Elvis - Mein bester Freund

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Den Bandmitgliedern machte es nichts aus zu fliegen, was einer der Gründe dafür war, dass wir getrennt reisten. Doch selbst, wenn wir in eine Stadt kamen, stiegen sie in einem anderen Hotel ab als wir. Das erschien mir doch ein wenig seltsam, weil zwischen Elvis und seinen Musikern eine echte Freundschaft bestand. Anfangs hielt ich es für eine von Colonel Parkers Ideen, doch sowohl Scotty als auch D.J. beteuerten, sie selbst hätten um getrennte Quartiere gebeten. Erstens hielt ihnen das den Colonel vom Leib. Zweitens bedeutete es aber auch, dass die Bandmitglieder in ihrem Hotel immer die großen Stars waren. Wenn Elvis dabei war, waren sie nur Begleitmusiker. Ich erinnere mich auch, dass Scotty sagte, nach seinem Geschmack werde in Elvis’ Hotel nicht ordentlich genug auf die Pauke gehauen.

»Glaub mir, GK«, sagte er. »Unsere Situation ist eine ganz andere. Wir lassen am besten einfach alles so, wie es ist.«

Im weiteren Verlauf der Tournee flogen die Städte, Züge, Limousinen, Hotels, Konzerte und Partys nur so an uns vorüber. In Fort Wayne trat Elvis in einer Hockey-Arena auf –etwas für uns derart Fremdes, dass uns der Wachdienst erklären musste, wofür die hohen Wände am Spielfeldrand gut seien. In Detroit legte Elvis einen neuen Umgang mit der Presse an den Tag: Entgegen all meinen guten Ratschlägen als Reisebegleiter ließ er sich mit einer hübschen jungen UPI-Reporterin ein (der Name dieser Reporterin, die später eine renommierte Restaurant-Kritikerin wurde, war Gael Greene). In Buffalo im Bundesstaat New York erhielten wir unsere erste Bombendrohung – ein weiterer neuer Begriff für uns –, beendeten das Konzert jedoch, ohne dass irgendetwas in die Luft flog. In Toronto sah ein Mountie Elvis und mich belustigt an, als wir ihn fragten, wer denn die Dame auf dem großen Bild sei, das in den Maple Leaf Gardens hing.

»Das ist die Königin von England, Sir«, entgegnete er.

Naja, wir hatten eben noch nie ein Bild von ihr gesehen.

Ich sollte noch eine weitere Pflicht erwähnen, die mir auf Tournee mit Elvis oblag. Er sagte, ich sei der »beste Redner« der Gruppe – ein Titel, der neben Gene Smith und Arthur Hooton nicht schwer zu verteidigen war. Als bester Redner jedoch musste ich auf Elvis’ Wunsch hin in der Pause ins Publikum gehen, die hübschesten Mädchen ausfindig machen und sie zu einer Party in unserem Hotel einladen.

Das war ein Teil meines Jobs, den ich in vollen Zügen genoss. Abend für Abend war es das gleiche Spiel: Ich ging auf eine Gruppe hübscher Mädchen zu und sagte, »Na, wie geht’s?« Sie sahen mich an, als wäre ich verrückt. »Ich gehöre zu Elvis Presley, und wir wollen nach der Show noch ein bisschen im Hotel feiern. Wenn ihr in der Empfangshalle auf mich wartet, nehme ich euch mit nach oben zur Party.« Sie hielten mich immer noch verrückt. Damals hatten wir noch nicht diese großen laminierten Backstage-Pässe, die man um den Hals trägt. Wir hatten nur ein kleines rotes oder goldenes Band, auf dem »Elvis Presley Show« stand und das man an Hemd oder Jackett befestigte. Ich zeigte den Mädchen mein Band und sagte: »Augenblick noch – schaut mal her. Ich gehöre zu Elvis Presley.«

Die übliche Antwort lautete: »Jeder könnte sich so was besorgen. Hau ab!«

Dann griff ich auf meine Geheimwaffe zurück. Ich zog meine Brieftasche und nahm ein paar Fotos heraus, die Elvis und mich gemeinsam zeigten.

