Firmung Jugendlicher im interdisziplinären Diskurs

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Tabelle 7: Firmung bei Patrik C. Höring und Sachthemen


Firmung ist in der Sicht Patrik C. Hörings…Sachthemen
- …Zuspruch und Anspruch (vermutlich nach Emeis)- …mit Fragen der Firmanden nach Gott, Kirche und Religion verbundenKommunikation
- …ein dynamisches Geschehen, in dem auch Christen angesprochen werden, die sonst kaum mit der Gemeinde in Kontakt kommen- …Stärkung im Glauben und Eingliederung in die Kirche. Weniger entscheidend sind für Firmanden materielle Gründe- …primär eine Eingliederung in die konkrete Gemeinde- …auf den ekklesiologischen Aspekt hin konzipiert. Es geht um Eingliederung, Stärkung, Sendung und die Verpflichtung dazuGemeinschaft
- …erst sekundär Zugehörigkeit zu Jesus Christus und zur universalkirche- …Geistmitteilung, Teilhabe an der Würde Christi, Gleichgestaltung mit Christus mit dem Ziel der Eingliederung in die kirchliche GemeinschaftGottesbild
- …geprägt von der Spannung zwischen dem individuellem Verständnis der Firmung, den Erwartungen auf der Seite der Katecheten und Katechetinnen und der Unattraktivität der Gemeinde für die Firmanden (Trilemma)- …ein Sakrament, das eigentlich keine Initiationschance bietetPassageritual
- …auf kein bestimmtes Alter festzulegen. Zu bevorzugen wäre wegen der Ausbildung kognitiver und affektiver Fähigkeiten ein Alter von 16/17 JahrenAlter
- …Zuspruch, also Erinnerung an Taufe und Geistmitteilung (anamnetisch)- …Anspruch, also Bitte um den Heiligen Geist und SendungGabe und Aufgabe
- …personale Aneignung eines Geistesgeschens (nach Küng)- …ein Sakrament, das „ausreichend Toleranz gegenüber der innerkirchlichen Pluralität“ erfordert (‚nur Getaufte’ und ‚schon Gefirmte’)Glaubensleben
- …getrennt von Taufe und Erstkommunion→theologisch:Frage nach der Einheit der Initiationssakramente→anthropologisch:Frage nach dem Lebensalter- …Erwachsenwerden im Glauben, Mündigkeit zur Eingliederung in die KircheBiographie

1.5.4 Firmung in Lothar Lies’ eulogischer Struktur

Anamnese und Epiklese gehören in der Theologie Lothar Lies’ zu einer eulogischen Struktur, die er zur Grundlage seiner Ausführungen über die Sakramente gemacht hat380. Dabei möchte Lies die eulogische Struktur jedes Sakramentes, und damit auch der Firmung, sowohl anthropologisch als auch trinitätstheologisch wie christologisch und ekklesiologisch verorten und die Beziehung zur Eucharistie deutlich hervorheben.

Für Lies zeigt sich, dass der Mensch als geschichtliches Wesen auf Anamnese (Erinnerung) angewiesen ist, Kontingenzerfahrungen führten zu einer existenziellen Epiklese (einer Bitte). Er erfährt sich als gemeinschaftlich verfasstes Wesen (Koinonia) und ist in seinem Einsatz für andere existenziell ein Hingegebener (Prosphora)381. Diese vier Elemente bestimmen für Lies den Menschen und weisen auf existentielle Fragen des Menschen hin. Der Mensch wird dadurch sogar selbst zu einem Segenssymbol, weil die vier Elemente letztlich auf die Feier der Eucharistie verwiesen sind. Dies gilt nicht nur für den Menschen als Einzelnen, es gilt auch für die Gemeinschaft von Menschen und für Lies’ Verständnis von Person: „Person nennen wir nämlich jene Freiheit, die einer anderen Person (Freiheit) in sich Lebensraum und Stimme gewähren kann; und umgekehrt“382. Freiheitliche Begegnung kennzeichnet damit das Zueinander von Personen und zwar „ohne jegliche theologische Ausrichtung“383. Dies soll allerdings nicht den Verzicht auf eine theologische Valenz alltäglicher, situationsbedingter Gegebenheiten kennzeichnen, denn für Lies zeigt sich in der Anamnese als existentiellem Vollzug gemeinschaftlich verfasster Geschichte und Wirklichkeit „ein Vollzug von Perichorese384: Wenn Gesellschaften innehalten und wenn Menschen freiheitlich in Beziehung miteinander treten, dann entsteht Raum für den jeweils anderen, der einer Person freiheitlich begegnet. Perichorese, freiheitliche Verfasstheit, Beziehung und der Symbolcharakter der Anwesenheit anderer Personen sind für Lies letztlich bereits in seinem Verständnis der Person verankert. Ebenso vollzieht sich in freiheitlich angelegten Gesellschaften die Zusage eines Platzes, eines Raumes zum Leben in Epiklese (Bitte) und Eucharistie (Dank). Diese freiheitliche Beziehung gewährt auch Gott den Menschen, deshalb sind Sakramente „Symbole, in denen der Mensch Gottes frei gewährte Barmherzigkeit anfleht, und erbittet und ihr zugleich dankt“385. Wenn dann auch die existenzielle Gemeinschaft und die gegenseitige Hingabe die Freiräume schenken und ausbauen, in denen menschliches Leben und persönliche Freiheit gewährt wird und sich dies auch in den Sakramenten zeigt, dann wird vollends klar, dass eine einseitige Trennung von anthropologischen und theologischen Zugängen zum Personsein und zu den Sakramenten auszuschließen ist. Aus dieser Beziehung Gottes zu den Menschen, die eine freiheitliche Begegnung darstellt, folgt nach Lies für die Sakramente:

