Die Blumen des Bösen

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XVI
Züchtigung der Hoffart

Zur Zeit, da Gottgelehrtheit wundersam

Und kraftvoll blühte und zum Tragen kam,

Sagt man, dass einst ein Doktor jener Großen

– Als er zu schwarzen Tiefen vorgestoßen

Der trägen Herzen und sie aufgerührt,

Als ihn sein Schritt dann himmelan geführt

Auf Wegen, die ihm selber unbekannt,

Die sonst vielleicht ein reiner Geist nur fand –

Wie einer, den die Höhenangst ergriff,

Von Satans Hoffart hingerissen rief:

»Jesus, kleiner Jesus! Ich hab dich hoch erhoben!

Hätt ich dich bloßgestellt, statt dich zu loben,

Wärst du zur Schande statt zum Ruhm erkoren

Und einzig als ein Kind des Spotts geboren!«

Alsbald verließ ihn sein Verstand.

Ein Flor verhüllte ihn, sein Licht entschwand;

Das ganze Chaos diesen Geist durchwühlte,

Ein Tempel einst, den Ordnung reich erfüllte

Und Überfluss mit Prunk und Lichterschein.

Jetzt zog die Nacht und zog die Stille ein

Wie in ein Grabgewölbe, das fortan verschlossen.

Von nun an glich er Tieren in den Gossen;

Durchstreifte er das Land, nahm nichts mehr wahr,

Wusst nicht, ob Sommer oder Winter war,

Unnütz und schmutzig wie verbrauchte Sachen,

Neckten ihn Kinder, um ihn auszulachen.

XVII
Die Schönheit

Sterbliche, ich bin schön! ein Traum aus Stein;

Mein Schoß, darin sie alle sich versehren,

Entzündet in den Dichtern ein Begehren,

Ewig und stumm wie unbelebtes Sein.

Bin rätselhafte Sphinx, im Äther wachend,

Wie Schwäne weiß, mein Herz wie Schnee so kalt;

Bewegung hasse ich, sie ändert die Gestalt,

Noch niemand sah mich weinend oder lachend.

Die Dichter, vor der Größe der Gebärden,

Als hätte ich sie Statuen entliehn,

In ernstem Sinnen sich verzehren werden;

Ich habe, diese Schwärmer anzuziehn,

Spiegel, die alle Dinge schöner zeigen:

Die weiten Augen, denen ewige Klarheit eigen!

XVIII
Das Ideal

Es können niemals diese Schönen von Vignetten,

Geschöpfe eitler Zeiten mit entstellten Zügen,

Am Fuß die Stiefelchen, am Finger Kastagnetten,

Dem Herzen, das wie meines fühlt, genügen.

Gavarni sei das Lied auf Bleichsucht überlassen

Und das Gewisper seiner Schönen vom Spital;

Denn unter diesen Rosen, diesen blassen,

Gleicht keine Blume meinem roten Ideal.

Wonach dies Herz verlangt, das wie ein Abgrund tief,

Lady Macbeth, seid Ihr, die nach Verbrechen rief,

Ein Traum des Äschylus, vom Südwind angefacht;

Kind Michelangelos, bist Du, die große Nacht,

Die still in eigener Pose ihren Reiz entfaltet,

Der für die Münder von Titanen so gestaltet!

XIX
Die Riesin

Zur Zeit, da der Natur begeistert Kräfte schwollen,

Sie jeden Tag erschuf die ungeheure Brut,

Hätt ich bei einer jungen Riesin leben wollen,

Lustvoll, wie eine Katze bei der Königin ruht.

Gern hätte ich gesehn, wie Leib und Seel erblühten,

Wenn sie sich ungehemmt in wildem Spiele stählte,

Erraten, ob im Herzen dunkle Flammen glühten,

Am feuchten Nebel, der in ihren Augen schwelte;

Mit Muße hätte ich die Formenpracht bezwungen,

Mich auf die riesenhaften Knie hinaufgeschwungen

Und manchmal, wenn im Sommer in der ärgsten Glut

Sie sich ermattet auf den Fluren hingestreckt,

Im Schatten ihrer Brüste wohlig ausgeruht,

Dem Weiler gleich, der friedlich im Gebirg versteckt.