»Na gut, dann seht euch das mal an.«

Dann sagten die hübschen Mädchen: »Mensch, das bist ja du. Mit Elvis!!«

»Genau. Wie ich schon sagte – kommt nach dem Konzert ins Hotel, und ich hole euch dann in der Empfangshalle ab.«

Abend für Abend warteten diese hübschen Mädchen auf mich in der Hotellobby. Ich führte sie hinauf zu Elvis’ Zimmer. Dort stieg dann die Party – jene Art von Party, bei der es meistens ein wenig wilder und ausschweifender zuging. Wir tranken nicht nur Pepsi und sangen gemeinsam Lieder …

Selbst unterwegs dachten wir oft an Mädchen. Ich erinnere mich noch an eine Zugfahrt, bei der unser Schlafwagenabteil neben dem einer sehr attraktiven Frau lag. Die Abteile in diesem Zug waren durch bewegliche Wände voneinander getrennt, so dass zwischen dem Fußboden und der Wand ein guter Zentimeter Platz war. Der gute alte Cousin Gene kam auf eine, wie er dachte, ganz schlaue Idee: Er nahm ein Buttermesser, polierte es, hielt es in einem bestimmten Winkel unter den schmalen Spalt und behauptete, er könne der Frau nun beim An- und Ausziehen zusehen. Also lagen wir schließlich alle auf dem Boden unseres kleinen Schlafabteils. Ehrlich gesagt, konnte ich überhaupt nichts sehen. Aber ich versuchte es, und Elvis ebenfalls.

»Kannst du was sehen, Cuz?«, fragte Gene, als Elvis sein Glück versuchte.

»Ich sehe ein Buttermesser«, sagte Elvis.

Das letzte Konzert der Tour fand in Philadelphia statt. Dort wurde Elvis zu einer Art unfreiwilliger Zielscheibe. Während des Auftritts wollte er gerade »Don’t Be Cruel« anstimmen, als ein Kerl in einem Trenchcoat ein Ei auf die Bühne warf. Das Ei verfehlte Elvis zwar, traf stattdessen aber die Gitarrensaiten von Scotty Moore und erzeugte durch seinen Verstärker einen äußerst komischen Klang. Der Eierwerfer machte kehrt und versuchte davonzulaufen, kam aber nicht besonders weit: Die jungen Mädchen im Publikum schlugen ihn mit Handtaschen und Fäusten und allem, was ihnen gerade in die Finger kam.

Am folgenden Tag erfuhren wir, dass der Eierwerfer ein College-Schüler war, der kurz vor dem Rauswurf durch die Schulleitung stand. Außerdem wollte auch die Polizei Anklage gegen ihn erheben. Beide Stellen fragten Elvis, wie er vorgehen wolle.

»Das ist nur so ein verdammter College-Halbstarker«, sagte er zu uns. »Der Junge wollte der Kerl sein, der ein Ei auf Elvis Presley wirft. Da werde ich keine Anklage erheben.«

Obendrein wies er den Colonel an, mit der College-Leitung zu reden, denn er wollte nicht, dass man den Jungen der Schule verwies. Wieder einmal war ich verblüfft, wie es Elvis fast immer gelang, höflich und fair zu bleiben – ganz egal, was auf ihn zukam, und seien es Eier.

Freilich schlummerte unter der Oberfläche ein leicht reizbarer Charakter. Als wir nach der Tournee wieder zurück in Memphis waren und ein wenig Zeit hatten, bis Elvis wieder nach Hollywood abreiste, bekam er Besuch von Yvonne Lime, einem Starlet, mit dem er sich während der Dreharbeiten zu Loving You getroffen hatte. Elvis wollte sie ein bisschen in Memphis herumführen und einen Abstecher nach Graceland machen, das von den Presleys gerade renoviert wurde. Eines Tages beschloss Elvis, Yvonne zu einem typischen Südstaaten-Freizeitsport mitzunehmen – auf die Schlangenjagd. Auch Arthur Hooton und ich waren mit von der Partie. Wir fuhren zu einem etwa 15 Meilen südlich von Graceland gelegenen See jenseits der Staatsgrenze zu Mississippi. Es war ein wunderschöner Frühlingstag, und wir hatten richtig viel Spaß. Elvis hatte ein Gewehr dabei und übernahm das Jagen allein, so dass Arthur und ich etwas Zeit mit Yvonne verbrachten. Bei unserem Spaziergang durch den dichten Wald, der den See umgab, verloren wir einander immer wieder aus den Augen. Irgendwann tauchte Arthur plötzlich hinter Yvonne auf und umarmte sie spielerisch. Sie erschrak, kreischte kurz auf und brach dann in schallendes Gelächter aus. Arthur hatte jedoch nicht gesehen, dass sich Elvis ihnen von hinten genähert hatte.