„Sakramente sind Segensereignisse Gottes gegenüber den Menschen und der Menschen gegenüber Gott, in denen der dreifaltige Gott, also Gott in Gemeinschaft und der Mensch in Gemeinschaft sich in anamnetischer, epikletischer, koinotischer und prosphoretischer Weise vereinen, indem der dreifaltige Gott in anthropologischen Begegnungssymbole annimmt, darin gegenwärtig wird und den Menschen in seine inntertrinitarische Liebe aufnimmt. […] Immer dort, wo der himmlische Vater in Christus und im Heiligen Geist den Menschen in Gemeinschaft begegnen, dort ist und wird Kirche. Damit wird die sakramentliche Feier eine Segensfeier und sakramentlichen Elemente wie Wasser, Brot, öl etc. Segenselemente. Aus dieser Begegnung gehen der dreifaltige Gott und der Mensch in Gemeinschaft als Gesegnete hervor“386.

Die eulogische Struktur von Anamnese, Epiklese, Koinonia und Prosphora benutzt Lies zur Beschreibung der Trinität, Jesu Christi, der Kirche und der Eucharistie387. Darüber hinaus ließe sich sicherlich auch eine pneumatologische eulogische Stuktur nachweisen, in der der Heilige Geist als segensreicher und Freiheit schenkender Beistand interpretiert werden könnte. In einigen dogmatischen Untersuchungen, die sich der Entfaltung einer Firmtheologie verpflichtet wissen wie zum Beispiel bei Hilberath, zeigt sich nämlich eine deutliche prosphoretische Ausrichtung auf den Heiligen Geist, in denen die Betonung sehr stark auf die Hingabe und das persönliche Aussetzen an das Wirken des Heiligen Geistes gelegt wird388. Worauf es Lies ankommt, und was seine Sakramententheologie gerade für die Auseinandersetzung mit der Firmung so interessant macht, ist das, was Evgeny Pilipenko als Leitmotiv der Sakramententheologie Lies’ bezeichnet hat. Es gehe nämlich um „eine geistigleiblich Erscheinung des partnerschaftlich Personalen389. In diesem Kontext versteht Lies die Sakramente als „Symbole bestimmter Lebenssituationen […], in die hinein Gott sich mitteilt und in denen die Menschen sich Gott übergeben“390. Deshalb vereindeutige „Gott existentielle Symbole des Menschen zu Heilszeichen. Ihnen kommt damit eine doppelte Wirksamkeit zu: die der Symbole und die des Heils“391. Diese existentiellen Symbole wie Partnerschaft und Personalität im alltäglichen Leben zu erklären und ihre Bedeutung zu erschließen, ist ein Teil dessen, was Vorbereitung auf Sakramente leisten muss. Dazu gehört nach der Theologie Lies’ aber auch, dass die Bedeutung dieser Symbole für die Wirksamkeit des in Jesus Christus angebotenen Heils von Gott zu kommunizieren ist. Schließlich wird von Lies ja ein einseitig anthropologischer wie auch ein einseitig theologischer Zugang auf die Themen Person und Sakramente abgelehnt.

