Firmung Jugendlicher im interdisziplinären Diskurs

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1.5 Firmung vom Ausgangspunkt Kommunikation her gesehen

Bernd Jochen Hilberath und Matthias Scharer betonen, dass Theologie nicht etwas ist, „das dann auch kommuniziert werden kann; Kommunikation ist vielmehr zentraler Inhalt der Theologie […] Theologie ist selbst ein kommunikatives Geschehen, und wenn sie dies nicht mehr ist, hört sie auf, Theologie zu sein“310. Dieses Statement erhebt nicht nur die Praktische Theologie zu einem konstitutiven Element von Theologie311, sondern es ist die Absage an alle „idealistischen Modelle“312 in theologischen Ausführungen und es fordert von jeglicher Art von Theologie, die gesellschaftlichen und kirchlichen Rahmenbedingungen des kommunikativen Prozesses mit in den Blick zu nehmen. Um dies zu gewährleisten, versucht eine Gruppe von Theologen, das Konzept der Themenzentrierten Interaktion der US-amerikanischen Psychologin Ruth Cohn313 (kurz: TZI) mit dem Vier-Faktoren-Modell Ich-Welt-Es-Globe für die offenbarende Selbstkommunikation Gottes zu öffnen314. Die Rolle der Theologie kann in einem solchen Umfeld zur Lebensorientierungswissenschaft werden315. Orientierung in einer immer unübersichtlich werdenden Welt zu geben, ist für Markus Schwaigkofler in einer von „Traditionen befreiten Gesellschaft“316 eine notwendige Aufgabe, denn die unabhängige Selbstbestimmung des Individuums in einer solchen Gesellschaft birgt sowohl Chancen als auch Gefahren. Nicht nur freiheitliche Verfasstheit scheinen Schwaigkofler in der gegenwärtigen Welt möglich, sondern auch Gruppen- oder Systemzwang317. Deshalb muss Lebensorientierung eine Aufgabe für Geisteswissenschaften und Theologie sein.

Der Professor für Fundamentaltheologie an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern, Edmund Arens, hat sich selbst für eine kommunikative Religionstheologie eingesetzt318. Er greift dabei auf Autoren wie Johann Baptist Metz, Helmut Peukert, Karl-Otto Apel und Jürgen Habermas zurück. Seine Kritik an der kommunikativen Theologie lautet, Hilberath und Scharer versuchten, mit theologischen Überlegungen zur innertrinitarischen Kommunikation eine an die Themenzentrierte Interaktion angelehnte praktische Theologie kurzzuschließen319. Die kommunikative Theologie ist also nicht die einzige theologische Richtung, die Kommunikation in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellt.

1.5.1 Zum Verständnis des Wortes Kommunikation in der Theologie

Kommunikation ist ein äußerst vielseitiger Begriff. Im Bereich der Medien wird Kommunikation betrieben und das Wort Massenkommunikation enthält schon das Lexem Kommunikation. Es gibt technische Anwendungen, die Kommunikation ermöglichen. Durch Musik und Kunst kann es zu einer Kommunikation kommen ebenso wie durch Smartphones und sozialisiertem Internet. Neben medialen, künstlerischen, sprachwissenschaftlichen, psychologischen und sonstigen Dimensionen ist hier besonders die zwischenmenschliche Kommunikation relevant.

Grundsätzlich beinhaltet Kommunikation einen Sender, eine Information und den Adressaten320. Dabei entsteht ein komplexes Miteinander dieser drei Größen, die wiederum von verschiedenen Faktoren wie Befindlichkeit der handelnden Personen oder dem gewählten Medium der Information abhängen. Damit wird Kommunikation ein ambivalentes Geschehen: „Sie wird gebraucht, um Menschen zusammenzubringen und um Menschen auszuschließen, um sie zu integrieren und zu stigmatisieren. Sie kann verbindend und verblendend zur Geltung kommen. Sie kann zur Grenzüberschreitung und zur Abschottung dienen. Sie kann vermachtet und verzerrt, aber auch befreiend und ermächtigend sein“321. Um das Geflecht möglicher Bedeutungen und verschiedener Beziehungen in der Kommunikation zu entwirren, greifen Theologen wie Norbert Mette oder Jürgen Werbick auf die Theorie des kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas zurück322. Darunter versteht Habermas:

„die Interaktion von mindestens zwei sprach- und handlungsfähigen Subjekten, die (sei es mit verbalen oder extraverbalen Mitteln) eine interpersonale Beziehung eingehen. Die Aktoren suchen eine Verständigung über die Handlungssituation, um ihre Handlungspläne und damit ihre Handlungen einvernehmlich zu koordinieren“323.

