Initiale Topiks und Foki im gesprochenen Französisch, Spanisch und Italienisch

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3.4 Exkurs: Fokus, Topik und Kontrast

Die Beziehung zwischen Informationsstruktur und Kontrastivität ist, wie Molnár (2006) ausführt, insofern komplex, als der Begriff Kontrast im Unterschied zu den Konzepten Topik oder Fokus keine direkte Verbindung zur Informationsstruktur aufweist:

The notion of contrast does not obviously fit in a simple manner in the architecture of information structure, since it does not directly correspond to the basic requirements of information structuring – coherence and informativeness – as in the case in connection with the two core notions topic and focus. Contrast seems to operate in a quite different direction and works orthogonally to topicality and focussing, both overlapping and cutting across these two established notions of information structure. (Molnár 2006, 198)

Lange Zeit wurde Kontrast demnach nicht als eigene grammatische Kategorie angesehen. (cf. Molnár 2006, 213) Das trifft etwa auf die Arbeiten von Lambrecht zu: „[C]ontrastiveness, unlike focus, is not a category of grammar but the result of the general cognitive processes referred to as ‚conversational implicatures‘.“ (Lambrecht 1994, 291)

Gegen die Annahme von Kontrastivität als eigenständige Kategorie spricht die Tatsache, dass der Unterschied zwischen kontrastivem und nicht kontrastivem Fokus in vielen Sprachen nicht systematisch markiert wird. So weichen kontrastive Foki in prosodischer Hinsicht oft nur unwesentlich von Informationsfoki ab.1 (cf. Zimmermann 2008, 348) Auf morphologischer Ebene sind etwa die vielzitierten Topik- und Fokuspartikel des Japanischen wa und ga und die koreanische Partikel nun nicht nur mit kontrastiven, sondern auch mit nicht kontrastiven Lesarten kompatibel. Ein syntaktisches Argument gegen die Annahme einer eigenen Kategorie liefert die Feststellung, dass kontrastive Foki meist nicht an eine spezielle Position im Satz gebunden sind. So sind kontrastive Konstituenten in Sprachen wie dem Deutschen oder Englischen von nicht kontrastiven aufgrund der gleichen syntaktischen Oberflächenstruktur der jeweiligen Äußerungen oft nicht zu unterscheiden. (cf. Molnár 2006, 213–214) Der Beitrag von Prince (1978) hat darüber hinaus gezeigt, dass auch Spaltsätze (en. clefts), die lange Zeit als prototypische kontrastive Konstruktionen galten, einen Subtypus aufweisen, der primär dazu dient, Informationsfokus zu kodieren.2 (cf. Molnár 2006, 214)

In anderen Sprachen hingegen ist die Markierung von Kontrast zum Teil tatsächlich obligatorisch, sodass Kontrastivität in diesen Sprachen durchaus als eigene Kategorie gesehen werden kann. Im Ungarischen etwa weicht der Tonhöhenverlauf eines kontrastiven Fokus von der Intonation eines nicht kontrastiven Fokus deutlich ab. Unterschiedliche morphologische Formen für kontrastiven und nicht kontrastiven Fokus weist beispielsweise die Bantu-Sprache Kimatuumbi auf. (cf. Molnár 2006, 214–215) Ein Argument für die Differenzierung von Informations- und Kontrastivfokus auf syntaktischer Ebene ist schließlich die Beobachtung, dass kontrastive Foki und kontrastive Topiks auch in typologisch unterschiedlichen Sprachen jeweils initial realisiert werden können.3 (cf. Molnár 2006, 216)