Für die Firmung bedeutet dies, dass Lies das Sakrament zunächst in seinen theologischen Dimensionen untersucht392. 1) Als anthropologische Symbol-Wirklichkeit stehen die Gedanken der Stärkung und der Mündigkeit im Mittelpunkt. Die Firmung erscheint hier als Besiegelung der Taufe und als Sakrament der Mündigkeit des Christen zu einer freiheitlichen Begegnung mit Gott, die zwar von Gott ermöglicht wird, die aber die persönlichen Eigenschaften eines Menschen integriert. 2) In der trinitarischen Symbol-Wirklichkeit entfaltet sich das Sakrament der Firmung darin, dass den Menschen aufgegeben und mitgegeben ist „die innere Einheit des einzelnen Menschen und der Menschengemeinschaft im dreifaltigen Gott auch in der Welt sichtbar zu machen“393. Gerade diese Beziehung zu Gott ist es, durch die der Mensch weiter zur freiheitlichen Begegnung mit Gott aufgerufen ist und die den Gefirmten zugesagt ist. 3) In christologischer Symbol-Wirklichkeit eröffnet sich die Perspektive, dass Christus der Kirche den Heiligen Geist verheißen und gesandt hat. Dieser Geist vertieft das allgemeine Priestertum aller Gläubigen, Lies spricht vom allgemeinen Christusamt, und das bedeutet dann so viel wie: „Sündenvergebung und unerschütterlicher Glaube“394. Der Akt der Salbung zeigt für Lies besonders, dass in der Firmung etwas Eigenes geschieht: Die Getauften sind Christus gleichgestaltet. In der Firmung werden Getaufte zu Gesalbten und das heißt, zu Christen: „Die Verwandtschaft von Christus und den Christen ist in der Salbung durch den Heiligen Geist begründet“395. Damit erscheint die Firmung als notwendige Besiegelung der Taufe396 und christliches Leben oder die freiheitliche Beziehung zu Gott als ein wesentlicher Beitrag des Sakramentes der Firmung. Der Verweis auf Mündigkeit oder eine freiheitliches Ja zum Glauben, das in der Taufe begründet ist, ist damit völlig aus dem Gedankenraster verschwunden: wer zu Christus gehört ist vielmehr Getaufter und Gefirmter. 4) Die Firmung entfaltet auch eine ekklesiologische Symbol-Wirklichkeit, weil Sakramente zum Aufbau der Kirche dienen und im Merkmal der Firmung der Kirche zugesagt ist, dass der Geist Gottes die Kirche nicht verlässt. Damit gibt es aber auch eine wechselseitige Beziehung: wenn die Kirche im Laufe ihrer Geschichte die Sakramente tiefer verstehen lernt und diese Sakramente auch gestaltet, dann wirkt sie selbst als Ganze auf die einzelnen Sakramente ein, die wiederum der Kirche zu ihrem Aufbau mit auf den Weg gegeben sind. 5) In eucharistischer Symbol-Wirklichkeit zeigt sich, dass der Heilige Geist nicht nur in der Firmung wirkt. Er ist es auch, der „in der Eucharistiefeier und in den eucharistischen Gestalten von Brot und Wein die Christusgegenwart“397 bewirkt. In der Hingabe an Gott wird das Opfer des Lobes dargebracht und in dieser Darbringung wandelt der Geist die Christen in Christus hinein. Damit vertieft die Eucharstiefeier die Beziehung der Getauften und Gefirmten zu dem dreifaltigen Gott, es geschieht eine gegenseitige Durchdringung, in der die freiheitliche Verfasstheit gewahrt bleibt.

 

