Loslassen ... und heilen

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9. „Heiler?“

Tut mir leid, falls ich Sie verwirre, doch immer, wenn ich das Wort „Heiler“ schreibe oder denke, möchte ich ein Fragezeichen dahintersetzen.

Es wurde so oft missbraucht und fehlinterpretiert, dass es eigentlich seine ursprüngliche Bedeutung verloren hat. Wir müssen unseren Sprachgebrauch klären, damit wir dasselbe meinen, wenn wir miteinander sprechen.

Es war einmal ein Mann, der liebte Schokolade über alles. Wie glücklich war er, als er einen Traumjob in einer Schokoladenfabrik bekam! An seinem zweiten Arbeitstag roch er die köchelnde Schokolade, in einem riesigen Kessel. Ahh! … Der Geruch! Ohh! … Die Farbe … mmmh!

Vielleicht, so dachte er, „könnte ich ein klein wenig probieren, wenn ich mich nur ein bisschen weiter vorbeuge.“ Dann nahm das Unheil seinen Lauf, er rutschte aus und schwupp!, flutschte er in die dicke, schwarze Masse.

Aus Todesangst fing er an zu schreien: „Feuer, Feuer!“

Seine Kollegen kamen angelaufen, fischten ihn heraus und fragten: „Wo ist das Feuer, wir haben kein Feuer gesehen?“

Da antwortete er: „Hättet ihr mich so schnell gerettet, wenn ich, Schokolade, Schokolade’ geschrien hätte?“

Wenn uns der Sprachgebrauch zwingt, „Heilen“ statt „Schokolade“ zu sagen, dann wissen wir zumindest in diesem Buch, dass wir etwas anderes als – nun ja, eben Heilen? meinen.

„Heilen?“ Mit diesem Wort wollen wir sehr vorsichtig umgehen.

Wenn es um die Ausübung von Heilen? geht, springen uns viele wichtige Fragen an.

Sind da überall Heiler? am Werk?

Im Laufe der Geschichte hat es immer Schamanen, Kräuterhexen, Medizinmänner, Magier gegeben und wie sie alle genannt wurden. Gemeinsam war ihnen, dass sie ihr ganzes Leben ihrer Kunst weihen und lernen mussten, um in ihrer Gesellschaft anerkannt zu werden. Das Recht zur Ausübung wurde meistens von einer Generation auf die nächste vererbt.

Es ist heute Mode und prestigeträchtig, sich als „Heiler“ zu bezeichnen. Dieser Titel verschafft hohes Ansehen, doch nur sehr wenigen Menschen ist bewusst, dass damit eine große Verantwortung einhergeht und eine ganz andere Lebensweise erforderlich ist.

Wenn wir wissen, dass die Natur uns schon mit einem Wiederherstellungsprogramm zur Selbstregeneration ausgestattet hat, dann können wir uns völlig entspannen und sicher sein, dass wir unsere eigenen Heiler sind.

Für die meisten Menschen ist das Schwierige an diesem Ansatz, dass er zu einfach erscheint.

Selbst wenn wir diesen Punkt akzeptieren, erfordert es immer noch viel Mut, über die rationale Bildung und Erziehung hinauszugehen, unter der die meisten von uns irgendwie gelitten haben.

Anfangs finden wir es sehr tröstlich, diese neue Philosophie anzunehmen, doch sie nützt uns erst, wenn sie zu unserer Lebensweise geworden ist.

Zum Glück ist der neue Weg so klar und förderlich, dass wir uns schon bald fragen, warum um alles in der Welt wir nicht schon viel früher davon gehört haben, vor all diesen dummen „Fehlern“ bei unseren Entscheidungen.

Obwohl meine Welt sich exponentiell erweiterte, war all dies für mich immer noch eher eine Unterbrechung als ein ernsthafter Kurswechsel. Jahrelang beschränkte sich mein Engagement auf die Lektüre von Büchern wie Die Möwe Jonathan, Bücher von Lobsang Rampa. Das bahnbrechende Buch PSI: Die wissenschaftliche Erforschung und praktische Nutzung übersinnlicher Kräfte des Geistes und der Seele im Ostblock – nur ein Echo auf mein zartes Interesse an allem Russischen.