Die relativ kontrovers geführte Diskussion um die Notwendigkeit von Kontrast(ivität) als eigene Kategorie hängt nicht zuletzt mit den unterschiedlichen Definitionen des Terminus selbst zusammen. Das Grundproblem bei der Kategorisierung von Kontrastivität betrifft nach Molnár die Frage, ob diese als inhärentes Merkmal von Fokus zu interpretieren ist. Denn wie bei Fokus werden auch bei Kontrast meist zwei Haupteigenschaften angenommen. Einerseits wird ein Gegensatz auf paradigmatischer oder syntagmatischer Ebene ausgedrückt, andererseits findet ein highlighting durch den Akzent statt. (cf. Molnár 2006, 200) Auch heute gibt es – wie bereits in Kapitel 2.4 angesprochen – noch keinen Konsens darüber, ob ein Element, das als enger Fokus auf eine W-Frage wie jene in (44) antwortet, als präsentativer Fokus zu analysieren ist, der sich darauf beschränkt, die erfragte Entität zu nennen, oder ob es sich dabei um einen kontrastiven Fokus handelt, der die Entität aus einem Set von weiteren Entitäten der Kategorie, die ihr – implizit oder explizit – gegenübergestellt werden, identifiziert. (cf. Molnár 2006, 203–204)


(44) en. Who wrote „War and Peace“? (Molnár 2006, 202)

In semantisch orientierten Ansätzen wie jenem von Rooth (1985) wird meist bereits dann von Kontrastivität gesprochen, wenn die fokalisierte Konstituente ein (offenes) Set von Alternativen generiert.4 (cf. Molnár 2006, 203) Andere Autoren, wie Halliday (1967) und Chafe (1976), setzen hingegen die Geschlossenheit des Sets, d.h. die Verfügbarkeit einer begrenzten Anzahl von Kandidaten im Bewusstsein der Kommunikationspartner, voraus. Ist das Set zahlenmäßig offen, handelt es sich diesen Autoren zufolge nicht um kontrastive, sondern schlicht und einfach um neue Information. (cf. Molnár 2006, 203) Nach Chafe (1976, 33–34) sind drei Faktoren für die Charakterisierung von Elementen als kontrastiv ausschlaggebend:

1 Existenz einer Präsupposition5, von der der Sprecher annimmt, dass der Hörer sie teilt und dass sie in dessen Bewusstsein ist.

2 Annahme, dass der Hörer eine begrenzte Anzahl von Kandidaten im Bewusstsein hat.

3 Assertion darüber, welcher Kandidat der „richtige“ ist.

Zur Illustration dieser Kriterien wählt Chafe den Beispielsatz (45), der eine kontrastive Subjekt-Nominalphrase aufweist. (cf. Chafe 1976, 33)


(45) en. RONALD made the hamburgers. (Chafe 1976, 33)

Die Präsupposition besteht hier in der Annahme, dass eine Person Hamburger zubereitet hat. Als potenzielle Kandidaten für die Rolle des Agens der Verbalhandlung hat der Hörer eine begrenzte Anzahl an Personen – zumindest aber eine – im Bewusstsein. Im Zuge der Assertion teilt der Sprecher dem Hörer mit, dass Ronald der zutreffende Kandidat ist. (cf. Chafe 1976, 33–34) Dementsprechend kann Satz (45) folgendermaßen periphrasiert werden: „I believe that you believe that someone made the hamburgers, that you have a limited set of candidates (perhaps one) in mind as that someone, and I am telling you that the someone is Ronald, rather than one of those others.“ (Chafe 1976, 34–35) Für Chafe folgen alle kontrastiven Sätze diesem Muster, auch jene, die wie in (46) neben kontrastiven Foki auch kontrastive Topiks aufweisen. (cf. Chafe 1976, 35)


(46) en. SALLY made the SALAD, but RONALD made the HAMBURGERS. (Chafe 1976, 35)

Die Verfügbarkeit von alternativen Kandidaten bzw. Entitäten im Bewusstsein des Kommunikationspartners ist für Analysen nun insofern problematisch, als sie in der Regel auf Annahmen seitens des Sprechers basiert. Unstrittiger sind Fälle, in denen die Entitäten im Laufe des Diskurses sprachlich realisiert werden. Es überrascht folglich nicht, dass manche Autoren, wie etwa Jacobs (1988) für das Deutsche oder Molnár und Järventausta (2003) für das Finnische, die Bedingung postulieren, dass beim kontrastiven Fokustyp die Alternativen tatsächlich auch explizit genannt werden müssen. (cf. Molnár 2006, 204)

