Lives Collide

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"Klar, kein Problem", antwortet Aiden.

"Hoffentlich ist sie Zuhause, ich will sie unbedingt nochmal sehen." Ich seufze und sehe aus dem Fenster. "Sie sah gestern Abend wirklich fertig aus."

"Hatte sie schon immer so einen Faible für großkotzige Arschlöcher?"

"Oh ja. Sie hatte schon viele Freunde und fast alle von denen waren einfach unter ihrem Niveau. Aber Danny ist wirklich zehn Mal schlimmer, als alle Typen davor. So wie er sich gestern verhalten hat war einfach widerlich. Ich meine, wie kann er einfach behaupten, dass du Scar angemacht hättest? Ich saß genau neben dir!" Aufgebracht wedle ich mit den Händen herum.

Aiden lacht. "Ganz ruhig!"

"Ich könnte mich einfach den ganzen Tag über diesen Typen aufregen", stöhne ich. "Und jetzt will sie auch noch mit ihm zusammenziehen! Ich versteh´ einfach nicht, wie sie so naiv sein kann. Ich meine, sie hat doch selbst behauptet, dass sie mir glaubt, dass Danny mich angemacht hat an ihrem Geburtstag. Wieso also läuft sie ihm dann noch so hinterher?"

"Hmm", macht Aiden. "Vielleicht liebt sie ihn?"

Ich schnaube. "Wie kann man so jemanden wie Danny lieben?"

"Raven, du kennst die Beziehung der beiden doch nur oberflächlich. Vielleicht ist er ganz anders, wenn sie alleine sind. Denk an die Geschichte von Tessa Young und Hardin. Hardin ist ein absolut widerlicher Kerl gewesen, doch sie hat ihn trotzdem geliebt."

Ich seufze. Das war wirklich ein guter Vergleich. "Es ist für mich einfach so unverständlich, wie man so ein Verhalten akzeptieren kann. Überleg mal, Danny hätte sich tatsächlich gestern einfach mit dir geprügelt, wegen so einem nichtigen Grund."

"Und das ist ja wohl der bescheuertste Gedanke der Welt. Ich hätte den Kerl natürlich fix und fertig gemacht", sagt Aiden mit einem ironischen Unterton und hält vor Scars Haus.

"Wahrscheinlich", lache ich laut und öffne die Tür. "Du kannst im Auto bleiben, es dauert nicht lange."

Er nickt und ich steige aus. Meine Hoffnung, Scar jetzt zu sehen ist sofort gestorben, als ich merke, dass ihr Auto nicht im Hof steht. Wahrscheinlich ist sie wieder bei Danny, das hätte ich mir auch vorher denken können. Aber ich klingele trotzdem, vielleicht hat sie ihr Auto einfach irgendwo anders geparkt.

Ihre Mutter öffnet mir die Tür und lächelt mir mit ihren weißen Zähnen entgegen. Selbst an einem Sonntagabend sieht sie noch super aus. Kein Wunder, denn Scars Familie besitzt überdurchschnittlich viel Geld und ihre Eltern achten sehr auf Stil.

Wahrscheinlich sucht sich Scar deshalb immer so aufmüpfige Freunde, um gegen ihre Eltern rebellieren zu können. Sie war schon immer sehr gegensätzlich zu ihnen.

"Oh, Ravely", sagt ihre Mutter freundlich. "Schön, dich mal wieder zu sehen."

Ich lächele. "Ja, ist mal wieder etwas länger her. Ist Scarlett da?"

Sie schüttelt mit dem Kopf. "Nein, tut mir leid. Sie ist bei ihrem Freund."

"Ach so", seufze ich. "Dann gehe ich jetzt wieder. Schönen Abend noch!"

Sie winkt mir hinterher. "Dir auch, Ravely!"

Ich lächele ihr nochmal zu und gehe wieder zu Aiden ins Auto.

"Und? Sie ist nicht da?", fragt er als ich einsteige.

"Ja... Ich rufe ich sie morgen an. Ich will jetzt erst mal wieder zurück."

Aiden startet den Motor und fährt los. "Sind ja nur noch vier Stunden Fahrt."

Kapitel 3

Raven

Ein Kitzeln in der Nase holt mich aus einem Traum von lilafarbenen Fischen und Katzen mit Rüsseln. Ich öffne die Augen und muss feststellen, dass die Sonne das Kitzeln in meiner Nase verursacht hat, weil sie genau in mein Gesicht scheint. Wieso vergisst Aiden immer die Rollladen herunter zu ziehen?