In dieser Zeit entwarf ich Werbekampagnen; schrieb eine wöchentliche Film- oder Theaterkritik für eine größere Zeitung; ich unterrichtete an einer Schule für Film und Fernsehen und war absolut süchtig nach dem Adrenalinpegel, den man braucht, um Termine einzuhalten und Drehbücher zu schreiben.

Nein, nein, da war kein Blitzstrahl, doch als ich mich eines Morgens hinsetzte, um eine dringende Fernsehwerbung zu schreiben, war es auf einmal, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Kein Zweifel: Ich konnte einfach nicht mehr schreiben. Der Rhythmus der Tastatur hatte seine Anziehungskraft verloren.

Da wusste ich, es war an der Zeit, alles zu verkaufen, ein paar Habseligkeiten ins Auto zu packen und die 2 000 Meilen von Perth nach Sydney zu fahren. Bestimmungsort und Bestimmung völlig ungewiss.

Folgendes lohnt sich zu merken: Wenn wir aus den tiefen Furchen heraustreten, die wir aus Gewohnheit und Angst vor dem Loslassen, gezogen haben, ist die Hölle los!

Zum ersten Mal in meinem Leben ging mir das Geld aus und ich wurde nicht gerade höflich gebeten, aus der gemieteten Wohnung zu verschwinden. Ich lebte nun in meinem Auto; witzigerweise hatte ich diesen Nobelschlitten behalten; da saß ich nun mit meinem Hund ohne einen Cent Geld am Straßenrand und dachte über mein Schicksal nach. Natürlich befragte ich Gott dazu. Doch in einem etwas anderen Tonfall als Neale Donald Walsch [Autor der Gespräche mit Gott, Anm. d. Verlags].

In der Woche darauf ging ich in die öffentliche Badeanstalt, wusch mir die Haare und bewarb mich um eine Stelle. Sofort bot man mir einen Job als Direktor einer Filmgesellschaft an, für die ich erster Klasse im Land herumreiste, mögliche Kunden besuchte und zu wichtigen Geschäftsessen einlud.

Diesen Job behielt ich so lange, bis ich wieder eine Bleibe hatte, dann packte mich das vertraute Gefühl wieder. Ich sagte zu mir selbst: „He, ich bin ein Reisender in der ersten Klasse. Ich muss weiter.“

Damals gab es in Australien eine neue Regierung (Gott segne sie!), die mit ihrer Kunstförderung über jedes Ziel hinausschoss. Wer sich mit der Bezeichnung Kunstschaffender wohlfühlte, der entdeckte über kurz oder lang, was wir schönfärberisch den „inoffiziellen Zuschuss“ nannten.

In anderen Ländern heißt das eher Arbeitslosenunterstützung oder Sozialhilfe. Doch wir brauchten dieses indirekte Einkommen, es gab uns Raum für neue Ideen. Das funktionierte hervorragend. Die meisten australischen Filme aus dieser Zeit wurden mithilfe jener inoffiziellen Subvention geschrieben und gedreht.

Es spielte keine Rolle, dass ich am Ende der Woche nur zwanzig Cent in der Tasche hatte. Ich hatte eine unglaubliche Freiheit, widmete mich wieder dem Schreiben und legte ungezählte Kilometer auf meinem Lieblingsfahrrad zurück.

Schon bald probierte ich andere Lebensstile aus – als ob es nicht schon genügend Veränderungen in meinem Leben gegeben hätte!

10. Wie unser Schiff gelotst wird – der kosmische Plan

Zwar konnte ich mich noch gut an Nells Worte erinnern, doch jahrelang tat ich nichts dafür. Meine Werbe- und Filmfirma nahm meine Aufmerksamkeit sieben Tage in der Woche in Anspruch.

Damals praktizierten in den meisten Ländern nur Mitglieder der spiritistischen Freikirchen (Spiritualist Church) geistiges Heilen. Das fühlte sich besser an. Ich ging ab und an zu ihren Treffen.

Mir fiel nicht auf, dass ich bei diesen Treffen wahrgenommen wurde.

Doch nach den wenigen Besuchen fragte mich eine junge Dame, die ich kaum kannte, ob ich ihr ein „Healing“ geben könne.