Kommunikatives Handeln ist demnach eine auf Verständigung ausgelegte Interaktion auf einer sozialen Ebene, weil mindestens zwei Partner involviert sind. Es geht dabei nicht darum, strategisch ein Ergebnis der Kommunikation zu bestimmen, den oder die Partner zu instrumentalisieren. Damit wäre Kommunikation eingeschränkt, denn: „Kommunikatives Handeln ‚setzt’ den anderen als gleichberechtigten Partner, der auf kommunikative Präsenz (auf die ‚Zugewandtheit’ aller anderen) Anspruch hat, noch ehe er diesen Anspruch anmelden und durchsetzen kann“324. Aber auch Kommunikation im verständigungsorientierten Sinn kennt Geltungsansprüche, die erhoben werden müssen, wenn überhaupt Kommunikation zustande kommen soll. Diese müssen laut Habermas anerkanntermaßen zurecht erhoben werden können, sei es, weil sie entweder bereits eingelöst sind, sei es, dass sie grundsätzlich einlösbar sind325. Das heißt wiederum, dass die Ansprüche auf objektive Wahrheit (konstative Sprechhandlung), soziale Richtigkeit oder Angemessenheit (regulative Sprechhandlung) und subjektive Wahrhaftigkeit (expressive Sprechhandlung) im kommunikativen Handeln mit dem Anspruch auf Verständigung reflektiert werden müssen326. Werden nun kirchliches Handeln und Theologie mit dem kommunikativen Handeln verbunden, dann bedeutet das einerseits, dass der Geltungsanspruch der Theologie beziehungsweise der Kirche gewahrt bleibt, insofern in Jesus Christus Gottes eschatologisch gültiges Ja zu den Menschen kommuniziert ist. Andererseits muss sich dieser Geltungsanspruch aber auch anderen Geltungsansprüchen aussetzen, soll es zu einer wirklichen Kommunikation kommen. Norbert Mette zieht daraus die Folgerung, dass in der Kommunikation des Evangeliums „die unbedingte Bejahung jedes Individuums durch Gott in der Struktur dieses kommunikativen Handelns bezeugt und bewahrt wird. Jede machtförmige Einflussnahme verbietet sich“327.

Einen anderen Weg zur Bestimmung der kommunikativen Größe der Theologie wählt Jesaja Langenbacher in seiner Arbeit Firmung als Initiation in Gemeinschaft, die auf der kommunikativen Theologie nach Bernd Jochen Hilberath aufbaut. Langenbacher folgt dem Forschungskreis Kommunikative Theologie328 und erklärt, dass die Theologie erstens die persönlichen Lebensund Glaubenserfahrungen der Menschen Ernst nehmen muss. Das Leben und der Glauben von Christinnen und Christen sind theologierelevante und sogar theologiegenerierende Orte329. Dabei möchte Langenbacher aber nicht „theologische Erkenntnisse im Leben einzelner Menschen […] konkretisieren, sondern aus dem Leben theologische Erkenntnisse […] gewinnen“330. Damit sind subjektive Erfahrungen der Firmanden in die Theologie integriert. Zweitens seien Gemeinschaftserfahrung und „Erfahrungen von Kirchlichkeit“331 zu beachten. Damit sind soziale Erfahrungen gemeint, welche die kirchliche Dimension der Firmung mit zum Ausdruck bringen. Langenbacher möchte Zeichen der Zuwendung Gottes erlebbar werden lassen und versucht damit, inmitten der sozialen Erfahrung der Christinnen und Christen Erfahrungen mit Gott zu integrieren, was nur dann möglich erscheint, wenn Gott tatsächlich von den Firmanden als relevant für das alltägliche Leben verstanden wird. Drittens sind die biblischen Zeugnisse lebendig zu vermitteln. Transparenz und systematische Klärung sowie adäquate Versprachlichung für die Firmanden werden gefordert als Kennzeichen kommunikativer Theologie. Als viertes spricht Langenbacher vom gesellschaftlichen Kontext und der Welterfahrung. Im Unterschied zu der Gemeinschaftserfahrung und Kirchlichkeit, die die persönlichen Bezüge zwischen mindestens zwei Menschen thematisiert, ist hier der so genannte Globe der Themenzentrierten Interaktion angesprochen. Nach Ruth Cohn gehören dazu „die Menschen und Geschehnisse außerhalb der Hier- und-Jetzt-Gruppe. Diese Außenwelt – familiäre, berufliche, hierarchische, ökologische usw. – ist jedoch in ihrem Außensein auch immer in der Gruppe wirksam“332.