XX
Die Maske
Allegorische Figur im Geschmack der Renaissance

Für den Bildhauer Ernest Christophe

Lasst vor dem Florentiner Kleinod uns verweilen,

Das Muskelspiel des Leibes zu betrachten,

Drein sich erhabene Schwestern, Kraft und Anmut, teilen.

Dies Weib ist wahrhaft als ein Wunderding zu achten,

Anbetungswürdig schlank und göttergleich robust,

Auf üppigem Bett zu thronen scheint ihr Los zu sein,

Für eines Kirchenfürsten oder Prinzen Lust.

– Sieh auch dies Lächeln, wollüstig und fein,

Das schwärmerisch von Eitelkeit umspielt,

Den Blick, so schmachtend, spöttisch und verstohlen,

Dies liebliche Gesicht, in Schleier eingehüllt,

Drin jeder Zug uns sagt, siegreich und unverhohlen:

»Die Lust hat mich gerufen, die Liebe mich gekrönt!«

Dies Wesen, das so hoheitsvoll zu preisen,

Wird noch von Liebreiz überaus verschönt!

Kommt her, lasst uns die Herrliche umkreisen.

O Lästerung der Kunst! Wie unselig gewendet!

Der Götterleib der Frau, der uns das Glück verspricht,

Monströs in einem Januskopfe endet!

– Doch nein! Nur Maske ist dies lockende Gesicht,

Von affektiertem Lächeln aufgehellt,

Und schau, hier sehen wir das wahre Haupt,

Das echte Angesicht, so schauderhaft entstellt,

Dem das erlogene nicht aufzuschaun erlaubt.

Arme, große Schönheit! Köstlich sinkt

Dein Tränenstrom in mein besorgtes Herz,

Berauscht von deiner Lüge, und meine Seele trinkt

Die Flut, die deinem Aug entquillt im Schmerz!

– Doch warum weint die makellose Schönheit?

Sie legte leicht die Menschheit sich zu Füßen,

Zehrt an dem kräftigen Körper ein verborgenes Leid?

– Dass sie gelebt, du Narr, lässt ihre Tränen fließen!

Und dass sie lebt! Doch was sie mehr beklagt –

Dies lässt bis in die Knie sie erbeben –

Ist, dass sie leben muss, wenn es von neuem tagt!

Morgen und immerzu! – wie wir! – noch weiterleben!

XXI
Hymne an die Schönheit

Kommst du vom Himmel, Schönheit, oder aus den Tiefen?

Gibst gute Taten und Verbrechen ein,

Die deine Blicke höllisch-göttlich riefen,

Und darin gleichst du wohl dem Wein.

In deinem Aug die Sonne steigt und sinkt,

Verströmst die Düfte der Gewitternacht;

Von deinen Lippen man den Zauber trinkt,

Der Helden feige, Kinder mutig macht.

Schwebst du von Sternen, kommst aus schwarzem Schlunde?

Das Schicksal folgt dir, wie ein Hund ergeben;

Unheil und Freude säst du in die Runde,

Lenkst alles, ohne Rechenschaft zu geben.

Ich seh dich achtlos über Leichen schreiten;

Zu deinem Schmuck gehört auch das Entsetzen;

So kann, bei deinen kleinen Kostbarkeiten,

Der Mord auf deinem Bauche sich ergötzen.

Die Fliege, die dein Kerzenlicht erreicht,

Preist brennend deine Flamme und verglost!

Der Liebende, der bei der Schönen keucht,

Gleicht einem Kranken, der sein Grab liebkost.

Kommst du vom Himmel, aus der Höll’ empor?

Gleichviel, schreckliches Ungeheuer, Schönheit!

Ist mir dein Aug, dein Lächeln doch das Tor

Zur teuren, nie erfahrenen Ewigkeit!

Von Gott, von Satan, Engel oder Zauberin?

Gleichviel, wenn nur dein Duft und deine Pracht,

Dein Gang, dein samtener Blick, o meine Königin! –

Die Welt mir schöner, Zeit mir leichter macht!

XXII
Exotischer Duft

Wenn ich geschlossenen Augs in lauer Nacht

Den Duft einatme deiner warmen Brüste,

Entrollt sich vor mir eine heitere Küste,

Wo unverwandt die Glut der Sonne wacht,

Ein träges Eiland, von Natur bedacht

Mit seltenen Bäumen, Früchten, prall von Saft,

Männern mit schlanken Körpern voller Kraft,

Frauen mit freiem Blick, der staunen macht.