Auf einmal hatte Elvis seine Waffe an Arthurs Kopf und sagte: »Wenn du das noch einmal machst, blase ich dir deine verdammte Birne weg!«

Ich hatte ihn noch nie so reden hören, nicht mit jemandem, den er gut kannte. Arthur war ein gutherziger Kerl und hatte sich bei der kleinen Umarmung nichts gedacht. Auf gar keinen Fall wollte er Elvis’ Mädchen ernsthaft den Hof machen.

»Elvis …«, begann ich und versuchte, die Lage zu entschärfen.

»Halt den Mund«, knurrte er.

Ich stand da und scharrte mit den Füßen, Yvonne war sprachlos, und Arthur begann sich so heftig zu entschuldigen, dass er den Tränen nahe war. Schließlich ließ Elvis von ihm ab und senkte die Waffe, doch seine gute Laune kehrte nicht mehr zurück. Der Rest des Tages war höchst unerfreulich, und der Weg zurück nach Memphis erschien unerträglich lang.

Das war das erste Mal, dass ich Elvis in wirklich schlechter Stimmung erlebte. Ich glaube, es traf mich hart, weil ich so viel Zeit mit ihm verbracht und gesehen hatte, wie er Erstaunliches leistete und viele verrückte Situationen mit Bravour meisterte. Nun tat er etwas Niederträchtiges, das nur bewies, dass auch er ein ganz normaler Mensch war, aber für mich war es wie ein Schock. Es gab keine Entschuldigung dafür, Arthur derart Angst einzujagen. Ich stellte fest, dass wir Elvis zwar als außergewöhnlichen Menschen betrachteten, er sich selbst jedoch nicht so sah. Er liebte den Ruhm und das Geld, die ihm seine Karriere einbrachten. Aber tief in seinem Innern war er immer noch der Typ, der von den anderen, beliebteren Jungs an der Humes High gehänselt worden war.

Ein paar Monate später war ich an einem Abend im April wieder am Audubon Drive. Es war kurz vor unserer Abreise nach Kalifornien, wo Elvis mit den Dreharbeiten zu seinem nächsten Film beginnen wollte, der den Arbeitstitel Jailhouse Kid trug. An jenem Abend bekam Elvis Besuch von Freddy Bienstock, seinem Verbindungsmann zum Musikverlag Hill and Range, welcher Elvis regelmäßig mit neuen Songs für seine Aufnahmen versorgte. Freddy hatte einen Stapel Azetatplatten mit Demo-Songs dabei, die möglicherweise in dem neuen Film Verwendung finden könnten. Später erfuhr ich, dass die Produzenten die Stellen in Elvis’ Filmskripts kennzeichneten, an denen Songs platziert werden sollten. Die Skripts wurden dann an eine Reihe von Songschreibern verschickt, die sich etwas auszudenken versuchten, das zu den Szenen passte und für Elvis geeignet war. Unter anderem hatte Freddy Demos mit verschiedenen Versionen der heißesten Rock’n’Roll-Nummer des gesamten Films dabei: »Jailhouse Rock«.

 

Ich saß mit Elvis zusammen, während er einige der Demos auf seinem Plattenspieler anhörte. Bei den ersten paar Songs nickte er zwar, doch nichts davon begeisterte ihn wirklich. Dann legte er eine Platte mit einer Nummer von Mike Stoller und Jerry Leiber auf, zwei der gefragtesten jungen Songschreiber der damaligen Zeit. Selbst als Demoversion riss uns der Song vom Hocker.

»Verdammt, Elvis«, sagte ich. »Little Richard würde seinen rechten Arm für so etwas geben.«

»Ja, aber er kriegt es nicht«, sagte Elvis. »Ich werde das Ding aufnehmen.«

Während Elvis’ Tournee war für Kameradschaft nicht viel Zeit geblieben. Doch als Elvis, Gene, Arthur und ich an der Central Station in Memphis den Zug Richtung Westküste bestiegen, war das eine völlig andere Sache. Der Trip sollte drei volle Tage dauern. Diesmal ließ Elvis mich an Stelle von Gene in seinem Abteil reisen. Er hatte eine ganz besondere Aufgabe für mich im Sinn – er wollte gemeinsam mit mir an seinem Skript zu Jailhouse Kid arbeiten.

Es ist wichtig zu erwähnen, wie hart Elvis an allem arbeitete, auch an seinem Profil als Schauspieler. Er war als Star bekannt genug, dass man es ihm verziehen hätte, wenn er faul oder schwierig gewesen wäre, und ich glaube, dass Hollywood zunächst auch nichts anderes von ihm erwartete. Doch von Beginn der Dreharbeiten zu Love Me Tender an achtete Elvis stets darauf, dass er sein Skript in- und auswendig kannte. Er erschien immer pünktlich und gut vorbereitet am Set.