Sie erzählte mir, dass ihre Schilddrüse nicht funktionierte und in der darauffolgenden Woche operativ entfernt werden sollte. Puh! Ich hatte und habe bis heute keine Ahnung davon, was eine Schilddrüse ist. Doch in meiner naiven Unwissenheit dachte ich mir: Wenn das Ding lediglich nicht funktioniert, aber nicht verdorben ist und zu stinken anfängt, kann man es dann nicht drinlassen?

Wie auch immer. Weil sie solche Angst hatte, verabredeten wir uns für den nächsten Tag bei mir zu Hause. Mir blieb keine Zeit für einen Rückzieher.

Bevor sie kam, stellte ich einen gewöhnlichen Küchenstuhl mit gerader Lehne mitten in mein Wohnzimmer. (Es war mir zu peinlich, ihr vorzuschlagen, sich hinzulegen, auch wenn das für sie viel bequemer gewesen wäre.)

Ich bat sie, ihre Augen zu schließen (– diesen Teil der Übung wusste ich immerhin schon) und wedelte irgendwie mit meinen Armen, um ihre Aura zu reinigen, … so dachte ich jedenfalls.

Ich trat einen Schritt zurück und wartete auf ein dankbares Seufzen. Sie bewegte sich nicht. Eine Minute. Zehn Minuten. Nichts. Funktioniert Heilung so? Ohne Ausbildung hatte ich keinen Lehrer, den ich hätte anrufen können. Ich hatte doch nur mit meinen Händen um sie herumgefuchtelt.

In mir stieg Panik hoch. Sie schien in einer Art Koma zu sein. Vielleicht in einer Trance. Rühr‘ sie nicht an!, sagte mir meine innere Stimme.

Sollte ich einen Krankenwagen rufen? Und wenn er kam? Was sollte ich den Sanitätern sagen? „Diese Dame, die ich nicht kenne, kam herein, setzte sich hin und bekam diesen Anfall …“?

Wenn die medizinische Wissenschaft sagt, es sei unmöglich, jemand auf diese Weise zu beeinflussen, kann ich dann für diese Tragödie verantwortlich gemacht werden?

Viel zu lange verharrte sie in diesem Zustand, doch plötzlich zuckte sie zusammen und riss ihre Augen auf, wie nach einem elektrischen Schlag. „Vielen, viiieeelen Dank!“, sagte sie. „Ich fühle mich sooo wohl!“

Ich mich nicht. Ich lotste sie rasch zur Tür, bevor noch mehr geschehen konnte. Wenn sie das noch einmal macht, dann aber bitte nicht in meiner Nähe!

Reichlich erschüttert (bei diesem Termin hatte ich nicht das Gefühl, ich hätte Geld verlangen sollen!), beschloss ich augenblicklich, dass meine Laufbahn als Heiler sich meiner Karriere als Filmdirektor genauso wie die Schilddrüse dieser Dame anschließen sollte: operativ entfernt – ohne jeden Widerspruch!

In der darauffolgenden Woche versteckte ich mich die meiste Zeit wie ein Verbrecher, aus Angst, der Sheriff käme mit einem Suchtrupp, würde sich gewaltsam Zutritt verschaffen und mich am nächsten Baum aufknüpfen.

 

Dann klingelte das Telefon. Sie rief an. Wieder geriet ich in Panik.

Wie freundlich sie klang: „Der Chirurg untersuchte mich vor der Operation noch ein letztes Mal“, sprudelte es aus ihr heraus. „Seiner Meinung nach muss es sich um eine Fehldiagnose gehandelt haben, meine Schilddrüse arbeitet sogar besser als normal für eine zweiunddreißigjährige Frau.“

Zurück ans Reißbrett, wie wir damals sagten. Ein neuer Anfang!

Mir entfuhr ein tiefer Seufzer der Erleichterung und Dankbarkeit, nicht nur ihr gegenüber für ihre Eingebung, ausgerechnet mich blutigen Anfänger auszusuchen, sondern meine Erleichterung und Dankbarkeit reichten weit hinaus in den Raum und in das Universum jenseits menschlicher Erkenntnis.

Was können wir aus dieser Geschichte lernen?

Es steht außer Frage: Falls das Prinzip je gewirkt hat, muss es im Rahmen eines unveränderlichen Naturgesetzes wirken. So sicher, wie sich die Schwerkraft nicht nach Lust und Laune des Schülers an- oder abschalten lässt. Oder nach der Fähigkeit des Anwenders.