Mich führt dein Duft zu zaubervollen Himmeln,

Seh einen Hafen, darin Masten wimmeln

Und Segel, die erschlafft vom Wogen sind;

Der Wohlgeruch von Tamarinden zieht

Mir in die Nase, kreiselt mit dem Wind,

Verschmilzt in meiner Seele mit dem Schifferlied.

XXIII
Das Haar

O Vlies auf deinen Schultern, welche Pracht!

O Locken! Schwer von lauem Wohlgeruch!

Ekstase! Damit im Alkoven heute nacht

Erinnerung in diesem Haar erwacht,

Will ich es schwenken wie ein Taschentuch!

Das Schmachten Asiens und Afrikas Erglühen,

Verschollene Welten, fern, fast wie in Grüften,

Durch Tiefen dieses würzigen Waldes ziehen!

Wie andere Geister auf den Harmonien,

Geliebte! schwebe ich auf deinen Düften,

Dorthin, wo Baum und Mensch in vollem Saft

Ganz hingegeben sind dem Sonnenglast;

Geflecht, sei Woge, die mich mit sich rafft!

Tiefschwarzes Meer, das blendend hell erschafft

Den Traum von Segel, Ruder, Wimpel, Mast:

Ein Hafen, meine Seele trinkt in weiten

Zügen den Duft, die Farbe und das Klingen;

Wo Schiffe, die in Gold und Seide gleiten,

Den Glanz zu fassen, weit die Arme breiten

Zum Himmel, darin ewig Gluten schwingen.

Ich will mein wonnetrunkenes Haupt versenken

Im schwarzen Ozean, wo jener eingeschlossen;

Die Dünung wird dem grüblerischen Denken

Fruchtbringend wieder neue Trägheit schenken,

 

Im Wiegen von der Muße Duft umflossen!

Du blaues Haar, Gezelt von weiten Nächten,

Holst den Azur der Himmelswölbung her;

Mir ist, als ob die flaumverbrämten Flechten

Berauschende, vermischte Düfte brächten

Von Kokosöl, von Moschus und von Teer.

Ich streu Rubine, Perlen, Saphirstein

Noch lange! immer! in der Mähne Wogen,

Nie mögst du taub für mein Verlangen sein!

Bist du nicht meine Traumoase und der Wein,

Mit dem Erinnerung ich eingesogen?

XXIV

Wie vor dem Sterngewölbe will vor dir ich knien,

Gefäß der Traurigkeit, o große Schweigerin,

Und lieb dich mehr noch, da du mich verachtest,

Zier meiner Nächte, und zu mehren trachtest

Die Meilen, die sich zwischen uns ausbreiten

Und meine Arme trennen von den blauen Weiten.

Ich stürme vor und will den Angriff schüren

Wie Würmer, die nach einer Leiche gieren,

Und liebe, o du grausam herzlos Tier!

Selbst deine Kälte, sie verschönt dich mir!

XXV

Du nähmst die ganze Welt ins Bett zum Zeitvertreib,

Grausam vor Langeweile, du schamloses Weib!

Und brauchst an jedem Tag, dich zu ergötzen,

Ein Herz, um deine Zähne dran zu wetzen.

Die Augen, die wie Buden grell erhellt,

Wie Lampen, für ein Volksfest aufgestellt,

Gebrauchen frech die trügerische Pracht,

Begreifen nie, was sie bezaubernd macht.

Du blindes, taubes Ding, von Grausamkeit geschwellt!

Werkzeug des Heils, du trinkst das Blut der Welt;

Hast du denn keine Scham, und hast du nicht gesehn

In allen Spiegeln deinen Reiz vergehn?

Die Größe dieses Übels, das du glaubst zu fassen,

Hat sie dich niemals vor Entsetzen zaudern lassen,

Wenn die Natur, um ihr geheimes Ziel zu finden,

Sich deiner, Weib, bedient, o Königin der Sünden,

Um ein Genie zu bilden – in solch gemeinem Wesen?

Größe aus Schlamm! O Schmach, so auserlesen!