Moment .. .die Sonne scheint? Schnell schaue ich auf die Uhr auf Aidens Nachttisch.

9:14 AM! Wir verschlafen unsere Kurse!

"Aiden!", rufe ich und schleudere seinen Arm von meiner Taille.

Er richtet sich blitzschnell auf und nimmt eine Kampfposition ein. "Was ist los?", schreit er und sieht mit starrem Blick im Raum umher.

Ich bücke mich und schmeiße ihm seine Jeanshose an den Kopf. "Wir haben schon fast halb zehn! Wir müssen zum Campus!"

Er zieht sich die Hose vom Kopf und betrachtet mich verschlafen, während ich mir gehetzt mein T-Shirt überziehe.

"Willst du nicht langsam mal aufstehen?" zicke ich und ziehe mir meine helle Jeanshose an, als ich bemerke, dass er immer noch im Bett sitzt.

Aiden scheint noch total verwirrt und reibt sich über sein Auge. "Ich hab extra den Wecker ausgestellt, damit wir ausschlafen können."

"Was?", frage ich laut. "Wir haben Montag, da schläft man nicht aus!"

Er lässt sich stöhnend wieder ins Bett fallen. "Reg dich nicht so auf, es ist nur ein Tag."

Ich hebe die Brauen und lege die Hände an die Hüften. "Ein Tag? Wir sind die letzten zwei Wochen nicht in die Schule gegangen!"

"Baby", seufzt er mit dem Gesicht im Kissen. "Bitte leg dich einfach wieder hin. Es ist fast noch mitten in der Nacht."

"Aiden, du kannst nicht einfach bestimmen, dass wir nicht zu den Seminaren gehen, ohne, dass ich davon weiß! Ich hab´ dir schon oft genug gesagt, dass mir dieses College extrem wichtig ist, das hat sich in den letzten Wochen nicht geändert!" Verzweifelt halte ich mir die Hände an den Kopf und gehe von links nach rechts. "Ich will mir gar nicht vorstellen, wieviel ich schon verpasst habe!"

Aiden legt sich das Kissen über den Kopf und stöhnt genervt. "Anstatt hier herumzubrüllen, kannst du auch einfach wieder schlafen", höre ich seine Stimme durch das Kissen.

Mittlerweile bin ich schon so geladen, dass ich aufstampfe. "Arsch", fluche ich leise und stampfe aufgeregt aus dem Zimmer.

Zwei Wochen! Zwei Wochen war ich jetzt schon nicht mehr in den Kursen und jetzt stellt Aiden auch noch einfach den Wecker aus. Ich bin doch nach London gekommen um zu studieren und nicht um Ferien zu machen. Wieso will er das einfach nicht verstehen? Ich habe noch kein Geld mit dem Schreiben verdient, so wie er. Anscheinend ist er ja schon gut genug mit dem was er tut, aber ich nicht.

Mit mittlerweile schon starken Kopfschmerzen gehe ich in die Küche und schalte die Kaffeemaschine ein.

Hoffentlich ist die Kaffeemaschine laut genug, damit Aiden nicht wieder einschlafen kann.

Ich kann nicht fassen, dass ich heute wieder nicht zu den Kursen gehe. Ich kann nicht mal einfach hingehen, denn Aidens Auto kann ich nicht nehmen und zu Fuß wäre es viel zu weit. Genervt öffne ich das Regal mit den Tassen und hole eine heraus.

Da fliegt mir etwas entgegen.

Ich schaue auf das zusammengefaltete Papier, was mir vor die Füße geflattert ist und hebe es mit gerunzelter Stirn auf. Es sieht aus wie ein Brief. Kurz überlege ich, ob ich ihn lesen soll, denn letztens lag er noch nicht hier im Regal, doch ich bekomme sofort ein schlechtes Gewissen. Das ist Aidens Privatsphäre, darin habe ich nichts zu suchen.

Aber gehöre ich nicht auch zu Aidens Privatsphäre?

Kurzerhand falte ich das Papier auseinander und ignoriere meine innere Stimme, die mir sagt, dass das falsch ist.

Sehr geehrter Mister Bender,

Unsere Firma ist immer auf der Suche nach engagierten und erfolgreichen Schriftstellern, um sie auf Ihrer Karriereleiter zu unterstützen. Wir wurden durch das College, das Sie momentan besuchen, auf Sie aufmerksam gemacht. Wir haben zu Ihrem bereits veröffentlichten Buch mehrere Rezensionen und Kritikermeinungen eingeholt.

