Unternehmenskriminalität ohne Strafrecht?

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a) Eine Ausnahme vom Marktprinzip: Warum?

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Die Kooperationsform „Unternehmen“ ist eine Ausnahme vom Marktprinzip, weil ihre interne Koordination eben nicht über einen „Markt“, sondern über Anordnung und Kontrolle innerhalb hierarchischer Strukturen funktioniert.[1] Die Erstellung wirtschaftlicher Leistungen wird im Wesentlichen durch die Unternehmensleitung koordiniert und wirft somit für Ökonomen die wesentliche Frage auf, warum es innerhalb des Systems freiwilliger Kooperation, die die Marktwirtschaft darstellt, spezieller organisatorischer Einheiten bedarf, deren Aufgabe es ist, die Tätigkeiten der Wirtschaftssubjekte zu koordinieren.[2] In dem selbstregulierenden System, das der Markt darstellt, werfen hierarchisch organisierte Einheiten deshalb Fragen auf, weil sie der wohlfahrtsökonomischen Annahme widersprechen, „spontane Ordnungen“ seien eine optimale Möglichkeit, über Konkurrenzgleichgewichte eine Verteilung knapper Güter zu erreichen.[3] Vereinfacht ausgedrückt stellte sich also für die Ökonomie die Frage, in welcher Hinsicht der durch das Individuum – den homo oeconomicus – charakterisierte Markt der hierarchischen Unternehmung unterlegen ist und folglich das Unternehmen als einer – aus einem Vertragsbündel bestehenden[4] – Funktionseinheit vorzugswürdig sei.[5]

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Diese Diskussion nach den Entstehungsgründen von Unternehmen innerhalb eines Systems von Konkurrenzgleichgewichten wurde wegweisend von Ronald H. Coase[6] angestoßen und in seinem Transaktionskostenansatz auf eine theoretische Grundlage gestellt. Ausgangspunkt ist die Frage, was unter dem Ziel der Reduzierung von Transaktionskosten die effizienteste Art der Organisation arbeitsteiligen Wirtschaftens bzw. industrieller Kooperation ist. Hierbei wurden die Steuerungsprinzipien der verschiedenen Formen, auf der einen Seite der Markt, auf der anderen Seite die Hierarchie, von ihm als Faktoren der Transaktionskostenersparnis herausgearbeitet und im Hinblick auf die Optionen bilateraler vertraglicher Kooperation bzw. Mehrpersonen- oder zentral geführter und auf Dauer gestalteter Organisation verglichen.[7]

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In Anlehnung an Adam Smiths Gedanken können Stecknadeln freilich auch produziert werden, indem selbstständige Wirtschaftssubjekte multilaterale Vereinbarungen treffen und sich vertraglich verpflichten, bestimmte Leistungen zu erbringen. Die Kosten, solche Verträge auszuhandeln und durchzusetzen, sind allerdings höher als die einer Kommunikation und rechtlichen Beziehung zu einem einzigen – durch die Unternehmensleitung repräsentierten – Kontrahenten.[8] Die Arbeitsteilung und die damit einhergehenden Vor- und Nachteile beinhalten für Coase jedoch v. a. Fragen der Produktionstiefe einer Unternehmung und weniger der Produktionsorganisation; die Frage der Selbstherstellung eines Produkts oder des Fremdbezugs hängt für ihn von den Kosten der Alternativen ab. Bei einem Zusammenschluss, z. B. in Form eines Unternehmens, fallen zwar zusätzlich Kosten für die Organisation an, jedoch entfallen die so genannten „marketing costs“, also die Kosten, die sich mit der Anzahl der Markthandlungen (Tauschvorgänge) ändern, die die Aufwendungen bei der Suche nach einem Marktüberblick oder bei den Preisverhandlungen bedeuten.[9]