XXVI
Sed non satiata

Wunderliche Gottheit, braun wie dunkle Nächte,

Mit dem Geruch von Moschus und Havanna-Blatt,

Die wohl ein Wüsten-Faust, ein Geist erschaffen hat,

Hexe aus Ebenholz, Kind schwarzer Mitternächte,

Für Liebeselixier, das deinem Mund entquillt,

Geb ich des Südens Weine und das Opium hin;

Wenn meiner Sehnsucht Karawanen zu dir ziehn,

Sind deine Augen die Zisterne, die sie stillt.

Aus diesen Seelenschächten, deinen schwarzen Augen,

Lass mich, Erbarmungslose, weniger Glut einsaugen;

Ich bin nicht Styx, dich neun Mal zu umschlingen;

Ach! nur dann könnt ich, lüsterne Megäre,

Dich stellen wie ein Wild und dich bezwingen,

Wenn ich im Höllenbett Proserpina dir wäre!

XXVII

Mit wogendem und schimmerndem Gewand

Scheint sie beim Schreiten sich im Tanz zu wiegen,

Wie an den Stäben in der Gaukler Hand

Die langen Schlangen sich im Takte biegen.

Wie Sand und Blau in Wüsteneinsamkeit,

Die von dem Leid des Menschen nichts verspürt,

Wie sich im Meere Well an Welle reiht,

Entfaltet sie sich und bleibt ungerührt.

Mit Augen, strahlend wie aus Mineral,

Dies Wesen seltsam gleichnishaft erscheint,

Wo sich antike Sphinx dem reinen Engel eint,

Wo alles Gold ist, Diamant und Stahl,

Strahlt unnütz, wie ein Stern, der nie vergeht,

Des unfruchtbaren Weibes kalte Majestät.

XXVIII
Die tanzende Schlange

Wie gern seh ich, Geliebte du,

Schöne ohne Fühlen,

Den Lichtern wie von Seide zu,

Die deine Haut umspielen!

Tief in dein dichtes Haar geschmiegt,

Daraus Gerüche quellen,

Ein Meer, das duftet und sich wiegt

Mit braun’ und blauen Wellen,

Gleich einem Schiff, das Anker lichtet

Im Morgenwind beizeiten,

Sich meine Seele träumend richtet

Auf ferne Himmelsweiten.

Die Augen, darin nichts erstrahlt,

Was bitter ist und hold,

Sind beide wie Geschmeide kalt,

Ein Schmuck aus Stahl und Gold.

Das Ebenmaß in deinem Gange,

So schön und ungezwungen,

Scheint wie das Tanzen einer Schlange,

Um einen Stab geschlungen.

Dein Kinderköpfchen wird dir schwer,

Von Trägheit übermannt,

So schaukelt sachte hin und her

Ein junger Elefant;

Dein Körper sich erhebt und beugt,

Wie leicht ein Schiff sich wiegt

Und Rahen übers Wasser neigt,

Das in der Dünung liegt.

Wie eine Flut aus Gletschern quillt

Und stürmisch sich ergießt,

Wenn Wasser dir im Munde schwillt,

Zum Rand der Zähne fließt,

Glaub ich, ich trinke Böhmerwein,

Würzig und voller Glut,

Flüssigen Himmel, der Sternenschein

Mir träufelt in mein Blut!

XXIX
Ein Aas

An jenes Ding, mein Herz, erinnre dich,

Der schöne, milde Sommertag:

Und da, am Wegesrand ein Aas, das widerlich

Auf einem Bett von Kieseln lag;

Die Beine spreizend wie ein geiles Weib,

Gift schwitzend und vergoren,

Erschloss es seinen aufgedunsenen Leib,

Nachlässig, unverfroren.

Die Sonne strahlte auf die Fäulnis nieder,

Als koche sie sie vollends gar

Und gäbe der Natur vervielfacht wieder,

Was vormals eines war;

Der Himmel sah auf das Gerippe hin,

Als öffne eine Blüte sich.

So stark war der Gestank, dass es dir schien,

Ohnmacht erfasse dich.

Und Fliegen summten über faulen Därmen,

Daraus wie zähe Flüssigkeiten

Die Larven krochen, sich in schwarzen Schwärmen

Über die Fetzen auszubreiten.

Das alles hob und senkte sich in Wellen

Und schillerte und schwebte;

Man meinte, dass der Leib in leichtem Schwellen

Sich mehre und so lebte.