Kommunikative Theologie soll in diesen vier Dimensionen betrieben werden und drei verschiedene Ebenen miteinander in Kommunikation bringen333. So soll das unmittelbare Kommunizieren mit der Deutung dieses Vorgangs und der wissenschaftlichen Reflexion miteinander in Beziehung gebracht werden. Die Schwierigkeit besteht vor allem darin: im Kommunikationsprozess entsteht ein Verhältnis zwischen einem agierenden Ich und der personalen Beziehung, dem Wir. Das Es ist wiederum von den lebendig zu vermittelnden biblischen Zeugnissen geprägt, der Globe besteht hingegen in den von außen auf die Gesprächsteilnehmer wirksamen Geschehnissen oder Menschen. In diesem Kontext geht es um ein konkretes Thema, also beispielsweise die Firmung. Wird nun dieser Kommunikationsprozess gedeutet, dann geht es „um die implizite und explizite theologische Deutung und Würdigung von Erlebnissen in Kommunikationsprozessen“334 als konkretes Thema. Dadurch ändert sich allerdings auch der thematische Bezug des Kommunikationsvorgangs. Das Ich muss sich jetzt mit seinen persönlichen Glaubenserfahrungen hinterfragen lassen und wird mit seiner Fragmentarität konfrontiert, das Wir der Gruppe wird neben den Gemeinschaftserfahrungen auch solche bleibender Fremdheit zu thematisieren haben und das lebendig zu vermittelnde biblische Zeugnis (Es) soll nun in seiner Zugänglichkeit und bleibenden Fremdheit kommuniziert werden, wie auch der Globe neben der positiven Erfahrung der Schöpfung auch Kontrasterfahrungen hervorbringen würde. Die theologische Wissenschaft hätte die Aufgabe, die vier Dimensionen zu untersuchen und Methoden hervorzubringen, welche die kommunikativen Prozesse befördern können335. Während also im unmittelbaren Kommunikationsprozess ein konkretes Thema wie die Firmung thematisiert wird, steht in der Deutungsebene der vorgegangene Gesprächprozess als Thema im Raum und in der Theologie wiederum die Metaebene der kommunikativen Theologie.

 

1.5.2 Firmung in der kommunikativen Theologie

Wer einen Kommunikationsprozess anbieten möchte, beziehungsweise wer in einen Kommunikationsprozess eintritt, muss sich auch die Frage stellen, welche unausgesprochenen Gedanken, Intentionen oder auch Theologien im Hintergrund mitschwingen und wie sie entschlüsselt werden können. Bernd Jochen Hilberath und Matthias Scharer haben dieses Phänomen implizite Theologie genannt336: „Mit implizit ist gemeint, daß die Theologien, von denen wir in diesem Zusammenhang sprechen, nicht entfaltete und nicht ausdrücklich (explizit) gemachte Theologien sind. Es handelt sich um Theologien, die das Denken, Reden und Handeln so steuern, ohne als solche immer ausdrücklich bewußt zu sein, also eher impliziert, eingewickelt, eingefaltet. Wenn sie sich äußern, dann nicht immer in der Form, wie wir das von einer ausdrücklichen Theologie gewohnt sind“337. Deshalb sei auch mit impliziter Theologie die „Gottesperspektive meines Redens und Handelns gemeint“338.

Dass diese Gottesperspektive nicht immer ausgesprochen und thematisiert wird, macht sie zu einem meist unbewusst verschwiegenen Wissen, das entweder mit dem expliziten Reden übereinstimmt, oder auch bewusst von diesem abweicht339. Das führt dazu, dass die Explikation impliziter Theologie ein äußert komplexer Vorgang ist. Theologen müssen im Kommunikationsprozess nicht nur das Gesagte im Blick haben, sondern auch das Gemeinte, das Angedeutete, die Intentionen, die Gesten, die Stimmungslagen oder auch die Art und Weise, in der gesprochen wird und vieles mehr.