Unsere Geschäftsführung ist sich einig, dass wir Ihr Buch 'Als wir unendlich waren' als den nächsten globalen Bestseller sehen und sind begeistert von Ihrer Leistung.

Wir bieten Ihnen an, Ihr Buch über unsere Firma verlegen und verkaufen zu können, um Ihrer Karriere einen Schritt in die richtige Richtung zu geben. Wir bieten Ihnen an, ein Jahr bei uns zu arbeiten um sich erst mal ganz ihrem Buch widmen zu können und würden uns natürlich auf weitere Manuskripte Ihrer Seite freuen. Wir laden Sie herzlich auf ein Gespräch in unser Headquarter nach New York ein und übernehmen selbstverständlich alle Reise- und Übernachtungskosten.

Die Firma Black Poe Enterprise freut sich auf Ihre Zustimmung.

"Raven?"

Erschrocken drehe ich mich um und blicke sofort in Aidens grüne Augen.

Mir fällt das Papier vor Schreck aus der Hand und es landet genau zwischen Aiden und mir.

"H-Aiden, ich", sage ich unsicher, weil ich seinen Blick nicht ganz einschätzen kann. "Der Brief ist mir - Er - er ist mir entgegen geflogen."

Er sieht auf das Papier auf dem Boden und geht darauf zu. "Entgegen geflogen, huh?", sagt er mit bissigem Unterton und hebt es auf.

Aiden ist definitiv sauer.

Ich sehe schuldbewusst auf den Boden und knippe an meinen Fingernägeln. "Es tut mir leid", sage ich leise. Hätte ich doch nur auf meine innere Stimme gehört.

"Was tut dir leid? Dass du in meinen Sachen rumschnüffelst?" fragt er, lehnt sich mit verschränkten Armen gegen die Kücheninsel und betrachtet mich verärgert.

"Ich hab nicht geschnüffelt", sage ich kleinlaut. "Es - es ist aus dem Regal geflogen, als ich eine Tasse rausholen wollte... Und da -“

"Da dachtest du, dass du einfach meine Briefe lesen darfst, wenn sie dir schon vor die Füße fliegen?"

"Ich -“

"Kannst du mir mal sagen, was ich davon jetzt halten soll?"

"Kannst du mich mal ausreden lassen?" feixe ich ihn an und verschränke ebenfalls die Arme. Weg ist das schlechte Gewissen.

 

Aiden sieht mich jetzt noch böser an, will etwas sagen, doch diesmal unterbreche ich ihn.

"Außerdem: Du brauchst dich eigentlich gar nicht so aufzuspielen, immerhin gibt es anscheinend gleich mehrere Sachen, die du mir verheimlichst!" Ich gehe auf ihn zu und reiße ihm das Papier aus der Hand. "Hier steht, dass du ein Jahr nach Amerika gehen kannst, wann wolltest du mir das denn sagen?"

Er stützt sich geladen von der Kücheninsel ab. "Das -“

"Und was ist das?", schreie ich und zeige auf eine Zeile. "DU HAST ´ALS WIR UNENDLICH WAREN´ GESCHRIEBEN? Wann wolltest du mir das sagen?! Bist du vielleicht noch der Prinz von England oder so? Sag es am besten sofort bevor ich es von der Queen höchstpersönlich erfahre, wenn sie mal zu einem Brunch vorbei kommt!"

"Verdammt, Raven!", schreit Aiden, wirft die Arme in die Luft und geht aufgebracht um die Kücheninsel herum. Er steht jetzt auf der anderen Seite. "Darum geht es doch gerade gar nicht!"

"Doch Aiden, genau darum geht es!" Ich knalle den Brief auf die Insel, die eine Barriere zwischen uns bildet. "Meinst du nicht, dass ich das Recht habe, zu erfahren, wenn mein Freund das Buch geschrieben hat, das ich vergöttere! Kein Wunder, dass du mich ständig an ihn erinnert hast! Wahrscheinlich hast du dich, seit ich dir das von August erzählt habe, ständig wie er verhalten, damit ich mich in dich verliebe! Du wusstest, wieviel mir das Buch bedeutet! Ich kann es kaum glauben!"

"Was für ein Bullshit! Ich war ständig so, wie ich wirklich bin!" Er lässt einen genervten Schrei raus. "Deswegen wollte ich nicht, dass du es weißt, verdammt! Ich wusste, dass du so ausrasten würdest!"