In meinem Fall: Ich hatte keine richtige Ausbildung – nur den Wunsch, einem Menschen in Schwierigkeiten zu helfen.

In einem Zustand, in dem ich nicht wusste, was ich tat, war etwas Einschneidendes geschehen.

Ganz beiläufig hatte ich eine Wendung benutzt, die mir später sehr wichtig wurde, wann immer ich um Hilfe gebeten wurde: „Lassen Sie uns mal sehen, was wir tun können.“

Die Betonung liegt auf dem „Wir“. Das schiebt völlig zu Recht das Ego des „Heilers“ beiseite und fordert gleichzeitig den „Patienten“ auf, ein Stück Verantwortung für die Besserung des Zustands mit zu übernehmen. Das Wichtigste aber ist, dass diese Formulierung die momentane Erfahrung fühlbar macht und geschickt aufräumt mit der Erwartung eines einmaligen Wunders durch einen Wunderheiler.

Nachdem ich mich von dieser qualvollen Woche erholt hatte, willigte ich zaghaft ein, wenn andere kamen, um ihre eigene „Schilddrüsengeschichte“ zu erleben. Es ging nicht nur um körperliche Beschwerden, sondern auch um emotionale Verstimmungen, um Beziehungsgeschichten und Probleme wie Asthma oder Zusammenbrüche.

Nach und nach bekam ich immer mehr zu tun und war nicht länger auf die unwissentliche Hilfe der Regierung angewiesen.

Schon bald wurde ich „aus heiterem Himmel“, wie man so sagt, von Leuten eingeladen, die in Sydney eine Gruppe zur Information und Unterstützung für Krebskranke gründeten.

Das war ein riesiger Sprung für mich. Ich hatte nie einen Krebskranken gesehen. Wie sehen die aus?

Können sie sprechen, gehen, essen, überhaupt irgendetwas?

Mir war noch nicht klar, dass wahres Heilen die Krankheiten nicht unterteilt in „die schwierigen“ und die „leichten“. Behalten Sie das im Hinterkopf. Krebs wird als eine schlimme Krankheit dargestellt weil die Medizin solche Schwierigkeiten damit hat.

Sind Sie bereit für eine weitere Synchronizität oder Fügung, die ich erlebte?

Als ich die Gruppe das allererste Mal in Hunter’s Hill traf, stand ich am Empfang hinter einem Mann, dem die Krebsklinik in Bristol, England, eine Heilersitzung pro Woche gegen seinen inoperablen Gehirntumor verordnet hatte. Die Selbsthilfegruppe kenne keinen Heiler, erklärte die Dame an der Rezeption. Mit einem verlegenen Hüsteln trat ich näher und bot meine Hilfe an.

Bevor wir mit Davids erstaunlicher Geschichte fortfahren, möchte ich etwas abschweifen und erklären:

„Heilen“ ist eine ganz natürliche Erweiterung unseres Mitgefühls für andere.

Es gibt keinen Grund zu glauben, dass nur wenige Auserwählte heilen können. Mit diesem ganzen Buch möchte ich Ihnen zeigen, dass Sie selbst eine Menge tun können, um Ihr Leben sehr viel glücklicher zu gestalten, auch wenn Sie nicht Ihr ganzes Leben dem Heilen widmen wollen. – Verbinden Sie sich einfach mit dem natürlichsten aller Zustände: mit der Gesundheit.

Unser ganzes Leben lang sind wir irgendwie „Heiler“. So werden wir geboren. Unsere DNA besteht darauf!

Wir sollten alle unseren Tag beginnen mit der Wiederholung: „Khoroshooor … khoorooshooor …“

An Davids Geschichte wollen wir akzeptieren, dass sie nur ein Beispiel dafür ist, was immer und überall möglich ist.

Ich bin mir ziemlich sicher, David kam eher aus Verzweiflung zu mir als im Vertrauen auf meine beeindruckenden Fähigkeiten, er hatte nur noch wenige Möglichkeiten.

Seine Frau Barbara schien noch weniger beeindruckt: „Du fährst zweimal in der Woche 80 Kilometer, um diesen Menschen zu treffen! Du musst verrückt sein!“

Dennoch kam er ein drittes, ein viertes Mal. Beim fünften Besuch kam seine Frau mit. Ich vermutete, sie wollte mir die Hölle heißmachen.