Als die Reise begann, las ich Elvis also die Texte sämtlicher anderer Figuren in dem Film vor, damit er seinen Part lernen konnte. (Als ich entdeckte, dass es in dem Film auch die Rolle eines Diskjockeys gab, dachte ich, dass ich sie übernehmen könnte, doch die Rolle ging schließlich an den Schauspieler Dean Jones.) Es war das erste Mal seit längerer Zeit, dass ich allein mit Elvis Zeit verbrachte. Wir saßen uns in dem engen Schlafwagenabteil gegenüber und arbeiteten an dem Skript. Wenn wir fertig waren, entspannte sich Elvis und unterhielt sich mit mir auf einer viel persönlicheren Ebene als bisher. In nur wenigen Jahren hatte sich in seinem Leben so viel verändert, dass er wahrscheinlich einfach froh war, mit jemandem, dem er vertrauen konnte, offen über dieses und jenes zu sprechen.

»Weißt du, warum ich meine Haare färbe, GK?«, fragte er, als er das Skript weglegte.

»Warum, Elvis?«

»Die blonden Typen machen es in Hollywood nicht lange«, sagte er. »Die Kerle mit dunklem Haar und dunklerem Aussehen – Clark Gable, Tony Curtis, Brando – haben bessere Karrierechancen.«

Elvis erzählte mir, dass man in der Maske bei Paramount sein Haar gefärbt hatte, um seine blauen Augen besser zur Geltung zu bringen. Er hatte um einen möglichst dunklen Ton gebeten, und war mit dem Ergebnis so zufrieden gewesen, dass er diesen Look nicht nur auf der Leinwand beibehielt – er begann, sein Haar nun regelmäßig zu färben.

Am zweiten Abend der Reise ging ich mit Elvis wieder das Skript durch. Wir gelangten zu einer der Schlüsselszenen zwischen Elvis’ Rolle, Vince Everett, und Vinces ehemaligem Knastkumpel und jetzigem Rivalen Hunk Houghton, im Film dargestellt von Mickey Shaughnessy. Ich hatte gerade eine von Hunks heftigeren Passagen gelesen und wartete auf Elvis’ Antwort. Er blickte jedoch nur aus dem Zugfenster, wo die Lichter an uns vorbeirasten, und ließ langsam sein Manuskript sinken.

»Ich frage mich, was sie jetzt wohl denken, GK«, sagte er leise.

»Wer, Elvis?«

»Die ganzen Typen, die mich abgelehnt haben und mir weismachen wollten, ich tauge zu gar nichts. Diese ganzen Leute, die immer sagten, ich hätte es nicht drauf und würde nie etwas aus mir machen.«

»Du hast eine ganze Menge durchstehen müssen, bevor du dorthin gelangt bist, wo du jetzt bist, Elvis.«

Er blickte mich mit einem dünnen Lächeln durchdringend an. »Eddie Bond, Mann. Eddie Bond.«

Bond war ein Country-Diskjockey aus Memphis, der nebenberuflich in einer Country-Band spielte. Im Jahre 1954 hatte seine Band einen Sänger gesucht, und Elvis hatte sich um den Posten beworben.

»Er sagte zu mir: ›Du bringst es einfach nicht‹«, sagte Elvis. »Hat mir fast das Herz gebrochen.«

Elvis fuhr fort und erzählte, wie er mit Scotty und Bill in der Grand Ole Opry aufgetreten war. Er hatte sich dieses Konzert so sehr gewünscht, dass Sam Phillips ihm schließlich geholfen hatte, den Auftritt zu organisieren. Sie spielten »Blue Moon Of Kentucky«, und das Publikum applaudierte höflich. Hinterher teilte Jim Denny, der langjährige Talentmanager der Opry, Elvis mit, er glaube einfach nicht, dass Elvis der richtige Künstler für diese legendäre Bühne sei.

»Der gleiche Dreck«, sagte Elvis. »Er sagte, ich solle lieber weiter Laster fahren. Und wir dachten schon, wir seien auf einem guten Weg. Das hat mich ganz schön umgehauen.«

Er erzählte mir von einem entmutigenden Vorspiel für die Fernsehshow von Arthur Godfrey – einer Sendung, die 1955 ein echtes Karrieresprungbrett war. Dort hatte man über ihn und die Band nur gekichert, und sie hatten Godfrey nicht einmal persönlich getroffen. Man sagte Elvis, er solle nicht auf einen Anruf warten; falls er es in die Sendung geschafft habe, werde ein Brief geschickt. Elvis sagte, er sei einen Monat lang jedes Mal wütend und traurig geworden, wenn die Post kam und keine Nachricht von der Show für ihn dabei war.