Der Sinngehalt der Eucharistie soll auch im Sakrament der Firmung deutlich werden, deshalb untersucht Lies die Firmung in ihrer eulogischen Struktur als Segensgeschehen398. 1) Die Firmung ist Anamnese, Erinnerung, weil schon die Salbung dem Menschen Gebrechlichkeit und Unschönheit in Erinnerung ruft und Jesus Christus, den Messias, den Gesalbten und Geistträger ins Bewusstsein bringt. Die Firmung frischt das Gedenken an die Taufe auf und weist zurück auf das Pfingstgeschehen und auf Christi Tod am Kreuz. Anamnetisch wirksam ist die Firmung auch als ein Geschehen, das auf die Wandlungskraft des Heiligen Geistes hinweist, der „im getauften Menschen wirkt und ihn zur Neuen Schöpfung vollenden wird“399. Aufgefrischt wird auch das allgemeine Priestertum, das in der Feier der Eucharistie Gott dankt. Gott zu loben und zu preisen, ist für Lies nur durch den Heiligen Geist möglich und zwar im allgemeinen Priestertum aller Gläubigen. Während die Handauflegung selbst für Lies keine größere Rolle zu spielen scheint, verweist er auch auf den Spender der Firmung und die damit verbundene Gegenwart des hierarchischen Priestertums. Damit weist die Firmung auf das Zueinander von allgemeinem Priestertum aller Gläubigen und dem hierarchischen Priestertum, Lies spricht von dem geisterfüllten apostolischen Amt des Bischofs und „der allgemeinen Geistbegabung der Getauften“400, hin. Die Firmung erinnert somit nicht nur an die persönliche Vergangenheit und an die Vergangenheit der Geschichte Gottes mit seinem Volk, sie ruft auch die Verheißung ins Gedächtnis, die der Kirche und jedem / jeder Einzelnen mit auf den Weg gegeben ist und aktiviert so einen Ausblick auf die Zukunft: „Im Zeichen des Kreuzes erinnert der Ritus der Geistbesiegelung an jene Ereignisse im Leben des Mensch gewordenen Gottessohnes, die in seinem Tod kulminieren und für die Sendung des Geistes zu unserem Heil bedeutsam waren“401.

2) Die Firmung ist aber auch Epiklese, Bitte: „Sie entspricht der Grunderfahrung des Menschen, nichts in Händen zu halten, die Liebe Gottes zu erzwingen“402. Firmung ist also auch eine flehentliche Bitte um das Kommen des Heiligen Geistes und zwar zunächst für den Firmanden selbst, dem in seinem persönlichen Leben Gottes Geist zugesprochen wird und für die Kirche, die Gemeinde, die um die Gabe des Heiligen Geistes zur Christusgestaltung der Getauften – und damit der Kirche – bittet. Hier kommt nun auch die Handauflegung ins Spiel, mehr noch als dies aber die Handausbreitung in der Orantenhaltung seitens des Bischofs: „Die Epiklese fleht demnach um die Vollendung unseres allgemeinen Priesterseins“403.

3) Die Firmung ist Koinonia, Gemeinschaft, und zwar zwischen Gott, dem Dreifaltigen, und den Menschen. Die trinitarische Dimension der Sakramente wirkt auch in der Firmung ein Hineinnehmen in das Leben Gottes. Diese Gemeinschaft besteht aber nicht nur in vertikaler Perspektive zwischen Gott und Mensch, sie verbindet auch die Getauften aller Zeiten diachron und synchron und schafft so eine Gemeinschaft, die von der Zeugenschaft für Christus und dem Heiligen Geist geprägt ist. Als „eschatologische Heilsgemeinde“404 verweist die Gemeinschaft auch auf das Ziel der gesamten Schöpfung. Die Firmung steht somit in einer Beziehung zu den vier Kirchenattributen Einigkeit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität, die der Gemeinschaft der Gläubigen wieder neu den mitgegebenen Zuspruch Gottes verdeutlichen. Die Firmung baut damit als Sakrament die Kirche auf, indem der Geist, den die Apostel empfingen auch heute den Firmanden mit auf den Weg gegeben wird. Die Kirche wird somit auf ihren apostolischen Ursprung zurückverwiesen, als apostolische und eschatologische Gemeinschaft. „Wie dieser Heilige Geist in der Firmung die Gemeinschaft der Getauften tiefer in den Tod und das Sterben Christi einführt, so führt der gleiche Heilige Geist auch hin zur Erlangung der Herrlichkeit des auferstandenen Christus (Röm 8, 12-17). Wie gesagt, diese eschatologische Ausrichtung begründet der Heilige Geist schon hier, indem er in das Werk und die Person Christi einführt“405. Die Koinonia ist deshalb eine synchrone, diachrone, apostolische und eschatologische Gemeinschaft. Durch die Ausrichtung auf Christus ist sie mit der Freiheit der Kinder Gottes begabt, das heißt für Lies: Sünde und Egoismus haben in ihr keinen Platz, Offenheit für Menschen, neue Erkenntnisse und die Bereitschaft, Aufgaben zu übernehmen, sind gefragt. Frei sind Christen, wenn sie im Heiligen Geist mit Christus verbunden sind und so mit dem Gekreuzigten, der die Christinnen und Christen an seiner Auferstehung teilhaben lässt. Das bedeutet nicht, dass Kontingenzerfahrungen Menschen zum Glauben führen. Es bedeutet für Lies lediglich, dass der dreieine Gott in der freiheitlichen Begegnung Menschen Freiheit und Personsein ermöglicht.

