicht erschrecken will, nehme mir den Stuhl, der hinter der Tür steht, setze mich neben sie und sehe ebenfalls aus dem Fenster.

Nach längerer Zeit des Schweigens, beschließe ich ein Gespräch anzufangen, egal, ob sie antwortet oder nicht. Ich brauche gerade jemanden zum Reden. "Ich bin verloren, Elizabeth." Ich lasse diesen Satz kurz auf sie wirken und da sie noch nicht geantwortet hat, fahre ich einfach fort. "Gestern haben er und ich unglaublich viele Dinge erlebt. Wir waren in der Kirche - das weißt du ja -, wir haben einer Beziehung beim Enden zugesehen und ich habe Dinge erfahren, die mein Leben komplett verändern. Meine Mutter... Ich hatte nie Kontakt zu ihr und - ich erspare dir die Einzelheiten, aber sie ist jetzt wieder ein Teil meines Lebens. Dank ihm... Gestern war so ein langer Tag mit Höhen und Tiefen und ich habe diesen Tag mit ihm erlebt. Wir haben uns geküsst. Ich hatte wirklich das Gefühl, dass wir... auf irgendeine ganz verzwickte Art und Weise mehr sind, als was wir vorher je waren. Und dann... Und dann, Elizabeth, sagt er, dass wir Freunde sind. Ich zeige ihm so offensichtlich meine Zuneigung und er sagt mir, dass wir Freunde sind. War es so falsch von mir zu denken, dass er mich mögen könnte? Mehr als nur Freundschaft? Ich meine, er hat kann mich küssen, wieso kann er mir nicht einfach sagen, dass er mit mir zusammen sein will?" Ich atme tief ein und aus. Ich merke erst jetzt, dass mir erneut eine kleine Träne über die Wange rollt. "Wahrscheinlich weiß ich den Grund sowieso schon. Ich bin nicht gut genug. Das war ich nie. Ich will doch nur... Ich kann einfach nicht so tun, als wäre da nichts zwischen uns, während eigentlich so einiges zwischen uns passiert." Ich sehe zu ihr. "Es passiert doch so einiges, oder?"

Olete lõpetanud tasuta lõigu lugemise. Kas soovite edasi lugeda?