Als Folge dieser unterschiedlichen Positionen, die in der Literatur zur Beschreibung von Kontrast vertreten werden, herrscht heute auch wenig Übereinstimmung darin, ob eine Subklassifikation der Kategorie sinnvoll ist. Während manche Autoren eine diskrete Einteilung sprachlicher Elemente in kontrastiv vs. nicht kontrastiv vornehmen, bevorzugen andere die Vorstellung von Kontrast als graduelle Kategorie. (cf. Molnár 2006, 200–201)

Molnár (2006) spricht sich klar für eine Differenzierung aus. Sie vertritt die Position eines skalaren Kontrasts und unterscheidet – wie in Abbildung 15 dargestellt – pragmatischen Kontrast (Romanschrift), semantischen Kontrast (Kursivschrift) sowie semantisch-pragmatischen Kontrast (Fettdruck). Diesen Kontrasttypen können die jeweiligen Fokustypen gegenübergestellt werden. (cf. Molnár 2006, 210–211)


Abb. 15: Contrast hierarchy (Molnár 2006,211)

Innerhalb des kontrastiven Fokus differenziert Molnár sprachenübergreifend wiederum zwei Arten von Kontrastivität. Gerechtfertigt werden kann diese Unterteilung durch die unterschiedlichen syntaktischen Operationen, die je nach dem Informationsstatus der Alternativen als explizit erwähnt bzw. als „simply predicted“ ausgelöst werden. (Molnár 2006, 217)

Als CONTRAST bezeichnet die Autorin den Untertyp, der aus der Bewegung eines engen Fokus an die linksperiphere Position in Sprachen wie dem Spanischen oder Italienischen resultiert. Voraussetzung dafür sei die Begrenztheit des relevanten Sets. So könne die Grammatikalität des Satzes (47) im Vergleich zur ungrammatischen Antwort auf die Frage in (48) für Molnár nur dadurch erklärt werden, dass die initiale Realisierung des fokalen Subjekts eine explizite Nennung der Alternativen oder zumindest eine gewisse Salienz im Bewusstsein der Gesprächspartner erfordert.6 (cf. Molnár 2006, 217)

 

(47) it. GIANNI ha mangiato una mela (non Pietro).
(48) (Who ate an apple?) – it. *GIANNI ha mangiato una mela. (Molnár 2006, 217)

Die zweite Art des kontrastiven Fokus nennt Molnár focus operator. Dieser Typ ist sowohl mit einem offenen als auch mit einem geschlossenen Set kompatibel und erfordert die Bewegung des Fokus an eine verbgebundene Fokusposition. (cf. Molnár 2006, 218) Zusätzlich weist dieser Fokustyp Molnár zufolge das Merkmal [+exhaustiv] auf.7 (cf. Molnár 2006, 220)

Mit der Frage, ob Exhaustivität an einen bestimmten Fokustyp gebunden ist, beschäftigt sich auch der Beitrag von Umbach (2004). Sie weist darauf hin, dass grundsätzlich jeder Fokus – vor allem aber ein enger – mit einer exhaustiven Interpretation einhergehen kann. Dementsprechend könnte ein Hörer bei Satz (49) den Eindruck gewinnen, dass Ronald ausschließlich Hamburger zubereitet hat. Als Grund für diese Interpretation nennt Umbach die Grice’sche Maxime, der zufolge der Hörer davon ausgeht, dass der Sprecher wichtige Information nicht zurückhält. Dass es sich bei der exhaustiven Lesart in Kontexten wie dem in (49) jedoch um eine reine Implikatur handelt, zeigt die Tatsache, dass der Satz ohne Probleme wie in (50) fortgeführt werden kann. Außerdem wäre eine exhaustive Interpretation nicht mit additiven Partikeln wie auch kompatibel, was – wie Satz (50) zeigt – ebenso wenig der Fall ist. (cf. Umbach 2004, 164)