4) Firmung ist auch Prosphora, Darbringung oder auch Verherrlichung Gottes. Der Opfercharakter der Firmung besteht für Lies darin, dass den Gefirmten die Sendung des Geistes gegeben wird, die Lebensführung soll all das ausdrücken, was Gott hingetragen wurde, und was Gott den Gefirmten angetragen hat, nämlich die Hingabe an Christus. Insofern muss die Firmung nicht nur als Zuspruch und Anspruch, sondern auch als Zu-mutung verstanden werden.

Im Sakrament der Firmung können nach Lies alle Beziehungen Gottes zum Menschen integriert werden (trinitarisch, christologisch, ekklesiologisch und eucharistisch) und es zeigen sich die eucharistischen Merkmale eine eulogischen Struktur (anamnetisch, epikletisch, koinotisch und prosphoretisch). Die Firmung ist dabei kein Sakrament, das nur einseitig das allgemeine Priestertum charakterisieren würde, es ist vielmehr die Beziehung zwischen hierarchischem und allgemeinen Priestertum, die sich in der Person des Bischofs, der die Firmung spendet, zeigt. So „feiert [die Firmung] die Aktualpräsenz des den Heiligen Geist spendenden erhöhten Christus“406.

Die Treue Gottes zu seinem Volk zeigt sich nicht nur in der persönlichen oder kirchlichen Erinnerung und der synchronen, diachronen, apostolischen und eschatologischen Gemeinschaft der Kirche. Es ist die Gabe des Heiligen Geistes, der der Kirche und jedem Firmanden für das persönliche Leben zugesagt und zugesprochen wird. In dieser Weise entsteht und vertieft sich die freiheitliche Beziehung zu Gott, die in der Taufe Grund gelegt ist. Besiegelt wird in der Firmung das allgemeine Priestertum, in dem die Christen Gott Dank sagen können und Eucharistie feiern, aber auch ihre Bitten vor den Geber aller Gaben tragen. Zuspruch und Anspruch, Initiation und Mündigkeit sind somit Elemente, die die Eigenart des Sakramentes der Firmung beschreiben. Sie können allerdings nicht gegeneinander gestellt werden, weil so die Einheit des Sakramentes nicht mehr deutlich werden würde und die Auswahl eines einzelnen Elementes der Firmung sich auf das Sakrament als ganzes auswirken würde. In der persönlichen, freiheitlichen Begegnung des Menschen mit Gott und umgekehrt Gottes mit dem Menschen kann eine Grundlage für eine einheitliche Sichtweise der Firmung gesehen werden, die nach verschiedenen Seiten hin entfaltet werden kann. Grundlegend für die Firmung wäre dann aber, dass sie nicht zunächst in Dienst nimmt oder den Getauften initiiert, sondern dass sie zur Freiheit schenkenden Beziehung zu Gott gehört. Erinnerung (Anamnese) und Anspruch, Bitte (Epiklese) können dann nicht einzeln untersucht werden, sie gehören mit ihren jeweiligen Akzenten in die Geschichte Gottes mit seiner Kirche und mit den Menschen hinein.

Dass die Sichtweise Lies’ alles andere als unproblematisch ist, zeigt sich, wenn man an die Theodizeeproblematik erinnert. Das Streiten mit Gott ist zwar in einer freiheitlich angelegten Beziehung prinzipiell möglich, erhält aber wenig Raum, wenn man bedenkt, dass der Gläubige in das Leben des dreieinen Gottes mit hinein genommen werden soll. Dabei sind gerade auch Erinnerungen und flehentliches Bitten (Anamnese und Epiklese) Orte, an denen Gottes Ferne oder seine unverständlichkeit deutlich greifbar werden. Nicht einmal die bemerkenswerte Bezeichnung Israels als Gottesstreiter in Gen 32, 23-30 wird hier richtig verständlich. Dabei ist die Frage nach der Theodizee in Lies’ spirituellem Denken grundsätzlich mitbedacht407, verbunden mit einem deutlich christologischen Sinn, der Christus als den Weg und das Leben kennzeichnet, das von Gott Vater her den Menschen mitgeteilt wird. Der Heilige Geist findet an dieser Stelle allerdings keine Erwähnung.