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Williamson erweiterte – in Anknüpfung anCoases Theorem – den Begriff der Transaktionskosten, der nunmehr die „markting costs“ und die Organisationskosten umfassen sollte, und arbeitete heraus, dass die Wahl zwischen Markt und Hierarchie sich v. a. nach drei Merkmalen richte: die Häufigkeit, mit der sich Transaktionen wiederholen, die Ungewissheit bei den Transaktionen und die Ausgaben für sogenannten transaktionsspezifischen Investitionen.[10] Die Häufigkeit der Transaktionskosten wird durch die Wahl der Wirtschaftsform „Unternehmen“ reduziert – das wurde durch Coases Argumentation bereits deutlich. Die von Williamson betonten Aspekte waren daher die Planung und Verarbeitung künftiger und u. U. nicht versicherbarer Ungewissheiten einerseits und die Bedingung ungleich verteilter Information andererseits. Die Abfederung dieser „Unvollkommenheiten“ durch das Unternehmen bedeuten ebenfalls eine Transaktionskostenersparnis und damit einen Kooperationsgewinn, den das Unternehmen andernfalls nicht hätte erwarten können.

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Ausgehend von der Prämisse, dass Wirtschaftssubjekte in ihrer Entscheidungsfindung eingeschränkt sind, bedeuten Unternehmen als Bündelung der Ressource Information einen weiteren Vorteil: Die geistigen Fähigkeiten der Individuen reichen in komplexen Situationen nicht aus, um alle für eine Entscheidung (z. B. für einen Vertrag) relevanten Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten.[11] Aufgrund dieser Situation „beschränkter Rationalität“[12] sei es beispielsweise unmöglich, ex ante in einem Vertrag Regelungen für alle Eventualitäten zu treffen und daher seien nur unvollständige Verträge („soft contracts“) denkbar.[13]

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Einer der entscheidenden Vorteile[14] des Unternehmens ist, dass es eine prognostizierbare Zukunft kreiert. Der geradezu immense Möglichkeitenüberschuss wird durch Entscheidungen des Unternehmens reduziert. Das Unternehmen fungiert als Entscheidungsstelle, die Informationen bündelt und entsprechend besser verarbeiten kann, Schlüsse zieht und das Risiko unvollständiger Information (in einem unvollständigen Markt) auffangen kann. Es wird für die weitere Unternehmensentwicklung nur noch das jeweilige Ergebnis dieser „Entscheidung“ und nicht mehr die angestellten oder nicht angestellten Erwägungen herangezogen, die dann das weitere Verhalten auf dem Markt wiederum verlangsamen und verkomplizieren würden.[15]

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Diese Unsicherheitsabsorbtion findet auch nach innen statt, denn das Unternehmen übernimmt die Einkommensunsicherheit des Individuums und schafft für den Einzelnen die Voraussetzungen eines planbaren Einkommenserwerbs. Eine solche bilaterale Vereinbarung ist in beiderseitigem Interesse: für die Institution, weil die Beteiligten eine begrenzte Menge an Verfügungsrechten an die Unternehmensleitung übertragen und für den Mitarbeiter, der im Gegenzug eine bestimmte Sicherheit in Form von garantierten Löhnen erhält. Dies hat nach außen die Rückwirkung, dass die Arbeitsverträge eine Weisungsbefugnis der Unternehmensleitung gegenüber den Arbeitnehmern enthalten, die dem Unternehmen ermöglicht, einen einheitlichen Willen zu bilden.

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Festzuhalten ist: das Unternehmen stellt aus institutionenökonomischer Sicht eine Möglichkeit dar, entscheidende, der Marktwirtschaft immanente, Risiken für bestimmte Akteure zu minimieren und von denen tragen zu lassen, die es tragen und den damit verbundenen Profit erlangen wollen.

Anmerkungen

[1]

Siehe hierzu Coase in: The Nature of the Firm: Origins, Evolution and Development S. 34 und Homann/Suchanek Ökonomik: Eine Einführung, S. 285.