Wir redeten und redeten und redeten noch ein bisschen mehr. Elvis ließ uns von Gene und Arthur etwas zum Abendessen bringen, und wir redeten weiter. Ich berichtete ihm von den Höhen und Tiefen meiner Karriere beim Radio, erzählte ihm Geschichten von Dewey Phillips und noch einige sehr persönliche Dinge über mich selbst, die ich, soweit ich weiß, noch nie mit jemandem geteilt hatte. Er erzählte mir mehr und mehr darüber, was ihm alles widerfahren war – und das war keinesfalls nur negativ. So erfuhr ich, dass es nach einem seiner Auftritte in der Ed Sullivan Show an der Tür seiner Garderobe geklopft habe. Er öffnete, und dort stand ein sinnliches Starlet aus Europa, das ihn an Stellen küsste, wo er noch nie geküsst worden war.

»Ich weiß nicht, wie man das nennt, was sie tat«, sagte Elvis. »Aber ich wehrte mich nicht dagegen.«

Als wir uns wieder einer etwas ernsthafteren Diskussion über unsere Karrieren zuwandten, erzählte er mir, er sei besonders stolz darauf, dass er bei seinem Wechsel von Sun zu RCA seinen gemeinsam mit Sam Phillips entwickelten Stil verteidigt habe.

»Sam gab mir den besten Rat, den ich je bekam«, sagte Elvis. »Er sagte: ›Was immer du tust und wo immer du auch hingehst, lass sie nicht deinen Stil verändern.‹ Er sagte, wenn ich nach Nashville ginge, müsse ich mich vor den Country-Typen in Acht nehmen, weil sie meine Musik hassten und nichts mit mir anzufangen wüssten. Sam sagte: ›Lass dich von ihnen nicht in eine Country-Schublade stecken. Ich werde nicht da sein, und der Colonel wir nicht begreifen, wovon ich hier rede. Du musst deinen Stil schon selbst verteidigen.‹ Er hatte Recht.«

Elvis fuhr fort und erzählte, dass die Band bei der ersten Session in Nashville mit Chet Atkins zusammengearbeitet habe – einem legendären Country-Gitarristen, der auch als Plattenproduzent tätig war. Als sich die Band aufgewärmt hatte und die erste Nummer anstimmte, wandte sich Chet Atkins an Scotty Moore und gab ihm ein paar freundliche Tipps zu seinem Gitarrenspiel. Scotty fühlte sich geschmeichelt, weil ihm »Mr. Guitar« sozusagen eine Privatstunde gab. Atkins Tipps waren bestimmt gut, aber Elvis erinnerte sich an das, was Sam ihm eingebläut hatte.

»Ich dachte nur: ›Scheiße, da ist sie schon, die Schublade.‹ Ich musste meinen ganzen Mut zusammennehmen, aber ich tat es.«

»Was denn, Elvis?«

»Ich ging hin zu ihm und sagte: ›Herr Atkins, wir schätzen Ihren Rat, aber wir haben unseren eigenen Stil, und daher wäre es mir lieber, wenn Sie unserem Gitarristen nicht sagten, wie er spielen soll.‹«

»Was geschah dann?«

»Nun, ich weiß, dass Atkins ein bisschen eingeschnappt war, weil ich sah, wie sich die Haare in seinem Nacken aufstellten«, lachte Elvis. »Aber ich musste es tun. Ich musste mich wehren. Es fiel mir nicht unbedingt leicht, aber ich musste es einfach tun. Meine Karriere stand auf dem Spiel.«

»Hast du Chet Atkins seither wiedergesehen?

»Ja, aber wir reden nicht viel miteinander«, antwortete Elvis. »Wir nicken uns meistens nur zu.«

Elvis und ich unterhielten uns die ganze Nacht hindurch. Ich erinnere mich noch, dass er mir sagte, er hasse Streicher auf Rock’n’Roll-Platten und sei nicht gerade glücklich darüber, dass Marty Robbins »That’s All Right« aufnahm, nachdem er es ihm in der Garderobe der Grand Ole Opry beigebracht habe. Er sprach über seine Liebe zur Gospelmusik, und wir tauschten Erinnerungen an die Tage auf den Memphis Fairgrounds aus.

