Bildethik

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2.3 Bild und Text

‚Bild schlägt Wort‘ ist die prägnante Bezeichnung einer These, die behauptet, dass die visuellen Eindrücke das gesprochene Wort dominieren und die Erinnerungsleistung von Medieninhalten stärker durch das Bild als durch den Text geprägt wird. Die Metapher der sogenannten Text-Bild-Schere besagt, dass die Aufnahmen z. B. beim Fernsehkonsum einen stärkeren Eindruck hinterlassen als der gesprochene Text. Ursprünglich sollten die Bilder nur unterstützend dazu beitragen, dass der Text besser verstanden wird. In empirischen Experimenten, bei denen TV-Magazinbeiträge rezipiert wurden, hat sich herausgestellt, dass sich die Aufmerksamkeit der Rezipienten stärker auf die gezeigten Bewegtbilder gerichtet haben als auf die Worte im Film. Die bildlichen Eindrücke konnten besser behalten werden als die Wortbeiträge. Dies galt besonders dann, wenn es keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Wort und Bild gab. Dann erinnerten sich die Zuschauer häufig kaum an den Text, während der Inhalt der Bilder gut behalten wurde. Dennoch fühlte sich das Publikum subjektiv gut informiert. Insofern war hier auch eine Schere in Bezug auf die Wahrnehmung zu konstatieren (vgl. Wember 1991).

In der Entwicklung des Menschen ist vor der Sprache zunächst die visuelle Wahrnehmung ausgeprägt. Berger (1996, S. 7) formuliert diese Tatsache wie folgt: „Sehen kommt vor Sprechen. Kinder sehen und erkennen, bevor sie sprechen können.“ Dabei folgt die Informationsaufnahme unmittelbar: „Bilder sind schnelle Medien, viel schneller als Worte. Denn sie können uns einen komplexen Sachverhalt sehr direkt vermitteln, ohne wirklich viel erklären zu müssen.“ (Doswald 2002, S. 7)

Visuelle Kommunikation ist für die effektive Verarbeitung von Informationen zentral. Bilder lassen sich schneller wahrnehmen als verbale Botschaften. Sie erfordern eine geringere kognitive Anstrengung und können gut erinnert werden. In diesem Kontext wird von einem „Bildüberlegenheitseffekt (Picture Superiority Effect)“ (Bernhardt/Liebhardt 2020, S. 20) ausgegangen.

Die Präsentation mit Bildern ist deshalb eingängiger als sprachliche Kommunikation, weil die in ihr enthaltene Interpretation des Geschehens nicht ohne weiteres widerspruchsfähig ist. Bilder erwecken hingegen den Eindruck einer unmittelbaren Wirklichkeitswiedergabe.

Die Logik der Texte unterscheidet sich von der Logik der Bilder, da die Textlogik argumentativ und die Bildlogik assoziativ verläuft. Bild und Text sind deshalb aber nicht zwingend konkurrierende menschliche Ausdrucksformen, da sie sich wechselseitig aufeinander beziehen können und demzufolge für die Erfassung des Gesamtzusammenhangs voneinander abhängig sind (vgl. Müller/Geise 2003, Schicha/Vaih-Bauer 2015). Im Bild werden sämtliche visuellen Elemente gleichzeitig erfasst, während die sprachliche Schilderung „Handlungsakte und Ereignisse einer Geschichte nacheinander erzählt“ (vgl. Pandel 2008, S. 15).

Bilder besitzen den weiteren Vorteil, dass sie unmittelbar verständlich sind, nicht in Fremdsprachen übersetzt werden müssen und somit einen konstruktiven Beitrag zur globalen Verständigung leisten können (vgl. Tappe 2016). Dennoch sind für die Entschlüsselung und Bewertung von Bildern weitere visuelle und ethische Kompetenzen erforderlich.

2.4 Bildverwendung

Mit Hilfe von Bildern lassen sich Sachverhalte auf vielfältige Weise präsentieren. Es können Dinge dargestellt werden, die den Blickwinkel des menschlichen Auges in Form von Luftaufnahmen, Fotomontagen und Rundsichten überschreiten. Der Einsatz von Bildtechniken ermöglicht neue Perspektiven durch Transformationen, Verzerrungen, Vergrößerungen und Verkleinerungen. Bilder über das „Werden des menschlichen Lebens im Mutterleib“ (Koetzle 2017, S. 434) durch Ultraschallaufnahmen schaffen Möglichkeiten für die Diagnostik zu medizinischen Zwecken (vgl. Geise/Brückmann 2015). Neben Röntgenaufnahmen können bildgebende Verfahren der Magnetresonanztomographie Aufnahmen aus Körpern des Menschen zeigen, die die Basis bei der Entscheidung ärztlicher Behandlungen schaffen.