[2]

Robertson spricht von Inseln der bewussten Macht in diesem Ozean unbewusster Kooperation, die wie Butterklumpen in einem Eimer Buttermilch zusammenhängen („[Aren't firms like] islands of conscious power in the ocean of unconscious co-operation like lumps of butter coagulating in a pail of butter-milk?“ Robertson The Control of Industry, S. 85.

[3]

Siehe hierzu auch Homann in Waldkirch Unternehmen und Gesellschaft, S. VIII und Schneider in: Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts, S. 1 (5 f.).

[4]

Zu diesem Kriterium siehe Rn. 34 ff.

[5]

Es sind v. a. die Vertreter der Neuen Institutionenökonomik, die sich in verschiedenen Ansätzen wie der Transaktionskosten-Theorie, dem Property Rights-Ansatz (vgl. Picot/Dietl in: Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts, S. 306 (308) m. w. N.) und der Prinzipal-Agent-Theorie (vgl. Rn. 242 ff.) mit der ökonomischen Analyse von Organisationen auseinandergesetzt haben und dem in der neoklassischen Ökonomik verwurzelten Prinzip, Organisationen seien nur als produktionstechnologische Gebilde zu betrachten, deren gesellschaftliche Aufgabe in der kostengünstigen Bereitstellung von Produkten und Dienstleistungen auf kompetitiven Märkten zu Dienstkostenpreisen anzusiedeln sei, entgegentreten. Im Gegensatz beispielsweise zur Konstitutionen-Ökonomik von J. M. Buchanan, in der die Organisationen kaum eine Rolle spielen. Vgl. die Darstellung bei Waldkirch Unternehmen und Gesellschaft, S. 23 ff.

[6]

Siehe auch Coase Journal of Law and Economics 1960, 1 (1 ff.) und Coase in: The Nature of the Firm: Origins, Evolution and Development S. 34.

[7]

Hierzu auch Köndgen in: Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts, S. 128 (136).

[8]

Zu dem „Stecknadelbeispiel“ von Smith Der Wohlstand der Nationen, S. 9 f.: Ein einzelner ungelernter Arbeiter kann an einem Tag nur wenige Stecknadeln herstellen. Wird die Arbeit aufgeteilt in mehrere Handgriffe (Draht ziehen, abzwicken, zuspitzen, Kopf oben drauf, verpacken…), so können beispielsweise fünf Arbeiter tausende von Stecknadeln an einem Tag herstellen. Siehe hierzu Demmler Einführung in die Volkswirtschaftslehre, S. 153.

 

[9]

Coase spricht in diesem Zusammenhang von vertikaler Integration der Produktionsstufen, deren Organisationskosten höchstens äquivalent zu den eingesparten „marketing costs“ sein darf. Letztere seien im Grunde Kosten für „die Benutzung des Preismechanismus“, die dadurch entstehen, dass die relevanten – zufällig am Markt entstandenen Preise – mit einem bestimmten Aufwand zu ermitteln seien. Schneider in: Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts, S. 1 (6) m. w. N.

[10]

Schneider in: Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts, S. 1 (7 f.).

[11]

Schmidtchen in: Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts, S. 31 (35). Vgl. Simon bezeichnete das Verhalten der Individuen als „intendly rational, but only limitedly so“ Simon Administrative Behavior, S. XXIV.

[12]

Beschränkte Rationalität beschreibt den Umstand, dass ein außerhalb der beobachteten Welt Stehender objektive Situationselemente erkennt, die ein Entscheidender nicht sieht. Vgl. Schneider in: Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts, S. 1 (7) und die Ausführungen ab Rn. 195.

[13]

Schmidtchen in: Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts, S. 31 (35).

[14]

Dies ist aus systemtheoretischer Sicht eine der wichtigsten gesellschaftlichen Funktionen; vgl. Luhmann Organisation und Entscheidung, S. 185 ff.