Er saß ruhig da und schaute mürrisch drein. Dann blickte er mir fest in die Augen und sagte: „Clif, ich hatte vor zwei Tagen eine Computertomografie“, … dramatische Pause …, „und die Ärzte sagten: Da ist kein Tumor!“ Die beiden kugelten sich vor Lachen. Ich hatte Tränen in den Augen, so viel ist sicher.

David war kein junger Mann mehr und starb ein Jahr später an einer Lungenentzündung. Ich würde ja lieber sagen, er habe sie sich beim Skifahren zugezogen. Aber Sie wissen schon, dass es in Australien nicht so oft schneit.

Das war vor 24 Jahren; Barbara, die eine gute Freundin von mir wurde, heiratete wieder und wir sind seitdem in Kontakt, meist über E-Mails.

Meine Arbeit lief wirklich nicht immer glatt. Eine Zeit lang ritt ich auf der Welle des geistigen Heilens mit, das immer noch sehr populär ist. Diesen Weg fand ich damals ganz gut.

Geistiges Heilen ist zweifellos sehr wirkungsvoll, aber ich konnte all diese flüchtigen geistigen Helfer bei meiner Arbeit nicht spüren.

Um Tulip zu wissen war zwar sehr beruhigend, doch klaffte da immer noch eine Lücke zwischen dem vernünftigen Verstand und der Tatsache, dass ich solche überwältigenden Ereignisse erleben konnte.

Irgendwo in diesem Feld der Information entfaltete sich für mich ohne meine bewusste Zustimmung genau der Lernprozess, den ich brauchte und den ich verkraftete.

Nicht durch Zufall (ist das nicht eine nette, absolut treffende Wendung?) wurde ich dem Sozialarbeiter am St. George Hospital vorgestellt, der größten Krebsklinik von Sydney. Er organisierte Vorträge für mich und alle zwei Wochen traf ich die Selbsthilfegruppe im Krankenhaus, um zu helfen und ein paar Tränen zu trocknen.

Über diesen Kontakt wurde ich zu einem schwerkranken Mann gebeten, der das Haus nicht mehr verlassen konnte.

Ich hielt mich an die Methode, die sich als so erfolgreich bewährt hatte. Er sollte sich hinlegen, ich saß hinter seinem Kopf und ich schenkte ihm so viel Aufmerksamkeit, wie ich nur aufbringen konnte. Es tat sich nichts.

Mehr Energie geben!, sagte ich zu mir selbst. – Nichts passierte.

Plötzlich schoss mir ein fürchterlicher Gedanke durch den Kopf. Da ich oft ehrenamtlich arbeitete, hatte ich immer sehr wenig Geld. In meiner Eile, zu diesem Mann zu kommen, hatte ich in einer 20-Minuten-Zone geparkt. Das könnte 50 Dollar Bußgeld kosten …!

Können Sie sich diese Situation vorstellen? Ich kann mich nicht von der Stelle bewegen! Ich muss so lange bei diesem Mann bleiben, bis meiner Vorstellung von dem, was er braucht, Genüge getan ist.

Gehen oder bleiben? Gehen oder bleiben?

Da erschauerte er gleichsam unter meinen Händen. „Was war das, was ist da passiert?“, sagte, ja schrie er fast: „Das war so heiß, so heftig!“

Mir war fast danach, zurückzuschreien …: „Heureka! Ich hab‘s! Ich glaube, jetzt hab ich‘s.“ Blitzartig hatte ich verstanden, dass die lodernde Fackel einschlug, als ich meinen kleinen Verstand aus dem Weg geräumt und mich auf mein Problem konzentriert hatte!

Wenn Sie wirklich verstehen, was da geschehen war, können Sie das Buch an dieser Stelle zuklappen. Denn der ganze Rest des Buches handelt vom Weg des Loslassens, wie man dem unglaublichen Universum das Flugzeug überlässt.

Halt, einen Moment! Das mit dem Zuklappen habe ich so ernst nicht gemeint!

Wir sind miteinander zu einer bemerkenswerten Reise aufgebrochen. Bitte gehen Sie nicht während der Fahrt von Bord des Schiffs, springen Sie nicht aus unserem Flugzeug.

Stellen Sie sich vor, wie angstfrei unser Leben wäre, wenn wir es als Schiffsreise ansehen würden, etwa von London nach New York. Es gibt einen Kapitän und eine Besatzung, die diese Fahrt schon etliche Male gemacht haben und absolut kompetent sind, sodass wir uns keine Sorgen machen müssen.