In der folgenden Tabelle sollen wichtige Aspekte der Firmtheologie Lothar Lies’ zusammengefasst und den einzelnen Sachthemen zugeordnet werden. Dabei zeigt sich folgendes: Gottes Barmherzigkeit zu erflehen, zu erbitten und dafür zu danken ist ein klares kommunikatives Element in der Firmtheologie Lies’. Damit hängen für ihn Biographie und Glaubensleben zusammen. Biographisch bedeutsam ist die Firmung, weil sie ein Symbol einer bestimmten Lebenssituation verortet ist und die Getauften in Gefirmte wandelt. Für das Glaubensleben ist die Firmung bedeutsam, weil sie von der freiheitlichen Begegnung des Menschen und Gottes ausgeht. Ebenso hängen für Lies die Gemeinschaft und das Gottesbild zusammen. Die Firmung ist nämlich eine Zusage, dass Gottes Geist die Kirche nicht verlässt, die Erinnerung an die Vergangenheit Gottes mit seinem Volk und die Christusgestaltung der ganzen Kirche, wie sich am Zueinander von allgemeinem und hierarchischen Priesteramt in der Firmung zeigt. Gabe und Aufgabe werden in der Firmung gegeben, indem sie stärkt, die Taufe besiegelt und zur Mündigkeit zu einer freiheitlichen Beziehung zu Gott führt. Gefirmte haben deshalb die Gabe und die Aufgabe, die Einheit aller Menschen mit dem dreifaltigen Gott sichtbar zu machen, dafür wird ihr allgemeines Priesteramt vertieft. Für Lies ist der Firmritus besonders bedeutsam durch die Salbung und die Orantenhaltung des Bischofs. Dies lässt sich in der Tabelle folgendermaßen darstellen:

Tabelle 8: Firmung bei Lothar Lies und Sachthemen


Firmung ist in der Sichtweise Lothar Lies’…Sachthemen
- …ein Sakrament, ein Symbol, in dem der Mensch Gottes frei gewährte Barmherzigkeit anfleht, erbittet und ihr zugleich danktKommunikation
- …ein Symbol einer bestimmten Lebenssituation, in die Gott sich mitteilt und Menschen sich Gott übergeben- …Zeichen der Wandlungsfähigkeit des Heiligen Geistes, der Getaufte Mensch wird zur Neuen Schöpfung vollendetBiographie
- …nur in der freiheitlichen Begegnung des Menschen und Gottes zu verankern. Einseitige theologische und anthropologische Zugänge werden abgelehntGlaubensleben
- …Zusage an die Kirche, dass der Geist Gottes sie nicht verlässt- …Zu- und Miteinander von allgemeinem und hierarchischem Priestertum- …Erinnerung an die Vergangenheit der Geschichte Gottes mit seinem Volk und Verheißung- …Christusgestaltung der ganzen Kirche, nicht nur der FirmandenGemeinschaft
- …eine Wandlung der Christen in Christus hineinGottesbild
- … Stärkung, Besiegelung der Taufe und Mündigkeit zur freiheitlichen Beziehung mit Gott- …Aufgabe und Gabe, die innere Einheit des/aller Menschen mit dem dreifaltigen Gott sichtbar zu machen- …Vertiefung des allgemeinen Priesteramts: Getaufte werden zu GesalbtenGabe und Aufgabe
- …Salbung und damit Erinnerung an Gebrechlichkeit und an Jesus Christus, den Messias- …flehentliche Bitte, ausgedrückt in der Orantenhaltung des BischofsPassageritual
Keine AngabenAlter

1.6 Ein Blick auf die Konfirmation – Übereinstimmungen und Unterschiede zu den Sachfragen zur Firmung

 

An einer der Firmung in der katholischen Kirche ähnlichen Schnittstelle zwischen dem Leben der Jugendlichen und dem kirchlichem Handeln ist die Konfirmation in den evangelischen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften angesiedelt408. Häufig werden als Grundcharakteristika der Konfirmation auch von evangelischer Seite die Beziehung zur Taufe, die Aufnahme in die Gemeinschaft der Gemeinde und eine gewisse Art von Selbstentscheidung für den christlichen Glauben genannt409. Die Sachfragen Biographie, Gemeinschaft, Gottesbild, Gabe und Aufgabe, Glaubensleben, Kommunikation, Passageritual und Alter spielen daher auch bei der Konfirmation eine Rolle. Da die Konfirmation aber nicht als Sakrament verstanden wird, sind hier einige Akzentverschiebungen zu beobachten.

Obwohl sich die Konfirmation aus der Ablehnung der Firmung als Sakrament von Seiten der Reformatoren entwickelt hat410, finden sich viele Übereinstimmungen mit den theologischen Aussagen zur Firmung. Dies gilt vor allem für die Kategorien Biographie, Glaubensleben, Gemeinschaft, Gabe und Aufgabe sowie Gottesbild und Alter.