Irgendwann auf der Zugfahrt nach Hollywood ergab sich zwischen mir und Elvis eine neue Beziehungsebene. Ich hatte ihn stets als hoffnungsvollen Star betrachtet, mit dem ich zufällig befreundet war. Jetzt kam es mir umgekehrt vor: Der beste Freund, den ich je hatte, war zufällig Elvis Presley.


Ich hatte das Leben mit Elvis auf Tour schon als sehr angenehm empfunden, doch das Leben in Hollywood mit ihm war sogar noch süßer.

Wir wohnten im Luxushotel Beverly Wilshire – das für mich aussah wie die Erfüllung sämtlicher Hollywood-Träume, die einem in den Sinn kommen. Elvis war in der Präsidentensuite untergebracht – eine wunderschöne Zimmerflucht, die so groß war, dass wahrscheinlich ein paar von unseren Häusern im Norden von Memphis hineingepasst hätten. Ein langer Gang führte zu den Schlafzimmern von Elvis und Gene, während Arthur Hooton und ich die kleineren, aber ebenfalls üppig gestalteten Penthouse-Zimmer bezogen. (Wenn Elvis ausschlief, frühstückten Arthur und ich immer auf der Dachterrasse und fühlten uns wie die Könige der Welt.) Wir hatten kaum eingecheckt, da gesellte sich unser alter Dampfplauderer Cliff Gleaves wieder zu uns, der das dritte Schlafzimmer der Präsidentensuite nahm und uns Uneingeweihte laufend anfeuerte (»Hollywood! Elvis! M-G-M! Lasst es krachen, Jungs!«), was unsere Begeisterung darüber, wo wir gerade waren, sogar noch steigerte. Die Band warf einen Blick auf das Beverly Wilshire, entschied sich aber schnell, drüben im Hotel Knickerbocker im Zentrum von Hollywood abzusteigen. Der Colonel wohnte bei uns, in einem Zimmer ein paar Stockwerke tiefer.

Elvis’ erster Arbeitsschritt war die Aufnahme des Soundtracks zu seinem neuen Film. Die Songschreiber Jerry Leiber und Mike Stoller – die eine Reihe von Hits wie »Kansas City«, »Searchin’« und den Elvis-Knaller »Hound Dog« gelandet hatten – waren diesmal auch für die Musik im Film verantwortlich. Im Gegensatz zum üblichen Ablauf einer Elvis-Session waren die beiden Autoren während der Aufnahmen zugegen. Anfangs schien das Paar nicht gerade beigeistert darüber, mit Elvis zusammenzuarbeiten. Als sie aber einen Eindruck davon bekamen, wie hart er arbeiten konnte und wie gut er über gemeinsame Lieblingsmusiker – etwa Ray Charles oder Ruth Brown – Bescheid wusste, wurden Elvis, Leiber und Stoller zu einem unschlagbaren Team.

Das erste Stück war der Titelsong, den Leiber und Stoller geschrieben hatten: »Jailhouse Rock«. Der geplante Film trug immer noch den Arbeitstitel Jailhouse Kid, weil er sich von den schnell abgedrehten Rock’n’Roll-Filmchen abgrenzen sollte, die damals am Fließband produziert wurden: Rock, Pretty Baby; Don’t Knock The Rock; Rock, Rock, Rock und wie sie alle hießen. Als Elvis zu singen begann, was Leiber und Stoller da für ihn geschrieben hatten, war jedem Teilnehmer der Session und bald auch jedermann bei MGM schnell klar, dass dieser Song eine von Elvis’ Glanzleistungen war und das Zeug zu seinem nächsten Nummer-eins-Hit hatte (was sich bald bewahrheitete). Nach dem ersten Arbeitstag wurde der Titel Jailhouse Kid daher zugunsten von Jailhouse Rock verworfen. Ich bekam Gänsehaut, als ich zusah, wie Elvis bei der Nummer aus sich herausging, und fand, dass man in einen Rock’n’Roll-Song nicht mehr Energie und Erregung packen konnte, als Elvis in dieses Stück legte.