(49) en. Ronald made the HAMBURGERS.
(50) … and he made the salad, (too). (Umbach 2004, 164)

Wie bereits in den Kapiteln 2.3 und 2.4 deutlich wurde, wird nicht nur das Zusammenspiel von Kontrast und Fokus, sondern auch die Relation zwischen Kontrast und Topik kontrovers diskutiert. Molnár (2006, 206) argumentiert dafür, den von Jacobs (2001) anhand von vier Kriterien differenzierten Topikbegriff (Informationsseparation, Prädikation, Adressierung, Rahmensetzung) wieder zu vereinheitlichen. „Topics serve […] in one sense or another to optimally restrict the domain of the main predication in the sentence drawing the speech participant’s attention to a certain entity.“ (Molnár 2006, 207) Für Molnár gibt es nun zwei Möglichkeiten. Das Topik kann ohne besondere Markierung realisiert werden, wenn es als Einheit für den Hörer bereits salient ist, oder es kann mit prosodischen Mitteln – üblicherweise durch einen Akzent – markiert werden, um es für den Hörer salient zu machen. Analog zum Fokusakzent kann auch ein Akzent auf Topiks ein eigenes Subset von Alternativen kreieren, sodass eine Kookkurrenz von Topik und Kontrast durchaus möglich ist.8 (cf. Molnár 2006, 207)

Zusätzlich betont Molnár auch bei der Kategorie Topik die Relevanz der weiteren informationsstrukturellen Eigenschaften der Alternativen für eine genauere Klassifikation. Das kontrastive Topik, das analog zum fokalen CONTRAST kontextuell verankert ist, also in der Äußerungssituation anderen, bereits aktivierten Topikreferenten gegenübersteht, nennt Molnár LD-CONTRAST, da seine Realisierung häufig mit Linksdislokationen einhergeht. (cf. Molnár 2006, 219) Als I-CONTRAST schließlich bezeichnet die Autorin – in Anlehnung an das I-Topic von Jacobs (2001) – jene Elemente, die wie in (51) die charakteristische fall-rise-Kontur aufweisen und die nicht alle Alternativen des Sets, aber zumindest eine ausschließen.9 (cf. Molnár 2006, 220)


(51) dt. ALle Grass-Romane kann man NICHT empfehlen. (Molnár 2006, 223)

Insgesamt ergeben sich laut Molnár damit folgende Arten von Kontrast10:


Abb. 16: Contrast types (Molnár 2006, 221)

Auch wenn der Einfluss von Kontrast je nach Sprache variieren kann, plädiert Molnár dafür, die Kategorie unbedingt als sprachlich relevantes Phänomen zu betrachten. (cf. Molnár 2006, 221) Ihr Fazit zur Relation zwischen Kontrastivität und Informationsstruktur lautet wie folgt:

1 Kontrast ist sowohl mit Fokus als auch mit Topik kompatibel11, zeigt auf einzelsprachlicher Ebene sowie bei spezifischen Konstruktionen jedoch eine große Variation.

2 Die einheitliche Definition von Kontrast (mit den Kriterien highlighting und Aufzeigen von Alternativen) muss durch weitere, feinere Unterscheidungen auf semantischer und pragmatischer Ebene ergänzt werden.

3 Das (Nicht-)Auftreten der verschiedenen Typen von Kontrast mit Fokus und Topik ist teilweise universal, teilweise sprachenspezifisch zu erklären.