Ich schnaube verächtlich. "Es wäre nur halb so schlimm, wenn du es mir einfach gesagt hättest! Und wann hattest du vor, mir das mit Amerika zu erzählen? Der Brief ist vom 27. Mai, das ist über zwei Wochen her, Aiden! Hast du vielleicht in der ganzen Zeit schon beschlossen, dass du ein Jahr nach Amerika gehst?"

Er schweigt und starrt wütend auf die Kücheninsel.

"Hast du?", brülle ich.

"Ja", sagt er ruhig, sieht aber immer noch auf die Insel.

"Ja, was?"

"Ja, ich werde nach Amerika gehen, aber -“

"Du gehst?", schreie ich jetzt wieder aufgebracht und gleichzeitig am Boden zerstört.

"Lass mich ausreden, man!", schreit er wieder und sieht mich an. "Ja, ich gehe nach New York, aber erst mal nur für ein Gespräch! Wenn du nicht so zicken würdest, dann hättest du dir das Geschrei sparen können!"

"Du schreist doch selbst!"

Er rollt die Augen und geht aus der Küche.

"Wo gehst du hin?", rufe ich ihm sauer hinterher.

"Wieder ins Bett!", höre ich seine Stimme von der Treppe. "Anscheinend hast du deine PMS oder so und so rede ich ganz bestimmt kein Wort mit dir!"

Wütend schnaube ich und schenke mir endlich Kaffee in meine Tasse ein. Es stimmt zwar, dass ich meine Tage bekommen habe, aber das hat damit ganz bestimmt nichts zu tun! Ganz bestimmt nicht!

Ich habe jedes Recht auf ihn sauer zu sein, immerhin verschweigt er mir solche wichtigen Sachen. Die Tatsache, dass er tatsächlich ´Als wir unendlich waren´ geschrieben hat, will immer noch nicht in meinen Kopf und die Tatsache, dass er tatsächlich ein Jahr nach Amerika gehen könnte, weil er dort sein Buch noch besser vermarkten kann, noch weniger.

Eigentlich bin ich doch nur so aufgebracht, weil ich mir einfach nicht vorstellen kann hier in London ohne ihn zu leben... Wenn er weg wäre, dann hätte ich absolut keine Lust mehr auf das College. Auf allgemein alles.

Können wir eine Fernbeziehung führen? Und das über mehrere tausend Kilometer entfernt? Das ist nicht einfach eine Stunde Autofahrt, das ist eine Flugzeit von neun Stunden.

Ich will nicht, dass er geht.

Aber ich kann ihn auch nicht hier halten. So eine Chance wie diese bekommt man viel zu selten und ich sollte ihm das nicht versauen, egal, wie sehr ich ihn hier haben will.

Würde er seine Karriere mir vorziehen? Was denke ich denn? Natürlich würde er das, das würde wahrscheinlich jeder mit gesundem Menschverstand tun. Wir kennen uns erst seit knapp zwei Monaten, da kann ich nicht von ihm erwarten, dass er seinen Lebenstraum für mich aufgibt.

Ich würde meine Karriere wahrscheinlich auch vorziehen, oder?... Wenn ich so darüber nachdenke, bin ich mir da nicht mehr so sicher. Vor zwei Monaten hätte ich meine Karriere vor alles gestellt, aber jetzt ist es irgendwie anders. Ich liebe Aiden.

Mit schweren Unterleibskrämpfen und einem noch schlimmeren Kopfschmerz schlappe ich die Treppen nach oben.

Leise und mit dem größten schlechten Gewissen der Welt, weil ich ihn so angebrüllt habe, öffne ich die Schlafzimmertür und schließe sie hinter mir zu.

Aiden sitzt mit verschränkten Armen im Bett, an die Wand gelehnt und starrt mich immer noch angepisst an. Der Fernseher läuft im Hintergrund. "Sag bloß, du hast dich abgeregt."

Ich seufze und kuschle mich unter die Decke, ganz nah an ihn.

Er regt sich jedoch kein Stück und betrachtet mich nur mit erhobener Braue.

Ich presse mich noch näher an ihn und murmle fast unverständlich: "Tut mir leid."

"Was?", fragt er, doch ich weiß ganz genau, dass er mich wieder nur provozieren will.

Mit zusammengekniffenen Augen sehe ich ihn an. "Leg es bloß nicht drauf an, ich habe immer noch Grund sauer auf dich zu sein."

Seine Mundwinkel zucken und er streicht mir leicht durch mein Haar. "Okay, okay."