„Fotografien werden während des gesamten Lebenslaufs und von allen Lebenslagen gemacht, von der pränatalen Ultraschallaufnahme des Fötus bis zum Foto eines Verstorbenen auf dem Totenbett, von der Mikroaufnahme einer Körperzelle bis zum Blick in fremde Galaxien des Weltraumteleskops Hubble, von der Fotografie der Freizeitaktivitäten bis hin zum Foto politisch-diplomatischer Geheimverhandlungen. Fotografie ist fester Bestandteil sowohl der Kunst als auch der populären Kultur und des Alltags geworden.“ (Pilarczyk/Mietzner 2005, S. 14)

Bilder können als Belege für einen Sachverhalt oder als Kunstwerke und historische Quellen in Erscheinung treten. Sie können als bemalte, gezeichnete, gestochene und belichtete Fläche auftreten und als grafische Sonderform wie der Karikatur, dem Plakat und dem Comic zur Darstellung gelangen.

Bilder dokumentieren Sachverhalte in Form von Ereignissen, Personen, Gegenständen und Landschaften aus unterschiedlichen Perspektiven. Sie zeigen ideal typischerweise, was der Fall ist. Gleichwohl verzerren sie die Proportionalität und reduzieren durch ihre Größe in der Regel den Ausschnitt, der aufgenommen worden ist. So ist üblicherweise das aufgenommene Foto kleiner als das eigentliche Motiv. Der umgekehrte Fall tritt bei Aufnahmen einer Zelle oder von Bakterien und Teilchen auf. Dann eröffnet das Foto eine Fülle von Details und zeigt etwas, das mit dem menschlichen Auge nicht wahrgenommen werden kann.

Durch die Fotografie werden flüchtige Augenblicke eingefangen und dokumentiert, die über Sprachgrenzen hinweg einen spezifischen Sinn produzieren können (vgl. Pandel 2008). Die Grenzen der eigenen Wahrnehmung können durch visuelle Aufnahmen erweitert werden: „Bilder berichten von lebenden Zellen, von fernen Galaxien, von genetischen Codes, von physikalischen Schaltungszuständen.“ (Faßler 2002, S. 10)

Durch die Betrachtung eines Bildes kann ein Zugang zu Sachverhalten erlangt werden, die sich der unmittelbaren Anschauung entziehen. „Ein Bild ist ein Ort der Repräsentation, d.h. ein Bild vergegenwärtigt durch die Mittel der visuellen Darstellung ein an sich abwesendes Phänomen.“ (Borstnar/Pabst/Wulff 2008, S. 97) Honnef (2013, S. 11) weist zusätzlich auf den Vergangenheitsbezug der Bildentstehung hin:

„Was ein fotografisches Bild tatsächlich dokumentiert, ist ein Augenblick, der immer schon gewesen ist. Die Präsenz der Vergangenheit. Alles andere ist Erscheinung. Der Zeitpfeil der Fotografie zieht unumkehrbar nach rückwärts.“

Erfahrungen vergangenen Momente werden festgehalten und erhalten durch eine Aufnahme eine Form und eine Gestalt (vgl. Sontag 2019).

2.5 Bildverarbeitung

Bilder werden mit der klassischen Medienberichterstattung in Verbindung gebracht, die primär dokumentarischen Zwecken dient und dadurch ein Angebot an die Rezipienten macht, die Aufnahmen den individuellen Bedürfnissen folgend sinnvoll zu verwerten.