Am zweiten Aufnahmetag lief es hingegen nicht so locker. MGM wollte ein bisschen Zeit und Geld dadurch sparen, dass man Elvis statt in einem Tonstudio in einem firmeneigenen Filmstudio aufnehmen ließ. Obwohl Elvis diesem Arrangement zustimmte, war er damit nicht ganz zufrieden. Das Filmstudio war ein riesiger Raum, und Elvis hatte sich bei Aufnahmen in großen Räumen nie so recht wohl gefühlt. Er war ein Verfechter von Sam Phillips’ Credo, dass Rock’n’Roll in kleinen Räumlichkeiten aufgenommen werden sollte, weil emotionsgeladene Darbietungen einem dort leichterfielen. Zudem verstärkte der kompakte Klang enger Räume den Rhythmus und den Charakter der Musik. Elvis hatte »Jailhouse Rock« am ersten Tag unter Dach und Fach gebracht, doch am zweiten Morgen befand er, dass er sich erst ein wenig aufwärmen müsse, um für die Aufnahmen in Stimmung zu kommen. Also tat er, was er immer tat, wenn er sich aufwärmte – er saß am Klavier und spielte Gospelmelodien. Um 10 Uhr vormittags versammelte er dazu noch die Jordanaires um sich, und um 12 Uhr mittags sangen sie immer noch Spirituals. Als die Mittagspause ausgerufen wurde, war von dem neuen Soundtrack noch kein Ton aufgenommen.

 

Nach dem Essen ging Elvis schnurstracks wieder zum Klavier und begann, eine weitere Gospelnummer zu singen. Diesmal jedoch stimmten weder Gordon Stoker noch Hugh Jarrett oder die anderen Jordanaires mit ein – sie scharrten nur betreten mit den Füßen und schienen zu versuchen, sich so weit als möglich vom Klavier fernzuhalten. Das verwirrte Elvis, der ihnen zurief, sie sollten herüberkommen und mit ihm gemeinsam singen. Als Antwort scharrten sie noch ein bisschen mehr mit den Füßen.

»Komm her, Gordon, was ist denn los mit dir?«, fragte Elvis ein wenig scharf. »Willst du keine Spirituals mehr mit mir singen?«

Gordon ging zu ihm hin und sagte: »Kann ich ganz offen sein, Elvis?«

»Aber ja.«

»Die Studioleute haben uns angewiesen, keine Gospels mehr mit dir zu singen. Sie wollen, dass es endlich mit der Session vorangeht.«

»Waaas??«, brüllte Elvis und sah aus, als würde er gleich wild um sich schlagen. Er starrte in dem großen Raum herum, atmete tief durch und wandte sich dann wieder an seinen Begleitsänger. »Gordon, wer unterschreibt deinen Scheck – ich oder MGM?«

»Du, Elvis.«

»Also, dann komm mit deinen Jordanaires wieder her, und lass uns noch ein paar Gospels singen.«

Die Sänger und Sängerinnen gruppierten sich um das Klavier des Filmstudios und sangen in der Tat noch »ein paar« Gospels – volle vier Stunden lang. Als es 17 Uhr wurde und die Studios schlossen, war kein einziger neuer Song für Jailhouse Rock im Kasten.

Nach der Session stiegen Arthur, Gene, Cliff und ich gemeinsam mit Elvis in eine Limousine und fuhren zurück zum Beverly Wilshire. Wir unterhielten uns über die Hollywood-Schönheiten, die wir bereits erspäht hatten, doch Elvis sagte kein Wort.

Zurück in der Präsidentensuite ging Elvis schnurstracks in eines der Arbeitszimmer, einen im höfischen Stil dekorierten Raum mit Rauchglasfenstern, schön gerahmten Gemälden in Museumsqualität und einem riesigen gerahmten Spiegel, der allein fast eine ganze Wand einnahm. Außerdem befand sich in dem Zimmer noch ein kleiner Bumper-Pool-Billardtisch. Elvis nahm sich einen Queue und begann, Kugeln auf dem Billardtisch herumzustoßen. Er wechselte immer noch kein Wort mit uns. Dann stellte er die Kugeln für einen Kunststoß auf, den wir ihn zuvor schon hatten ausführen sehen – er konnte eine Kugel über eine andere hüpfen lassen und direkt im Loch versenken. Er bereitete den Stoß vor, spielte die Kugel aber härter als nötig – sie sprang über den Rand des Tisches, traf einen kleinen Rauchglas-Beistelltisch und zerschmetterte ihn.

Ein kollektives »Oh, Scheiße« entfuhr uns Zuschauern, doch Elvis lächelte nicht einmal. Stattdessen legte er eine weitere Kugel auf den Billardtisch. Diesmal zielte er mit voller Absicht auf ein Gemälde an der Wand. Er spielte den Ball noch härter, so dass dieser wie eine Rakete davonschoss und das Bild voll in der Mitte erwischte. Die Glasscheibe des Rahmens zersprang in tausend Stücke. Wir hofften alle immer noch, dass er bloß Spaß machte, also sagte ich: »Elvis, das Bild da drüben an der Wand hat mir noch nie gefallen – versuch mal, ob du das triffst.«

Ich hatte kaum aufgehört zu sprechen, da schoss er eine weitere Kugel in Richtung des Bildes, dessen Glas ebenfall zersprang. Einer der anderen Jungs deutete auf einen kleinen Spiegel, der wie eine Antiquität aussah.