4 Kontrast ist ein eigenes „packaging phenomenon“ (cf. Chafe 1976), das als solches in die Informationsstruktur aufgenommen werden muss.12 (cf. Molnár 2006, 199)

Ein aus pragmatischer Sicht sehr aufschlussreicher Beitrag zum Zusammenhang zwischen Informationsstruktur und Kontrast ist jener von Zimmermann (2008). Der Autor beschäftigt sich darin mit kontrastiven Aussagen (52), Äußerungen mit korrektivem Fokus (53) und exhaustiven Antworten in Frage-Antwort-Paaren (54).


(52) en. I did not invite PETER, but PAUL.
(53) en. You invited PETER? – NO, I invited PAUL.
(54) en. Who did you invite? – PAUL, I invited. (Zimmermann 2008, 347–348)

Zimmermann (2008, 348) ist der Auffassung, dass Kontrastivität als „diskurssemantisches Phänomen mit grammatischen Reflexen“ zu sehen ist. Für ihn bedeutet Kontrastivität, dass eine Fokusdenotation oder ein Sprechakt, der einen Fokus enthält, aus Sicht des Senders für den Empfänger unerwartet ist.13 Eine Möglichkeit für den Sender, die Aufmerksamkeit des Empfängers zu erlangen und ihn dazu zu bringen, seine Annahmen und Hintergrundinformationen zu modifizieren, ist der Einsatz von Markern wie Intonationskonturen, syntaktischen Bewegungen14, Spaltsätzen oder morphologischen Markierungen. Eine derartig definierte Kontrastivität beinhaltet insofern einen gewissen Grad an Subjektivität, als sie immer auf den Annahmen und Einschätzungen des Senders darüber basiert, was für den Hörer (un-)wahrscheinlich ist. (cf. Zimmermann 2008, 348)

Wie bereits erwähnt, zeichnen sich für manche Autoren, wie etwa für Rooth (1985/1992), alle Arten von Foki dadurch aus, dass sie Alternativen aufzeigen, während dies für andere, wie beispielsweise für Vallduví/Vilkuna (1998), Kiss (1998) und Selkirk (2008), nur bei kontrastiven Foki der Fall ist. Nach Zimmermann sind die Fokustypen einander auf semantischer Ebene durchaus ähnlich. Der Unterschied besteht für den Autor darin, dass in kontrastiven Fällen nicht nur die semantischen Alternativen berechnet werden, sondern gleichzeitig auch die Annahmen des Senders bezüglich der Erwartungen des Empfängers. Je weniger eine Fokuskonstituente in einem konkreten Kontext erwartet wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer kontrastiven Markierung. (cf. Zimmermann 2008, 349)

Um sein Modell zu formalisieren stützt sich Zimmermann auf den Beitrag von Steedman (2006). Dieser geht davon aus, dass Pitch-Akzente und Grenztöne im Deutschen und Englischen neben Topik und Fokus noch weitere informationsstrukturelle Kategorien markieren. Die Art des Pitch-Akzents zeigt demnach an, ob eine Informationseinheit Teil des common ground (CG) ist (H* family) oder nicht (L* family).15 Unterschiedliche Grenztöne markieren Annahmen seitens des Senders (L% family) oder seitens des Empfängers (H% family). (cf. Zimmermann 2008, 351–352) In Beispiel (55) etwa verweist die fallende Kontur darauf, dass die Aussage des Sprechers (und damit das Fehlverhalten des Hörers) Teil des CG werden soll. Die flache Kontur von Satz (56) reflektiert für Zimmermann den Unwillen des Sprechers, die Aussage zu akzeptieren und den CG dahingehend zu aktualisieren. Die gegen Ende hin steigende Intonation in Satz (57) schließlich deutet dem Hörer an, dass er davon ausgehen kann, dass beide Gesprächspartner den Inhalt der Aussage grundsätzlich annehmen. (cf. Zimmermann 2008, 352)


(55) en. You put my TROUSERS in the MICROWAVE! (‚You did that‘)
H* H* LL%
(56) en. You put my TROUSERS in the MICROWAVE? (‚I don’t believe it‘)
L* L* LL%
(57) en. You put my TROUSERS in the MICROWAVE? (‚You really did that?‘)
H* H* LH%
(Zimmermann 2008, 352)