Es scheint gegenwärtig Einigkeit darüber zu herrschen, dass die Hauptursachen für die Entstehung der Konfirmation in einer befürchteten Abwertung der Taufe411 und in der fehlenden oder als ungenügend betrachteten biblischen Begründung der Firmung als Sakrament412 zu finden sind. Die historischen Wurzeln dafür reichen allerdings deutlich tiefer. Bereits die Katharer und die Waldenser hätten die Firmung als Sakrament abgelehnt und eine Art Ritus für die ihrer Gemeinschaft neu Beigetretenen geschaffen, der zum Teil an eine intellektuelle Unterweisung und an eine Art von katechetischem Unterricht geknüpft war. In späterer Zeit wird dann auch die Bewegung des Humanismus mit seinem Bildungsideal für eine pädagogische und psychologische Weiterentwicklung der Firmung verantwortlich gemacht413. Dass die katholische Auffassung von Taufe und Firmung von einigen evangelischen und katholischen Theologen im zu Ende gehenden 20. Jahrhundert als nicht kirchentrennend gekennzeichnet wurde414, führte auch zu der Feststellung der Deutschen Bischofskonferenz, dass mit der Firmung „mehr als nur eine Bekräftigung der Taufverheißung [verbunden ist.] Sie ist eine eigene, als sakramental im vollen Sinn zu bezeichnende Initiative Christi und des Heiligen Geistes“415. Lothar Lies kommt deshalb in seinem Grundkurs ökumenische Theologie zu dem Schluss: „Die Einsetzung der beiden ‚Sacramenta maiora’, d.h. Taufe und Eucharistie ist unter allen Dialogpartnern unbestritten. Nicht konsensfähig ist die Lehre von den anderen Sakramenten, den ‚sacramenta minora’“416.

Zwischen den einzelnen Landeskirchen in der Bundesrepublik Deutschland existiert kein einheitliches Verständnis darüber, was Konfirmation und Konfirmandenarbeit oder –unterricht ist. Die Richtlinien zur Konfirmation werden von den einzelnen Landeskirchen erlassen und deren Umsetzung wiederum von den einzelnen Gemeinden verantwortet417. Unter den Ausprägungen und Aufgaben, die mit der Konfirmation traditionell verbunden wurden, nennt der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland: „Rechenschaft über empfangene Glaubensunterweisung, Eröffnung des Zugangs zum Altarsakrament (admissio), segnende Bestätigung und Bekräftigung in dem mit der Taufe geschenkten Christsein, persönlich übernommenes Glaubensbekenntnis, Treuegelöbnis inmitten der Glaubensgemeinschaft, Zuerkennung christlicher Mündigkeit und kirchlicher Rechte, Fürbitte für den weiteren Lebensweg“418. Entscheidende Elemente der Konfirmation sind somit die Zulassung zum Abendmahl, die katechetische Unterweisung im Taufglauben, die häufig auch unter Verwendung des Katechismus abgefragt wurde und der Segen, der jedem Konfirmanden in seiner persönlichen Situation zugesprochen wird und für die Zukunft erbeten wird.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden anthropologische Daten aber auch soziale Funktionen der Konfirmation genauer untersucht und in den Mittelpunkt der Überlegungen gestellt. Dadurch kamen neue Gedanken in der Konfirmationsarbeit zum Tragen, die sich auf den Lebenszyklus der Konfirmanden bezogen und die den Passageritus der Konfirmation thematisierten419. Diese Faktoren sollten dabei „unabhängig von der ekklesiologisch-pädagogischen Sinngebung des Konfirmationsaktes“420 gedeutet werden.