[15]

Ein weiterer Gedanke, den die „Theorie der Unternehmung bei ungleicher Wissensverteilung“ in den Vordergrund ihres Erklärungsmodells stellt, ist die Einkommensunsicherheit und Ungleichverteilung von Wissen, die durch Bildung von Institutionen zu verringern ist. Unter „Institutionen“ werden allerdings sowohl Regelsysteme als auch Handlungssysteme verstanden. Institutionen im Sinne von Regelsystemen sind beispielsweise das Privateigentum an Produktionsmitteln. Als Handlungssysteme werden die durch Regelsysteme geordneten Handlungsabläufe verstanden, z. B. das Unternehmen. Das Unterscheidungsmerkmal beider Institutionen ist, dass nur die Handlungssysteme – im Sinne von Organisationen – Mitglieder haben. Siehe hierzu ausführlich Schneider in: Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts, S. 1 (10, 14 ff.).

b) Das Unternehmen als „Nexus of contracts“

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Das Unternehmen ist nicht nur als bewusste – weil vorteilhafte – Ausnahme des Marktprinzips, sondern auch seiner inneren Struktur wegen Gegenstand institutionenökonomischer Forschung gewesen. Coases gedanklicher Ausgangspunkt der – von ihm als v. a. hierarchisch beschriebenen – Struktur des Unternehmens ist der Vertrag. Unternehmen sind hiernach Vertragsbündel, die einzelne Personen unter dem Ziel ihrer Nutzenmaximierung anbieten oder nachfragen.[1]

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Aktuellere Ansätze greifen diesen Gedanken nun auf und qualifizieren das Wesen des Unternehmens als einen „Nexus von Verträgen“.[2] Auf allen Ebenen des Unternehmens herrsche die Vertragssituation vor, wenn auch zwischen verschiedenen Verträgen wie dem „hierarchischen Arbeitsvertrag“, kurzfristigen Einmalverträgen, „symbiotischen“[3] oder „relationalen“[4] Verträgen zu unterscheiden sei.

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Auf den ersten Blick scheinen diese Aspekte für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand irrelevant. Es werden weder Aussagen darüber getroffen, was denn nun die Identität des Unternehmens sein mag und auch nicht darüber, wer „Mitglied“ und wer nur „Vertragspartner“ des Unternehmens ist. Das Unternehmen verliert als „Nexus von Verträgen“ also eher an Konturen, als dass es abgrenzbar wird. Es wird dadurch kaum mehr als ein „Kontinuum verschiedener Verträge“,[5] das nicht mehr nur Führungskräfte, Financiers und Arbeitnehmer, sondern auch Lieferanten, Kreditgeber und Langfristkunden einbezieht. Außerdem geht dieser Ansatz nicht auf die „reasons of organizations“[6] ein und löst die Vorstellung einer Körperschaft in ihre Bestandteile dadurch auf, dass auf ein „Innen“ und ein „Außen“ verzichtet wird.[7]

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Dennoch ist in Anbetracht neuer institutioneller Arrangements, wie der „hybriden Organisationsform“ dezentralisierter Konzerne,[8] zur Kenntnis zu nehmen, dass das „Entweder-oder-Schema“ der Transaktionskostentheorie und ähnlicher Erklärungskonzepte der neuen Institutionenökonomie, die den Markt und die Unternehmung als Alternativen institutioneller Formen der Ressourcenallokation gegenüberstellen, nur bedingt geeignet ist, umfassende Erklärungen zu liefern. Nimmt man den weit verbreiteten Typus des dezentralen Konzerns, kommt man nicht umhin die Unternehmensvorteile zu sehen und skeptisch zu betrachten: diese neue – auf Langzeitverträgen in Form von „relational contracts“ und symbiotischen Verträgen fußende – Organisationsform scheint der Bündelung von Ressourcen und Wissen in einer hierarchischen Struktur wie dem Einheitsunternehmen überlegen.[9] So scheint der Kostenvorteil von Informationsströmen im Unternehmen gegenüber dem in marktlichen Informationssystemen immer geringer und die Attraktivität eines dezentralen Konzerns durch ein Vertragsnetz rechtlich nicht verbundener Unternehmen immer höher.[10] Diese neue Entwicklung hat auch rechtliche Konsequenzen: aufgrund der festgestellten Attraktivität des Vertragsnetzes einer dezentralen Konzernstruktur könnte ein rechtliches Konzept, das im Kern die „Vollhaftung“ der Konzernkonstruktion für das fehlerhafte Verhalten einzelner Konzernunternehmen vorsieht, die Folge haben, dass in ein System konzernfreier Vertragsnetze geflohen würde und scheinbar ähnlich effiziente Informationsströme ohne Verantwortungsrisiko etabliert würden.