Erleichtert, dass das Geschrei endlich ein Ende hat, vergrabe ich meinen Kopf in seinem Schoß und schließe die Augen.

"Aber du hast wirklich deine Tage oder?"

Sofort reiße ich die Augen auf und werfe mir die Decke vom Körper.

"Was ist los?", fragt er verwirrt.

"Du bist echt unmöglich", gifte ich ihn an und stampfe mal wieder genervt aus dem Zimmer.

Als ich die Tür hinter mir zuschmeiße, höre ich sein lautes Lachen.

Ich liebe sein Lachen.

Ich will nicht, dass er geht.

Ich liebe ihn.

Mit schnellen Schritten gehe ich die Treppe heute schon zum zweiten Mal genervt hinunter. Ich ziehe mir meine Boots an und nehme meine Jacke vom Garderobeständer.

Aiden scheint einfach nicht zu merken, wie absurd diese ganze Sache ist. Er verschweigt mir, dass er nach Amerika gehen möchte und auch noch, dass er der Erschaffer meiner Traumperson ist. Er kann doch nicht von mir erwarten, dass ich all die Dinge einfach vergesse und so tue, als wäre nichts gewesen.

Er sagt doch immer, dass wir offen miteinander umgehen wollen und das ist alles andere als offen.

Dieses blöde New York und diese blöde Black Poe Firma zwängen sich einfach zwischen unsere Beziehung. Allein die Tatsache, dass die Sache einen riesigen Keil zwischen uns treiben könnte, wäre doch eigentlich noch mehr Grund für Aiden gewesen, es mir zu erzählen.

Ich öffne die Haustür, als mir einfällt, dass mein Geldbeutel und mein Schlüssel noch im Schlafzimmer liegen. Seufzend schließe ich die Tür wieder zu und stampfe die Treppen nach oben. Ohne Worte öffne ich die Tür und gehe, ohne auch nur einen Blick an Aiden zu verschwenden, auf das Regal neben dem Bett zu und greife nach meinen Sachen.

„Was ist denn mit dir los?", fragt Aiden verwirrt, der gerade vor dem Schrank steht und sich ein T-Shirt überzieht.

Ich beachte ihn nicht und gehe mit erhobenem Haupt einfach aus dem Zimmer.

Er darf ruhig spüren, wie verdammt mies ich die ganze Situation finde und er sich nicht immer nur mit lustigen Sprüchen aus der Affäre ziehen kann.

„Raven!", ruft er mir hinterher und folgt mir schnell die Treppe hinunter. „Willst du gehen?"

„Wonach sieht es denn aus?", gifte ich ihn an und ziehe meine Jacke an.

Er betrachtet mich argwöhnisch. „Wo willst du hin?"

„Zu dem College, an dem ich übrigens studiere, falls du es noch nicht gemerkt hast. Geh zur Seite", sage ich als er sich mit ernster Miene vor die Tür stellt und mir damit den Weg versperrt.

„Du willst ernsthaft gehen, weil ich einen Witz über deine Periode gemacht habe?"

Ich rolle genervt mit den Augen. „Lass mich einfach gehen, ich will zum Campus. Jetzt!"

Er seufzt und zieht seinen Schlüssel vom Schlüsselbrett. „Okay, aber ich fahre dich."

Ich greife an ihm vorbei zum Türgriff und öffne die Tür, sodass er zur Seite treten muss. „Ganz bestimmt nicht!"

„Raven, verdammt, es -“, höre ich ihn noch sagen, doch da schmeiße ich schon die Tür hinter mir zu und stampfe aggressiv durch den Flur zum Fahrstuhl.

Wenn er wirklich glaubt, dass ich mich jetzt auch noch von ihm nach Hause fahren lasse, dann muss er wirklich blöd sein. Wahrscheinlich würde er dann nur wieder versuchen, alles nicht so ernst zu sehen und redet dann so lange mit mir, bis ich ihm alles verzeihe. Doch nein, heute nicht.

Er will gehen und sagt mir nichts davon.

Als ich gerade das Hochhaus verlasse und mir sofort ein kühler Wind entgegen kommt, klingelt das Handy in meiner Hand.

Aiden.

Ich drücke ihn weg.

Vergiss es, Aiden.

Ich schalte es sofort aus als er ein zweites Mal anruft und schiebe es in meine Hosentasche. Das erste Mal will ich Aiden nicht sehen, geschweige denn hören. Ich muss erst einmal in aller Ruhe über alles nachdenken, bevor wir uns das nächste Mal streiten.