Die Konfirmation findet in den evangelischen Landeskirchen Deutschland meistens statt, wenn die Jugendlichen 14 Jahre alt sind421. Dieses Alter markiert nach Meinung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland allerdings nicht mehr einen Übergang, denn das Jugendalter beginnt in der Regel vor dem 15. Lebensjahr und das Erwachsenenalter beginnt zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt. Eine Ablösung vom Elternhaus ist in diesem Alter ebenso wenig zu beobachten wie eine beginnende berufliche Selbständigkeit: „eine Statuspassage liegt also nicht (mehr) vor […] Eher ist an die anhaltende Erfahrung des Nichtmehr-Kind-Seins zu denken, an die körperlichen, psychischen und sozialen Veränderungen, die Zeit des Wandels überhaupt“422. Im Unterschied dazu machen Friedrich Schweitzer und Birgit Weyel darauf aufmerksam, dass in der Erhebung der Evangelischen Kirche Deutschlands über die Kirchenmitgliedschaft die Konfirmation als feierlicher Abschluss der Kindheit und Beginn eines neuen Lebensabschnittes im Jahr 1992 65% Zustimmung in den westdeutschen und 80% in den ostdeutschen Bundesländern erhielt, im Jahr 2002 waren es 66% in den westdeutschen und 72% in den ostdeutschen Bundesländern423. Eine einheitliche Sichtweise auf die Spezifika des Alters wird somit kaum möglich sein. Das wird dadurch noch verschärft, dass im Jahr 1992 nur 55% der Befragten im Alter von 14-17 Jahren angaben, die Konfirmation sei für sie Abschluss der Kindheit und Übergangsritual, jedoch in der selben Umfrage 74% der über 60-Jährigen genau dies bestätigte424.

Eine große Mehrheit der Befragten ist damit der Ansicht, mit der Konfirmation wäre ein Übergang, eine lebensgeschichtliche Wende, gegeben. Die anthropologischen und sozialen Faktoren erhielten im Lauf der Zeit immer mehr Bedeutung in den systematischen und katechetischen Auseinandersetzungen mit der Konfirmation. Darüber hinaus stellte sich aber die Frage, wie diese beiden Größen miteinander ins Gespräch zu bringen seien425. Dabei hat Birgit Weyel eine theologische Interpretation und Konturierung der biographischen Bedingungen, die Jugendliche erleben, vorgeschlagen und eingefordert: Die Konfirmation ist für sie zuerst eine punktuelle gottesdienstliche Handlung, die zur biographischen Strukturierung beitragen soll. Der Rückblick und das erwartungsvolle Ausschauen auf die persönliche Zukunft, die komplexen Beziehungen im Jugendalter und die Zusicherung von Akzeptanz, sind auf die „Zusage unbedingter Gnade durch den Schöpfer und Erlöser zu beziehen“426. Gerade die Wünsche und Träume Jugendlicher aber auch die Aufgaben und Anforderungen im alltäglichen Leben könnten verstörend und beängstigend auf Jugendliche wirken. In der Konfirmation würde den Jugendlichen in diese Situation die Gabe des Lebens von Gott zugesprochen ebenso wie die Hoffnung darauf, dass das Leben gelingen kann und von Gott mit seinem Segen begleitet wird. Der / die Jugendliche wird somit mit den eigenen Erfahrungen, Hoffnungen und Ahnungen vom Leben nicht alleine gelassen und nur auf die jeweils eigenen Fähigkeiten verwiesen, das Leben zu meistern; diese werden vielmehr in Fürbitten und Gebeten ins Wort gefasst und versprachlicht. Dies geschieht in der Rückschau auf die Heilszusage Gottes und in der Vorausschau auf die Bedeutung der zugesagten Liebe Gottes für das persönliche Leben.

Nach Weyels Ansicht geschieht in der Konfirmation eine Repräsentation der Heilsgeschichte Gottes mit seinem Volk (der Vergangenheit) und der heilvollen Zukunft, die Gott für das persönliche Leben anbietet (der Zukunft). Mit den Worten Lothar Lies’ könnte man auch von Anamnese und Epiklese sprechen, die hier thematisiert werden. Dabei rückt bei Weyel die Konfirmation stark an ein Ritual heran, das seine Stärken gerade durch den Vergleich mit anderen Ritualen wie der Jugendweihe herausstellen kann427. Christliches Denken und Handeln braucht nach ihrer Ansicht den Verglich mit anderen weltanschaulichen Handlungen nicht zu fürchten. Im Gegenteil: durch eine deutliche Herausstellung der christlichen Spezifika wäre sogar eine deutliche Überlegenheit christlicher Werte und Handlungen wie der Konfirmation gegenüber der Jugendweihe festzustellen: Wo der Mensch in einem humanen Kontext letztlich auf seine selbst geschaffenen Werte und die eigenen Möglichkeiten zurückgeworfen würde, stelle ihn der christliche Glaube in die Beziehung zu einem persönlichen Gegenüber, nämlich Gott. Hier zeigt sich das Problem, wenn Geltungsansprüche der eigenen religiösen Tradition gegenüber Vertretern anderer Geltungsansprüche als überlegen charakterisiert werden: eine auf Verständigung hin orientierte Kommunikationspraxis wie sie Edmund Arens beschreibt428, wird dadurch zumindest erschwert.

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