Lives Collide

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"Das habe ich gehofft", sagt Aiden neckend, während er an einer Ampel hält.

"Du hast gehofft, dass er kommt? Du weißt doch, was für ein Arsch er ist!"

Er zuckt mit den Schultern. "Aber ich bin neugierig. Ich bin gespannt, ob ich ihn genau so ätzend finde, wie du ihn."

Ich rolle mit den Augen. "Provozier ihn bloß nicht, ich hätte gerne einen ruhigen Abend."

"Wenn er nichts Falsches sagt, werde ich auch nichts sagen." Er fährt weiter.

Wir betreten die Bar und schon bei der ersten Sekunde hier drinnen, kommen mir alte Erinnerungen in den Kopf. Ich habe hier so viele Abende verbracht, mit und auch ohne Scar. Es kommt mir vor, als wäre ich schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr hier gewesen. Ich gehe mit Aiden zu dem Tisch an dem Scar und ich immer sitzen, genau zwischen Bar und Ausgang.

"Wir scheinen die ersten zu sein", sage ich und schiebe mich in die Bank hinein, Aiden genau neben mich.

"Es ist cool hier", meint er und sieht sich um. "Aber Clavers toppt es leider nicht."

Ich ignoriere seinen Spruch und nehme mir die Getränkekarte. "Willst du etwas Alkoholisches trinken?"

Er legt einen Arm um mich und schüttelt den Kopf. "Nop, ich muss fahren."

"Ich kann auch heimfahren, wenn du möchtest, ich will nämlich nichts trinken."

"Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich es mir erlaube, angetrunken zu deinem Dad nach Hause zu kommen", lacht er.

Ich lächele und lege die Karte wieder weg. "Wahrscheinlich hast du Recht."

Und dann kommt schon die Bedienung an den Tisch. Eine nette Frau Mitte dreißig, mit unendlich vielen Tattoos und lilafarbenen Haaren. "Ravely? Dich habe ich hier ja schon mindestens ein ganzes Jahrzehnt nicht mehr gesehen", sagt sie als sie mich sieht.

Ich kenne sie, Ruby, schon seit ich sechzehn bin und fast jede Woche hier hergekommen bin, weil ich das Ambiente eines Pubs einfach liebe. Sie hat mich ständig schreiben und lesen gesehen und so haben wir uns auf irgendeine ganz merkwürdige Art und Weise angefreundet. Wie man nun einmal mit Erwachsenen befreundet ist.

"Du weißt doch, dass ich jetzt auf dem College bin", sage ich und lächele ihr entgegen. Ich freue mich wieder ein vertrautes Gesicht zu sehen.

"Und wie, du siehst toll aus!", staunt sie und zeigt mit ihren Händen an mir herab. "Viel erwachsener. Vor allem, wenn du so einen heißen Collegeboy neben dir sitzen hast."

Aiden lacht leise. "Vielen Dank."

Ruby lächelt ihn breit an. "Gern geschehen. Und du hast es endlich geschafft dieser kleinen Träumerin den Hals zu verdrehen?"

"Es scheint ganz so."

Ich rolle die Augen. "Ruby."

Sie lacht. "Okay, okay. Darf ich euch denn schon was bringen?"

"Wir trinken nur Wasser", spreche ich für uns beide. "Scar kommt auch gleich mit ihrem Freund."

Ruby nickt. "Alles klar."

Schmunzelnd sehe ich ihr hinterher. Einmal im Monat hierher kommen ist einfach zu wenig... Keine drei Sekunden später entdecke ich auch schon Scars blonden Schopf am Eingang. Sie sieht sofort zu unserem Tisch und winkt. Ich lächele ihr zu, jedoch verschwindet mein Lächeln sofort, als ich Dannys blonden Schopf hinter ihr entdecke, der ebenfalls den Pub betritt. Mir kommt sofort die Galle hoch, als ich in seine extrem hellen Augen sehe. Seine Miene verhärtet sich erst, als er mich sieht, doch dann sehe ich seinen rechten Mundwinkel zucken.

"Ist er das?", fragt Aiden leise, als sie auf uns zukommen.

Ich nicke nur, nehme meinen Blick immer noch nicht von Danny und betrachte ihn mit dem schärfsten Blick, den ich habe. Er soll ruhig spüren, wie sehr ich ihn verachte.