Die Kopfschmerzen scheinen nicht weggehen zu wollen und der kühle Wind scheint es nicht besser machen zu wollen. Ich beschließe einfach mit der Subway zum Campus zu fahren, weil ich dort in Ruhe nachdenken kann.

Mir fällt auf, dass es schon viel zu lange her ist, als ich das letzte Mal bei Aby im Zimmer war und der Weg dorthin kommt mir seltsam und ungewohnt vor. Ich habe tatsächlich fast drei Wochen bei Aiden verbracht und habe mich schon viel zu sehr daran gewöhnt. War ja klar, dass irgendwann der Tag kommt, an dem wir uns streiten.

War ja auch zu schön, um wahr zu sein.

Ich laufe die Treppen hinunter zum Untergrundbahnhof und ziehe die Jacke enger um mich, weil es heute wirklich kalt ist.

„Raven?", höre ich eine bekannte Stimme von den oberen Treppen rufen.

Ich drehe mich um und sehe geradewegs in schöne, blaue Augen. Ben steht in einem braunen Mantel und schwarzen Jeans oben am Geländer und sieht lächelnd zu mir hinunter.

„Wusste ich doch, dass ich diesen braunen Schopf irgendwo schon mal gesehen habe", lächelt er, als er die Treppen zu mir hinunter läuft und ich lächele ebenfalls.

„Schon lange nicht mehr gesehen", sage ich und ziehe mir meine Sweatshirt Jacke noch enger um meinen Körper, weil der Wind stark weht.

„Das stimmt. Was machst du denn so?"

„Na ja, ich wollte gerade mit der Subway zum College fahren." Ich lache leicht.

Er hebt die Brauen. „Mit der Subway? Hast du kein Auto?"

Ich schüttele mit dem Kopf. „Nein, aber ich sollte mir definitiv bald eins besorgen."

Ben lächelt warm. „Hast du es eilig? Oder hast du vielleicht Lust auf einen Kaffee? Auf ganz freundschaftlicher Basis natürlich", fügt er noch hinzu, als er merkt, dass ich überlege.

Einen Kaffee mit Ben? Instinktiv will ich Nein sagen, doch er ist nett und an Aiden will ich gerade nicht denken müssen. Außerdem habe ich Ben tatsächlich schon lange nicht gesehen und es interessiert mich wie es ihm und Robert geht, jetzt, wo Tammy tot ist.

Ich lächele. „Gerne."

„Also", sagen Ben und ich gleichzeitig, als wir uns in ein Café in der Stadtmitte setzen.

Er sagt, dass es hier den besten Kakao in der Stadt gibt und es eine Schande wäre, wenn ich ihn nie probieren würde, also sind wir hierher gegangen.

„Du zuerst", lache ich.

Ben lacht nickend. „Okay." Er fährt sich kurz mit der Hand durch die kurzen braunen Haare. „Also erzähl mal, was hast du in den letzten Wochen gemacht."

Ich schürze die Lippen, weil ich wieder an Aiden denken muss.

Tja, ich habe meine Zeit damit verbracht Aiden durch seine Trauer zu begleiten und habe einfach vor mich hingelebt.

Diese Gedanken beiseite schiebend, zucke ich mit den Schultern und rühre durch den Kakao vor mir. „Na ja, ich war viel für Aiden da. Die Zeit nach Tammys Tod war wirklich nicht einfach für uns beide."

Ben nickt verständnisvoll. „Ja, das stimmt. Das Krankenhaus ist so trostlos geworden, seit sie nicht mehr da ist. Ich dachte sogar, dass Robert kündigt."

 

„Wieso?" Ich runzle die Stirn.

„Er war wie vom Erdboden verschluckt. Erst nach zwei Wochen war er wieder da. So, wie er nun mal ist. Du kennst ihn ja." Er lacht.

„Allerdings", gluckse ich. „Und wie geht es dir so?"

Er seufzt. „Es geht mir gut, wirklich gut. Ich meine, die ganze Sache ist auch nicht einfach so an mir vorbei gegangen. Durch sie habe ich angefangen mich für eine Stiftung zu engagieren, die krebskranken Kindern hilft. Ich arbeite dort, wenn ich mal im Krankenhaus frei habe und es gefällt mir wirklich sehr gut."

Ich muss lächeln. Ben scheint wirklich ein guter Mensch zu sein. „Das hört sich toll an. Die Arbeit mit den Kindern muss unglaublichen Spaß machen."