„Bilder, vor allem Fotografien und Fernsehbilder, verfügen gegenüber anderen Medien über gewichtete Vorteile, die einen Teil ihrer Macht begründen. Zunächst lässt sich mit ihnen schnell und effektiv Aufmerksamkeit erzielen, ein in moderner Gesellschaft knappes und daher wertvolles Gut. Für viele Menschen haben Bilder darüber hinaus eine natürliche Autorität und genießen daher größeres Vertrauen, sie scheinen die Realität objektiv und authentisch, nach einer naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeit abzubilden.“ (Paul 2009a, S. 88)

Jeder Mensch trägt seine eigenen Bilder im Kopf, da er individuelle Eindrücke und Erfahrungen gemacht, erinnert und verarbeitet hat. Gleichwohl sind bedeutende historische, sportliche, wirtschaftliche, kulturelle, technische und politische Ereignisse sowie Milieustudien in Form von Fotos, Fernsehbildern, Illustrationen und Gemälden im kollektiven Bildgedächtnis einer Gesellschaft als Erinnerungsorte haften geblieben sind (vgl. Becher 2001). Derartige Aufnahmen zeigen Triumphe und Katastrophen sowie Momente der Freude und der Trauer. Schönes und Schreckliches wird in Bildern inszeniert, arrangiert, bearbeitet und gefälscht.

Dabei ist zwischen Aufnahmen zu differenzieren, die über die analogen und digitalen Medienkanäle im Rahmen der Berichterstattung vermittelt werden und persönliche Bilder, die eigenständig erstellt werden. Besonders beliebt sind Privat- und Familienaufnahmen, die eine Gegenwart einfangen, die nach der Aufnahme direkt zur Vergangenheit gehören:

„So erlaubt uns das Familienalbum mit den Familienschnappschüssen viele Zeitreisen. Manche Motive ändern sich nie. Familienfeiern, Freunde, Hochzeiten, Babys, Haustiere, Häuser, Gärten, Urlaub, Reisen, Weihnachten, verlängerte sonnige Wochenenden, überraschender Schneefall, Teilnahme an nationalen Ereignissen.“ (Roberts 2001, S. 106)

Grundlegend ist zu differenzieren zwischen dem gesellschaftlichen und privaten Bildgedächtnis sowie deren potenziellen Vermengung durch das Verschieben der Grenzen von Privatheit und Öffentlichkeit.

Im privaten Kontext kann eine „Kultur der Grosszügigkeit“ (Simon 2014, S. 13) leichtsinnig werden, sofern Menschen im Umgang mit eigenen Bildern teilweise unbedarft agieren. In diesem Zusammenhang wird auf die Konzeption des Privacy-Paradoxons hingewiesen, das besagt, dass Personen persönliche Informationen teilen, obwohl sie sich zugleich Sorgen um den Erhalt ihrer Privatsphäre machen (vgl. Grimm/Krah 2016, Grimm/Keber/Zöllner 2019). Derartige Verhaltensweisen finden statt, wenn Eltern Aufnahmen ihrer Kinder ins Netz stellen, ohne zu reflektieren, ob diese damit langfristig einverstanden sind. Zudem sollte bedacht werden, dass eingestellte Bilder im Internet kaum depubliziert werden können. Bereits gelöschte Aufnahmen können wiederhergestellt werden, sofern Spuren im Netz erhalten bleiben (vgl. Zöllner 2017).

 

Insgesamt lässt sich konstatieren, dass Bilder nicht nur eine hohe Relevanz für Kommunikations- und Erinnerungsprozesse sowie deren Folgen besitzen, sondern sogar einen Ikonenstatus erreichen können.

2.6 Bildikonen

Spektakuläre und unterhaltsame Bilder verfügen bei der Aufnahme und Wahrnehmung der Rezipienten über einen Aufmerksamkeitsvorsprung gegenüber verbalen Informationen und den konventionellen Bildritualen, um eine Themenkarriere zu machen. Es haben sich Bilder im Kopf (Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 2009) im kollektiven Gedächtnis eingeprägt, die zentrale politische und historische Ereignisse dokumentieren und einen Ikonenstatus erlangen können. Dazu gehören Bilder von Terroranschlägen wie am 11. September 2001 in den USA ebenso wie Bilder von entführten Personen wie dem damaligen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer von 1977 oder Fotos von Verstorbenen wie dem Studenten Benno Ohnesorg von 1967 oder dem geflüchteten Kind Aylan Kurdi, dessen Leiche 2015 an den Strand von Bodrum angespült worden ist. Die erste Mondlandung von 1969 ist ebenso präsent wie das Bild des ostdeutschen Grenzsoldaten, der 1961 über den Stacheldraht der innerdeutschen Grenze sprang und dabei sein Gewehr weggeworfen hat.