"Da sind wir", flötet Scar und setzt sich auf die Bank uns gegenüber.

Danny sitzt gegenüber von Aiden.

"Hast du schon Ruby gesehen?", fragt sie und nimmt sich die Getränkekarte.

Ich nehme meinen Blick von Danny, der schweigend neben ihr sitzt und seinen Arm um Scars Hüfte legt. "Ja, vor nicht einmal zwei Minuten war sie noch hier."

Aiden nimmt den Arm von meiner Schulter und streckt seinen Arm über den Tisch zu Danny. "Übrigens, ich bin Aiden, Ravens Freund." Er redet schon wieder viel zu freundlich, dafür, dass dieser blonde Idiot wahrscheinlich der größte Arsch auf Erden ist.

Danny sieht von seiner Hand zu ihm und schüttelt sie dann, nickt. "Ich bin Danny. Ich wusste gar nicht, dass Ravely einen Freund hat." Er sieht grinsend zu mir. "So schnell kommt man wohl zu einer Beziehung." Sein Lächeln sieht so unschuldig und nett aus, dass ich die Stirn in Falten lege. Tut er gerade so, als wäre er nett?

"Ja", lache ich unecht auf und sehe zu Ruby, die gerade mit zwei Gläsern Wasser auf uns zukommt.

"Guten Abend, ihr Hübschen", trällert sie und sieht zu Scar. "Was kann ich euch bringen?"

Scar sieht zu Danny. "Trinkst du heute was?"

Er sieht auf die Getränke von Aiden und mir und scheint zu überlegen. "Nein", sagt er schließlich. "Das wäre doch unfreundlich, wenn wir Alkohol trinken und die beiden hier bei Wasser sitzen. Ich nehme auch ein Wasser."

Ich muss mir ein Schnauben unterdrücken.

"Dann nehme ich auch Wasser", sagt Scar und Ruby nickt.

"Zwei Wasser, kommen sofort." Sie verschwindet hinter der Theke.

Scar beugt sich über den Tisch und grinst breit. "Ravely, ich muss dir unbedingt gute Neuigkeiten überbringen!"

"Schieß los."

Sie sieht erst zu Danny, dann wieder zu mir. "Danny und ich haben beschlossen zusammen zu ziehen!"

Mir klappt die Kinnlade runter. "Was?"

"Wir haben es letzte Woche beschlossen. Wir dachten uns, da wir eh auf das gleiche College gehen und ich sowieso ständig bei ihm in der Wohnung bin, könnten wir auch gleich zusammen ziehen." Ihr Grinsen ist so glücklich, dass es mir schon leid tut, dass ich mich nicht mit ihr freuen kann.

"Kannst du dir das überhaupt leisten?", frage ich und versuche mein Entsetzen zu unterdrücken.

Danny und Scar sind gerade mal einen Monat zusammen und wollen schon zusammen ziehen? Und vor allem: Sie will mit Danny zusammen ziehen?! Ich frage mich tatsächlich, wie naiv sie wohl sein muss, wenn sie ihm einfach so blind vertrauen kann, ohne auch nur ansatzweise auf die Worte zu hören, die ich ihr gestern erst gesagt habe. Er muss ein ausgezeichneter Lügner sein, wenn er es schafft, sie so um den Finger zu wickeln.

"Ich arbeite am Wochenende als Kellnerin in verschiedenen Restaurants und so klappt das schon. Immerhin arbeitet Danny auch als Aushilfe in der Werkstatt seines Vaters", erzählt Scar.

"Richtig", sagt Danny und sieht lächelnd zu ihr. "Und vielleicht findest du ja dann endlich deinen Traumjob."

Ich runzle die Stirn. "Was ist denn mit deinen Tonfiguren geworden? Du wolltest doch schon immer einen Laden eröffnen."

Sie zuckt mit den Schultern. "Ach, diese doofen Dinger nerven mich nur noch. Außerdem war das ein Kindheitstraum. Ich denke, ich werde mich erst einmal nach freien Jobs als Friseurin oder Visagistin umsehen. Irgendwas was sicherer ist."