Volltreffer. Das Ding ging zu Bruch.

Wir rannten hinaus auf den Gang, um nicht von herumfliegenden Glasscherben getroffen zu werden, und blickten zurück ins Zimmer, um unsere Zielvorschläge loszuwerden. Elvis wartete jedoch nicht auf Vorschläge. Er ging einfach um den Tisch herum, feuerte eine Kugel nach der anderen ab und zertrümmerte so ziemlich alles, was in dem Zimmer zerbrechlich war, darunter auch den wandgroßen Spiegel. Wiewohl wir das Geschehen gern als Dummerjungenstreich abgetan hätten, so war es doch offensichtlich, dass Elvis in ausgesprochen schlechter Stimmung war. Als ihm die Billardkugeln ausgingen, drehte er seinen Billardstock herum und begann damit wie mit einem Golfschläger auf die kleinen Prellböckchen auf dem Billardtisch einzuschlagen. Sie flogen davon wie Geschosse und zerbrachen überall im Zimmer die großen Fensterscheiben. Als sämtliche Prellböckchen abgeschlagen waren, warf Elvis den Queue weg, ergriff eine Kante des Billardtisches, kippte ihn um und trat auf ihn ein, bis auch er zerbrochen war. Dann stob er an uns vorbei und murmelte, er werde das Abendessen auf seinem Zimmer einnehmen.

Es war uns allen bekannt, dass Elvis recht launisch sein konnte, aber so etwas entsprach nun wirklich ganz und gar nicht seinem Charakter. Er selbst hatte uns das Versprechen abgenommen, nie die Hotelzimmer zu verwüsten, in denen wir untergebracht waren. Elvis und der Rock’n’Roll im Allgemeinen wurden von vielen Menschen bereits abschätzig betrachtet, und er wollte nichts tun, das dieses negative Image in irgendeiner Form bestätigen könnte.

Ich tat dann, was ich für das Vernünftigste hielt – ich rief den Colonel an. Ich teilte ihm mit, dass Elvis okay sei, er sich jedoch um etwas kümmern müsse, das eben vorgefallen sei. Sofort kam er zu unseren Zimmern hinauf. In seinem Gesicht war ein Ausdruck großer Sorge zu erkennen. Ich führte ihn in das verwüstete Arbeitszimmer und versuchte, so gut wie möglich zu beschreiben, was wir dort mit angesehen hatten.

»Also gut«, sagte er zu der versammelten Mannschaft. »Ich möchte, dass niemand über das spricht, was heute Abend hier passiert ist. Ich will, dass ihr eure ganzen Leintücher und Bettbezüge nehmt und sie über die Spiegel und Fenster und den Billardtisch hängt, und über alles, was sonst noch zerstört wurde. Deckt alles zu, und dann bleibt diesem Zimmer fern.«

»Was werden Sie tun, Colonel?«, fragte ich.

»Ich werde runtergehen und der Hotelleitung sagen, dass Ihr Jungs eine wilde Party gefeiert und das Zimmer verwüstet habt, und dass wir selbstverständlich für den gesamten Schaden aufkommen.«

Er machte kehrt und ging. Zu Elvis sagte er nie ein Wort darüber.

Ich weiß nicht mehr genau, ob Elvis sein Zimmer noch einmal verließ, bis einen Tag später die nächste Aufnahmesession anberaumt wurde. Wir wurden um 9 Uhr abgeholt. Auf der Fahrt ins Studio sagte Elvis immer noch kein Wort. Er betrat die Bühne des Filmstudios, setzte sich ans Klavier und begann Gospels zu singen. Ich glaube, ich sah, wie die Gesichter einiger MGM-Vertreter weiß wurden. Nach wenigen Songs aber war Elvis bereit. Er legte einen langen, harten Arbeitstag ein, an dem mehr oder weniger der gesamte Rest des Jailhouse-Soundtracks aufgenommen wurde.

Wenn ich heute an dieses Ereignis zurückdenke, erinnert es mich daran, wie kompromisslos Elvis damals war, wenn es um seine Musik ging. Er war bereit, alles zu tun, was man von ihm verlangte, doch wenn irgendwer oder irgendetwas seine Arbeit als Musiker störte, erwachte der wilde Tiger in ihm.

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