Im besten Fall sind ausdrücklich gewordene implizite Theologien „authentische Zeugnisse“340. Das heißt, dass jeder, der mit Firmanden zu tun hat, auch ein Lernender ist, weil ihm neue Glaubenszugänge oder zumindest neue Gottesperspektiven mitgeteilt werden.341 Bernd Jochen Hilberath hat das Grundgerüst einer Theologie und Praxis der Firmung folgendermaßen zusammengefasst:

1) Der Heilige Geist ist als der primär Handelnde zur Geltung zu bringen. Dabei darf aber keinesfalls das Sakrament der Taufe als das der Gnade und das Sakrament der Firmung als das Sakrament des Menschen, der Beauftragung zum Bekenntnis, zur missionarischen Tätigkeit erscheinen. Es muss gelten: „Gnade vor Leistung“342. Es gibt kein Sakrament der menschlichen Entscheidung, nur Gottes Zuwendung, die Annahme dieses kommunikativen Prozesses seitens des gläubigen Menschen und wenn man es anders formulieren möchte, die Ant-wort des Menschen auf Gottes Wort.

2) In diesem Kontext darf die Situation der Firmanden nicht zu kurz kommen. Gerade auch ihre Eingliederung in die Kirche, die Initiation, muss als Geistgeschehen deutlich gemacht werden. In der Feier, in der Interpretation und im alltäglichen Leben nach der Firmung soll die Gabe des Heiligen Geistes und der persönliche Kontakt mit Gott für die Firmanden eine Gabe und eine Aufgabe sein343.

Besondere Aufmerksamkeit widmet Hilberath auch der sprachlichen Fassung der Spendeformel des Sakramentes der Firmung durch Papst Paul VI.344 Für Hilberath liegen die entscheidenden theologischen Implikationen der Abänderung in:

- dem ökumenischen und kirchengeschichtlichen Aspekt: das Initiationsgeschehen wird sowohl an die altkirchliche Tradition als auch an die Tradition der Orthodoxen Kirchen angebunden.

- der liturgiewissenschaftliche Aspekt: es sind gerade die Auflegung der Hände und die Salbung, die in der Initiation wieder betont werden.

- der pneumatologische Aspekt: der Heilige Geist beziehungsweise Gott tritt als handelnde Person in Erscheinung, die Akzentuierung des Spenders des Sakramentes als Subjekt tritt zurück.

- der trinitätstheologische Aspekt: die Firmung wird deutlicher als zuvor mit dem Heiligen Geist in Verbindung gebracht. Das bedeutet für Hilberath auch, dass „die christologische Deutung der Firmung zugunsten der pneumatologischen zurücktritt“345.

- der gnadentheologische Aspekt: der Heilige Geist ist die Gabe, mit der die Firmanden besiegelt werden.

- der Aspekt, dass Gottes vorgängige Gnade die Antwort des Menschen erst möglich macht.

Wer theologische Aspekte explizit werden lassen möchte, der wird sich auf einen Gesprächsprozess mit den Firmanden einlassen und dabei nicht über einen Sachverhalt sprechen können, sondern von einer Person Zeugnis geben, nämlich von Gott und der Beziehung zu Gott, die im Hier und Heute gelebt wird346. Der Anspruch der kommunikativen Theologie nach Hilberath und Scharer liegt deshalb darin: „Die Kommunikation zwischen Gott und dem Menschen, wie der Menschen untereinander, die jegliche Theologie zum Gegenstand hat, wird nicht praxisfern reflektiert, sondern aus lebendigen Kommunikationsprozessen heraus und mit diesen im Zusammenhang entwickelt“347.

Wenn in den Gesprächen mit Firmanden deren implizite Theologien expliziert werden sollen, und wenn das Verdeutlichen oder die lebendige Vermittlung des biblischen Zeugnisses auch eine Explikation nötig macht, dann muss dies auch für die gesellschaftlich relevanten Fragen nach Initiation und für die zugrundeliegende Methode gelten. Wenn eine Gottesperspektive für alle Bereiche menschlichen Handelns und zwischenmenschlicher Kommunikation eingefordert wird, dann müssen in allen diesen Bereichen die zugrunde liegenden Implikationen auch expliziert werden. Der Kommunikationsprozess erweist sich aber dann in seinen unterschiedlichen Beziehungen als eine unüberschaubare Größe. Norbert Mette hat deshalb zwei verschiedene Elemente des Kommunikationsprozesses unterschieden: erstens die Explikation des christlichen Glaubens und damit zusammenhängend zweitens die Explikation der situativen Wirklichkeit der Firmanden, innerhalb derer Gott auch heute erfahrbar werden soll348.

Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit der kommunikativen Theologie die Sachfrage Kommunikation. Hier sind vor allem die implizite Theologie, als Gottesperspektive des eigenen Redens und Handelns sowie der Wunsch lebendige Kommunikationsprozesse in Gang zu setzen einzuordnen. Eng mit der impliziten Theologie sind Biographie und Glaubensleben verbunden: beide sind abhängig von der persönlichen Situation der Firmanden, in der die Firmung gespendet wird. Auch das Gottesbild ist deshalb von einer Vielzahl von Perspektiven geprägt, welche den Firmanden teilweise unbewusst sind. Wichtig ist für Hilberath und Scharer, dass Firmung als ein Sakrament verstanden wird, in dem der Heilige Geist primär handelt. Deshalb ist die Firmung kein Sakrament der Entscheidung, sondern es geht um Gottes Zuwendung und die Gabe des Heiligen Geistes. Für die Sachfrage Gemeinschaft kann in der kommunikativen Theologie herausgehoben werden, dass die Firmung wieder an die Tradition der Alten Kirche wie der orthodoxen Kirchen angebunden wird. Besondere Bedeutung hat das Passageritual, für Hilberath und Scharer sind die Auflegung der Hände und die Salbung sowie die Formulierung des Firmrituals, nach der der Heilige Geist und nicht der Spender des Sakraments im Vordergrund steht, entscheidend. Weil implizite Theologien dazu führen, dass Biographie und Glaubensleben von der persönlichen Situation abhängig sind, ist auch das Alter der Firmanden von der Situation und des Umfelds der Firmanden abhängig zu machen. Dies lässt sich in der Tabelle folgendermaßen festhalten:

Tabelle 6: Firmung in der kommunikativen Theologie und Sachthemen


Firmung ist in der Sicht der kommunikativen Theologie…Sachthemen
- …mit der Gottesperspektive des Redens und Handelns (implizite Theologie) verbunden- …keine praxisferne Kommunikation, sondern sie besteht aus einer Vielzahl von lebendigen KommunikationsprozessenKommunikation
- …von der persönlichen Situation der Firmanden geprägtGlaubensleben
- …von der persönlichen Situation der Firmanden abhängigBiographie
- …von einer Vielzahl von Gottesperspektiven gekennzeichnet, welche den Firmanden teilweise selbst unbewusst sind- …das Sakrament, in dem der Heilige Geist primär handeltGottesbild
- …kein Sakrament der Entscheidung, es geht auch in der Firmung um Gottes ZuwendungGabe und
- …das Sakrament der Gabe des Heiligen Geistes und der persönlichen Zuwendung zu GottAufgabe
- …wieder an die Tradition der Alten Kirche beziehungsweise der orthodoxen Kirchen angebundenGemeinschaft
- …von der Auflegung der Hände und der Salbung gekennzeichnet- …auf das Handeln Gottes ausgerichtet und nicht mehr auf den Spender des SakramentesPassageritual
- …von der Situation der Firmanden, ihres Umfeldes und der Strukturen in Pfarrei, Dekanat und Diözese abhängigAlter