Sogenannte Photo-Icons konzentrieren sich auf „Schlüsselbilder aus der Geschichte des Mediums, die bezogen auf Technik, Ästhetik oder sozialen Gebrauch die konventionelle Fotografie ‚vorangetrieben‘ haben“ (Koetzle 2005, S. 7). Hier finden sich Fotos von berühmten Schauspielern und Popstars, Bilder von Kriegen und Katastrophen, historische und politische Aufnahmen sowie Dokumente der Fotokunst (Koetzle 2012). Einige Bilder sind zu Ikonen geworden (vgl. Paul 2008). Sie haben einen Platz im kollektiven Gedächtnis ihrer Betrachter bekommen. Dabei handelt es sich nicht um Heiligenbilder der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften, sondern auch um Aufnahmen von Persönlichkeiten und Gegenständen aus der Kunst, der Werbung, dem Sport und der Politik.

Es geht dabei auch um Phänomene der Kulturindustrie.

 Als Werbeikone gilt z. B. die Coca-Cola Flasche.

 Der VW-Käfer wird als Designikone klassifiziert.

 Als Ikonen der Vernichtung werden die 1945 entstandenen Bilder der Leichenberge aus befreiten Konzentrationslagern in Deutschland bezeichnet.

 Zu den Politikerikonen gehören visuelle Darstellungen u.a. von Mao Zedong oder Che Guevara.

 Ereignisikonen umfassen Katastrophen wie den Absturz des Luftschiffs Hindenburg und der gewaltsame Angriff auf das Kapitol in Washington am 6. Januar 2021 durch Anhänger des damaligen Präsidenten Donald Trump.

 Als Ikonen der Popkultur werden Künstler wie die Beatles, Madonna und Michael Jackson klassifiziert.

Ikonenstatus erhalten insbesondere Verstorbene, die in jungen Jahren ums Leben gekommen sind. Musiker wie Robert Johnson (1911-1938), Brian Jones (1942-1969)), Jimi Hendrix (1942-1970), Janis Joplin (1943-1970), Jim Morrison (1943-1971), Curt Cobain (1967-1994) und Amy Winehouse (1983-2011) starben bereits im Alter von 27 Jahren und wurden ebenfalls zu (Bild-)Ikonen (vgl. Seim/Spiegel 2009).

Derartige Aufnahmen besitzen für die Rezipienten eine spezifische Botschaft, die eine weitergehende Bedeutung enthalten können und somit über die eigentliche Verwendung der Gegenstände oder Darstellung der abgebildeten Personen bzw. Ereignisse hinausgehen. In diesem Kontext wird auch auf symbolisch aufgeladene Mythen des Alltages (Barthes 1964) verwiesen, die im kollektiven Bildgedächtnis erhalten bleiben.

Aufnahmen von Protesten können ebenfalls einen Ikonenstatus erhalten. Der Mann, der 1968 in Bratislava mit entblößter Brust vor einem sowjetischen Panzer demonstrierte, als eine Kanone auf ihn gerichtet wurde, gehört ebenso dazu wie der sogenannte Tank Man, der sich 1989 auf dem Tiananmen-Platz in Peking ebenfalls vor einen Panzer stellte:

„Hier hatte sich einen Tag nach der gewaltsamen Niederschlagung eines Volksaufstands auf dem Platz ein einzelner Mann einer Panzerkolonne entgegengestellt. Die Bilder des Vorfalls erlangten internationale Bekanntheit.“ (Schankweiler 2019, S. 25)

Derartige Aufnahmen symbolisieren Schankweiler (2019, S. 27) zufolge den Kampf gegen starke Autoritäten. Die „David-gegen-Goliath-Bildformel, in der sich eine einzelne heldenhafte Person einer Übermacht entgegenstellt, ist äußerst stabil und gehört regelrecht zum Repertoire von Protestkulturen“.

Die Umweltorganisation Greenpeace folgt ebenfalls diesem Muster, indem sie die Bilder zeigt, auf denen ihre Schlauchbootaktivisten im Kampf gegen die großen umweltbelastenden Schiffe auf den Weltmeeren vorgehen (vgl. Schicha 2001b). Insgesamt lassen sich Bilder von Protesten auf Demonstrationen vielfältig nutzen. Einerseits können die Demonstranten ihr eigenes Protesthandeln durch die entsprechenden Aufnahmen dokumentieren und weiterverbreiten, um weitere Anhänger zu generieren (vgl. Venema 2020). Die Bilder können andererseits der Überwachung und daraus resultierenden Strafverfolgung der Demonstranten durch den Staat dienen. Sie haben zum Teil als Schlüsselbilder den Eingang in die Geschichtsbücher gefunden.