"Ein Kindheitstraum? Du hast erst eine Woche bevor ich gegangen bi, davon gesprochen." Es kommt mir fast abstrakt vor, dass Scar auf einmal so desinteressiert über ihre Tonfiguren redet. Schon seit dem Kindergarten macht sie mit Ton die verrücktesten und coolsten Dinge, die man mit Ton nur machen kann und ihren eigenen Laden mit diesen Teilen zu besitzen, war für sie schon immer das Größte. Wieso also sollte sich ihre Meinung plötzlich geändert haben?

"Ist doch egal", sagt Scar. "Es ist einfach so."

Aiden neben mir regt sich und trinkt einen Schluck Wasser. "Du machst Tonfiguren? Skurrile Menschen und so was?", fragt er staunend.

Sie nickt. "Ja, so was in der Art. Eigentlich mache ich alles, was ich so möchte. Ich habe auch schon unendlich viele Ravely-Tonfiguren in meinem Zimmer stehen, in fast jedem Alter."

"Ja", stöhne ich. "Und sie sind grausam."

Scar lacht. "Danke."

"Ich find´ sie toll", wirft Danny ein und grinst breit. Wenn ich nicht wüsste, wie überheblich und arrogant er wirklich ist, würde ich ihn wahrscheinlich nett finden.

"Ich finde Tonfiguren wirklich cool, meine Grandma macht sie auch ständig. Ihr ganzes Wohnzimmer steht damit voll." Er lacht. "Und du weißt wirklich noch nicht, was du mal lernen willst?", fragt Aiden jetzt wieder interessiert, lehnt seine Ellenbogen an den Tisch.

Scar schüttelt mit dem Kopf. "Nicht wirklich. Ich hoffe, dass ich während dem Kellnern ein Gedankenblitz bekomme und ich erleuchtet werde mit dem besten Beruf auf Erden."

"Mach es einfach wie ich. Ich hab früher jedes Wochenende einen anderen Job gemacht, weil ich selbst noch nicht wusste, womit ich mein Geld verdienen will. Das hat mir mehr geholfen, als zu hoffen, dass mich ein Gedankenblitz erleuchtet." Er lacht.

Danny sieht ihn an. Sein Blick strahlt etwas Giftiges aus.

"Du wohnst aber auch in London, ich wohne in einem Kuhkaff namens Aldbury. Hier viele verschiedene Jobs zu finden ist schwerer, als man denkt", sagt Scar.

"Probier so viel aus wie du kannst, glaub mir, das wirkt Wunder. Aber du solltest deine Leidenschaft für Tonfiguren nicht vernachlässigen. Heutzutage gibt es viel zu wenige Leute, die das noch machen."

Sie grinst. "Willst du mal eine Figur sehen?"

"Klar."

"Ravely, zeig ihm mal das eine Bild von dem Baum", sagt sie zu mir.

Ich sehe sie verwirrt an und sie fügt augenrollend hinzu: "Na, das was ich dir zum Geburtstag geschenkt habe."

"Ach so!" Ich hole mein Handy raus und zeige Aiden das Bild von der Tonfigur, die einen großen, extravaganten Baum zeigt. Ich liebe diese Figur, sie ist meine Lieblingsfigur und deshalb hat Scar sie mir zum achtzehnten Geburtstag geschenkt.

 

"Das ist wirklich gut", staunt Aiden und sieht wieder zu Scar. "Du solltest das wirklich nicht aufgeben, damit kann man viel Geld verdienen. Meine Grandma verdient an jeder Figur, die sie verkauft, viel Geld."

Ich packe mein Handy wieder weg und Scar will gerade etwas sagen, da wird sie von Danny unterbrochen: "Vielleicht solltest du aufhören meine Freundin so offensichtlich anzumachen, Kumpel." Sein Blick ist starr auf Aiden gerichtet und seine Augen sind leicht zusammengekniffen.

Ich hebe die Brauen und sehe ihn unglaubwürdig an. "Wie bitte?"

Auch Scars Blick spricht Bände, denn ihre Stirn ist ebenfalls gerunzelt.

Aiden richtet sich neben mir ein wenig auf, lehnt sich nach vorne und sieht mich mit erhobenem Mundwinkel an. "Schon gut, Baby." Er sieht zu Danny, der ihn immer noch mit seinem Blick zu töten versucht. "Ich hatte nicht vor Scar anzumachen, das tut mir leid. Ich habe ihr lediglich gesagt, dass ich ihre Tonfiguren mag."

Wie kann er so ruhig bleiben?