„Das macht sie. Aber lass uns über etwas anderes reden", sagt er lachend. „Diese ganzen Krankenhausgespräche höre ich den ganzen Tag. Ich bin froh, wenn ich mal über etwas anderes außer den Tod und Krankheiten sprechen kann."

„Dann lass uns doch über das Wetter reden", scherze ich.

Ben reibt sich nachdenklich am Kinn und schaut aus der Glasscheibe, die uns von der Stadt trennt. „Es ist sehr windig draußen", sagt er mit gespitzten Lippen.

„Und kalt dafür, dass es schon Juni ist", füge ich hinzu und versuche wie ein Professor zu klingen.

"Richtig. Das erste Mal war ich heute stolz, dass ich meinen Mantel nicht umsonst angezogen habe. Immerhin war er wirklich teuer."

„Verständlich. Bei diesem Londoner Wetter weiß man einfach nie, was man anziehen soll."

„Apropos Londoner Wetter. Auf welches College gehst du eigentlich?"

„Auf die ZOS", lache ich. „Gute Überleitung."

„Gute Überleitung ist mein zweiter Vorname”, sagt er stolz. „ZOS also? Bist du auch in dieser Literaturrichtung?"

„Jap, ich habe mich auf englische Literatur spezialisiert."

Spezialisiert. So was kann auch nur von einer Autorin kommen."

„Na ja, Autorin bin ich noch nicht ganz. Nennen wir es angehende Autorin."

„Hast du schon ein Buch geschrieben?"

„Ja."

„Dann bist du eine Autorin, lacht er. „Eine andere Bezeichnung gibt es für mich nicht für Menschen, die Bücher schreiben. Ob veröffentlicht oder nicht."

Lächelnd nehme ich einen Schluck von dem heißen Kakao. Ben ist wirklich viel netter, als er es im Krankenhaus immer war. Ich meine, zu mir war er zwar immer nett, aber er war mir einfach unsympathisch dadurch, dass er sich ständig mit Aiden in den Haaren hatte.

Ben ist witzig, charmant und mir macht es tatsächlich Spaß mit ihm zu reden. Ich bin froh, dass ich ihn getroffen habe und nicht mit vollem Kopf zum Campus gefahren bin. Wahrscheinlich würde ich jetzt trauernd in meinem Bett liegen und an nichts anderes denken, als darüber, dass Aiden nach Amerika geht und es anscheinend nicht mal für nötig hält, mir, seiner Freundin, davon zu erzählen. Und über die Sache mit Als wir unendlich waren will ich erst recht nicht nachdenken.

Meine Kopfschmerzen sind auch verschwunden und meine Laune ist stetig gestiegen.

„Der Kakao ist tatsächlich der beste, den ich je getrunken habe", sage ich staunend und nippe noch einmal an der Tasse.

Ben hält sich stolz die Hand über die durchtrainierte Brust. „Vielen Dank."

„Wofür danke? Du hast den Kakao doch nicht gemacht." Ich hebe neckisch eine Braue.

„Aber ich finde, das ist die Bestätigung dafür, dass ich der beste Kakaofinder der Welt bin. Ich habe wohl doch noch mehr drauf, als irgend so ein zukünftiger Assistenzarzt zu sein."

Ich lache lauthals und ich bin froh, dass ich das erste Mal heute lache.

Ben und ich unterhalten uns noch lange in dem Café und ich habe gemerkt, dass wir uns tatsächlich besser verstehen, als ich dachte. Ich kann eigentlich überhaupt nicht verstehen, wieso Aiden ihn nicht leiden kann, denn Ben ist eigentlich wirklich nett und witzig, genau wie er.

Mittlerweile ist es sogar schon fünf Uhr nachmittags. Wir haben so viel geredet, dass wir nicht mal gemerkt haben, dass schon die Laternen an den Straßen angegangen sind und der Himmel langsam dunkler wird. Ben erzählt viel von seiner Zeit am College und was er damals alles so lustiges erlebt hat. Und ich weiß, dass wenn meine Zeit nur halb so spannend wird, wie die von ihm, dann werde ich definitiv Spaß haben.

„Und dann haben die beiden es tatsächlich einfach auf dem Pult des Rektors getrieben!", erzählt Ben lachend und hält sich die Hand auf den Bauch, während wir durch die Stadt laufen. „Ihre Gesichter, als ich reingeplatzt bin, hättest du sehen müssen, das war wirklich ein Bild für die Götter!"