2.7 Bildfunktionen

„Das fotografische Bild muss ernst genommen werden als ein ästhetisches Konstrukt, zugleich sind die spezifisch medialen Eigenschaften des fotografischen Bildes, seine Technizität, massenhafte Reproduzierbarkeit und das Prinzip der Selektion als Grundzug fotografischer Produktion und Verwendung sowie die Konsequenzen für Bildgebrauch und Bildwahrnehmung für die theoretische und methodologische Fundierung fotografischer Analysemethoden zu bedenken.“ (Pilarczyk/Mietzner 2005, S. 8)

Schockbilder werden in der Gesundheitskommunikation eingesetzt, um gesunde Verhaltensweisen zu fördern. Ihre Funktion liegt darin, Angst vor den negativen Konsequenzen etwa des Rauchens durch den Einsatz von Schockbildern zu erzeugen:

„Zahlreiche Forschungsarbeiten beschäftigen sich z. B. mit Warnhinweisen im Gesundheitskontext. Gesellschaftlich relevant ist etwa die Frage nach dem Einfluss von Fotos auf Zigarettenpackungen, die in Europa verpflichtend sind. Warnhinweise mit Fotos auf Zigarettenpackungen scheinen tatsächlich effektiver zu sein als Warnhinweise ohne Fotos (nur Text).“ (Stein/Sehic/Appel 2020, S. 178)

Auf den Packungen werden Bilder gezeigt, die Ekel erzeugen können. Zu sehen sind kranke und verstorbene Menschen, sowie amputierte Körperteile und beschädigte Lungenflügel. Die Fotos sollen auf die Risiken und möglichen Konsequenzen des Tabakkonsums hinweisen und dazu beitragen, dass die Zahl der Raucher abnimmt.

Bilder sind mehr als schmückendes Beiwerk von Texten oder Worten. Sie dienen nicht nur der visuellen Ausgestaltung von Ereignissen, sondern besitzen wichtige gesellschaftliche Orientierungsfunktionen. So wird der Visualisierung die Funktion zugeschrieben, bestimmte Inhalte durch Bilder zu komplettieren und transparent zu machen. Diese Ergänzungsfunktion hat sich zu einer Dominierungsfunktion gegenüber den Informationsquellen Schrift und Wort weiterentwickelt. Aufnahmen dienen als Beleg und Beweis für bestimmte Zustände, obwohl nur ein Ausschnitt der Wirklichkeit gezeigt wird.

„Bilder sind nie perfekte Abbildungen der Wirklichkeit. Jedes Foto und jedes Video stellt aufgrund natürlicher und technischer Restriktionen bereits einen vom Schaffenden gewählten Ausschnitte einer Gesamtszenerie dar und das Herstellen von Bildern selbst ändert oft das, was abgebildet werden soll.“ (Stein/Sehic/Appel 2020, S. 177)

Spezifische Dinge und Ereignisse, die visuell dargestellt und wiedergegeben werden, können als sogenannte Eyecatcher über einen werblichen Charakter verfügen (vgl. Ballensiefen 2009). Neben der Belegfunktion, Darstellungsfunkton und Werbefunktion sind weitere Bildfunktionen für Lernprozesse im Zusammenwirken von Texten von entscheidender Bedeutung (vgl. zum Folgenden Meutsch 1990, Schicha 2005b):

 Durch ihre dekorierende Funktion erhöhen sie die Attraktivität von Texten und ermöglichen einen Ebenenwechsel zwischen dem geschriebenen Wort und dem visuellen Moment, sofern zusätzliche Ausschmückungen und Dekorationen von Gegenständen und Körpern angeboten werden.

 Bilder in repräsentativer Funktion besitzen einen Bezug zu den Inhalten von Texten. Sie bilden Hauptpersonen und Objekte ab, die im Text eine zentrale Rolle übernehmen und akzentuieren relevante Personen durch Hervorhebung.

 Die interpretierende Funktion von Bildern kann komplizierte Textpassagen durch Vergleiche mit bereits bekannten Prinzipien ermöglichen, um zu einer besseren Texterklärung zu gelangen. Zum Verständnis von Elektrizität kann etwa in einer visuellen Darstellung auf Analogien mit dem Wasserkreislauf zurückgegriffen werden.