1.5.3 Firmung als Zuspruch und Anspruch bei Patrik Höring

Patrik C. Höring hat die Firmung beschrieben als Zuspruch für und als Anspruch an die Firmanden. Schon der Titel seiner Arbeit, der die Firmung zwischen Zuspruch und Anspruch stellt, beinhaltet ein deutliches kommunikatives Element und geht wohl auf eine Formulierung von Dieter Emeis zurück349. Die Firmung zeigt sich für Höring als Zuspruch, weil jedes Sakrament einen anamnetischen Charakter hat350: Der anamnetische Bezug der Firmung ist die Erinnerung an die Taufe und an die Geistmitteilung, die dem Getauften zugesagt ist. Die Firmung kann in diesem Zusammenhang nach Hans Küng „personale Aneignung eines Geistesgeschehens“351 sein. Die Firmung erweist sich aber auch als Anspruch, weil die Firmung epikletisch um den Heiligen Geist für das Leben und die Sendung der Gefirmten bittet352. Für Höring ist deshalb ein „eindeutiges Alter [für die Feier des Sakramentes der Firmung] aus religionspädagogischen Überlegungen kaum“353 zu bestimmen. Er plädiert wegen der Ausbildung kognitiver Kompetenzen und neu ausgebildeter affektiver Fähigkeiten für ein Alter von 16 / 17 Jahren354. Ein früherer Zeitpunkt neige dazu, eine gnadentheologische Verengung der Firmung zu implizieren355; ein höheres Firmalter und die Spendung des Sakramentes an 17-Jährige oder 18Jährige könne eine anthropologische Verkürzung der Firmung darstellen356. Positiv umformuliert heißt das, dass Höring die Frage stellt, ob es aus einer theologischen Sichtweise auf das Sakrament der Firmung heraus zu begrüßen ist, dass die Initiationssakramente Taufe, Firmung und Eucharistie getrennt gespendet beziehungsweise gefeiert werden und ob es aus einer anthropologisch geprägten Sichtweise auf das Sakrament der Firmung heraus zu verantworten ist, dass die drei Initiationssakramente im selben Alter in einer Liturgie gefeiert werden. Es gibt aber auch Vorschläge, welche die anamnetische Beziehung der Firmung zur Taufe und ihre Ausrichtung auf die Eucharistie in den Mittelpunkt stellen wie der Vorschlag von Bischof Samuel J. Aquila, der in seiner Diözese Fargo in den Vereinigten Staaten, Bundesstaat North Dakota, 8-9-Jährigen die Firmung spendete357. Ein wichtiger Hinweis war für ihn das Nachsynodale Schreiben von Papst Benedikt XVI. Sacramentum Caritatis, in dem es heißt: „Man darf nämlich nie vergessen, daß wir im Hinblick auf die Eucharistie getauft und gefirmt werden. Das bringt die Verpflichtung mit sich, in der pastoralen Praxis ein Verständnis zu fördern, das mehr die Einheit des gesamten christlichen Initiationsweges im Auge hat”358.

Patrik C. Höring hat in seiner Arbeit Firmung. Sakrament zwischen Zuspruch und Anspruch auch die Erwartungen und Einschätzungen Jugendlicher in Bezug auf die Firmung dargestellt359. Interessant sind zwei Untersuchungen, die ihm als unveröffentlichte Manuskripte vorliegen360. In den herangezogenen Untersuchungen von Hundenborn (Bonn 2007) und Schiel (Köln 1999) werden neben dem Kontakt der Firmanden zur Kirchengemeinde auch die Gründe, die zur Anmeldung zur Firmung führten und die Erwartungen an die Firmvorbereitung abgefragt. Die Daten berechtigen zu der Feststellung, dass in der Firmung ein größerer Kreis von Jugendlichen angesprochen wird, als im normalen Gottesdienstbesuch anwesend sind oder im kirchlichen Ehrenamt engagiert sind: Die Firmung entwickelt also eine Dynamik, in der auch Christinnen und Christen angesprochen werden, die nicht häufig von kirchlichen Feiern oder Gesprächsangeboten Gebrauch machen und bietet somit eine Möglichkeit, nach Taufe und Erstkommunion wieder erneut Kontakt mit Christen und Christinnen beziehungsweise deren Familien aufbauen zu können.

 

Als herausragendste Erwartung an die Firmvorbereitung wird der Faktor Spaß genannt361. Neben diesem interpretationsoffenen Faktor wird von Höring weiterhin genannt: „neue Leute kennenlernen […], Austausch über den Glauben […] Beschäftigung mit Gott [und] Mehr an Erfahrung über Kirche, Firmung bzw. Religion“362. Die Motivation von Firmanden zur Firmung erscheint damit – die Richtigkeit der von ihm zitierten Umfragen vorausgesetzt – sehr nahe an theologischen Positionen zu liegen. Theologische Fragen und die Auseinandersetzung mit der Gemeinschaft der Glaubenden scheinen ein wichtiges und interessantes Gebiet für Firmanden zu sein.