In dieser Welt erklang ein seltsam Singen,

Wie Wasser, wie der Wind, der weht,

Oder wie Korn, das rhythmisch auf den Schwingen

Geworfelt wird und umgedreht.

Die Form verschwamm und war nur noch ein Traum,

Entwurf mit flüchtigen Konturen,

Vergessen fast; und es enträtselt kaum

Der Künstler seine Spuren.

Ein Hund sah lauernd und mit bösem Blick

Hinter dem Fels hervor;

Es trieb ihn zu dem Brocken Fleisch zurück,

Den er bei dem Skelett verlor.

– Doch wirst auch du wie dieser Unrat sein,

Wie diese Pest, so grauenhaft,

Stern meiner Augen, Licht in meinem Sein,

Mein Engel du und meine Leidenschaft!

Ja! Königin, die allem Reiz gebietet,

Noch mit dem Sakrament versehn,

Wirst du, von Gras und Blumen wohlbehütet,

Auch in Verwesung übergehn.

Dann sage dem Gewürm, du Wunderbare!

Das dich verzehrt mit seinem Kuss,

Dass ich Gestalt und Göttlichkeit bewahre

Meiner Geliebten, die verderben muss!

XXX
De profundis clamavi

Einzig geliebte, Du, ich fleh dein Mitleid an,

Aus jenem tiefen Abgrund, wo mein Herz versinkt.

Vom Horizont, der bleiern diese Welt umringt,

Treibt in der Nacht das Grauen und der Fluch heran;

Die wärmelose Sonne dort sechs Monde schwebt,

Sechs andre Monde lang deckt Nacht das Erdental;

Dies Land ist wie die Pole so entblößt und kahl

– Nicht Tier noch Bach, nicht Gras noch Wald dort lebt!

Kein Schrecknis dieser Welt erstreckt sich je so weit

Wie dieser eisigen Sonne kalte Grausamkeit,

Wie diese Nacht, ein Chaos, ungeheuer groß;

Ich neide den geringsten Tieren noch ihr Los,

Sie sinken tief in dumpfen Schlaf hinab;

Wie langsam spult das Garn der Zeit sich ab!

XXXI
Der Vampir

Du, die mir wie ein Messerstoß,

Tief in mein klagend Herz gedrungen;

Du, die wie ein Dämonentross

Daherkommt, toll, von Schmuck umschlungen,

Aus meinem Geist, der ganz zerschunden,

Dein Haus zu machen und dein Bette;

– Infame, so an dich gebunden

Gleich ich dem Sträfling an der Kette,

Dem Spieler, der aufs Spiel versessen,

Dem Säufer, der die Flasche sucht,

Den Würmern, die das Aas zerfressen,

– Verfluchte du, so sei verflucht!

Hab das behende Schwert gefragt,

Mir meine Freiheit neu zu gründen,

Dem heimtückischen Gift gesagt,

Sich meiner Feigheit zu verbünden.

Doch ach! das Gift und auch das Schwert,

Beide mich nur verächtlich fanden:

»Du bist nicht der Erlösung wert,

Von den verfluchten Sklavenbanden,

Du Tor! – Wenn wir von diesem Joch

Durch unsre Kunst dir Freiheit gäben,

So würden deine Küsse noch

Den Leichnam des Vampirs beleben!«

XXXII

Als ich bei einer Jüdin schlimm die Nacht verbrachte,

So legt ein Leichnam sich zu einer Leiche hin,

Ging mir bei dem verkauften Körper durch den Sinn

Die trauervolle Schöne, die ich zu meiden trachte.

Sah sie, die von Natur sich hoheitsvoll bewegt,

Den Blick, der so lebendig und so liebreich war,

Und wie ein Helm von Duft das aufgebauschte Haar –

Erinnerung, die meine Liebe neu erregt!

Mit Küssen würde ich den edlen Leib bedecken,

Und von den schwarzen Flechten zu den frischen Füßen

Verschwenderisch all meine Zärtlichkeit ergießen,

Könnt ich nur eine Träne eines Abends wecken,

Grausame Königin! dass wenigstens verdunkelt

Der Glanz, der kalt in deinen Augen funkelt.