Danny lehnt sich ebenfalls nach vorne. "Rede keinen Bullshit. Es ist offensichtlich, dass du versuchst sie lächerlich anzumachen."

Scar bekommt kein Wort heraus und sieht ihn nur entsetzt an. Sie scheint selbst nicht zu kapieren, was mit ihm los ist.

Ich balle unter dem Tisch meine Fäuste und presse den Kiefer aufeinander. Was fällt ihm eigentlich ein? Er redet den größten Mist, den ich je gehört habe.

Aiden lacht leise verbittert und sieht auf den Tisch. Dann atmet er tief ein und sieht ihm in die Augen. "Du meinst also so, wie du es bei meiner Freundin versucht hast?"

Ich reiße die Augen auf.

"Was?", zischt Danny durch zusammen gepresste Zähne.

"Ich denke nicht, dass ich mich wiederholen muss", sagt Aiden selbstbewusst. Ich erkenne sogar ein kleines Lächeln auf seinen Lippen.

Dannys Kopf wird rot, seine Miene noch wütender als vorher und sein Atem ist schwer. Er sieht aus wie eine tickende Zeitbombe.

"Schatz, bitte reg dich nicht auf", sagt Scar unsicher. "Aiden wollte mich nicht anmachen, wirklich nicht. Bitte beruhige dich."

"Du solltest auf sie hören", sagt Aiden und hält immer noch Dannys Blick stand. "In einem Pub eine Szene zu machen, war noch nie eine gute Idee."

"Ach, tatsächlich?", blafft Danny. "Wer sagt das?"

Aiden seufzt. "Okay, pass auf, man. Anscheinend fühlst du dich ein wenig in deinem Ego gekränkt und du scheinst ein temperamentvoller Typ zu sein. Also solltest du dich vielleicht zusammenreißen oder wir werden gehen, denn auf so eine Scheiße habe ich keine Lust."

"Bitte, Baby", sagt Scar verzweifelt und legt ihre Hand auf Dannys Arm, doch dieser beachtet sie gar nicht.

Danny grinst dreckig und steht auf. "Du hast Recht, lass uns gehen. Wir klären das draußen."

Ich reiße meine Augen auf. Bitte nicht, bitte, bitte nicht. Ich würde Aiden gerne sagen, dass wir einfach gehen sollten, doch ich bin mir sicher, dass er nicht auf so eine bescheuerte Idee kommt und tatsächlich mit Danny rausgeht.

Aiden schweigt und sieht zu ihm auf. Er scheint zu überlegen.

"Nein, wir werden gehen", krächzt Scar und steht ebenfalls auf, lässt dann aber die Schultern hängen, weil Danny sie mal wieder ignoriert und immer noch Aiden erwartungsvoll ansieht.

Aiden trinkt den letzten Schluck von seinem Wasser und holt ruhig seine Geldbörse heraus, legt ein paar Scheine auf den Tisch. Als er aufsteht, sagt er: "Alles klar, gehen wir raus."

Danny grinst.

"Geht´s noch?", zische ich und stehe ebenfalls auf. "Vergiss es!"

Doch Aiden ignoriert mich ebenfalls und sieht immer noch Danny an.

Danny nickt selbstgefällig und geht mit großen Schritten und hochgezogenen Schultern in Richtung des Ausgangs.

Das passiert gerade nicht wirklich oder? Ich fühle mich wie in einem Hahnenkampf und Scar und ich stehen unbeholfen zwischen den Fronten. So wollte ich den Abend eigentlich nicht enden lassen. Vor allem kann ich nicht einschätzen, wer wen verprügelt, wenn Aiden und Danny jetzt tatsächlich handgreiflich werden. Danny sieht stark aus, sein Körper ist durchtrainiert. Aiden ist ein wenig größer, hat zwar auch Muskeln, dennoch ist er nicht so aufgepumpt wie er. Es ist bescheuert, dass ich überhaupt über so etwas nachdenken muss, denn ich rede hier von Aiden. Nur Idioten ohne Hirn prügeln sich und dazu konnte ich ihn bisher eigentlich nicht zählen.

Aiden geht auf den Ausgang zu und Scar sieht mich verzweifelt an. Ihr Blick ist ängstlich und sie scheint sich wahrscheinlich genauso viele Gedanken zu machen, wie ich.

"Ist der immer so?", frage ich Scar ein wenig sauer, während wir Aiden nach draußen folgen. Die ganze Sache nervt mich unheimlich.