Das Schiff fährt fahrplanmäßig von London nach New York – und wir können in der Zwischenzeit tanzen, an den Pokerautomaten spielen, Kinder zeugen, streiten, Affären haben und all die anderen Dinge tun, die in einem Menschenleben so möglich sind. Dann legt das Schiff in New York an.

Bevor Sie sich versehen, ist es Zeit, von Bord zu gehen (hoffentlich mit möglichst wenig angesammeltem Kram).

Bevor wir mit diesen tiefsinnigen und ernsten Gedanken über Bord fallen, kommt hier noch eine Lektion, die mir mein Leben in der Welt beschert hat. Sie handelt von einem Mönch in Burma.

11. Der burmesische Mönch

Es kam die Zeit, als ich mich von meiner Frau trennte – eine schmerzliche und verwirrende Übung im Loslassen. Wieder einmal musste ich zulassen, dass die Dinge in meinem Leben ihre eigene Gestalt annahmen.

Wieder allein, hatte ich den Raum, mich mit der alten Frage des freien Willens gründlich zu beschäftigen. An dieser Idee hängen gewöhnlich Menschen, die eine tiefe Angst davor haben, die Kontrolle zu verlieren – als ob wir sie je gehabt hätten. Vielleicht ist es das Gescheiteste, zu diesen akademischen Gedankenspielen zu sagen: Falls es einen freien Willen gibt, dann beschließe ich mithilfe meines freien Willens, ihn aufzugeben! Wie einfach ist es doch, die Freiheit vom Verstand zu entdecken!

Warum sind wir hier? Was ist der Sinn und Zweck meines Lebens? Von den christlichen Kirchen bekam ich immer noch keine Antworten, doch ich zögerte, mich in andere Philosophien zu stürzen – weil ich erwartete, mit meinen Fragen auf die gleiche Wand der Ablehnung zu stoßen. Als ob Fragenstellen gleichbedeutend wäre mit Ungläubigkeit.

Können Sie sich vorstellen, wie ich mich fühlte, als mich ein Freund in Sydney in einen buddhistischen Tempel mitnahm? Ich warf nur einen kurzen Blick auf die vielen goldenen Buddhas. Heidnische Idole!, dachte ich abschätzig und machte mich so schnell aus dem Staub wie Lance Armstrong bei der Tour de France.

Mein Problem war nur, dass ich mir gern die Finger verbrannte. Je häufiger ich zu hören bekomme, ich befinde mich auf dem Holzweg, desto hartnäckiger beharre ich auf meinem Standpunkt und halte aus Freude am Risiko daran fest.

Ich begann, mich in „verbotene“ Tempel und zu buddhistischen Vorträgen zu schleichen. Ja, ich las sogar Bücher wie As the Buddha said.

Es folgten zehntägige Schweige-Exerzitien weit draußen im australischen Busch, im zauberhaften Waldkloster Thai Wat.

Falls Sie sich einmal zu Tode erschrecken wollen, dann setzen Sie sich eine Nacht lang in den australischen Busch.

Da weinen sogar erwachsene Männer!

Im Gegensatz zum tropischen Regenwald oder der afrikanischen Savanne schläft der Busch tagsüber ganz ruhig; doch sobald der Abend kommt und die Nacht hereinbricht, sind unerklärliche Geräusche zu hören, die dem ungeübten Ohr unheimlich vorkommen.

Was da geschieht: Wenn die Temperaturen sinken, brechen riesige Rindenstücke von den Eukalyptusbäumen ab, fallen krachend durch die trockenen Äste zu Boden und erschüttern die nächtliche Stille.

Dann brauchen Sie unbedingt die buddhistische Technik zum Überwinden der Illusion von Angst: Sie sitzen still und stellen sich den Atem des Tigers vor, der knirschend Ihren Schädel zermalmt. Wer mit Tigern weniger Erfahrung hat, kann die gleiche Wirkung vielleicht beim Gedanken an den Zahnarztbohrer erzeugen.

Es wird noch etwas realistischer, wenn Sie mitten in einem dunklen Wald voller Giftschlangen, marodierender Beutelmäuse, wilder Dingos und sexuell hyperaktiver Kängurus sitzen.