Damit deckt sich die Beobachtung, dass sich lediglich 14% der Gefirmten im Nachhinein gegen die Firmung aussprechen würden, müssten sie noch einmal die Entscheidung treffen, sich zur Firmung anzumelden. Für Höring heißt das, dass sich für die Mehrheit der befragten Firmanden „die Erwartungen an die Firmvorbereitung und Firmung erfüllt“363 haben. Insgesamt zeigen sich für ihn „Früchte eines Lernprozesses“364, denn die Erinnerung an das gefeierte Fest verblasse eher als die inhaltlichen Aspekte wie Stärkung im Glauben oder Eingliederung in die Kirche. Materielle Gründe wie Geschenke zum Fest der Firmung spielen nach ihm jedenfalls eine nur „untergeordnete Rolle“365. Es bleibt also festzuhalten, dass die subjektiven Auseinandersetzungen der Firmanden mit dem Sakrament der Firmung von einer Mixtur von Ideen oder Einflüssen gekennzeichnet ist. Volkskirchliche Mechanismen366 treten neben Motive, die aus der Situation einer konkreten Familie stammen und Gründe, die in einer subjektiven Entscheidung wurzeln.

Allerdings zeigt sich für Höring auch eine Spannung zwischen individualisierter Religiosität und der konkret verfassten Ortsgemeinde. Es existiert oder entsteht etwas, das man als Trilemma bezeichnen könnte. Höring benutzt dieses Wort zwar nicht, es umschreibt aber seine Ausführungen sehr gut: Es geht um die Spannungen, die sich zwischen dem individuellem Verständnis der Firmung von Seiten der Firmanden, den Erwartungen auf der Seite der Katecheten und Katechetinnen bezüglich der konkreten Gemeinde, und der Unattraktivität eben dieser Gemeinde für die Firmanden, auftun367. Jugendliche hätten deshalb in den Initiationssakramenten insgesamt und in der Firmung im Besonderen „eigentlich keine Initiationschance“368. Initiation geschieht immer in konkrete Gruppen hinein und das Schreiben der Pastoral-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz Sakrametenpastoral im Wandel fordert, dass „die Firmbewerber in einer Gemeinde bzw. in einer Gruppe oder Gemeinschaft innerhalb der Gemeinde einen Ort gefunden haben, an dem sie sich mit ihrem eigenen Glauben festmachen können“369. Höring folgert hieraus, dass sich die Firmbewerber „gemäß des bischöflichen Dokumentes – nicht primär für Christus und die Kirche, sondern für das Leben in einer konkreten Gemeinschaft“370 entscheiden. Dies erscheint schon rein empirisch betrachtet wegen der eingeforderten Mobilität der Arbeit nehmenden Menschen in postindustriellen Gesellschaften und aufgrund der Arbeitsbedingungen, denen Familien unterworfen sind, nicht nachvollziehbar. Eine konkrete Gemeinschaft ist immer eine Gemeinschaft, die sich an einem Ort trifft und aus bestimmten Menschen besteht. An digitale Formen der Vergemeinschaftung erinnert Höring jedenfalls nicht. Aber würde dann nicht der Umzug einer Familie mit einem gefirmten Jugendlichen bedeuten, dass die Firmung dann erneut gespendet werden müsste – und zwar als Initiation in die neue Gruppe, Gemeinschaft oder Gemeinde, in der kirchliches Leben stattfindet?