Sie sieht auf den Boden. "Manchmal..."

Als wir draußen ankommen, erkenne ich durch die Laterne an der Straße Danny und Aiden, die mit einem Abstand von ungefähr drei Metern voneinander wegstehen. Dannys Hände sind geballt und sein Ausdruck nach wie vor wütend. Aiden steht mit den Händen in den Hosentaschen in unsere Richtung gedreht und scheint auf uns zu warten.

"Also los!", schreit Danny zu ihm herüber, als er merkt, dass Aiden sich nicht regt.

Aiden beachtet ihn nicht und ruft stattdessen zu mir: "Kommst du, Baby?"

Ich blicke ihn verwirrt an. Er hat nicht vor sich mit Danny zu schlagen? Ich nicke erleichtert und gehe auf ihn zu. Als ich bei ihm ankomme nimmt Aiden schmunzelnd meine Hand und will zum Auto gehen.

Ich wusste doch, dass er mehr Hirn hat, als dieser Neandertaler.

"Was soll die Scheiße?", brüllt Danny. "Ziehst du den Schwanz ein, du Waschlappen?"

Aiden beachtet ihn nicht und ich drehe mich zu ihm, sehe Scar, wie sie mit gesenktem Kopf hinter ihm steht. Sie sieht aus, als würde sie gleich weinen. Sie tut mir leid, ich kann sie hier nicht mit ihm alleine lassen. Ich lasse Aidens Hand los. "Ich werde Scar fragen, ob wir sie mitnehmen sollen."

"Ja, mach das", sagt er und nickt.

Mit schnellen Schritten gehe ich an dem keuchenden Danny vorbei, der mich verwirrt ansieht, zu ihr. Ich fasse sie sanft am Arm an und sie sieht mich an. "Willst du mit uns kommen?", frage ich leise und höre sofort, wie sich Danny zu uns umdreht.

"Sie bleibt hier", giftet er mich an.

Ich ignoriere ihn und sehe sie weiterhin an. In ihren Augen bilden sich bereits kleine Tränen. "Du musst nicht bei ihm bleiben, Scar."

Sie schnieft und sieht erst Danny, dann mich an, schüttelt langsam mit dem Kopf. "N-Nein, ist schon okay. Ich bleibe bei ihm."

Entsetzt sehe ich sie an. "Das kannst du nicht ernst meinen."

"Hast du sie nicht gehört?", höre ich Danny hinter mir. "Sie bleibt bei mir, verdammt!"

"Er hat Recht", schnieft Scar und lächelt leicht traurig. "I-Ich liebe ihn, Ravely. Ich bleibe bei ihm."

"Bist du dir sicher?"

"Ja... ich bin mir sicher. B-Bitte geht besser einfach, okay?"

Sie sagt mir gerade unter Tränen, dass sie diesen Idioten liebt, während er sich wie ein Verrückter aufführt. Irgendetwas stimmt doch mit ihr nicht. Ich habe sie zwar schon oft mit Arschlöchern zusammen gesehen, aber Danny ist nochmal eine Nummer schlimmer, und das um Längen. Doch auch, wenn ich sie unheimlich gerne mitnehmen würde, weil ich Danny keine Sekunde vertraue, weiß ich, dass ich es ihr nicht ausreden kann. Das konnte ich noch nie.

Ich nicke ergeben. "Okay", seufze ich. "Aber bitte ruf mich sofort an, wenn irgendetwas ist."

Sie nickt traurig und ich betrachte sie ein letztes Mal skeptisch, bevor ich wieder an Danny vorbei, zu Aiden gehe.

"Also was ist?", schreit Danny wieder. Er scheint sich wohl nie beruhigen zu wollen.

"Geh nach Hause, man!", ruft Aiden ruhig zurück. "Ich werde dich nicht angreifen!" Er nimmt wieder meine Hand und wir gehen zu seinem Auto.

Ich höre Dannys schwere Schritte hinter uns.

Er ist verrückt, er ist definitiv verrückt.

Aiden scheint seine Schritte ebenfalls zu hören, denn er lässt meine Hand los und dreht sich schnell um.

"Du Wichser lässt mich nicht einfach hier stehen!", brüllt Danny mit rotem Kopf und will gerade zum Schlag ausholen, da geht Aiden einen Schritt zur Seite und stellt ihm ein Bein.