XXXIII
Zu späte Reue

Schläfst, meine dunkle Schöne, einstmals doch

Am Grund des Grabs aus schwarzem Marmorstein,

Dann wird Alkoven dir und Wohnung sein

Die tiefe Grube und das feuchte Loch;

Dann wird der Stein auf deinem Busen lasten

Und den geschmeidig anmutsvollen Lenden,

Des Herzens Schlagen und sein Wollen enden

Und deiner Füße ungezähmtes Hasten;

Dann sagt das Grab – ihm ist mein Traum bekannt,

Denn stets begreift das Grab des Dichters Sinn –

In langer Nacht, daraus der Schlaf verbannt:

»Was nützt dir, unvollkommene Buhlerin,

Dass fremd dir blieb, worum die Toten klagen?«

– Wie Reue werden Würmer an dir nagen.

XXXIV
Die Katze

Komm an mein Herz, du schöne Katze hier,

Zieh ein der Tatze Krallen,

Gönn einen Blick in deine Augen mir,

Achatgesprenkelt und metallen.

Wenn meine Finger müßig deinen Rücken

Und deinen Kopf umschmeicheln,

Wenn meine Hand berauscht ist vom Entzücken,

Den Leib, der sprüht, zu streicheln,

Seh ich im Geiste meine Frau. Sie blickt

Wie du, mein artiges Tier,

So schneidend kalt, als ob sie Spieße zückt;

Von Kopf bis Fuß entströmt ihr

Ein feiner Hauch, ein Raubtierduft, der leicht

Um ihren braunen Körper streicht.

XXXV
Duellum

Zwei Krieger, die mit Waffen aufeinanderprallen,

Mit Funken und mit Blut ringsum die Luft besprengen.

Die Spiele und das Eisenklirren laut erschallen,

Wenn Liebeskümmernisse Jugend hart bedrängen.

Die Schwerter sind zerbrochen! Die Jugend ist verblüht,

Geliebte! Doch, mit Zähnen, mit Nägeln wohlbewehrt,

Ahnden wir bald den Degen, den Dolch, der uns verriet.

O Wut der reifen Herzen, in denen Liebe schwärt!

Zu einer Schlucht, behaust von Luchs und Pardelkatzen,

Rollen die Helden, böse sich umklammernd, fort;

Von ihrer Haut erblühn die Dornen, die sie kratzen.

 

– Der Abgrund ist die Hölle, unsrer Freunde Ort!

Lass, Amazone, reulos uns hinuntergleiten,

Dort glühe unser Hass in alle Ewigkeiten!

XXXVI
Der Balkon

Geliebte der Geliebten, Mutter der Erinnerungen,

O du, all meine Lust! o du, mein einziges Sinnen!

Die von der Schönheit unsrer Zärtlichkeit durchdrungen,

Dem sanften Zauber, darin Abende verrinnen,

Geliebte der Geliebten, Mutter der Erinnerungen!

Von jenen Abenden, erhellt von Kohlenglut,

Auf dem Balkon, wo rosige Nebelschleier wehn;

Wie war dein Schoß mir süß! Wie war dein Herz mir gut!

Oft sagten wir uns Dinge, die nie verlorengehn,

An jenen Abenden, erhellt von Kohlenglut.

Wie schön die Sonnen sind, die in den Abend tauchen!

Wie mächtig ist das Herz! wie tief der Raum sich zeigt!

Der Duft von deinem Blute schien mich zu umhauchen,

Als ich, du Königin, zu dir mich hingeneigt.

Wie schön die Sonnen sind, die in den Abend tauchen!

Die Nacht umschloss uns immer dichter, wie ein Schrein,

Mein Blick im Dunkel tastend deine Augen fand,

Ich sog, o Gift! o Süße! deinen Atem ein,

Und deine Füße ruhten in meiner Bruderhand.

Die Nacht umschloss uns immer dichter, wie ein Schrein.

Die seligen Minuten kann ich heraufbeschwören,

Vergangenes durchleben, an deine Knie gelehnt.

Wie sollt ich deine Schönheit anderswo begehren

Als in dem lieben Leib, dem Herzen, das sich sehnt?

Die seligen Minuten kann ich heraufbeschwören!

Die Schwüre, Düfte, Küsse, die nie zu Ende gehn,

Werden sie auferstehn aus uns verwehrten Tiefen,

Wie Sonnen wieder jung und rein am Himmel stehn,

Nachdem sie auf dem dunklen Meeresgrunde schliefen?

– O Schwüre! Düfte! Küsse, die nie zu Ende gehn!

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