Wer solche Tage in geistiger Gesundheit überlebt, ist bestens vorbereitet, gegenüber wütenden Arbeitgebern, Steuerprüfern und Bürokraten Ruhe und Gelassenheit zu bewahren und, falls erforderlich, auch angesichts von Schlangen, Krokodilen und Schwarzen Witwen (Spinnen).

 

Mir bot sich die Gelegenheit, nach Burma zu reisen. Damals gab es nur ein Sieben-Tage-Visum, deshalb reiste ich als Tourist; ich unternahm einen kurzen Abstecher nach Mandalay, eine Fahrt im Pferdefuhrwerk um die Tempel in Bagan und absolvierte den Pflichtbesuch der Schwegedon-Pagode (– das können Sie nachschauen!).

Über meine Erfahrungen in Burma könnte ich schon nach dem Kurzbesuch ein dickes Buch schreiben: Wunderbare Menschen, eine unglaubliche Geschichte, riesige Statuen, schreckliche Eisenbahnen …!

Gegen Ende meines Aufenthalts schlenderte ich durch die überfüllten Straßen von Rangun. Die meisten Europäer sind nun einmal größer als die Asiaten. Damit möchte ich sagen, dass ich bei meinen Spaziergängen durch die Straßen, in denen die Menschen herumwuselten, auf ein Meer wippender schwarzer Köpfe schaute.

Das tägliche Menschengewühl gleicht einer Horde, die nach dem Endspiel der Saison das Fußballstadion verlässt. Sie achten dann stärker auf Ihre Füße als auf Ihre Umgebung.

Als ich eines Tages so vor mich hinschlenderte, spürte ich plötzlich, wie sich mein Kopf zur Seite drehte. Es war ein seltsames Gefühl, ganz anders als alles, was ich je gespürt hatte: als würden sich meine Nackenmuskeln auf der rechten Seite zusammenziehen.

Ich widersetzte mich dieser Bewegung.

Nach drei oder vier Schritten war das Gefühl wieder da.

Ich würde ihm nicht nachgeben!

Dieses Mal war es drängender, eindringlicher.

Ich gab dem Druck schließlich nach.

Meine Augen suchten die Ursache dieses Rätsels auf der anderen Seite der ungepflegten Straße und trafen auf das Gesicht eines dünnen, bärtigen Mannes, der mich anstarrte.

Abgesehen von diesem dünnen Bärtchen (Burmesen haben keine Bärte) sah er ganz normal aus. Und da sein konventioneller Sarong (Kleidungsstück) etwas länger und schlichter war als üblich, hielt ich ihn für einen Mönch.

Als unsere Blicke einander begegneten, dröhnte es in meinem Kopf, als würde ein Jumbojet abheben.

Die Wirkung war dramatisch. Ich schwankte ein bisschen und blickte nach unten, damit ich niemanden trat. Im nächsten Moment schaute ich noch einmal hin und der Mönch war verschwunden.

Das Merkwürdigste daran war, alles fühlte sich so unglaublich normal an. Innerlich empfand ich eine leichte Wärme. Kein Klingeln in den Ohren, keine plötzliche Offenbarung, nur beim Gehen ein leichtes Straucheln.

Viel später wurde mir bewusst, dass dieser Mönch sein gesamtes Wissen in mein Bewusstsein „heruntergeladen“ haben musste. Von diesem Zeitpunkt an konnte ich alle möglichen philosophischen Fragen, die man mir stellte, ohne Zögern beantworten. Selbst Fragen zu Themen, über die ich nichts gelesen und mit denen ich mich nicht beschäftigt hatte.

Das ging von ihm aus, ich habe ihn nicht gesucht; verstehen Sie? Ich schlage Ihnen nicht vor, morgen nach Burma zu fliegen. Wahrscheinlich ist er nicht mehr da – falls er überhaupt je da war.

Man könnte also sagen, meinen größten Lehrer gab es nie!

Das Wort, nach dem wir hier suchen, heißt Übertragung.

Es ist eine nonverbale Kommunikation, die nicht nur erfahrene Lehrer, sondern wir alle in ihren einfachsten Formen praktizieren. So habe ich gelernt, meine Schüler zu unterrichten.

Es ist wie ein Aha-Erlebnis – Sie lauschen der komplizierten Erklärung eines Lehrers oder eines Freundes und schlagartig verstehen Sie: Aha!