Ausgehend von diesen Überlegungen formuliert Zimmermann folgende Hypothese zum kontrastiven Fokus, bei der dessen Alternativen aufzeigende Funktion nur eine untergeordnete Rolle spielt: „Contrastive marking on a focus constituent α expresses the speaker’s assumption that the hearer will not consider the content of α or the speech act containing α likely to be(come) common ground.“ (Zimmermann 2008, 354) Mit diesem Ansatz könne erklärt werden, warum ein Fokus in Antworten auf W-Fragen typischerweise nicht als kontrastiv markiert wird, bei korrektivem Gebrauch jedoch schon. So kann der Sprecher in (58) davon ausgehen, dass der Hörer von seiner Antwort nicht überrascht sein wird und er folglich keine Probleme dabei haben wird, den CG entsprechend zu aktualisieren. (cf. Zimmermann 2008, 354–355)


(58) en. What did you eat in Russia? – We ate pelmeni. (Zimmermann 2008, 354)

In (59) hingegen kann der Sprecher von der zuvor realisierten Aussage des Gesprächspartners ableiten, dass dieser nicht erwartet, korrigiert zu werden, d.h. dass er nicht annimmt, sie hätten etwas anderes als Pelmeni gegessen. In der Konsequenz markiert er den Fokus mit prosodischen und/oder syntaktischen Mitteln als kontrastiv. (cf. Zimmermann 2008, 354–355)


(59) en. Surely, you ate pelmeni! – No, caviar, we ate! / No, we ate caviar! (Zimmermann 2008, 354)

Dass eine kontrastive Fokusmarkierung mitunter auch in direkten Antworten auf W-Fragen wie auf jene in (60) zu beobachten ist, kann in gewissen Fällen ebenfalls mit der Annahme des Sprechers erklärt werden, dass der Informationsgehalt der Fokuskonstituente für den Empfänger unerwartet sein wird. In anderen Fällen hat die Markierung die Funktion, eine wahrscheinliche Erwartung seitens des Hörers explizit zurückzuweisen. Dabei kann, wie Beispiel (61) zeigt, auch die Exhaustivität ein ausschlaggebender Faktor sein. Da jedoch – wie weiter oben bereits diskutiert – nicht alle kontrastiven Foki Exhaustivität implizieren, ist der Nachweis einer zwingend exhaustiven Interpretation oft schwierig. (cf. Zimmermann 2008, 355–356)

 

(60) en. What did you eat in Russia? – Caviar, we ate! / We ate caviar!
(61) en. Who (all) did you invite? – Peter, I invited (but nobody else). (Zimmermann 2008, 355)

Zimmermann zieht das Fazit, dass es ein integraler Bestandteil jeder zwischenmenschlichen Kommunikation zu sein scheint in Situationen, in denen Unterschiede zwischen den Annahmen des Sprechers und denen des Hörers vermutet werden, ein Update des CG vorzunehmen. Insofern überrascht die dem Autor zufolge universal vorhandene Möglichkeit der Markierung von kontrastivem Fokus nicht. (cf. Zimmermann 2008, 357) Für weitere Forschungen in diesem Bereich bedeutet dies, dass nicht nur auf isolierte Frage-Antwort-Paare zurückgegriffen werden darf, sondern dass der jeweilige Kontext und – soweit möglich – auch Informationen über die jeweiligen Kenntnisstände der Kommunikationspartner berücksichtigt werden sollten. (cf. Zimmermann 2008, 358)

Bevor in Kapitel 4 einzelsprachliche Überblicke zum Zusammenspiel zwischen Informationsstruktur, Syntax und Prosodie in den behandelten romanischen Sprachen gegeben werden, sollen die wichtigsten bisherigen Erkenntnisse in einem Zwischenresümee präsentiert werden.