Für Hörings Argumentation ist die ekklesiologische Sinndeutung der Firmung entscheidend. Auf diese ekklesiologische Dimension sind für ihn der christologische, der pneumatologische und der religions-anthropologische Aspekt der Firmung verwiesen371. Das bedeutet, dass die Firmung in der „Gleichgestaltung mit Christus, [der] Teilhabe an der Würde Christi (christologischer Aspekt) [und in der] Geistmitteilung (pneumatologischer Aspekt) [zum] Erwachsenwerden im Glauben, [zur] Mündigkeit (religionsanthropologischer Aspekt) [führt, die ihre Bedeutung und ihren letzten Sinn in der] Vollendung der Eingliederung, [der] Stärkung zur Sendung, [dem höheren] Grad an Verpflichtung (ekklesiologischer Aspekt)“372 findet. Damit korrespondiert, dass, so Höring, die Handauflegung das stärkste Zeichen der Mitteilung des Geistes wäre373. Für Hörings Beitrag erscheint die ekklesiologische Dimension der Firmung von großer Bedeutung zu sein. Dabei wird nicht die Geistmitteilung in der Firmung in Frage gestellt, sondern eine fragwürdige Reduzierung der Geistmitteilung auf das Sakrament der Firmung374. Die Heilsnotwendigkeit eines Sakramentes, die Höring auf „das Leben der Kirche“375, nicht auf das des Empfangenden bezieht, führt zu einer starken Betonung von Apostolat und Evangelisierung, die als Auftrag an den Gefirmten gestellt werden. Deshalb kann Höring auch eine gestufte Zugehörigkeit zur Kirche fordern: „So kann und darf es in der Kirche sowohl ‚nur Getaufte’ wie ‚schon Gefirmte’ geben, die beide den Ehrennamen ‚Christ’ tragen. Die Gefahr der Elitenbildung und des Rückzugs ins eigene Ghetto ist ernst zu nehmen“376. Diese Formulierungen zeigen aber auch die Problematik des Vorschlages: ‚nur Getaufte’ lässt sich selbst mit den von Höring benutzten Anführungsstrichen kaum als theologisch tragfähiges Konzept begreifen und die Wortwahl schon Gefirmte weist darauf hin, dass die Firmung weiterhin als ein Zielpunkt der biographischen Entwicklung von Christinnen und Christen nach der Taufe verstanden wird. Hörings Wunsch ist, „ausreichend Toleranz gegenüber der innerkirchlichen Pluralität“377. Das zeigt seine Fokussierung auf die ekklesiologische Dimension der Firmung: in der gegenwärtigen Situation einer „Volkskirche im Übergang“378 wird die Wahl für eine Zugehörigkeit zu einer Gruppe nur dann getroffen, wenn sie als gültig und wertvoll erachtetet wird379.

Es lässt sich also zusammenfassen: Hörings Sichtweise auf die Firmung ist von der Sachfrage nach der Kommunikation her zu verstehen, weil er Firmung als Zuspruch und Anspruch kennzeichnet. Für ihn sind die Fragen der Firmanden in und vor der Firmung mit den Themen Gott, Kirche und Religion verbunden. Hohe Bedeutung hat für Höring die Gemeinschaft der Kirche. Firmung ist für ihn primär eine Eingliederung in eine konkrete Gemeinde, seine Firmtheologie ist daher stark auf den ekklesiologischen Aspekt hin ausgerichtet. Die Firmung entwickelt in der Glaubensgemeinschaft eine Dynamik, in der auch Fernstehende angesprochen werden und wieder in Kontakt mit der Gemeinde treten können. Mit der Bedeutung des ekklesiologischen Aspekts korrespondiert bei Höring die Sachfrage nach dem Gottesbild. Problematisch erscheint seine Sichtweise, nach der die Firmung erst sekundär die Zugehörigkeit zu Jesus Christus und zur Universalkirche mit begründet. Auch die Geistmitteilung, die Teilhabe an der Würde Christi und die Gleichgestaltung mit Christus in der Firmung sind dem Ziel der Eingliederung in die konkrete kirchliche Gemeinschaft vor Ort untergeordnet. Eine gewisse Spannung zeigt sich auch in den Ausführungen, die dem Passageritual zugeordnet werden: für Höring bietet die Firmung eigentlich keine Initiationschance, die Firmung ist von einer Spannung zwischen individuellem Verständnis der Firmanden, Erwartungen auf der Seite der Katecheten und der Unattraktivität der Gemeinde für die Firmanden gekennzeichnet. Das zu wählende Alter für die Spendung der Firmung ist für ihn mit 16/17 Jahren wegen der Ausbildung kognitiver und affektiver Fähigkeiten gegeben. Firmung ist ein Zuspruch und ein Anspruch, das beinhaltet auch Gabe und Aufgabe, indem sie anamnetisch an Taufe und Geistmitteilung erinnert und epikletisch um den Heiligen Geist bittet. Im Glaubensleben muss das Geistgeschehen personal angeeignet werden können, ausreichende Toleranz für nicht-Gefirmte muss gegeben sein. Firmung ist Mündigkeit zur Eingliederung in die Kirche, ein Topos, der der Biographie zugeordnet ist, wie auch die Frage nach dem theologischen Sinn der Einheit der Initiationssakramente und der anthropologischen Frage nach dem richtigen Lebensalter.