Drücken wir es so aus: Wir Menschen erzeugen durch unser Denken so etwas wie „Radio“-Wellen und werden von allen Seiten damit bombardiert. Um die Antenne für den Empfang auszurichten, genügen etwas Übung, Aufgeschlossenheit und ganz viel gelassener Humor. Lachen beseitigt das Rauschen, das ein skeptischer Verstand hervorruft, und dann ist der Empfang besser als der von BBC bei schönem Wetter.

Falls Ihnen die Übertragung noch etwas unklar ist, dann fangen Sie erst einmal mit dem an, was ich „ansteckende Nähe“ nenne: Unsere emotionale Befindlichkeit überträgt sich nonverbal auf alle Menschen in unserer Nähe.

Das haben wir zweifellos alle schon erlebt: Gähnt jemand in der Nähe, dann schließen wir uns an, ob wir müde sind oder nicht.

Professionelle Komiker wissen das genau. Um das Publikum zum Lachen zu bringen, konzentrieren sie sich zuerst auf eine Person unter den Zuschauern. Den ersten Witz erzählen sie dieser Person direkt, die aus höflicher Verlegenheit lacht, ob sie den Witz kapiert oder nicht. Der Rest von uns stimmt ein.

→ Probieren Sie Folgendes: Wenn Ihre Partnerin oder Ihr Partner oder ein Arbeitskollege das nächste Mal wütend, durcheinander oder streitlustig ist, halten Sie inne und beobachten Sie, wie sich das auf Ihre eigene Stimmung auswirkt. Ist das nicht interessant?

Wenn ich gelassen bin, werden Sie auch gelassen. Wenn ich durcheinander bin, fühlen Sie sich auch so.

Der burmesische Mönch nutzte das gleiche Prinzip, zugegebenermaßen dem schläfrig Gähnenden weit überlegen! Sie können es im Alltag anwenden. Genau dieses Grundprinzip nutzen wir, wenn wir anderen als „Heiler“ helfen.

Sofern wir uns nicht gedankenlos von der Umgebung und den negativen Emotionen unserer Mitmenschen beeinflussen lassen, können wir anderen Hilfe übertragen, ohne dass auch nur ein Wort über unsere Lippen kommt. Glauben Sie es mir nicht und lehnen Sie es nicht ab, bevor Sie es selbst ausprobiert haben. Nur höfliche E-Mails werden beantwortet!

Wie für alle lohnenden Fertigkeiten bedarf es einiger Übung, bis Sie damit vertraut sind und es berufsmäßig anwenden können. So ist es auch hier. Anfangen können Sie jetzt auf der Stelle.

Das Rätsel lautet: Woher wusste der Mönch, dass ich bereit war, anzunehmen, was er in diesem Moment anbot? Wie kam es, dass ich genau im richtigen Augenblick genau dort war?

Im Zen heißt es, wenn der Schüler bereit ist, erscheint der Meister. Allerdings haben mir die Zen-Leute nie gesagt, dass der Lehrer sich auch manchmal körperlich vor meinen Augen in Luft auflösen kann!

Habe ich Sie eigentlich gewarnt, dass wir in diesem Buch miteinander manchem seltsamen Zauber begegnen werden?

Ach, und noch etwas, ich bin mir nicht sicher, ob ich das schon gesagt und genügend betont habe:

• Wenn irgendetwas jemals irgendwo im Universum passiert ist, dann muss das ein unveränderliches Naturgesetz sein. Und habe ich auch das gesagt? Manches bleibt gleich, egal, ob Sie im Dschungel am Amazonas sitzen oder in einem Raumschiff zum Mars gleiten, zum Beispiel: Zwei und zwei ist vier.

• Das zweite Gesetz lautet: Wenn irgendjemand etwas vollbringen kann, dann kann es jeder tun. Wir können das für Freunde anwenden, für Familienmitglieder, Haustiere und die geplagte Ozonschicht.

Für Ungläubige, die darauf bestehen, mit beiden Füßen auf dem Boden der Tatsachen stehen zu bleiben, gibt es nur Langeweile, kaltes Wetter und eine Gehirnlähmung.

Für alle, die wissen, dass die Sonne über den Wolken immer scheint, gibt es keine trüben Tage mehr.

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