Danny fliegt genau zwischen uns auf den Boden und es ist der schönste Anblick, den ich je gesehen habe.

"Ups", lacht Aiden und sieht auf ihn herab.

Ich lache ebenfalls und Danny hievt sich wieder hoch, klopft sich den Dreck von den Klamotten.

"Wir werden jetzt gehen", sagt Aiden triumphierend zu ihm und gibt mir ein Zeichen, dass ich ins Auto steigen soll.

"Beschissene Möchtegern Schriftsteller", flucht Danny und sieht uns zu, wie wir lachend ins Auto steigen und davon fahren.

Raven

"Du dachtest echt, ich würde mich mit ihm prügeln?", lacht Aiden als wir aus dem Auto aussteigen.

Ich gehe lachend um das Auto herum. "Ja, irgendwie schon. Ich meine, du standest so entschlossen da!"

Er schüttelt lachend den Kopf als ich den Schlüssel in die Haustür stecke. "Ich wollte doch nur ein wenig Spannung aufbauen."

"Hast du definitiv geschafft!" Ich öffne die Tür und wir treten in das viel wärmere Haus. "Willst du -“ Mein Blick fällt auf die Couch im Wohnzimmer. Ich sehe meinen Dad mit gesenktem Kopf dort sitzen, der ein altes Fotoalbum auf dem Schoß liegen hat. Er scheint uns noch nicht entdeckt zu haben. Ich drehe mich zu Aiden um, der sich gerade die Schuhe auszieht. "Geh doch schon mal hoch, ich gehe kurz zu Dad."

Er nickt. "Okay." Dann nimmt er meinen Kopf in seine Hände und küsst mich sanft.

Ich lächele breit, als er von mir ablässt und die Treppen hochgeht. Wie habe ich so etwas nur verdient? Es ist viel zu unrealistisch.

Mein Blick fällt wieder auf meinen Dad, der immer noch durch die Seiten des Fotoalbums blättert. Er sieht niedergeschlagen und traurig aus. Seufzend gehe ich auf ihn zu und setze mich neben ihn.

Sein Blick richtet sich auf und er lächelt, als er mich sieht. "Ihr seid ja schon da."

Ich sehe auf das Fotoalbum auf seinem Schoß. "Ja, es gab ein paar Komplikationen. Und du siehst dir alte Bilder an?"

Er nickt traurig. "Ja... Ich sehe mir das Album in letzter Zeit öfter an. Es ist Wahnsinn, wie schnell du erwachsen geworden bist."

"Dad, ich bin noch lange nicht erwachsen." Ich lächele.

"Das hoffe ich", schmunzelt er, doch es erreicht seine Augen nicht.

Skeptisch betrachte ich ihn. "Was ist los?"

Er klappt das Fotoalbum zu und legt es neben sich auf die Couch. "Wir müssen noch über die Sache mit deiner Mutter reden."

"Nein", sage ich.

Dad sieht mich fragend an. "Nein?"

"Ich meine, ich finde es schlecht, was du damals getan hast und auf irgendeine Art und Weise bin ich auch enttäuscht von dir. Ich kenne jetzt die Wahrheit und das reicht mir. Du warst trotzdem immer noch der beste Vater auf der Welt und das wirst du auch immer bleiben. Außerdem möchte ich mich nicht mit der Vergangenheit befassen sondern mit der Gegenwart und der Zukunft, denn das ist mir wichtiger."

Er atmet erleichtert auf. "Zum Glück. Diese ganze Sache hat mich im letzten Monat ganz schön fertig gemacht."

"Dann ist es jetzt vorbei", lache ich. "Aber ich will, dass wir beide den Kontakt mit Mum aufrecht erhalten."

"Ja, das möchte ich auch. Wir haben uns sehr gut verstanden als sie hier war."

"Das habe ich gemerkt! Ihr habt euch benommen, wie zwei verliebte Teenager!"

"Ach, quatsch! So schlimm waren wir auch nicht."

Ich schüttele lachend den Kopf. "Wie auch immer. Du solltest auf jeden Fall aufhören hier wie ein Trauerkloß zu sitzen und dir Babyfotos von mir anzusehen. Geh in eine Bar und such dir eine Freundin oder so."