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Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Vorstellung einer Dichotomie von Kontrakt und Organisation nicht weiterführend ist und vielmehr mit Williamson, institutionsneutrale Anreiz-, Beherrschungs- und Kontrollmechanismen herausgearbeitet werden sollten, die womöglich die Einflussmöglichkeiten des Rechts auf das Unternehmen hindern oder fördern.[11]

Anmerkungen

[1]

Vgl. Coase in: The Nature of the Firm: Origins, Evolution and Development S. 34 und Köndgen in: Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts, S. 128 (145).

[2]

Vgl. eine gelungene Darstellung von Coases Ansatz bei Köndgen in: Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts, S. 128 (139 ff.) m. w. N.

[3]

Hier könnte man wohl an das Franchising denken. Franchising ist nach Definition des deutschen Franchising-Verbands ein auf Partnerschaft basierendes Absatzsystem mit dem Ziel der Verkaufsförderung. Der so genannte Franchisegeber übernimmt die Planung, Durchführung und Kontrolle eines erfolgreichen Betriebstyps. Er erstellt ein unternehmerisches Gesamtkonzept, das von seinen Geschäftspartnern, den Franchisenehmern, selbstständig an ihrem Standort umgesetzt wird. Der Franchisenehmer ist rechtmäßig Händler im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Je nach Branche ist allerdings auch ein dem Handelsvertreter ähnliches Geschäftsmodell denkbar. Allerdings müsste hier überlegt werden, ob wir uns dann noch in den Grenzen des „Unternehmens“ bewegen.

[4]

Ein relationaler Vertrag ist eine auf einen längeren Zeitraum abzielende Vereinbarung, die Lücken für zukünftige Kontingenzen enthält, um auf mögliche, unerwartete Entwicklungen flexibel reagieren zu können. Bei Vertragsschluss wird entsprechend nur ein Rahmen vereinbart – die Details werden während der Vertragsdauer näher konkretisiert, womit letztlich hohe Transaktionskosten bei Vertragsschluss eingespart werden. Typisches Beispiel dieser Vertragsform ist der Arbeitsvertrag.

[5]

Köndgen in: Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts, S. 128 (139).

[6]

So der treffende Vorwurf von Waldkirch Unternehmen und Gesellschaft, S. 152.

[7]

Coleman Grundlagen der Sozialtheorie, S. 332.

[8]

Kirchner in: Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts, S. 196 (196).

[9]

Die Figur des „offenen Vertrages mit einseitigem Weisungsrecht“ bringt das handlungstheoretische Paradigma der Hierarchie in diesem Kontext natürlich zu stark zum Ausdruck. Im Sinne von Coase erscheint es zwingend, mit zunehmender Menge von Interaktionen diese hierarchisch zu organisieren und sie nicht etwa nach dem Marktprinzip im Einzelnen auszuhandeln. Gerade diese hierarchische Interaktion funktioniert aber wiederum am besten in Organisationen, weil sie eine einheitliche administrative Struktur aufweist. Allerdings ist mit diesem Konzept des Unternehmens als einem aus „Verträgen mit einseitigem Weisungsrecht“ bestehenden Gebilde eine Festlegung auf eine bestimmte Form von Interaktion verbunden. Die Vielfalt von Interaktionsformen und Governance-Möglichkeiten wird auf lediglich eine Form (Befehl – Gehorsam) reduziert und die für den Erfolg des Unternehmens zeitweise so wichtige horizontale Interaktion ignoriert. Ausführlicher hierzu Waldkirch Unternehmen und Gesellschaft, S. 149.