 Die transformierende Funktion sorgt dafür, dass Bilder eine Gesamtaussage anbieten, die nachträglich durch Detailinformationen im Text erläutert und weitergehend ausdifferenziert wird.

 Die erläuternde Funktion erörtert durch Statistiken, Grafiken und Diagramme spezifische Entwicklungen – etwa in Form von Meinungsumfragen – in komprimierter und übersichtlicher Form.

Weiterhin lassen sich nachfolgende Bildfunktionen aufzeigen (vgl. Meckel 2001):

 Durch die Informationsfunktion liefern Bilder zusätzliche oder ergänzende Informationen zum Textteil.

 Bilder vermitteln durch die Erlebnisfunktion das Gefühl, ein Ereignis miterleben zu können und können dadurch ggf. eine Augenzeugenillusion erzeugen.

 Bilder können im Rahmen der Emotionalisierungsfunktion Gefühle und Stimmungen eindringlich produzieren.

 Bilder in repräsentativer Funktion besitzen einen Bezug zu den Inhalten von Texten. Sie bilden Hauptpersonen und Objekte ab, die im Text eine zentrale Rolle übernehmen und akzentuieren damit durch Hervorhebung die relevanten Personen.

Doelker (1997) und Glaab (2003) verweisen auf zusätzliche funktionale Bedeutungen von Bildern:

 Spurbilder besitzen eine registrative Funktion. So steht die Abbildung von Rauch für ein Feuer, das visuell nicht als eigentliches Ereignis in Erscheinung tritt. Die Fotografie fungiert hier als Verweis auf einen weitergehenden Zusammenhang.

 Abbilder, Schaubilder und Phantasiebilder verfügen über eine mimetische Funktion im Verständnis einer Nachahmung. So werden Gerichtszeichnungen zu Illustrationszwecken genutzt, wenn das Fotografieren nicht gestattet ist. Weiterhin können Schaubilder in Form wissenschaftlicher Visualisierungen entsprechend eingesetzt werden.

 Surrogatbilder generieren eine simulative Funktion. Sie dienen der Nachbildung. Dazu gehören Höhlenbilder ebenso wie Standbilder von Herrschern und Abbilder von Produkten auf Verpackungen.

 Schaubilder verfügen über eine explikative Funktion. Derartige Darstellungen können z. B. die Struktur eines Moleküls anschaulich erklären und verdeutlichen.

 Phantasiebilder haben durch ihre diegetische Funktion als Erzählung keinen unmittelbaren Bezug zur Wirklichkeit, sondern liefern künstlerische Formen, die über reale Erscheinungen hinausgehen. Hierzu zählen Bilder von Comics über den Fotoroman bis hin zum Animationsfilm.

 

 Pushbilder besitzen eine appellative Funktion. Sie verfolgen die Absicht, Emotionen zu schaffen und spezifische Handlungen auszulösen. Bilder von hungernden Menschen oder Opfern von Naturkatastrophen können dazu führen, dass die Spendenbereitschaft der Betrachter wächst, um zu helfen (vgl. Knüpfer/Fischer/Vüllers 2005).

 Füllbilder umfassen eine phatische Funktion. Es geht darum, Verbindungen herzustellen. Dies kann durch eine spezifische Farbgestaltung oder ein Logo in Form einer Buchstabenkombination sowie einer Illustration bewerkstelligt werden.

 Clipbilder übernehmen eine ontische Funktion. Hierbei werden künstlerische Visualisierungsformen eingesetzt, die keinen unmittelbaren Bezug zum eigentlichen Gegenstand haben müssen. So werden in Musikvideos und Videoclips Bildelemente eingesetzt, die in keinem direkten Zusammenhang mit dem Song stehen. Es geht primär um eine ästhetisch ansprechende Wirkung. Das Bild dient hier primär der Formgebung (vgl. Weiß 2007).

 Wirkbilder generieren eine energetische Funktion. Hierbei kommt es darauf an, bei den Rezipienten als Impuls durch die Farbgestaltung eine positive Wirkung im Rahmen einer Therapie zu erreichen. Überspitzt formuliert übt das Bild eine positive oder negative Macht auf den Betrachter aus. Im negativen Fall können Aggressionen erzeugt werden.

Nachfolgend werden die zuletzt skizzierten Bildfunktionen in dem folgenden Schaubild noch einmal zusammengefasst:

Abb. 2:

Bildfunktionen in Anlehnung an Doelker 1997