Er verdreht die Augen und steht auf um das Fotoalbum wieder ins Regal zu stellen. "Fang bloß nicht wieder damit an."

Ich stehe ebenfalls auf und gehe zur Treppe. "Ich werde solange damit anfangen, bis du es endlich einmal machst!"

"Übrigens", sagt Dad monoton, als ich gerade die Treppen hoch will, "Aiden ist in Ordnung."

Mein Lächeln spricht Bände. Wusste ich es doch, dass Aiden es schafft meinen Vater dazu zu bringen, ihn zu mögen. Niemand kann ihm widerstehen, nicht mal mein Dad.

 

"Ich weiß", lächele ich und gehe die Treppen hoch.

Dass Dad ihn mag, bedeutet mir unheimlich viel. Auch, wenn er nur sagt, dass Aiden 'in Ordnung' ist, weiß ich trotzdem, dass er froh ist, dass er mein Freund ist und nicht irgendein Idiot, wie Jason damals.

Ich öffne meine Zimmertür und finde einen leise schnarchenden Aiden vor. Er trägt nur noch seine Boxershorts und ein Arm baumelt über der Bettkante, während er auf dem Bauch liegt und fast das komplette Bett einnimmt. Er ist tatsächlich innerhalb von zehn Minuten eingeschlafen. Aber es ist nachvollziehbar, immerhin ist er fast den ganzen Tag Auto gefahren und dann war da noch die Sache mit Danny.

Ich gehe mit leisen Schritten auf meinen alten Kleiderschrank zu und ziehe ein Schafshirt heraus. Während ich mich umziehe, beobachte ich ihn schmunzelnd, wie sich seine Lippen leicht bewegen, während er atmet und sein Oberkörper sich auf und ab bewegt.

Es ist fast nicht zu glauben, dass dieser schöne Mann in meinem Bett so eine schlimme Zeit hinter sich hat. Der Tod seiner Schwester und von Tammy haben so viel von ihm abverlangt und er ist trotzdem noch stark, versprüht überall gute Laune und Liebe, wo er nur kann. Er bringt mich zum Lachen und liebt mich.

Kurzerhand beschließe ich, die kleine Lampe auf meinem Schreibtisch anzuschalten und einen Notizblock aus einer Schublade zu ziehen. Ich habe gerade das erste Mal die Chance über jemanden zu schreiben, den ich von ganzem Herzen liebe und der mich liebt. Über August und mich.

Es wundert mich immer wieder aufs Neue, dass Aiden nicht aufwacht, während das Licht an ist und ich mich neben ihn unter die Decke lege, als ich fertig bin mit schreiben. Ich wünschte, ich hätte so einen tiefen Schlaf wie er. Dennoch verabscheue ich den Schlaf schon seit den letzten zwei Wochen. Seine Albträume scheinen kein Ende zu nehmen und das tut mir so weh. Jede Nacht wacht er mit schwerem Atem und tränenden Augen auf. Ich gebe ihm dann zwar die Liebe, die er braucht, doch ich habe Angst, dass es für immer so sein wird. Was ist, wenn ich eines Tages nicht mehr für ihn da sein kann, weil wir uns getrennt haben? Nein. Über so was möchte ich nicht nachdenken. Dieser Gedanke ist so grausam, dass es sofort in meiner Brust schmerzt.

Ich schalte das Licht aus und lasse meinen Kopf in das weiche Kissen sinken, das nach meinem Zuhause riecht. Hier lag ich das letzte Mal, da war ich noch jemand anderes. Damals war ich Ravely und heute bin ich Raven. Ich bin mir sicher, dass Ravely Raven mögen würde.

Aidens Gesicht ist zu mir gedreht und ich streichle ihm langsam mit den Fingerspitzen über die Wange, die so weich und zart durch das Licht des Mondes aussieht.

Er hört auf zu schnarchen und runzelt die Stirn. Anscheinend habe ich ihn geweckt.

"Ich liebe dich", flüstere ich durch die Dunkelheit und streiche immer noch sanft mit dem Rücken meiner Finger über seine Wange.

Aiden lächelt und dreht sich auf die Seite, damit er seinen Arm um meine Taille legen kann, presst mich fest an seine warme Brust.

Ich höre sein Herz schlagen, es gibt mir Genugtuung.

"Ich liebe dich", sagt er und küsst meine Stirn.

In dieser Nacht weint er wieder.