„So was Ähnliches ist mir auch passiert, hier auf der ZOS. Das war gerade mal an meinem dritten Tag", erzähle ich amüsiert. „Meine Mitbewohnerin hat es einfach mit einem Lehrer auf unsrem Fußboden getrieben und ich hatte die Ehre sie zu unterbrechen."

„Auch noch mit einem Lehrer? Der Unterricht muss eine Qual gewesen sein am nächsten Tag!"

„Glaub mir, das war es!", lache ich. „Er konnte mir nicht einmal in die Augen sehen und ich hatte ständig das Bild von ihm im Kopf, wie er gerade splitterfasernackt in unserem Zimmer steht."

Ben lacht und wir kommen am Bahnhof an.

„So, hier muss ich jetzt wieder hinunter", sage ich und zeige auf die Treppe die zur Subway führt.

„Ich kann dich auch mitnehmen, wenn du möchtest", bietet er mir freundlich an. „Dann musst du nicht mit dieser menschenunwürdigen Bahn fahren."

Ich hebe eine Braue. „Menschenunwürdig?"

„Ja, menschunwürdig. Oder ist das kein richtiges Wort?", fragt er peinlich berührt.

„Doch, ich denke schon, egal", lache ich. „Wenn es für dich kein Umweg ist, dann wäre es nett, wenn du mich mitnimmst."

Sofort ploppt das Bild von Aidens Gesicht in meinem Kopf auf und ich bekomme auf Anhieb ein schlechtes Gewissen. Ich weiß nicht, wie er reagieren würde, wenn er wüsste, dass ich mit Ben den ganzen Tag verbracht habe und mich jetzt auch noch von ihm zum Campus fahren lasse. Immerhin kann er ihn nicht wirklich leiden und war damals schon sauer, weil Ben mich ständig ‚angemacht' hat. Aber eigentlich hat er kein Grund sauer auf mich zu sein, denn Ben weiß jetzt, dass ich mit ihm zusammen bin. Ich traue ihm nicht zu, dass er irgendwelche Anmachversuche startet, obwohl er weiß, dass Aiden und ich ein Paar sind. Das würde einfach nicht zu Ben passen.

Er führt mich zu einem Parkplatz ganz in der Nähe. Ein dunkelgrüner Mustang glänzt uns zwischen den ganzen Autos entgegen und Ben drückt einen Knopf auf seinem Schlüssel, worauf die Lichter kurz aufleuchten.

„O, mein Gott, das ist deiner?", keuche ich staunend und fahre mit meinem Finger über die Motorhaube, bewundere den Oldtimer vor meinen Augen.

Ben nickt. „Eigentlich gehört er meinem Grandpa, aber er hat ihn mir überlassen, weil er kein Auto mehr fahren kann", erzählt Ben schmunzelnd und öffnet die Autotür der Fahrerseite. „Ich könnte mir so ein Auto niemals einfach so leisten."

Mit großen Augen sehe ich immer noch auf das grüne Wunder und öffne ebenfalls die Tür. „Dein Grandpa hat definitiv Geschmack", sage ich als wir im Auto sitzen.

Ben steckt den Schlüssel in das Zündschloss und schnallt sich an. „Da hast du so was von Recht. Ich liebe meine Corinna", meint er lächelnd und streicht über das Lenkrad.

„Du nennst dein Auto Corinna?", frage ich belustigt.

Er startet den Motor und fährt vom Parkplatz.

Selbst der Motor hört sich wahnsinnig gut an.

„Na ja, mein Neffe nennt das Auto immer Corinna, warum auch immer", erzählt er. „Und irgendwie ist das voll auf mich übergegangen. Wo entlang?"

„Hier vorne rechts." Ich schmunzele und hole mein Handy aus der Hosentasche.

Ich muss Aiden definitiv anrufen, wenn ich auf meinem Zimmer bin. Er hat es nicht verdient, dass ich ihn einfach ignoriere.

Als mein Handy angeht, poppen sofort sieben Nachrichten auf meinem Bildschirm auf, die mir sagen, dass er mich wirklich oft versucht hat anzurufen. Sofort rast mein Herz, weil ich die Situation zwischen ihm und mir noch viel schlimmer gemacht habe, indem ich seine Anrufe einfach ignoriert habe. Und das auch noch den ganzen Tag. Wenn ich er wäre, wäre ich wirklich rasend sauer.

„Was ist los?", fragt Ben, als er merkt, dass meine Laune am Boden ist.

Ich seufze. „Ach, es ist... Ich habe momentan Streit mit jemandem."