[10]

Kirchner leitet diese Präferenz nicht nur aus der Zunahme der Franchising-Verträge, sondern auch der Tendenz der Vorwärts- und Rückwärtsintegration existierender Unternehmen im Produktions- und Dienstleistungssektor ab; vgl. hier Kirchner in: Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts, S. 196 (199).

[11]

Siehe hierzu auch Köndgen in: Ökonomische Analyse des Unternehmensrechts, S. 128 (141), der in diesem Zusammenhang auf die hybriden Organisationsformen – wie z. B. Franchising – hinweist, die gleichermaßen kontraktuelle wie organisationelle Kooperationsmuster in sich vereinen.

Teil 1 Interdisziplinäre Grundlagen der Unternehmenskriminalität › B › III. Fazit

III. Fazit

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Das Unternehmen stellt – auch aus historischer Perspektive[1] – eine bewusste Ausnahme vom Marktprinzip dar, der ein großer Autonomiebereich immanent ist. Von Normen flankiert ist diese Ausnahme eine gesellschaftliche Enklave, die – trotz des „Ausnahmecharakters“ – deutlich von marktwirtschaftlichen Prinzipien bestimmt wird. Die Neue Institutionenökonomik schärfte den Blick dafür, dass wichtige reasons of organizations übersehen werden, wenn Unternehmen auf ihr produktionstechnisches Potenzial reduziert werden, denn sie weisen vor allem als Organisationen gegenüber Märkten Besonderheiten und komparative Vorteile auf; insbesondere hinsichtlich der Beherrschung von Anreizproblemen, der Minimierung von Transaktionskosten und der „Governance von Interaktionen“[2] aufgrund ihrer Informations- und Anreizeigenschaften. Die zusammengelegten Ressourcen und arbeitsteilige Organisation zur Produktivitätssteigerung korreliert mit einer Tendenz nach Aneignung weiterer Kooperationsrenten, weil es für individuelle Marktteilnehmer vorteilhafter in der Weise zu kooperieren, dass sie gemeinsames Eigentum an diesen Ressourcen erwerben und die, die Kosten übersteigenden, Gewinne teilen. Das Unternehmen bietet nämlich eine Rahmenordnung, um immer kostengünstiger Kooperationsgewinne zu generieren, da Faktorleistungen über das Unternehmen langfristig eingesetzt werden können.[3] Hieraus resultiert das volkswirtschaftlich interessante Phänomen, das von besonderer Bedeutung für die Unternehmenskriminalität ist: die Bewertung und Bemessung der einzelnen Beiträge des Outputs dieser Produktionssituation als „Teamproduktion“, die sich nicht mehr als Summe der separierbaren Outputs, die den Inputs der Mitglieder des Teams zu verdanken sind, darstellen lässt.

 

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Festzuhalten ist: Das Unternehmen wird durch drei wesentliche Merkmale gekennzeichnet: 1) ein Mindestmaß an sachlichen und persönlichen Mitteln, 2) ein Mindestmaß an organisierter Einheit und 3) das äußere Auftreten am Markt. Es ist weiter durch rechtliche Selbstständigkeit geprägt, die die Beteiligung am Wirtschaftsleben erleichtert, jedoch nicht notwendigerweise auf eine konkrete juristische Person zu reduzieren ist. Es handelt sich um eine selbständige organisatorische Einheit, die das Unternehmen als Akteur nahelegt. Diese Einheit ist jedoch von Interaktionsproblemen und disparaten Interessenlagen durchdrungen, die das Unternehmen als Kontext interessant erscheinen lässt; beides erkenntnisleitende Hypothesen im Folgenden.